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Samstag, 4. April 2015

Frühlingswanderung durch die Karbenschlucht (Peklo) bei Böhmisch Leipa

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Nach den trostlosen Wintermonaten - zumindest, was die Farben der Natur betrifft – erwartet man sehnlichst die Frühblüher. Schön ist es, wenn sich im Garten Krokus oder Schneeglöckchen zeigen. Noch schöner ist es, wenn sich das Schauspiel in der freien Natur abspielt. Eine gute Adresse dafür ist die Karbenschlucht (auch Höllengrund) zwischen Böhmisch Leipa (Česká Lípa) und Neugarten (Zahrádky). Der Auenwald in diesem durch den Robitzbach (Robečský potok) durchflossenen Canyon beherbergt das größte Vorkommen des Märzenbecher, auch als Frühlings-Knotenblume bezeichnet (Leucojum vernum), in Tschechien. 

Die Tour ist jedoch aus mehrfacher Sicht lohnenswert. Am Ausgangspunkt in Neugarten (Zahrádky) breitet sich die Anlage des Neuschhloss (Nový zámek) vor uns aus. Nach der totalen Enteignung des Generalissimus Wallenstein, war dies die einzige Immobilie, die seiner Witwe zugestanden und zum späteren Zeitpunkt zurück übertragen wurde. Leider brannte der Dachstuhl des Schlosses 2003 ab. Seitdem harrt das Objekt der Dinge und wartet auf eine sicher sehr kostspielige Rekonstruktion. 

Kurz vor dem Eingang in die Karbenschlucht überspannt eine mächtige Brückenkonstruktion den Höllengrund. Hier verläuft die Trasse der Nordböhmischen Transversalbahn, die Brücke steht heute unter Denkmalschutz. Bei Paudler lesen wir, dass die Pläne zur Realisierung des Vorhabens bereits 1881 bestanden, jedoch hoffte man damals, dass dieser Eingriff der Natur erspart bliebe. Der Abschnitt wurde jedoch dann im Jahre 1900 in Betrieb genommen.

Wir nähern uns in weitem Bogen der Karbenschlucht und lernen dabei zahlreiche kleine Felstäler jenseits des Höllengrundes kennen, zunächst den Paulinengrund (Pavlínino údolí). Am Fuß des Koselberges (Kozly) liegt der Ort Quitkau (Kvítkov) mit der renovierten Kirche des Heiligen Jakobus des Älteren. Ein guter Platz für eine Rast mit schöner Aussicht ist die Anhöhe Na Baboře vor den Toren des Ortes bei der gleichnamigen Statue (der Heiligen Barbara). 

Noch befinden wir uns auf einem Sandsteinplateau, welches von der Karbenschlucht geteilt wird. Auf einem Felsen bewachte früher die Burg Hahnelstein (Zřícenina hradu Robečský hrádek) den Eingang zur Schlucht. Von ihr sind keine Reste erhalten, aber ein gewagter Blick in die Tiefe zeugt von der guten strategischen Lage, die das Bauwerk einst hatte.

Besser als Amand Paudler können wir die Eindrücke vom Höllengrund nicht schildern. So überlassen wir ihm das Wort

'Der Höllengrund ist über eine Stunde lang, voll Romantik und Lieblichkeit. Ein wassereicher Bach windet und schlängelt sich geräuschlos dahin; mit ihm winden und krümmen sich noch geräuschloser die himmelhohen Felsen mit ihren Schroffen und Klunsen, mit ihren goldmoosigen, meist bienenwabenähnlich ausgebröckelten oder ausgewitterten Überhängen, unter denen das Wasser aus geheimen Tiefen hervorrieselt und einer lebhaft grünen Pflanzenwelt die unentbehrliche Nahrung zuführt. Das Gewässer des Flusses ist dunkel, ruhig, fast geheimnisvoll … Und dieser herrliche Grund ist durch einen wohlgeschonten Wald von Nadel- und Laubholz bedeckt, umschattet, verdunkelt. Himmelanstrebende Fichten ragen über die thurmhohen Felsen empor, manche darunter von einem Wuchse und einem Umfange, dass mehrere Männer sich vereinigen müssen, um die Riesenbäume zu umklaftern. Neben diesen Baumriesen aus dem Tannenvolke ringen Erlen und Kiefern und Birken und Buchen und Gehölz aller Art mit seltsam geformten, wild verschlungenen, felsenumarmenden Wurzeln und mit vielgestaltigem Geäst und formenreichem Geblätter gegen einander um Bodensaft, Licht und Luft. Unterholz von allerlei Herkunft säumt Weg und Steg, bedeckt die Felsen, umkränzt das Gewässer oder wurzelt und nistet auf steinigen Zwerginseln. Hie und da ziehen sich jenseits des Baches langgedehnte Wiesenmatten das Gewässer entlang, im Sommer herrlich grünend, nach der Schneeschmelze mit Wäldern von Schneeglöckchen bekleidet und beblütet. Im Frühlinge grüßt von den Lehnen und Hängen das lieblich duftende Veilchen sowie das unschuldsvolle Maiglöckchen, im Sommer winkt die Himbeere, wohl auch die Einbeere und endlich zum Herbste die Haselnuß. Aus den Felsenritzen sprießt Engelsüß, und großblättriges Farnkraut hat sich überall waldartig eingenistet ... Eine wasserreiche Quelle sprudelt in einer kühlen Felsengrotte, und dunkle, romantische Gründe und Thäler voll Kühle und Schatten lösen sich vom Höllengrunde, wie Zweige vom Stamme eines Baumes, und ziehen sich seitwärts oder südwärts.'

Mit Stil will Paudler uns womöglich sagen, dass sich hier streckenweise Urwald ausbreitet, aber das ist in einem Naturschutzgebiet nicht ungewöhnlich. Jedenfalls ist für uns das wichtigste Ziel erreicht. Flächendeckend blühen in der Schlucht die Märzenbecher, wenn auch die tiefstehende Sonne jetzt nicht mehr den Bodengrund erreicht und die Blüten im Schatten liegen. Auch jenen, die sich lieber der Fauna widmen, werden in der Höllenschlucht allerlei Kreaturen vor die Linse schwimmen oder hopsen.


Viadukt der Nordböhmischen Transversalbahn


Die esten Märzenbecher...



Im Paulinengrund und anderen Seitentälern der Karbenschlucht


Auch die Leberblümchen blühen bereits


Ein unschönes Netz von Hochspannungsleitungen um die Kosel herum verschandelt den Blick auf die schöne Landschaft, hier Mickenhaner Steine und Kummergebirge


Die schön restaurierte Kirche von Quitkau


Die Skulptur der Heiligen Barbaa


Gewagter Blick von den Resten der Burg Hahnelstein in die Höllenschlucht


Die Stirnseite der Sandsteinplatte am Eingang der Karbenschlucht




Die Kosel blickt über den Teich


In der Karbenschlucht
















Hinauf zum Neuschloß







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