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Sonntag, 12. Februar 2012

Planet Mars (33) - Historische Geologie der Marsoberfläche II

Das Hesperische Zeitalter

Die geologischen Landmarken der Übergangszeit zwischen dem Ende des Noachians und dem Beginn des Amazonian, der sogenannten hesperischen Periode, sind nicht so markant, daß sie eine präzisere zeitliche Einordnung erlauben. So differieren auch von Autor zu Autor sowohl der Beginn des „frühen“ Hesperian als auch dessen Ende und damit auch die „Länge“ dieser „Zwischenzeit“ auf dem Mars, die mit einem radikalen Klimawechsel in Zusammenhang gebracht wird: Beginn zwischen 3.8, Ende zwischen 3.55 und 1.8 Ga. Während dieses Zeitraumes, dem einige wichtige Landschaften und Landschaftsformen (insbesondere vulkanische Aktivitäten im Bereich Syrtis Major, Tempis Terra, Tharsis und Elysium; Entstehung des Noctis Labyrinthus und des Valles Marineris; große Ausflußtäler im frühen Hesperian; Degradation der großen nördlichen Ebenen; Entstehung der Dorsa Argentea-Formation im Bereich des heutigen Mars-Südpols) zugeordnet werden. 

Vulkanismus
Die hesperischen Landschaften sind überwiegend vulkanisch geprägt. Große Flächen bedecken Flutbasalte wie z.B. Hesperian Planum, Malea Planum und Syrtis Major. Insgesamt kann man davon ausgehen, daß während der hesperischen Periode rund 30% der gesamten Marsoberfläche durch vulkanische Prozesse umgestaltet wurden (Head et al., 2002). Der Tharsis- und Elysium-Vulkanismus setzte sich kontinuierlich fort und die flachen Vulkanschilde konnten sich zu riesigen Vulkanbauten entwickeln (Beispiel Alba Patera). Geologisch interessant ist in diesem Zusammenhang, daß man aus multispektralphotometrischen Untersuchungen zwei unterschiedliche Typen von Flutbasaltprovinzen (Hesperian Ridged Plains) im Hesperian ausmachen kann (Bandfield et al., 2000). Sie zeigen verschiedene mineralische Zusammensetzungen an. So findet man insbesondere in den niederen Breiten typische Basalte, währen in höheren Breiten mehr andesitartige Gesteine (d.h. Gesteine mit einem höheren Kieselsäuregehalt) vorkommen. Ob es sich dabei um „native“ Gesteine handelt oder um Verwitterungsprodukte gewöhnlicher Basalte (verwittert unter dem Einfluß von Schnee und Eis), wird z.Z. noch kontrovers diskutiert (McSween et al., 2009). 

Teilweise verschüttete vulkanische Krater sowie noch durch die Oberfläche nachgezeichnete Bergrücken konnten im Bereich von Vastitas Borealis identifiziert werden, was darauf hinweist, daß auch diese riesige Ebene aus hesperischen Vulkaniten besteht, die jedoch mit jüngeren Material bedeckt sind. 

Weiterhin vermutet man, daß im Hesperian die Geburtsstunde des heute höchsten Vulkans im Sonnensystem, Olympus Mons, gelegen hat. Er war seitdem mit Unterbrechungen bis fast in die geologische Gegenwart aktiv. 

Ein Höhepunkt in der vulkanischen Tätigkeit des Mars wurde im frühen Hesperian erreicht, bei dem große Mengen von Schwefel­dioxid in die Atmosphäre des Planeten gelangten. Das führte zu einer kurzzeitigen Verstärkung des Treibhauseffektes und damit zu Bedingungen, wo flüssiges Oberflächenwasser eine zeitlang wieder Bestand hatte. Der Rand der Südpolkappe schmolz ab (Entstehung der Dorsa Argentea-Formation) und lokal bildeten sich Sulfatlagerstätten (sie geben bekanntlich dieser Epoche in der „mineralogischen“ Zeitskala den Namen Theiikian). Außerdem kam es zu einer verstärkten, durch Schwefelverbin­dungen und Wasserdampf (Säurebildung) in der Atmosphäre bedingten Verwitterung der Oberflächengesteine. Im Ganzen gesehen stellt der Übergang vom Noachian zum frühen Hesperian eine dramatische Übergangszeit in der Geschichte des Planeten dar, die sich durch Änderungen in geologischer (Vulkanismus, Ausflußtäler, Tektonik, Verringerung der Impaktrate), mineralogischer (im Noachien Phyllosilikatbildung, im Hesperian mehr Sulfate; Gesteinsverwitterung), glazialer (Änderung der Eisbedeckung in der Südpolarregion) und natürlich auch in klimatologischer Hinsicht (Umbau der Marsatmosphäre) ausgezeichnet hat (Head et al., 2011). 

Im Bereich der zentralen hersperischen Vulkanprovinzen (Syrtis Major, Tharsis mit Alba Patera, Apollinaris etc.) haben sich u.a. flache Vulkanbauten erhalten, von denen man vermutet, daß sie während ihrer aktiven Zeit auch explosive Ausbrüche (soge­nannte „Plinianische Eruptionen“), d.h. Ausbrüche mit pyroklas­tischen Komponenten, durchgemacht haben. Davon zeugen weiträumige, tephraartige Ablagerungen in der Umgebung dieser Vulkane. 

Als weiteres Charakteristikum soll noch die Ausfüllung tekto­nischer Risse und Brüche, die im Zusammenhang mit der Tharsis-Aufwölbung entstanden sind, mit Magmen erwähnt werden, die zu plutonischen Gesteinskörpern – sogenannten Dikes (Spaltenintrusionen) – geführt haben. Ganze „Schwärme“ davon konnten z.B. im östlichen Teil der Tharsis-Aufwölbung (mit dem Vulkan Pavonis Mons im Zentrum, den sie radial umgeben) nachgewiesen werden (MacKenzie, Nimmo, 1999). 

Man schätzt, daß diese Phase starker vulkanischer Aktivität nur rund 100 Millionen Jahre angehalten und dann – bis zur Gegen­wart hin mit einzelnen kleinen Aktivitätsspitzen – wieder abgenommen hat. So gesehen handelt es sich hier nur um eine kurze Episode in der langen geologischen Geschichte des Mars, welche aber mit entscheidend zu dessen Oberflächengestaltung beigetragen hat. Auch der Umbau der Atmosphäre von einer „lebensfreundlichen“ (wie die Astrobiologen sagen würden) zu einer kalten, lebensfeindlichen Atmosphäre in der kurzen Über­gangszeit zwischen Noachian und Hesperian ist ursächlich durch die verstärkte vulkanische Tätigkeit jener Epoche bedingt. 

Fluviale Talbildungen
Im frühen Hesperian ist eine deutliche Verringerung der Zahl von verästelten Flußsystemen (d.h., die entsprechende Talformen hinterlassen haben) zu vermerken. Das wird durch einen dramatischen Klimawandel erklärt, der dazu führte, daß niederschlagsbedingte Flußsysteme quasi versiegt sind. Dafür gewinnen Ausflußtäler (outflow channel) immer mehr an Bedeutung, die zu einem großen Teil durch eine episodische plötzliche und katastrophale Freisetzung von Untergrundwasser (z.B. bedingt durch vulkanische Tätigkeit – Aufschmelzen von in der Kryosphäre gespeicherter Wassereismassen) entstanden sind. Unabhängig davon deuten sulfatreiche Ablagerungen, wie man sie z.B. in Juventae Chasma gefunden hat, auf die Präsenz von flüssigem Wasser zu Beginn jenes Zeitalters hin (Theiikian). 

Das weitgehende Fehlen von outflow channels in Landschaften, die dem Noachian zugeordnet werden, wird zunehmend mit dem Fehlen einer mächtigen Kryosphäre zu jener Zeit erklärt (d.h. es war damals einfach zu warm dafür). Erst nach einer allgemeinen Abkühlung konnten sich im Untergrund genügend große Eis­körper bilden, die bei Aufschmelzung innerhalb kürzester Zeit die für die Talausräumung nötigen Wassermassen liefern konnten. Das gilt auch für flüssige Wasserspeicher (aquifer), die durch wärmeisolierende Deckschichten von der zunehmend kälter werdenden Oberfläche isoliert waren. 

Gegen Ende des hesperischen Zeitalters, im Übergang zum Amazonian, versiegten die episodischen Grundwasserausbrüche, das Nordmeer verschwand und der Mars wurde endgültig zu dem kalten, trockenen und staubigen Planeten, so wie wir ihn heute kennen. 

Grabenbrüche
Die Entwicklung des riesigen Grabenbruchsystems Valles Marineris begann bereits am Ende des noachischen Zeitalters im Zusammenspiel mit der beginnenden Tharsis-Aufwölbung. Die geologische Struktur dieses tektonischen Bruches ist jedoch so kompliziert, daß sich die Rekonstruktion seiner zeitlichen Entwicklung äußerst schwierig gestaltet. Man kann bis jetzt lediglich einigermaßen sicher sagen, daß seine Öffnung im Wesentlichen während des frühen Hesperian stattgefunden haben muß (Montgomery et al., 2009). Dabei hat es Zeiträume gegeben, wo der Graben selbst bzw. Teile davon mit Wasser gefüllt waren. Dafür gibt es eine Vielzahl morphologischer und geologischer Hinweise, die zwingend zu diesem Schluß führen. Eine Datierung in das Hesperian für große Teile des Canyons folgt auch daraus, daß die jeweils gegenüberliegenden Talränder zu der Formation der frühen Hesperian Ridge Plains gehören, die Talöffnung respektive nach deren Entstehung anzusetzen ist (Montgomery et al., 2009). 

Eisschmelze am Südpol
Im Blogbeitrag über die permanente Eiskappe des südlichen Marspols wurden die Dorsa Argentea-Formation mit ihren glazialen Landschaftsformen kurz vorgestellt. Sie gilt mittlerweile als ein wichtiges Klimazeugnis des hesperischen Zeitalters. Stratigraphisch liegt sie unter der jüngeren, amazonischen Eisdepo­sitionen und nimmt an den Stellen, wo sie zutage tritt, eine Fläche von ~2.94 Millionen Quadratkilometer ein. Das sind ~2% der gesamten Marsoberfläche. Es handelt sich dabei um eine eisreiche, lockere Sedimentschicht, die in mehreren Aufbau- und Abschmelz- bzw. Sublimationsphasen entstanden ist. Zeichen der Vergletscherung sind in Form von Oser-artigen Strukturen (langgestreckte schmale Bergrücken) erhalten geblieben. Darüber hinaus konnten auf Satellitenaufnahmen eine Anzahl großer Ausflußtäler entdeckt werden, die einst in das Argyre-Becken entwässert haben (Head, Pratt, 2001). 

Heute weiß man, daß die Dorsa Argentea-Formation der Überrest eines gewaltigen Eisschildes ist, welches im frühen Hesperian sukzessive abgeschmolzen ist. Man schätzt, daß dieses Eisschild ungefähr eine Wassereismenge enthalten hat, die – geschmolzen und über den ganzen Planeten verteilt – einen 20 m tiefen Ozean ergeben hätte (V~5.9* km³). Zumindest ein Teil der Auf­schmelzung war vulkanisch bedingt von „unten“ erfolgt. Ansonsten erfolgte die Abschmelzung – wie bei Gletschern üblich – von der Basis her aufgrund von Temperaturen, bei denen Wassereis keine stabile Phase mehr ist (d.h. die Gletscher sind analog dem Inlandeis der irdischen Eiszeiten aufgrund einer Klimaerwärmung quasi zurückgewichen und haben Geröllfächer und „präglaziale Strukturen“ hinterlassen, die heute noch nachweisbar sind). Das abfließende Wasser hat zumindest teilweise in den nördlich anschließenden Gebieten unterirdische Grundwasserspeicher (aquifer) aufgefüllt (vielleicht mehrfach, wenn sie zyklisch entleert wurden), ist u.a. in das Argyre-Becken abgeflossen (entsprechende channels findet man im Bereich zwischen dem Sisyphi- und dem Angusti-Lobe; das Argyre-Becken beherbergte selbst zeitweise einen See) oder hat einen Teil in den damals bestehenden Wasserkreislauf zwischen Marsoberfläche und Marsatmosphäre eingespeist. 

Treibhausklima im frühen Hesperian
Während der wahrscheinlich 100 Millionen Jahre des frühen Hesperian herrschte auf dem Mars ein durch den Vulkanismus initiiertes Treibhausklima, welches wieder flüssiges Wasser auf dem Planeten ermöglichte. Modellrechnungen ergaben, daß der Eintrag großer Mengen von Schwefeldioxid in die im späten Noachien bereits stark abgekühlten -Atmosphäre zu einer Verstärkung des Treibhauseffekts um bis zu ∆T≈ 25° geführt hat (Johnson et al., 2008). Das pushte die mittlere Jahrestemperatur der äquatorialen und gemäßigten Breiten auf über 20° C.

Nächstes Mal: Historische Geologie der Marsoberfläche Teil III

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