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Sonntag, 6. November 2011

Planet Mars (20) - Die Nordpolarkappe

Nordpolarkappe


Reliefdarstellung der Nordpolarkappe des Mars, konstruiert aus den MOLA-Daten der Sonde Mars Global Surveyor. Deutlich sind die durch vom Pol abfließende Fallwinde bedingten spiralförmigen Einschnitte im Wassereispanzer zu erkennen. Quelle NASA


Die Struktur der Nordpolarkappe des Mars ist zweigeteilt durch das Chasma Boreale in ein größeres bis zum Zentrum stark strukturiertes Deposit, welches in feinen Stufen in die Ebene Olympia Planitia ausläuft, und ein kleineres Teil, welches Gemina Lingula genannt wird. Auffällig sind die vielen Rampart-Krater, die überall auf den umliegenden Ebenen zu erkennen sind. Ihre Fließejecta sind ein untrügliches Zeichen dafür, daß hier Permafrostboden den Untergrund bildet. Die geschichtete Struktur der Polarkappe ist besonders gut im nördlichen Sommer auf den Satellitenaufnahmen zu erkennen, weil dann die im Winter entstandene Trockenschneedecke (CO2) weitgehend abgeschmolzen ist. Am auffälligsten sind die Schichtstrukturen in den Innenbereichen der spiralförmigen Täler, und zwar auf der Seite, die von der Sonne beschienen wird. Dort sieht man auf hochaufgelösten Fotos eine Vielzahl von abwechselnden dunklen und hellen Schichten unterschiedlicher Mächtigkeit und Erosionsgrades. Sie lassen sich oftmals über dutzende von Kilometern ohne nennenswerte Unterbrechungen verfolgen. Eine genaue Vermessung hat weiterhin ergeben, daß die Schichten, ausgehend vom Zentrum des PLD,  eine schwache schiefe Ebene (0.5°) bilden.

Ähnlich wie bei Sedimentschichten auf der Erde können die PLD‘s unter Anwendung des stratigraphischen Prinzips nach Nicolaus Steno (1638-1686) zur relativen Altersbestimmung verwendet werden.

Entstehung der Sedimentschichten
Die Schichten der Polarkappen bestehen ohne Zweifel im Wesentlichen aus Wassereis mit unterschiedlich starken Beimengungen von silikatischen Komponenten in Form von angewehten und abgelagerten Staub. Dieser Staub stammt von den globalen Staubstürmen, von denen der Planet in großer Regelmäßigkeit heimgesucht wird. Aber auch Vulkanausbrüche sind als Staubquellen denkbar, wenn man den neueren Datierungen der Arbeitsgruppe um G.NEUKUM (2005), was aktiven Vulkanismus betrifft, glauben darf. Das bedeutet aber nicht, daß jeder Staubsturm eine deutlich sichtbare Schicht hinterläßt. Vielmehr sieht man hier ein summarisches Bild über sehr lange Zeiträume, bei denen die Änderungen der Bahnparameter des Planeten und die Raumlage der Rotationsachse (ähnlich den Milankovic-Zyklen der Erde) die wesentlichsten Ursachen sind.


Detailaufnahme einer ca. 600 m abfallenden Kante in ein Tal mit deutlicher Schichtstruktur. Das weiße Gebiet links oben stellt einen winzigen Teil der flachen Oberfläche der Polarkappe dar. Quelle Mars Reconnaissance Orbiter, NASA

Sie führen zu unterschiedlichen Akkumulationsraten von Schnee und haben natürlich auch Einfluß auf das globale Wettergeschehen. Außerdem erscheint es aufgrund morphologischer Merkmale hochgradig wahrscheinlich zu sein, daß sich jede Schicht über die gesamte Polkappe erstreckt, was ja bei Ab-lagerungen aufgrund von Staubstürmen oder vulkanischer Tätigkeit auch zu erwarten ist. Mehr lokale Gegebenheiten (sie wiederspiegeln sich z.B. in örtlich unterschiedlichen Schichtdicken) können z.B. dadurch entstehen, wenn sich, z.B. durch Luftströmungen unterstützt, durch Ablation Senken in der Eisschicht bilden, die schließlich mit Staub verfüllt werden (HOWARD et.al. 1982). Schaut man sich die mittlere vertikale Struktur der PLD einmal genauer an, dann kann man grob mehrere morphologisch unterschiedliche Zonen in der Schichtfolge ausmachen. So besitzt die obere 300 m mächtige Zone eine periodische Wiederholung unterschiedlicher Schichten mit einer mittleren Dicke von ~15 m.  Die darunterliegende Zone von ~100 Meter Mächtigkeit zeigt dagegen (zumindest auf Aufnahmen mittlerer Auflösung) keine eindeutig periodische Schichtfolge. Darunter findet man wieder periodisch abwechselnde Schichten. Außerdem nimmt der Staubanteil mit anwachsendem Schichtalter signifikant zu (MILKOVICH, HEAD, 2005). Es macht deshalb durchaus Sinn, diese Befunde erst einmal mit der zeitlichen Entwicklung der Marsbahnparameter und der jeweiligen räumlichen Lage der Rotationsachse des Planeten zu korrelieren (siehe z.B. LASKAR et.al. 2004). Da Mars ja keinen stabilisierenden Mond wie die Erde besitzt, verändert sich die Raumlage der Rotationsachse mit der Zeit hochgradig chaotisch, wie entsprechende Simulationsrechnungen zeigen. Das hat natürlich gravierende Auswirkungen auf die großräumige atmosphärische Zirkulation und damit auf die Intensität, in der globale Staub-stürme auftreten. 

Auf diese Weise kann die obenerwähnte Zone 1 der gegenwärtig noch anhaltenden Epoche relativ geringer Achsenneigung (~25°) zugeordnet werden. Die sich in dieser Zone deutlich abzeichnenden Periodizitäten im Schichtaufbau würden dann den Präzessionszyklus des Mars (~51000 Jahre) mit den daraus resultierenden Änderungen in der Dauer der Jahreszeiten auf der Nordhemisphäre widerspiegeln. Zone 2 könnte in diesem Bild in qualitativer Übereinstimmung mit den Ergebnissen von LASKAR et.al. mit einer Periode großer Achsenneigung interpretiert werden. So anschaulich diese Hypothese im Sinne der irdischen Milankovic-Zyklen zur Erklärung der Schichtfolgen auch sein mag, sie ist trotzdem noch äußerst spekulativ und in vielen Details widersprüchlich. Zu viele unwägsame Einflüsse beeinflussen die Klimageschichte eines Planeten wie die des Mars. Vielleicht können zukünftige Landemissionen im Bereich der Polkappen des Mars noch das eine oder andere Rätsel lösen.


Mars-Stratigraphie in Aktion: Die farblich gekennzeichneten Schichten werden aufgrund ihrer spezifischen Merkmale als Referenzschichten verwendet. Mit ihrer Hilfe lassen sich Schichten an unterschiedlichen Orten zusammenführen. Quelle  S-CEPS, NASA

Randbereiche der Polarkappe – Olympia Planitia
Die Nordpolarkappe ist mit einer Aureole einer weitgehend ebenen Landschaft umgeben, in denen sich vereinzelt Rampartkrater mit den für sie typischen Fließejekta befinden. Auf Reliefkarten sticht insbesondere die Ebene Olympia Planitia hervor, die sich zwischen 76° und 83° nördlicher Breite und zwischen 110° bis 260° in Länge erstreckt und dabei ein Gebiet von ca. 700000 km² überdeckt. Sie besteht zum größten Teil (Olympia Undae) aus fein strukturierten Dünen, deren Kämme im Durchschnitt eine Höhe von 20 m und eine Länge von 1.5 km erreichen. Der Abstand der Kämme (Wellenlänge) liegt im Mittel bei 1.3 km. 


Falschfarbendarstellung eines Dünenfeldes im Bereich Olympia Undae. Die Farben sind so gewählt, daß wärmere Regionen in gelb-orange, kältere in weiß-blau erscheinen. Die Aufnahme entstand mit Hilfe des Thermal Emission Imaging Systems des Mars Odyssey-Orbiters. Quelle NASA

Die Messung der vertikalen Struktur wurde mit dem Mars Orbiter Laser Altimeter (MOLA, Mars Global Surveyor) vorgenommen. Sie erlauben über einen Vergleich mit irdischen Dünenfeldern ähnlicher Struktur in Namibia oder Australien eine Abschätzung der Sandmenge in diesem Wüstengebiet. Entsprechende Rechnungen haben für die Region Olympia Planitia ein Sedimentvolumen von ~10000±3000 km³ (M.T.Zuber et.al. 2009) ergeben. 

Jahreszeitliche Änderungen
Die im Fernrohr leicht zu beobachtende Ausdehnung der nördlichen Polkappe zu Beginn des Winters ist das Resultat des Ausfrierens von CO2, die beginnt, sobald die lokalen Temperaturen unter 150 K absinken. Dabei wird nach und nach die gesamte Aureole um den zentralen Eispanzer erfaßt. Gegen Ende des Frühjahrs, wenn die Temperaturen ~200 K erreichen, verschwindet das Trockeneis genauso schnell wieder, in dem es sublimiert. Dieser jahreszeitliche Effekt ist während des Winters mit einer globalen Absenkung des atmosphärischen Drucks verbunden. Diese Verringerung des Luftdrucks konnte z.B. während der Pathfinder-Mission von 1997 sehr genau registriert werden. Immerhin werden in einem Marswinter auf der Nordhalbkugel (er fällt bekanntlich mit der Zeit des Apheldurchgangs zusammen und ist damit besonders kalt) zwischen 20% und 30% des gesamten Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre um den Nordpol herum abgelagert, so daß ein Gebiet mit einem Durchmesser von über 1000 km davon bedeckt wird. 

Aus der beobachteten periodischen Druckvariation über ein Marsjahr läßt sich berechnen, daß sich während des Winterhalbjahrs ca. 3.5 ∙ 10^15 kg CO2-Eis bzw. -Reif  auf der Nordhemisphäre niederschlagen (KIEFFER et.al. 1992). Dabei entwickeln sich sehr schnell „Trockenschneeschichten“ von durchschnittlich 1.5 m Mächtigkeit. Sie überdecken in ihrer größten Ausdehnung sowohl die eigentliche Polkappe als auch die sie umgebenden, überwiegend flachen Ebenen. In Frühjahr beginnt diese Schicht schnell zu sublimieren („Abschmelzen der Polkappe“), wobei das Trockeneis im Hochsommer auch über der Zentralregion des NPLD’s verschwindet und dabei das darunterliegende, wasserreiche Material freilegt. Dann beginnt auch das Wassereis zu sublimieren. Das führt zu einem meßbaren Anstieg der Wasserdampfkonzentration in der Marsatmosphäre während des nördlichen Sommers. Dieser Konzentrationsanstieg impliziert ungefähr einen Sublimationsverlust (hochgerechnet auf die Fläche der Nordpolarkappe) von ca. 1 mm Wassereis pro Jahr.


Die jahreszeitliche Entwicklung der nördlichen Polkappe ist durch den Niederschlag von Trockeneis bedingt. Im Hochsommer ist nur die permanente Wassereiskappe sichtbar.   Quelle NASA                                                                  


Nächstes Mal: Südpolarkappe im Detail

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