Es gibt Dinge, die gibt es eigentlich gar nicht. Zum Beispiel den Brotschkenwald (Bročky). Man muss schon lange in der Literatur suchen, um nur wenige Informationen zu erhalten. In der Enzyklopädie 'Das Königreich Böhmen: Bd. 1; Leitmeritzer Kreis', 1833 heißt es:
'Das Nadelholz und Gestrüpp in den Klüften und Schluchten der das Dorf Sterndorf umgebenden Sandstein-Massen nehmen eine Fläche von 40 Joch 201 Kl. [Klafter] ein. Von hier aus zieht sich der 704 Joch 509 Kl. große Brotschkenwald, Fichten und Kiefern enthaltend, und in die drei Reviere Sterndorf, Skalken und Strann getheilt, von Nordosten nach Südwesten, bis zum Liebeschitzer Dorfe Skalken.'
Da weiß man wenigstens, wo man suchen muss.
Ferner erfährt man noch von Rudolf Kauschka, dass bei Stran (Stranné) am Rande des Brotschkenwaldes und bei Sterndorf (Hvězda) beachtliche Kletterfelsen zu finden sind und in der Kletterdatenbank von Jörg Brutscher wird darauf näher eingegangen. Die Felsen zwischen Sterndorf und Stran hatte ich bei einer früheren Tour bereits von weitem gesehen, aber nun soll dieses unbekannte Gelände einmal unmittelbar erkundet werden. Immerhin führt sogar ein blau markierter Wanderweg in den Brotschkenwald hinein, der sich allerdings alsbald wieder Richtung Gansweg (Husí cesta) verabschiedet. Von Sterndorf aus nehmen wir Kurs darauf.
Der Brotschkenwald erstreckt sich über ein Sandsteinplateau, welches nach Norden stark abfällt und von kleineren Tälern durchzogen ist. An den Seitenwänden der Täler und an der Nordflanke tritt der Sandstein hervor und bildet sehenswerte Wände oder Felsgebilde. Die Felsen hören auf so klangvolle Namen wie Marmolata, Eldorado, Minaret, Citadela. Den Leitmeritzer Turm bezeichnet Kauschka als 'die höchste und schönste Felsgestalt des Daubaer Berglandes, dem keiner unsrer Felsen an Höhe gleichkommt, ein wahrhaft königlicher Turm'. Das Plateau hier ist bewaldet, und so sieht man den Koloss nur zwischen den Bäumen hervortreten, in einiger Entfernung dahinter den Ronberg (Ronov).
Es ist schwül-heiß geworden an diesem Sommertag und schon das folgende Wegstück zwischen Stran und dem Ronberg in offenem Gelände lässt die Wanderlust einiger Mitstreiter ins Bodenlose fallen. Da wir den direkten Weg hinauf zur alten Ronburg von Süden her gewählt haben, verbessert sich die Laune nicht, weil der Pfad total mit Brennnesseln und Brombeergestrüpp verwachsen ist, weil Insektenschwärme bei dieser feucht-heißen Witterung offenbar gerne ihren Flugtag abhalten, weil wir gut in das Beuteschema der reichlich anzutreffenden Zecken passen und weil der endlich erreichte Forstweg total verschlammt ist. Mit List gelingt es dennoch, die Truppe bis zum finalen Einstieg in das Burggelände zu führen. Da gibt es kein Zurück.
Im Burghof lässt es sich zwischen den alten Gemäuern gut lagern und Naturburschen und Romantiker übernachten hier gerne und erfreuen sich an dem Sternenzelt, welches sich darüber ausbreitet. Siegfried Weiss schwärmt davon in seinem Buch 'Meine vertrauten Landschaften'. Die Sicht ist durch Bäume und Sträucher etwas eingeschränkt, aber der Blick über die Hohlener Teichlandschaft (Holanské rybníky) und die umgebenden Höhenzüge ist fantastisch.
Der Ausschank eines üppigen Quantums Rotwein hat dazu geführt, dass das Wandervolk die Sprache wiedergefunden hat und wie gehabt, fröhlich mit einander kommunizierend, den Abstieg über die herrlichen Sommerwiesen an der Nordseite des Berges vollbringt. Hier finden wir auch das Panorama, was am Gipfel des Ronbergs verborgen ist. Wir sehen auch die Häuser von Sterndorf, wo unsere Tour begann und wo wir sie bald beenden werden.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
Auf den
Kämmen und in den Tälern des Brotschkenwaldes
Das wird einmal ein stattlicherRiesenschirmpilz
Hier waren wir vor kurzem schon einmal (Christus am Kreuz bei Skalken)
Beim Meierhof Stran
Eingeschränkte Sicht heute auf dem Ronberg
Südlich liegt unterhalb der Ronburg der Ort Bleiswedel (Blíževedly)
Die Sommerwiesen, die sich an der Nord- und Ostflanke des Ronberg ausbreiten, sind idyllisch
Blick über die Hohlener Teiche zu den Mikenhaner Steinen und zum Kummergebirge
Letzte Grüße vom Ronberg