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Samstag, 3. September 2011

Essay: Bürgerdialog "Energietechnologien für die Zukunft" - ein Schuß in den Ofen ?

Quelle http://www.wattenrat.de

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat - um eine "Bürgerbeteiligung" an der von unserer CDU / FDP-Regierung ad hoc beschlossenen "Energiewende" zu ermöglichen, unter nicht unerheblichen Einsatz von Steuermitteln einen "Bürgerdialog" ins Leben gerufen, um "Volkes Meinung" zu diesem uns allen angehenden Thema einzuholen. Er ist über diese Internetadresse 

http://www.buergerdialog-bmbf.de/energietechnologien-fuer-die-zukunft/index.php

für jedermann erreichbar. In der Präambel wird das Ziel diese Dialoges, der unter "Zukunftstechnologien" firmiert, wie folgt formuliert: 

"Das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Gesetzespaket zum Thema Energie beinhaltet nicht nur den Ausstieg aus der Atomenergie bis spätestens zum Jahr 2022, sondern auch den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050. Auf dem Weg dorthin müssen noch viele Fragen geklärt werden, über die wir mit Ihnen diskutieren wollen". 

Das ist eine an sich sehr löbliche und der Demokratie im Lande durchaus förderliche Vorgehensweise:  Das Ziel steht unverrückbar fest, jetzt wollen wir mal schauen, was wir alles machen müssen, damit es erreicht wird. 

Das es geht, hat ja bereits die Ethikkommission beschlossen und auch das "Wie" hat in den Grundzügen die Regierung par ordre de mufti  festgelegt: mindestens Verdoppelung der Zahl der Windkraftanlagen in D;  massiver Netzausbau, neue Speicher für Elektroenergie; mehr Kohle- und Gaskraftwerke, natürlich mit CO2-Abscheidung wegen dem Klimaschutz; "Windgas"; "Biogas" aus Raps und Mais; und natürlich, nicht zu vergessen, auf jedes Dach und auf jede Brache eine Photovoltaikanlage. Und zur Beruhigung für schlichte Gemüter noch die Losung "Wind und Sonne schicken keine Rechnung" (*)
(* aber nach meiner Erfahrung die örtliche Energieversorgung). 

Nun ja, nun will das BMBF offensichtlich erforschen, wie groß die Akzeptanz dieser in wenigen Monaten durchgepeitschten Gesetze in der Bevölkerung ist (man behauptet ja, das ungefähr 80% der deutschen Bevölkerung für den totalen Atomausstieg ist, wie in einem Beitrag im Expertenblog des Bürgerdialogs zu lesen war, ohne daß m.E. diese Zahl nachvollziehbar belegt ist). Am Ende soll offensichtlich ein Meinungsbild entstehen, das der Regierung zur Kenntnis gebracht werden soll und möglichst deren Vorgehensweise nachträglich gutheißt (die "Ethik-Kommission läßt grüßen). 

Das Thema Energie und Energieversorgung (maßgeblich in Form elektrischer Energie) ist in technischer Hinsicht überaus komplex (Stichworte Energieerzeugung, Verteilungsnetze, Netzstabilität, Ausfallsicherheit, Netzverbünde, Lastverteilung, Grundlastsicherheit etc. pp.) und hochgradig gesellschaftlich relevant, da mittlerweile das Funktionieren jeder industrialisierten Nation von der stetigen, d.h. ununterbrochenen Verfügbarkeit elektrischer Energie abhängt. Ein Umbau der Energieversorgung eines Landes (hier in Bezug auf sogenannte "erneuerbare" (richtiger regenerative) Energien) muß deshalb in jeder Phase eine stabile (und natürlich bezahlbare) Versorgung garantieren. Fehler (die sich z.B. in lokalen oder, viel schlimmer, in regionalen Blackouts äußern können), dürfen dabei einfach nicht gemacht werden. Eine solche Art von Energieversorgung hat Deutschland in Verbund mit seinen europäischen Nachbarn bis zum "Atommoratorium" (14. März 2011) besessen. Vereinzelte Wortmeldungen aus der für die Netzstabilität verantwortliche Netzagentur (die komischerweise keine breite Presse bekommen haben) lassen aber vermuten, daß das schon heute, zumindest unter gewissen Bedingungen, nicht mehr der Fall ist. 

Da man i.A. davon ausgehen muß, daß der normale Bürger, der ja seinen Strom aus der Steckdose bezieht, von den technischen Hintergründen einer stabilen Energieversorgung nur wenig Kenntnis hat (was ja auch OK ist), könnte man meinen, daß die damit im Zusammenhang stehenden Fragen eigentlich von Experten (d.h. in technischer Hinsicht von Ingenieuren und event. Naturwissenschaftlern, die auf diesem Gebiet arbeiten; in ökonomischer Hinsicht von Wirtschaftswissenschaftlern, die in der Lage sind, Projekte anhand ihrer Kostenstruktur und ihrer gesellschaftlichen Relevanz einzuschätzen) zu bearbeiten sind. Die Politik sollte eigentlich erst am Ende der Kette stehen, wenn die Machbarkeit so weit klar ist, daß eine verantwortbare Entscheidung über deren Realisierung möglich geworden ist. In Bezug auf die nun beschlossene "Energiewende" fällt einen dazu leider nur noch der Spruch ein "Sollen Träume Schäume sein? - Das geht in meinen Kopf nicht rein". Und so ist wahrscheinlich der Bürgerdialog zu verstehen. Der "Bürger" soll möglichst seine (positive) Einstellung zur Energiewende unter den Punkten

  • Speicher und Netze
  • Brückentechnologien
  • Erneuerbare Energien
  • Energieeffizienz

zur Kenntnis geben und zugleich (in der zweiten Phase des Dialogs) eigene "Lösungsvorschläge" einreichen. Da sich doch eine ganze Menge "Bürger" beteiligen und sich die sicherlich vorhandene Zensur der Beiträge in Grenzen hält (d.h. soweit sich nicht irgendwie ein positiv auslegbarer Begriff, der mit "Kern" oder "Atom" beginnt, in einen Kommentar eingeschlichen hat, siehe Rubrik "Lob & Kritik"), ergibt sich ein ganz interessantes Stimmungsbild (es lohnt sich, die Kommentare und noch mehr die "Kommentare" zu den Kommentaren durchzulesen). Auf dem Blog Science-Skeptical gibt es in diesem Zusammenhang eine Auswertung von Peter Heller, die zeigt, daß es mit der "gesellschaftlichen Akzeptanz"  der "Neuen Energien" nicht weit her sein kann:

http://www.science-skeptical.de/blog/auswertung-des-burgerdialogs-phase-1-energiewende-wird-abgelehnt/005443/

Das, was in dieser Auswertung mit Zahlen belegt ist, entspricht auch genau meinem Gefühl, welches sich nach eingehendem Studium der im Bürgerdialog veröffentlichten Meinungen bei mir eingestellt hat. Die Energiewende wurde beschlossen, ohne daß deren technische Realisierbarkeit in irgendeiner Weise gesichert ist. Es wird sehr interessant werden, ob sich die gleiche Tendenz, wie sie der Auswertung von Peter Heller zu entnehmen ist, auch im veröffentlichten Abschlußbericht zum Bürgerdialog wiederfinden wird. Wenn es das "Ziel" des Bürgerdialogs gewesen sein sollte, sich die Akzeptanz der Energiewende nachträglich beim "Volk" bestätigen zu lassen (das ja den ganzen Spaß über die Strom- und Gasrechnung bezahlen muß), dann ist die Aktion jedenfalls voll nach hinten losgegangen.

Vom ingenieurtechnischen Standpunkt ergeben sich in Bezug auf die protegierten regenerativen Energien und die dafür notwendigen Speichertechnologien nach heutigem Wissensstand folgende Einschätzungen:

Wind und Sonne sind hochgradig volatil. Sie können grundlastfähige Kraftwerke (Atom, Gas, Kohle) nur ergänzen, jedoch niemals ohne effektive Stromspeicher ersetzen. Der Regelbedarf im Stromnetz steigt, je höher der Anteil an derart volatilen Energiearten im Strommix ist. Schon jetzt gibt es massive Probleme beim Abfangen von "Windspitzen" sowie, z.B. an sonnigen Hochsommertagen, mit dem hohen Stromaufkommen durch Photovoltaikanlagen. Unter Fachleuten wird deshalb bereits über ein Moratorium des Ausbaus an PV in D nachgedacht (in Frankreich bereits Realität), um die Netzstabilität nicht weiter zu gefährden. Der geplante Ausbau volatiler Energiearten macht in Zukunft nur Sinn, wenn entsprechende Speichermöglichkeiten geschaffen werden (Größenordnung 70 ..100 TWh, um den völligen Ausfall von Wind- und Sonnenenergie im Winter ohne Stromimporte abzufangen). Die Wahrheit ist, es gibt z.Z.keine dafür geeigneten technischen Anlagen (die vom ´Wirkungsgrad (~80%) her sehr effektiven Pumpspeicherwerke können in D z.Z. nur ~0.04 TWh speichern, was nicht mal für einen Viertel Tag ausreichen würde. Und ob die "Norweger" für D Pumpspeicherwerke in dem Umfang bauen werden, um überflüssigen Wind- und Solarstrom in mechanische Energie umzuwandeln, darf durchaus bezweifelt werden). Weiterhin geistert die Möglichkeit durch die Presse, daß "Batterien" (ob standalone oder eingebaut in Elektroautos) die Problemlösung seien. Sehr leistungsfähig sind bekanntlich Lithium-Ionenbatterien. In ihnen läßt sich eine (experimentell bestimmte) Energiedichte von (extrem optimistisch) ~100 Wh/kg Lithium erreichen (dazu folgende kleine Übungsaufgabe: Wieviel kg Lithium werden benötigt, um 100 TWh Elektroenergie zu speichern? Diskutieren Sie das Ergebnis!).

Zwischenbemerkung (12.9.2011) - die Lösung finden Sie im Expertenblog (nicht im Blogbeitrag, sondern unten, in der Diskussion ...)

Ganz modern in der Energiediskussion sind auch sogenannte Druckluftspeicher. Sie haben nur einen Nachteil. Es gibt sie in dem notwendigen Leistungsbereich noch nicht. In D soll frühestens 2013 in Staßfurt eine solche Anlage mit einer Speicherleistung von ~360 MWh in Betrieb gehen (entspricht einem kleinen Pumpspeicherkraftwerk). Dabei handelt es sich um einen Prototypen, der seine Funktionsweise erst noch unter Beweis stellen muß.

Bleibt noch das sogenannte "Windgas". Darunter versteht man die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff und dessen Verwendung, um aus Kohlendioxid (CO2) Methan (CH4) herzustellen (die Verwendung von reinem Wasserstoff als Energieträger ist in vielerlei Hinsicht problematisch, einmal wegen der Knallgasgefahr, zum anderen wegen der schwierigen Speicherung und der ungefähr doppelt so hohen Verbrennungstemperatur im Vergleich zu Erdgas). Also die Idee ist Folgende: momentan überflüssiger Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen wird zur Elektrolyse von Wasser verwendet und der entstehende Wasserstoff über weitere (leider mit Energieverlust beladene, siehe hier) Prozeßstrecken mittels CO2 zu Methan (=Erdgas) umgewandelt. Dieses Methan soll dann (u.U. nach energieintensiver Reinigung, da auch ein gewisser Prozentsatz Methanal (Krebsrisiko) entsteht) in das Erdgasspeichersystem ("nationale Reserve") gepumpt werden (was natürlich auch wieder Energie erfordert). Dieses "Windgas" läßt sich schließlich in Gaskraftwerken verbrennen, um daraus elektrische Energie zurück zu gewinnen. Vergleicht man dann den Preis von einem Kubikmeter "Windgas" mit dem Preis eines Kubikmeters Erdgas (kann man googeln), dann sieht man deutlich den ökonomischen Irrsinn, der sich hinter dieser Idee verbirgt (eine nähere Erläuterung über die "Vorteile" kann man sehr schön im "Expertenblog" des Bürgerforums nachlesen: 

http://mitreden.buergerdialog-bmbf.de/energietechnologien-fuer-die-zukunft/blog/2011/08/man-hoert-oft-von-der-idee-ueberschuessige-energie-durch-umwandlung-methangas-bestehend.  

(man beachte auch die z.T. sehr fundierten Kommentare)

(Anmerkung: Über die Effizienz von Biogasanlagen habe ich bereits in meinem Essay "Nachdenken über Energie" etwas gesagt.)

Und last not least sind noch die "smarten Netze" (smart grids) zu nennen. Darüber gibt es einen durchaus fundierten Artikel hier

http://mitreden.buergerdialog-bmbf.de/energietechnologien-fuer-die-zukunft/blog/2011/08/wo-liegen-das-potenzial-und-eventuelle-herausforderungen-im-bereich-intelligente-strom

der aber (man beachte die Kommentare), bis auf den letzten Satz

"Wie groß ist das Einsparpotenzial durch intelligente Netze? Nun, vermutlich ist es nahe Null, solange kein nicht wegregelbarer Überbedarf an elektrischer Energie besteht. Aber das ist ja auch nicht das Ziel intelligenter Netze! Intelligente Netze haben einzig die Aufgabe, auch auf Nutzerseite eine Anpassung von Bedarf und Angebot im Strommarkt herzustellen. Und das ist notwendig, wenn wir beim Umstieg auf erneuerbare Energien eben nicht mehr 100% Kontrolle auf die Angebotsseite im Stromnetz haben."

kaum auf deren Problematik (die in letzter Konsequenz auf eine staatliche Bevormundung der Bürger in Bezug auf den Energieverbrauch hinaus läuft) eingeht.

Leider bekommt man bei näherer Betrachtung der "unumstößlichen" Energiewende zu der Erkenntnis, daß die ganze Geschichte völlig unausgegoren und nur kurzfristig politisch Bedacht worden ist (Wahl in Baden-Württemberg, obendrein auch noch verloren). Zwar wird es wahrscheinlich aufgrund dessen zu keinen Lieferengpässen kommen (D kauft dann "Atomstrom", wie bereits jetzt, aus den Nachbarländern ein), aber von kluger Politik kann man da nicht reden. Wenn erst einmal die Macht des Faktischen zuschlagen wird, dann kann es durchaus passieren, daß der Ausstieg vom Ausstieg nicht mehr lang hin ist. 

Es besteht sicherlich Konsens darüber, daß eine regenerative Energiebereitstellung wünschenswert ist. Man sollte aber Wunschdenken und Realität immer auseinander halten. Naturgesetze lassen sich nun mal nicht von "gesetzgebenden Gremien" außer Kraft setzen. Und das erkennen die Bürger zunehmend, auch wenn es dazu manchmal einem Denkanstoß in Form einer wieder einmal gestiegenen Strom- oder Gasrechnung oder einer stromlosen Nacht bedarf.

Nachdenken über Energie


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