Seiten

Samstag, 26. Februar 2011

Essay: Samuels Höhle

Von den sieben Einsiedlern, die einst den Bürgstein (Sloup, bei Novy Bor / Haida - Nordböhmen) bewohnten, ist der Ziergärtner und Brillenschleifer Samuel Görner der Bekannteste. An ihn erinnert die Figur mit Fernrohr, die man auf dem vorderen Plateau des Bürgsteins (der auch Einsiedlerstein genannt wird) erkennen kann, wenn man von der vorbeiführenden Straße hinauf schaut. 


Wer war nun dieser Samuel Görner, von dem sich einige Spuren in der Schwojkaer Schweiz erhalten haben? Wir wissen nur, daß er gegen Ende des 18. Jahrhunderst in Bürgstein geboren wurde. Er stammte aus einer alten Glasmacherfamilie, die schon seit einigen Generationen in Bürgstein (Sloup) ansässig waren, und erlernte den Beruf eines Ziergärtners, den er im nahe gelegenen Schloß ausübte. Daneben beschäftigte er sich noch mit der Herstellung von Glaslinsen für Brillen und kleinen Fernrohren. Das ist alles an sich noch nichts Besonderes. Das eigentlich Bemerkenswerte ist seine Einsiedelei, die er in mühevoller Arbeit  aus einem nahegelegenen Sandsteinfelsen mit Hammer und Meisel herausgearbeitet hat, und die heute als „Samuels Höhle“ bekannt ist. Darin lebte er von 1718 bis 1735 als „Eremit“ um anschließend auf den Einsiedlerstein überzusiedeln.


Die Höhle ist relativ leicht zu finden, da der Weg dahin mittlerweile gut ausgeschildert ist. Ausgangspunkt ist der Parkplatz vor dem alten Schloß genau unterhalb des Einsiedlersteins. Von dort aus überqueren wir geradeaus die Hauptstraße bis nach einigen 100 Metern die Straße eine Linkskurve macht. Dort achten wir auf den Wegweise zur „Samuelova jeskyně“, wobei wir rechts abbiegen müssen. Bereits nach wenigen Dutzend Metern gelangen wir zu einer Informationstafel mit Einzelheiten zur Höhle, und von dort aus geht es in Serpentinen steil bergauf, wobei das Ziel nicht mehr zu verfehlen ist. Bereits auf halber Höhe ist links der mächtige Felsen zu erkennen, den sich einst Samuel Görner als Heimstatt und Eigenheim auserwählt hat.

Vor der „Höhle“, die ja eigentlich eine richtige kleine Wohnung war, befindet sich ein ebener Platz, von dem man sehr schön den Eingang und zwei Fenster sieht. Ursprünglich war davor sicher noch ein Holzbau, von dem aber nichts mehr erhalten geblieben ist. Die Höhle selbst besteht aus zwei großen, im Wesentlichen rechteckigen Räumen, wobei das „Wohnzimmer“ ungefähr 6.5 Meter lang und 2.5 Meter breit ist mit jeweils einem Fenster auf der West- und auf der Ostseite. Im Dämmerlicht kann man an einer Wand noch die Reste einer großen deutschen Inschrift erkennen, wobei deren Text auf einer neu angebrachten kleineren Metalltafel in Tschechisch und Deutsch wieder zugänglich gemacht wurde. Sie enthält im Wesentlichen eine kurze Zusammenfassung des Lebens Samuel Görners.

Der kleinere Vorraum, die „Küche“, ist etwa 2 x 2 Meter groß und nicht ganz so gleichmäßig aus dem Felsen herausgearbeitet als der Hauptraum. In sie führen die Reste einer Steintreppe.

Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie man in so einer Behausung (die man obendrein noch eigenhändig aus einem massiven Felsen heraus gemeiselt hat)  17 Jahre Leben konnte. Aber Einsiedler waren damals offensichtlich hart im Nehmen. Übrigens gibt es einen knappen halben Kilometer nordöstlich von dieser „Wohnhöhle“ noch eine weitere Höhle mit einem einzelnen Fenster, in welcher, so hat sich bis heute überliefert, Samuel Görner seine Linsen geschliffen haben soll. Sie wird deshalb auch Brillenmacherhöhle (Brejlařská jeskyně) genannt. 

1735 ist dann Samuel Görner auf den komfortableren Einsiedlerstein umgezogen, nachdem die dortige Einsiedelei durch den Tod ihres Bewohners frei geworden war. Dort lebte er bis 1742. In diesem Jahr versuchten die Preussen in den umgebenden Orten verstärkt mehr oder weniger freiwillig Soldaten für ihre Armee zu werben, weshalb er sich entschloß, nach Prag zu fliehen. Wie lange er dort gelebt hat, ist nicht mehr bekannt. Er kehrte aber, nach dem sich die Lage beruhigt hatte, auf den Bürgstein zurück, um sich hier wieder dem Brillenschleifen zu widmen.

Mit Beginn des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1756 machte er sich zu einer Wallfahrt nach Rom auf, die insgesamt vier Jahre dauerte. Da nach seiner Rückkehr im Jahre 1760 die Einsiedelei besetzt war, siedelte Samuel Görner auf den unweit gelegenen Langenauer Berg um, auf dem bereits seit 1732 eine Einsiedelei bestand. Später zog er auf den Heiligen Berg bei Příbram in eine unbesetzte Einsiedlerhütte, wo man ihm um das Geld, das ihm Wallfahrer anvertraut hatten, beraubte und ihn ermordete. 

Samuels Höhle ist schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine lokale Touristenattraktion. Der Vorplatz wurde hergerichtet, mit einem Geländer versehen und auch die Eingangstreppe erneuert. Außerdem hat man auf dem Felsen, der ursprünglich „Spitziger Stein“ hieß,  einen Aussichtspunkt eingerichtet, der über in den Fels ausgehauene Stufen und eisernen Treppen erreichbar ist. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf den Wachstein (Na Stráži, links), wo sich bis Ende der Neunziger Jahre noch eine ehemalige Ausflugsgaststätte befand (die aber abgebrannt ist), und natürlich auf den Einsiedlerstein selbst.  

Ein ähnlich schöner Aussichtspunkt mit einem Blick auf den Zentralteil des Ortes Bürgstein mit seiner ansehnlichen Kirche und dem Kinsky-Schloß befindet sich auch auf dem Bergrücken links der Höhle. Es lohnt sich auf jedem Fall, auch dorthin einmal einen Abstecher zu machen.


Blick auf Bürgstein mit dem „Neuen“ Kinsky-Schloß und der renovierten Kirche.



1 Kommentar:

  1. Ein Restaurant auf dem Wachstein gibt es wieder (war aber letzes Jahr im August geschlossen). Aber der Turm lohnt sich immer, in dem kleinen "Bistro" bekommt man einen kleinen Imbiss und diverse Getränke recht preiswert.

    AntwortenLöschen