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Samstag, 24. September 2011

Ein Tag im Museum - Die Himmelsscheibe von Nebra


Irgendwann vor 3600 Jahren, ungefähr zu der Zeit, als Pharao Ahmose die Hyksos aus dem Nildelta verjagte, haben irgendwelche Leute, von denen weder Namen bekannt sind, deren Sprache wir nicht kennen und von denen auch sonst nichts weiter übrig geblieben ist, eine für sie wahrscheinlich wertlos gewordene Bronzescheibe mit einem heutigen Versicherungswert von 100 Millionen € auf dem Gipfelplateau eines flachen Berges, der sich "Mittenberg" nennt und in der Nähe von Nebra in Sachsen-Anhalt liegt, zusammen mit ein paar andere Bronzegegenständen hochkant verbuddelt. 



Dank Conrad-Elektronik, welche Metalldetektoren an jedermann vertreibt, wurde diese Scheibe - oder genauer - dieser Hortfund - von zwei Raubgräbern (dessen Namen und Intentionen im Gegensatz zu den Personen, welche die Bronzegegenstände vergraben haben, bekannt sind) in einer kleinen Steinkammer aufgefunden und von dort einfach des schnöden Mammons wegen geraubt (Bodendenkmale sind Eigentum des Bundeslandes, auf dem sie gefunden werden). 


Das war genau am 4. Juli 1999. Sie dachten erst, die Scheibe wäre der Mittelteil eines Holzschildes gewesen, was sich später, nach langjähriger Forschung, bekanntlich als falsch herausgestellt hat. Jedenfalls gewann die Metallscheibe von einer Hehlerhand zur anderen rapide an Wert, bis sie im Februar 2002 in der Schweiz von Scheinkäufern, die in Lohn und Brot des Landesamtes für Archäologie von Sachsen-Anhalt  standen, mit Hilfe der Polizei sichergestellt werden konnte. Zu dieser Zeit lag der Wert noch bei mickrigen 700000 DM. Heute ist der Wert dieser Bronzescheibe unschätzbar. 

Also, letzten Sonntag sind wir nach Kamenz gefahren, wo sich das Museum der Westlausitz befindet. Der Grund war eigentlich nur das schlechte Wetter mit angekündigten Starkregenschauern. Schon in Panschwitz-Kuckau, wo das bekannte Zisterzienser-Kloster St.Marienstern steht, welches nach Angaben der Sächsischen Zeitung eine neue Äbtissin bekommen hat (Schwester Maria Philippa Kraft), konnten wir an Laternenpfählen die Ankündigung einer Sonderausstellung bereits während der Fahrt erspähen. Da wir natürlich die Himmelscheibe kannten und diese auf dem Plakat abgebildet war, wußten wir sofort, um was es bei dieser Ausstellung gehen würde. Und es hat sich gelohnt. Sie war didaktisch sehr gut aufbereitet im Elementarium des Museums aufgebaut und am Ende konnte man sich noch einen interessanten Film per Beamer über diese früheste bekannte Darstellung der "Himmelssphäre" und deren Ausdeutung anschauen. 

Ausgestellt war selbstverständlich nicht das Original, sondern "nur" einige Repliken, die das Aussehen der Himmelsscheibe zum Zeitpunkt ihres Eingrabens, also zu der Zeit, als die Hyksos aus Ägypten verjagt wurden, zeigen. Davon dürften die Eingraber aber nichts mitbekommen haben. Genauso wenig übrigens von dem Ausbruch des Santorin auf der Insel Thera im Mittelmeer, der sogenannten Minoischen Eruption. Es sei denn, man konnte damals vom Mittelberg aus oder von der nur 20 km entfernten Kreisgrabenanlage von Goseck anomale Dämmerungserscheinungen beobachten. Leider konnten die Bronzezeit-Leute im Gegensatz zu den Ägyptern und Minoern weder lesen noch schreiben und fragen kann man sie auch nicht mehr...


Zu jener Zeit war die Himmelsscheibe noch nicht so schön grün wie heute. Diese Färbung beruht auf einem Überzug des Minerals Malachit, welches sich durch die lange Lagerung der Bronze in der Erde gebildet hat. Wie man sich vorstellen kann, wurde diese Scheibe nach allen Regeln der Kunst untersucht. So weiß man mit an Gewissheit grenzender Sicherheit, daß der Kupferanteil der Bronze der Himmelsscheibe vom Mittelberg bei Nebra aus Kupferstollen, die in den Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig in den Ostalpen (bei Salzburg) getrieben sind, stammt. Die 50 g eingearbeitetes Goldblech hat man damals, vor ca. 4100 Jahren (dem mutmaßlichen Herstellungsdatum der Himmelsscheibe), aus dem heutigen Rumänien, genauer aus Siebenbürgen, herangeschleppt. In Siebenbürgen kann man noch heute in einigen Flüssen Seifengold waschen. Bei uns in der Oberlausitz ist das auch möglich, aber nur in kleinen Bächen, z.B. am Valtenberg bei Neukirch. Lohnen tut es sich aber trotz stark gestiegener Goldpreise nicht wirklich.


Ja, was lernt man daraus über die Eingräber? Sie müssen schon damals, wo Mitteleuropa noch ein überaus dichter Buchenurwald war (an dem 1600 Jahre später Varus verzweifeln sollte), schon sehr mobil gewesen sein. 

Über die himmelskundliche Deutung dieses wertvollsten Artefakts aus der Bronzezeit möchte ich in diesem Blogbeitrag nicht weiter eingehen. Darüber gibt es im Internet sehr viel zu lesen. Besser ist es jedoch daß Sie, wenn Sie in unserer Gegend weilen, mal einen Abstecher in die alte Sechsstadt Kamenz machen. Die Sonderausstellung "Ein Himmel auf Erden - Das Geheimnis der Himmelsscheibe von Nebra" ist noch bis zum  8. Januar 2012  geöffnet. Und auch die anderen Ausstellungen sind durchaus sehenswert.



Detail der sogenannten "Sonnenbarke" mit feinen Randschraffuren:


Schiffsdarstellungen findet man öfters auf bronzezeitlichen Fundstücken...


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