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Samstag, 31. Oktober 2015

Federfühler-Herbstspanner


Auch im Spätherbst gibt es noch Schmetterlinge - wie der in Laubwäldern nicht seltene Federfühler-Herbstspanner Colotois pennaria. Durch seine Färbung ist er übrigens und nachvollziehbar im trockenen Laub sehr gut getarnt...




Lesestoff zum Wochenende: Menschen, Bildung und Bücher...

... Seite 285

Die Rezeption der dichterischen Werke des deutschen Hochmittelalters erfolgte im Detail erst im Zeitalter der Romantik. Es wurde nach Quellen gesucht (wie es z. B. die Brüder Grimm taten, die Entdecker des „Codex Manesse“ 1815 in der Königlichen Bibliothek zu Paris), Übersetzungen und Nacherzählungen angefertigt und veröffentlicht (z. B. Ludwig Tieck(1773-1853)) sowie die Zeit ihrer Entstehung und die Personen beleuchtet (z. B. Ludwig Uhland (1787-1862)). 

Das Nibelungenlied

Eine weitere Dichtung, das „Nibelungenlied“ („Siegfried, der Drachentöter“), welches in drei Handschriften überliefert ist und deren Entstehung sich in das 13. Jahrhundert datieren lässt, erlangte im 19. Jahrhundert sogar quasi den Status eines Nationalepos der Deutschen. Leider gehört es heutzutage wie viele andere „Klassiker“ nicht mehr in allen Fällen zur obligatorischen Schulbildung. Das erklärt, warum ein nicht unerheblicher Teil der heutigen Schülergeneration mit diesem frühen deutschen Epos (man datiert die Handlung in das 10. bis 11. Jahrhundert) nichts anfangen kann. Das ist schade, denn etwas aufgearbeitet sind die darin erzählten Geschichten sicherlich nicht weniger spannend als diejenigen eines „Harry Potter“ oder „Herr der Ringe“.


Aber vielleicht machen den Geschichts- und Literaturinteressierten die Eingangsworte, die hier wieder in Mittelhochdeutsch zitiert werden sollen, neugierig, mehr über dieses Epos und über dessen Zeit zu erfahren:

Uns ist in alten mæren 
wunders vil geseit
von helden lobebæren, 
von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, 
von weinen und von klagen,
von küener recken strîten 
muget ir nû wunder hœren sagen.

Im Nibelungenlied werden verschiedene Sagenkreise zusammengeführt. Das Ganze zerfällt dabei in zwei große Teile, deren erster bis zur Ermordung Siegfrieds durch Hagen von Tronje und deren zweiter von Kriemhilds Heirat mit Etzel (der von der Geschichtswissenschaft mit dem Hunnenkönig Attila aus der Zeit der Völkerwanderung identifiziert wird) bis zur Erfüllung ihrer furchtbaren Rache reicht. Von den Verfilmungen möchte ich hier nur diejenige von 1924 erwähnen, die unter der Regie von Fritz Lang (1890-1976) entstand und ohne Zweifel mit zu den Klassikern der Filmgeschichte gehört. Fritz Lang haben wir bereits als Regisseur von „Dr. Mabuse, der Spieler“, kennengelernt. Seine Filme aus den 20er Jahren bewegten sich genau in der Zeit des Übergangs vom Stummfilm zum Tonfilm, wobei die beiden Nibelungenfilme „Siegfried“ und „Kriemhild’s Rache“ noch als Stummfilme, jedoch mit eingeblendeten Texttafeln, konzipiert waren. 

Die Ausstattung der Filme war überwältigend, die Charaktere fein gezeichnet (auch von der Kleidung her), das Stimmungsgemälde mittelalterlich-düster - und viele, für die damalige Zeit atemberaubende Spezialeffekte (beispielsweise Siegrieds Kampf mit dem Drachen) sowie die Nähe zum literarischen Original (das damals natürlich die meisten Filmbesucher kannten) machten das Werk zu einem großen Kinoerfolg. Wer will, kann sich übrigens beide Teile auf Youtube ansehen. Ob man nun als deutschsprachiger Bildungsbürger in der heutigen Zeit unbedingt das „Nibelungenlied“ gelesen haben muss, sei dahingestellt. Aber es gibt durchaus so etwas wie einen Kanon von nationaler und Weltliteratur, die einen unabdingbaren Kern von Bildung vermitteln und die man zu Lesen nicht nur in Erwägung ziehen sollte. Hierbei kann es sogar ganz gut sein, dass man als Schüler quasi gezwungen wird, sich zumindest einmal im Leben mit einigen der darin aufgeführten Werke auseinandersetzen zu müssen.

Humboldt‘sches Bildungsideal

In diesem Zusammenhang sei auf das sogenannte „Humboldt’sche Bildungsideal“ hingewiesen, welches nach Ende der Befreiungskriege in Preußen die „höhere Bildung“ maßgeblich geprägt hat und bis heute - nicht nur in Deutschland, sondern in besonders reiner Form in den amerikanischen Eliteuniversitäten - in der Einheit von Forschung und Lehre weiterlebt (obwohl sie im „Bologna-Prozess arg konterkariert wird).


An der Stelle ist es vielleicht interessant noch einmal an dasjenige zu erinnern, was Wilhelm von Humboldt (1767-1835) unter „Bildung“ versteht: 

Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen“. 

Und was das wichtigste ist, nach Wilhelm von Humboldt soll jedem Menschen die Chance gegeben werden, einen Grundstock an Bildung zu erwerben, welches er dann nach Talent und Fähigkeiten stufenweise (und wenn er es sich nicht leisten kann, gefördert durch Stipendien) erweitern kann bis hin zur „höheren“ universitären Bildung. So schreibt er: 

Das höchste Ideal des Zusammenexistierens menschlicher Wesen wäre mir dasjenige, in dem jedes nur aus sich selbst und um seiner selbst willen sich entwickelte.“ 

Bildung bedeutet in diesem Sinn nicht nur Teilhabe am Wissen der Welt und dessen Reflektion für sich als Individuum. Es bedeutet auch Orientierung, die Entwicklung eines historischen Be-wusstseins, die Fähigkeit und der innere Wunsch, sich selbst zu bilden (der „Gebildete“ ist ein Leser), sie ist darüber hinaus ein Quell der Selbsterkenntnis und ermöglicht Selbstbestimmtheit und sollte auch mit moralischer und ethischer Integrität einhergehen. Denjenigen Teil der „humboldtschen Bildung“, welche die „Geisteswissenschaften“ betrifft, hat der Literaturwissenschaftler Dietrich Schwanitz (1940-2004) in seinem viel beachteten und teilweise auch zu recht kritisierten Buch „Bildung. Alles was man wissen muss“ sehr schön und unterhaltsam zusammengestellt (gibt es auch als Hörbuch!).



Es kann deshalb durchaus als Wegweiser zu einer umfassenden Bildung empfohlen werden. Was aber fehlt, ist eine Zusammenstellung der mindestens genauso wichtigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildungsinhalte. Diese wurden dann etwas später u. a. von dem Wissen-schaftshistoriker Ernst Peter Fischer mit dem Buch „Die andere Bildung“ nachgereicht. Heute, wo das Wort und die Forderung nach „mehr Bildung“ so etwas wie ein geflügeltes Wort von Politikern aller Couleur geworden ist, beobachtet man bei aufmerksamer Betrachtung eher eine schleichende Abkehr vom humboldtschen Bildungsideal, welches Deutschland für fast zwei Jahrhunderte (mit Unterbrechungen) eine führende Position in Kultur und Wissenschaft eingebracht hat. Das beginnt damit, dass dem zeitlichen Vorrang der allgemeinen Bildung gegenüber einer beruflichen Bildung immer weniger Gewicht beigemessen wird. Natürlich muss weiterhin diskutiert werden - auch in Hinblick auf die technischen Möglichkeiten, die einem gegenwärtig zur Verfügung stehen - welche Inhalte zur allgemeinen Bildung zu zählen sind. Dass das heute wie zu Humboldts' Zeiten nicht mehr allein Philosophie, Philologie und Geschichte sein können, versteht sich quasi von selbst. Aber das sollte kein Grund sein, diese Fächer zu vernachlässigen. Die immer mehr zu beobachtende Ökonomisierung der Bildungsinhalte nach dem Motto, nur das Wissen ist nützlich, welches dem Arbeitsmarkt nutzt, kann bei genauer Betrachtung zu einer fatalen Fehlentwicklung führen. Sie äußert sich in einem Verkommen von Universitäten in reine Lehranstalten, in einer staatlichen Einflussnahme in Bildungsinhalte (man denke an das Abwürgen von Studiengängen in Bezug auf die KKW-Technik), in einer mehr und mehr staatlichen Untergrabung der universitären Selbstverwaltung durch drehen am Geldhahn sowie an der Berechnung von „Bildungsrenditen“, die letztendlich ein Ausdruck dafür sind, dass es anscheinend nur noch um den ökonomischen Nutzen von Bildungsabschlüssen geht. Aber das ist alles leicht gesagt. Ein Problem ist der politische Anspruch, möglichst jeden zur Hochschulreife zu führen, was gegenwärtig den hohen Schulen kaum zu bewältigende Studentenzahlen beschert und die individuelle Förderung von Talenten eher erschwert. Aber dieses Problem wird sich in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Demografie von selbst erledigen. Es wäre also eine gute Zeit, sich wieder an Wilhelm Humboldt zu erinnern und die letztendlich fatale und politisch gewollte Tendenz zu einer Niveauabflachung von Bildungsinhalten sowie die Schonhaltung im Bildungsbetrieb aufzugeben, aber auch - und das empfinde ich als besonders wichtig - die nichtakademischen Bildungsabschlüsse in ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz zu stärken. 

Wissensgesellschaft

Es wird immer wieder kolportiert, dass wir alle heute in einer „Wissensgesellschaft“ leben, aber vergessen, das Wissen und Bildung genaugenommen zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Die Inhalte beider Begriffe widersprechen sich selbstverständlich nicht, aber grundsätzlich ist Wissen auch ohne Bildung möglich (der Rückkehrschluss gilt dagegen nicht - Bildung setzt „Wissen“ voraus). Dank der technologischen Hilfsmittel, z. B. festgemacht am Internet und dem mittlerweile überall omnipräsenten Smartphone, kann man heutzutage auf "Wissen" jederzeit zugreifen, ohne es selbst intellektuell erarbeitet, hinterfragt und durchdacht zu haben. Zurzeit ist bekanntlich die Google-Brille aktuell, über die sich bei Bedarf Wissensinhalte aus dem unermesslichen Fundus des Internets „aufblenden“ lassen - und es gibt bereits erste Überlegungen, die Funktionsweise dieser Brille auf eine Kontaktlinse auszulagern.


Ohne entsprechende Augenkontrolle wäre das dann z. B. der Tod von Quizsendungen wie „Wer wird Millionär“ und auch die Prüfungskultur des Bildungswesens wäre mit solch einer „Kontaktlinse“ gefährdet. Mit derartigen technischen Hilfsmitteln kann dann auch ein „Ungebildeter“ zum „Wissenden“ werden. Er ist dann eher vergleichbar mit Kim Peek, der zwar aufgrund seiner Inselbegabung eine ganze Bibliothek auswendig daher sagen, deren Inhalte und Zusammenhänge jedoch nicht oder kaum verstehen konnte. Aber wie alles im Leben gibt es auch noch eine andere Sichtweise, denn genau solch ein externer Wissensspeicher kann einem Gebildeten, der gelernt hat, seinen Verstand zu gebrauchen, ein überaus nützliches Werkzeug sein. Er unterscheidet sich jedoch von den „ungebildeten Gelehrten“ (wie ihn der Philosoph Peter Bieri einmal genannt hat) dadurch, dass er die Informationen kritisch werten, sie in größere Zusammenhänge einordnen und daraus Motivationen für weitere „Forschungen“ ableiten kann mit dem Ziel, dieses Wissen letztendlich in Besitz zu nehmen. 

Internet

Deshalb ist es wirklich wichtig, dass man lernt, das Internet „kritisch“ zu nutzen, denn es ermöglicht mittlerweile einen schnelleren und unkomplizierteren Zugriff auf gesammeltes „Wissen“ als es „klassische“ Bibliotheken vermögen. Was ich besonders schätze, das Internet bringt einen mit arxive.org, Google Scholar, Google Books, der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europeana (um nur ein paar der „Perlen“ zu nennen) quasi ganze Bibliotheken direkt an seinen Computerarbeitsplatz. Mich interessieren dabei insbesondere digitalisierte ältere Bücher, z. B. über Heimatgeschichte, die man nun Dank der Digitalisierung ganzer Bibliotheken ohne die Wohnung oder den Arbeitsplatz zu verlassen, recherchieren, einsehen und sich oft auch herunterladen (und natürlich auch „lesen“!) kann. 

Menschen und Bücher

Das Verhältnis der Menschen zu Büchern war schon immer etwas ambivalent. So gibt es Menschen, die seit ihrer Schulzeit (außer vielleicht der Bibel oder einem Kochbuch) nie wieder ein Buch angefasst haben. Anderen Menschen reicht es aus, immer wieder nur in einem Buch zu lesen (wie dem Koran), weil sie meinen, dort steht alles drin, was man wissen muss. Und für wieder andere stehen Bücher mit im Mittelpunkt ihres Lebens. Soziologisch kann man sie in ihrem Verhältnis zu Büchern in drei Kategorien einteilen: in bibliophile, in bibliophage und in bibliomane Bücherfreunde. Wer mit diesen lateinischen Adjektiven nichts so recht anzufangen weiß, hier nochmal die Übersetzung: der „Bibliophile“ liebt Bücher (was nicht unbedingt bedeutet, dass er sie auch liest), der „Bibliophage“ verschlingt Bücher regelrecht, er ist ein Bücherwurm, und der „Bibliomane“ ist versessen nach Büchern, die er oft in so großen Mengen in seiner Privatbibliothek anhäuft, dass er Hunderte Leben bräuchte, um sie alle zu lesen. In manchen Fällen kann es sogar schwierig sein, jemanden auf diese Weise zu kategorisieren, denn die Grenzen zwischen Bücherfreunden, „Bücherwürmern“ und Büchernarren sind bekanntlich unscharf. Nehmen wir den Bücherwurm, also jemanden, der ein pures Vergnügen darin findet, Bücher zu lesen. Fausts‘ Famulus mit Namen „Wagner“ war sicherlich einer von ihnen, denn Goethe hat ihn sagen lassen:

Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Winternächte hold und schön,
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.





Eine mehr skurrile Form eines „Bücherwurms“ hat der bekannte Münchner Maler Carl Spitzweg (1808-1885) auf mehreren seiner Gemälde hinterlassen. Sie zeigen eine kauzige, etwas entrückt wirkende Person auf einer Trittleiter inmitten einer Bibliothek, dabei stur in einem nahe vor die Nase gehaltenen Buch lesend, während die andere Hand ein weiteres Buch hält und ein Drittes, unter dem linken Arm geklemmt, herauszurutschen droht.


Charles Nodier, ein Vertreter der französischen Romantik, hat einen anderen, eher pathologischen Fall in seiner Novelle „Le Bibliomane“ beschrieben, in der sein Held Theodore bei Frauen nur noch auf deren beschuhten Füße zu schauen vermochte - und zwar nicht etwa in der Art eines krankhaften Schuhfetischisten, sondern mit dem Gedanken „Schade um dieses ausgezeichnete Leder. Was für einen schönen Bucheinband hätte man daraus machen können!“. Viele „Bücherwürmer“, von denen sich Überlieferungen erhalten haben, lebten sehr bescheiden, um ihrem Zwang zu lesen, frönen zu können. Viele Bibliomane dagegen gehörten eher den reicheren Bevölkerungsschichten an, die wiederum ihr ganzes Geld in den Aufbau ihrer Bibliothek steckten und die immer auf der Suche nach neuen, möglichst bibliophilen Kostbarkeiten waren. 

Bibliomane Mörder

Auch hier haben sich einige skurrile Geschichten aus der Vergangenheit überliefert, so z. B. von dem Magister Johann Georg Tinius, der 1764 in Staakow in der Niederlausitz geboren wurde. Ihn machte seine exzessive Büchersammelsucht zu einem Mörder, was ihm nach einem viel beachteten Indizienprozess viele Jahre Zuchthaus einbrachte. Ich kann hier natürlich diesen speziellen Justizfall nicht in seiner Gänze würdigen. Wen es interessiert - Internet sei Dank - kann den entsprechenden Bericht in der „Zeitschrift für die Criminal-Rechts-Pflege in den Preußischen Staaten mit Ausschluss der Rheinprovinzen“, Jahrgang 1830 (29. Heft), unter Google Books einsehen. Das dort ausführlich beschriebene Tötungsdelikt an der „Wittwe Kunhardt“ war eines der ersten größeren Indizienfälle, die mit einer Verurteilung des Täters, eines immerhin hochangesehenen Pfarrers und manischen Buchliebhabers, endete. Der mutmaßliche Grund war, der Magister brauchte Geld, um weitere Bücher zu erwerben... Er versuchte dabei etwas ähnliches, was wir heute in der kriminalistischen Fachsprache „Enkeltrick“ nennen. So besuchte er am 8. Februar 1812 mit dem Vorwand, einen Brief zu überbringen, die offensichtlich vermögende Witwe Kunhardt. Im Brief erbat ein der Witwe Unbekannter 1000 Taler, die sie dem Briefüberbringer aushändigen möge. Dazu kam es aber offensichtlich nicht. Am Ende lag die am Kopf schwerverletzte 75jährige Dame bewusstlos und blutüberströmt in ihrem Lehnstuhl, wo sie dann ihre Haushälterin fand. Sie kam noch einmal kurz zu Bewusstsein, so dass sie noch ein paar vage Angaben machen konnte bis sie schließlich an den ihr zugefügten Verletzungen verstarb. Die Kriminalbehörde von Leipzig (wo die Tat stattfand) ermittelte ziemlich schnell den Pfarrer und Herrn Magister Tinius als möglichen Täter und nahm ihn ohne viel Aufheben zu machen in Haft. Bei der Untersuchung des Falls geriet noch ein weiterer Mordfall, und zwar derjenige an dem Leipziger Kaufmann Schmidt eine Woche zuvor (18. Januar 1812), in das Rampenlicht der Ermittler. Da der Magister hartnäckig die Taten leugnete (er hat sie übrigens zeitlebens nie zugegeben), entwickelte sich ein extrem langwieriger Indizienprozess, der genau in die Zeit der Zweiteilung Sachsens fiel, was zu vielfältigen bürokratischen Schwierigkeiten und Verzögerungen Anlass gab. 1820 wurde Tinius schließlich in erster Instanz und 1823 in zweiter Instanz gemäß der Indizienlage im Mordfall „Witwe Kunhardt“ für schuldig gesprochen. Der Mord am Kaufmann Schmidt konnte ihm jedoch nicht rechtssicher bewiesen werden. Und so steckte man ihn für die nächsten zwölf Jahre ins Zuchthaus (die Untersuchungshaft wurde nicht angerechnet), wo er dank seines phänomenalen Gedächtnisses und weitab seiner bereits verscherbelten Bibliothek noch ein bombastisches Werk über die „Offenbarung des Johannes“ verfasste. Mit einundsiebzig Jahren kam er schließlich frei und starb als 82jähriger im Jahre 1846 nicht ohne noch zwei weitere Werke theologischen Inhalts zu hinterlassen. 

Die Geschichte kennt noch einige weitere „Buchfreunde“, die auch zu Mördern wurden. So der katalanische Mönch Don Vincente, der durch das kurze Erstlingswerk des damals (1837) 16jährigen Gustave Flaubert (1821-1880) mit dem Titel „Bibliomania“ einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte. Auch seine Geschichte soll nur kurz angerissen werden. Don Vincente, den es, nachdem sein Kloster geplündert worden war, nach Barcelona verschlug, eröffnete dort eine Buchhandlung. Dabei interessierte ihn der Inhalt der Bücher so gut wie gar nicht, nur ihr bibliophiler Wert hatte für ihn Bedeutung. Je seltener ein Buch war, desto größer war auch sein Wunsch, seiner habhaft zu werden. Und in dieser Hinsicht war er alles andere als zimperlich. Als es 1836 im Barcelona zu einer Serie grausamer Morde kam, ahnte noch niemand, dass ein besessener Buchhändler den Dolch in der Hand geführt hat. Da es sich ausschließlich um angesehene und gebildete Opfer handelte, nahm man zuerst an, dass es sich um Auftragsmorde der ihrer Macht beraubten geheimen Inquisition handelt. Und so begann man Personen, die als mögliche Mitglieder dieser Geheimorganisation infrage kamen, genauer zu inspizieren. Einer davon war Don Vincente selbst. Bei einer unerwarteten Durchsuchung seines Buchladens fand man prompt das Buch – ein besonders wertvolles Unikat – das nachweislich dem Buchhändler Patxot gehörte, der einige Zeit zuvor samt seinen Büchern in seinem Haus verbrannt war. Weitere Nachforschungen und Verhöre konnten schließlich Don Vincente des zehnfachen Mordes überführen, was er schließlich unter der Last der Beweise auch zugab. Damit war das „Ungeheuer von Barcelona“ enttarnt und konnte vor Gericht gestellt werden. Als Begründung für seine Schandtaten fielen dabei die Worte 

Die Menschen sind sterblich. Sie werden ohnehin, die einen früher, die anderen später, vor den Herrn gerufen. Die guten Bücher aber sind unsterblich, sie muss man behüten.“ 

Don Vincente hauchte kurz nach der Verurteilung sein Leben an der Garrotte aus. 

Das Pitaval

Solche und ähnliche Geschichten, also Kriminalfälle, die irgendwelche Besonderheiten aufweisen, wurden bereits im 18. Jahrhundert gesammelt und für interessierte Leser aufbereitet, denn die eigentliche Kriminalliteratur („Detektivgeschichten“) gab es damals noch nicht. Sie ist erst ein Kind des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Diese besondere Literarturgattung wird nach ihrem Begründer François Gayot de Pitaval (1673–1743) „Pitavalliteratur“ genannt. In Deutschland gilt als ihr Begründer der Jurist Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775-1833), der Anfang des 19. Jahrhunderts eine Sammlung mit dem Titel „Merkwürdige Rechtsfälle“ herausbrachte. Wer Interesse hat, kann sie in digitalisierter Form leicht im Internet finden. Er war übrigens der Vater des „Feuerbachs“, den einst Karl Marx mit seinen Thesen (Sie wissen schon, „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“) beehrte. Bekanntgeworden sind weiterhin insbesondere das „Prager Pitaval“ von Egon Erwin Kisch (dem „rasenden Reporter“) und als ehemaligen DDR-Bürger sind mir natürlich auch die Pitavalgeschichten von Friedrich Karl Kaul (1906-1981) ein Begriff. Heute hat dieses Changre der Film in Form von Fernseh-dokumentationen weitgehend usurpiert. Man denke z. B. in die Serien „Die großen Kriminalfälle“ oder „Kriminalfälle, die die Schweiz bewegten“. Aber zurück zu Büchern. Bücher können die Welt verändern. 

Bücher können die Welt verändern

Eines davon stammt von dem Ermländer Nicolaus Copernicus (1473-1543), dessen Buch „De revolutionibus orbium coelestium“ ich in einer Erstausgabe schon einmal in den Händen halten durfte. Es ist im Besitz des Altbestandes der Zittauer Christian-Weise-Bibliothek.


Man muss eher sagen, „wieder im Besitz“, denn es wurde zu DDR-Zeiten (1988) auf immer noch nicht vollständig aufgeklärte Art und Weise gestohlen, und zwar nicht von einem Nachfolger Don Vincentes, sondern von der Stasi im Auftrag der sogenannten „Kommerziellen Koordinierung“, einer Abteilung des Ministeriums für Außenhandel der DDR mit dem Ziel, über den westlichen Kunstmarkt Devisen für den maroden Staat zu beschaffen. Das Werk von Copernicus war übrigens nicht das einzige Buch, welches auf diese Weise abhandengekommen ist. Zu erwähnen ist auch noch das überaus wertvolle Exemplar einer Handschrift des „Ostfriesischen Landrechts des Grafen Edzard I.“ (um 1518), welches später (1992) wieder auftauchte und von der Bibliothek in Emden erworben wurde (nach einem Rechtsstreit, der in einem Vergleich endete, gehört das Exemplar heute zu jeweils 50% der Christian Weise-Bibliothek und der Johannes-A.-Lasco-Bibliothek Emden). Zum Glück für die Christian Weise-Bibliothek konnte schließlich auch das Buch von Copernicus über diplomatische Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland beim Versuch von dessen Veräußerung (2008 brachte eine ähnliche Ausgabe in New-York einen Versteigerungserlös von 2,2 Millionen Dollar) wiedererlangt werden. Doch was macht dieses Buch über seinen bibliophilen Wert hinaus für die ganze Welt so wertvoll? Es liegt an dessen Inhalt und dessen Wirkung, für die Immanuel Kant (1724-1804), der große Philosoph aus Königsberg, einmal den Begriff der "Kopernikanischen Revolution" prägen sollte. Die Positionen der Himmelskörper, wie sie aus den teilweise nach dem kopernikanischen System gerechneten „Prutenischen Tafeln“ folgten, waren ohne Zweifel etwas besser als die Vorhersagen gemäß der 300 Jahre älteren „Alfonsinischen Tafeln“, die auf dem geozentrischen Weltbild Claudius Ptolemäus beruhten. Das lag aber nicht daran, dass das zugrundeliegende Rechenmodell besser war. Vielmehr die Ausgangsdaten waren aktueller und z.T. auch etwas genauer. Das eigentlich Revolutionäre sollte sich jedoch erst einige Jahrzehnte nach Copernicus‘ Tod richtig offenbaren, nämlich der Gedanke, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist und dass man unter dieser Annahme zu einem Weltbild gelangen kann, welches nicht nur die Phänomene, sondern auch deren physikalische Ursachen zu erfassen vermag. 

Kopernikanische Revolution als Paradigmenwechsel

Der große Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn (1922-1996) spricht nicht ohne Grund von einem Paradigmenwechsel, der entscheidend für die Entwicklung der Naturwissenschaft ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert werden sollte. Die eigentliche Arbeit machte freilich erst Johannes Kepler, der auf die ausgezeichneten Beobachtungsdaten eines Tycho Brahe zurückgreifen konnte und erkannte, dass sich die meisten Probleme des heliozentrischen Systems durch die Einführung elliptischer Bahnen und durch die Annahme, dass diese Bahnen mit ungleichförmiger Geschwindigkeit von den Planeten durchlaufen werden, vermeiden ließen. Um so etwas leisten zu können, musste man sich erst einmal gedanklich vom „offensichtlichen“ Geozentrismus lösen, was Tycho Brahe (1546-1601) noch nicht, Galileo Galilei und Johannes Kepler aber entgegen dem Zeitgeist und mit viel innerem und äußerem Kampf gelungen ist. Oder, wie es einmal der berühmte Romancier Victor Hugo (1802-1885) ausgedrückt hat,

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“. 

Danach ging es Schlag auf Schlag. Immer mehr Gelehrte griffen zum Fernrohr, um den Himmel zu beobachten. 1675 wurde unter König Charles II. das Greenwicher Observatorium gegründet und John Flamsteed (1646-1719) sein erster „Astronomer Royal“. 1686 legte Isaak Newton (1643-1727) der Royal Society sein Werk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ vor, in dem er in Anlehnung an die Geometrie Euklids, wie wir bereits wissen, streng axiomatisch eine mathematische Theorie entwickelt, die später als die „Klassische Mechanik“ bezeichnet werden wird.


Er entdeckt aus der Analyse des dritten Keplerschen Gesetzes das Gesetz der allgemeinen Gravitation und schuf somit die Grundlage für eine physikalische Begründung des heliozentrischen Systems. Und gerade einmal 100 Jahre später war quasi die „Himmelsmechanik“ vollendet und man konnte mit fast beliebiger Genauigkeit die Positionen von Sonne, Mond und Planeten aus wenigen Anfangsbeobachtungen, und, wie man meinte, „für alle Zeiten“, vorausberechnen. Die Etablierung einer neuen Weltsicht, die nicht nur auf die Astronomie beschränkt war, im Zeitalter der Renaissance und der beginnenden Neuzeit, stellte eine grundlegende Zäsur in der Geschichte des Abendlandes dar. Kunst und Wissenschaft begannen sich zu entfalten. Die Wiederentdeckung und Rezeption antiker Werke, ihre Verbreitung und Lehre in den artistischen Fakultäten der aufblühenden Universitäten brachte ein gelehrtes und wissbegieriges Bürgertum hervor. Geographische Entdeckungen, das Aufblühen des Seehandels und eine Neuinterpretation des Christentums taten ihr Übriges. Der Humanismus wurde zu der wesentlichsten Geistesbewegung jener Zeit und die Eliten versuchten aus dem durch Scholastik und Vulgärtheologie geprägtem geistigem Klima des Spätmittelalters zu entfliehen. Mitten in dieser Zeit erschien nun das Werk eines Ermländer Domherrn über die „Umschwünge der Himmelskreise“, welches unter den Fachgelehrten jener Zeit schnell Aufmerksamkeit erregte. Was die Veröffentlichung eines in erster Linie nur für Eingeweihte verständlichen „Fachbuches“ gesellschaftlich bewirkte, hat Friedrich Engels (1820-1895) in seiner „Dialektik der Natur“ sehr prägnant formuliert: 

Der revolutionäre Akt, wodurch die Naturforschung ihre Unabhängigkeit erklärte und die Bullenverbrennung Luthers gleichsam wiederholte, war die Herausgabe des unsterblichen Werkes, womit Copernicus, schüchtern zwar, und sozusagen erst auf dem Totenbett, der kirchlichen Autorität in natürlichen Dingen den Fehdehandschuh hinwarf. Von da an datiert die Emanzipation der Naturforschung von der Theologie.“ 

Grund dafür war, dass letztendlich die Entscheidung zwischen Geozentrismus und Heliozentrismus einer Entscheidung zwischen religiös-idealistischem Weltbild und naturwissenschaftlichem Weltbild gleichkam. Das wurde von der damaligen Amtskirche zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch in seiner ganzen Klarheit erkannt und führte zur öffentlichen Verbrennung Giordano Brunos‘ (1548-1600), zur Verurteilung Galileo Galileis‘ vor dem Inquisitionsgericht (1632) und im Jahre 1616 (!) zum Eintrag des „De Revolutionibus …“ in die Liste verbotener Bücher (Index Librorum Prohibitorum), wo es bis zum Jahre 1758 verblieb. Und es führte, wie wir wissen, zu einer Entwicklung, an deren Ende die heutige moderne Wissenschaft mit all ihren Errungenschaften steht. Deshalb sprechen wir auch mit Kant zu Recht von einer „Kopernikanischen Revolution“. 

Industrielle Revolution - Digitale Revolution

Von der „Kopernikanischen Revolution“ war es dann noch ein weiter Weg zur „Digitalen Revolution“, an deren Ergebnissen und technischen Errungenschaften wir uns heute erfreuen dürfen. Sie lässt sich im Gegensatz zur „Kopernikanischen Revolution“ nicht an einer Person festmachen, sondern nur an einer Vielzahl von Einzelentwicklungen und ist in ihrer Bedeutung ungefähr mit der industriellen Revolution – beginnend am Ende des 18. Jahrhunderts – vergleichbar, wo die Dampfmaschine in vielen Bereichen der Industrie die Muskelkraft ersetzte. Was damals die Dampfmaschine war, ist heute der Computer und dazwischen liegen ungefähr 200 Jahre technische Innovation und Schöpferkraft, fußend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen des 19. und 20. Jahr-hunderts. Hier ist insbesondere die von Max Planck begründete Quantentheorie und ihre Anwendungen in der Festkörperphysik / Festkörperelektronik zu nennen, die uns Laser, Mikroschaltkreise, Computer, die flachen Displays unserer Fernseher, PC’s, Tabletts und Smartphones sowie „Roboter“ in allen Formen und Größen bescherten. Niemand wundert sich mehr darüber, dass es so etwas gibt. Und keiner – wenn er die Materie nicht gerade studiert hat - kann einem plausibel erklären, wie das alles funktioniert. Es wird dann zwar schnell mit Begriffen herumgeworfen wie Mikroprozessor, Grafikchip und Taktfrequenz, aber was sie eigentlich „machen“, wie sie hergestellt werden und was bestimmte Fachbegriffe oder Akronyme wie LCD oder TFT eigentlich bedeuten, entzieht sich größtenteils der allgemeinen Erkenntnis. Das ist sicherlich auch nicht weiter schlimm, solange es Leute gibt, die es einfach wissen wollen und die sich deshalb der Mühe unterziehen, das nicht ganz einfache Metier zu erlernen. Denn sie sind es schließlich, denen es obliegt, dass die Entwicklung nicht zum Stillstand kommt und wir „Nutzer“ uns jedes Jahr an einem neuen Smartphone mit noch geileren Funktionsmerkmalen und Apps erfreuen können. Verweilen wir ein bisschen bei den Displays jenseits der Elektronenstrahlröhre und ihrer Funktionsweise. 

LCD - Flüssigkristallanzeigen

Ihre Urform, den meisten von digitalen Armbanduhren her bekannt, ist die LCD-Anzeige, wobei das Akronym „LCD“ für „liquid crystal display“, also Flüssigkristallanzeige, steht. Aber kann es denn so etwas wie „flüssige Kristalle“ überhaupt geben?
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Morgenspaziergang am Reformationstag


Ich weiß zwar nicht, wie das Wetter heute vor 498 Jahren in Wittenberg war, als Martin Luther morgens nach Hammer und Nagel suchte, um seine Thesen wider den Ablaß an die Schloßkirche zu nageln. Bei uns jedenfalls, in Zittau, in der Südlausitz, war es heute morgen ausnehmend schön, so daß sich ein Morgenspaziergang einfach anbot - am besten mit Sonnenaufgang über den in Nebel gehüllten Isergebirge...


Zuvor erschrack ich etwas, als ich in meinen Garten trat und dort auf der Wiese zwischen den Pflaumenbäumen drei Rehe grasten. Sie waren noch viel mehr erschrocken als ich und machten sich sofort durch die Zaunlücke wieder hinaus aufs Feld. Ich holte schnell die Kamera und konnte sie mit dem Tele in der Morgendämmerung gerade noch ablichten...


Am blauen Himmel konnte man den abnehmenden Mond entdecken...


Früher hätte man zu dieser Zeit Hähne rufen gehört. Heute zeigen sie nur noch die Windrichtung an - wenn denn ein Wind wehen würde...


Sonnenaufgang








Im Morgennebel - die Marienkirche...





Herbstfarben am Wegesrand. Hier hat jemand seine Kürbisernte entsorgt...


Freitag, 30. Oktober 2015

Totenkopffliege


Die unverwechselbare Schwebfliege Myiathropa florea kann man von Mai bis September auf allen möglichen Doldengewächsen beobachten...




Zweizähnige Dornwanze


Saugt gern an Schmetterlingsraupen - die Zweizähnige Dornwanze (Picromerus bidens)...





Donnerstag, 29. Oktober 2015

Pilze: Buckeltramete

Foto: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Selbst wenn man gute Zähne hat, ist die auffällig grüne Buckel-Tramete (Trametes gibbosa) nichts für die Pfanne. Dieser Baumpilz aus der Familie der Stielporlinge besiedelt Laubholzstümpfe und bewirkt bei ihnen eine Art Weißfäule.

Pilze: Gelbe Wiesenkeule

Foto: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Nicht verzweigt, wie der Klebrige Hörnling, aber im selben satten Gelb kommt die Gelbe Wiesenkeule (Clavulinopsis helvola) daher. Sie soll einen schönen milden Geschmack haben. Aber bis mit diesem Winzling ein Korb gefüllt ist, vergeht viel Zeit... Also stehen lassen und sich daran erfreuen...

Pilze: Geweihförmige Holzkeule

Aufnahme: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Hier hatte ich mich bei der Bestimmung geirrt, es ist keine "runzelige blasse Koralle", sondern die Geweihförmige Holzkeule mit dem wissenschaftlichen Namen Xylaria hypoxylon - hätte ich eigentlich sehen müssen. Dank an alle, die mich korrigiert haben. So lernt man aus Fehlern ;-)

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Exkurs: Schwarze Löcher (3)


Mein Vorlesungsmanuskript "Sterne (57)" können Sie über folgenden Link als PDF-Datei herunterladen:

Goldener Herbst in Zittau

Ein Gastbeitrag von Werner Schorisch, Zittau







Pilze: Pappelschüppling

Foto: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Junge Pappelschüpplinge (Pholiota destruens) sind durchaus hübsche Pilze. Leider sind sie recht selten und außerdem noch bitter - und liegen damit für einen Gourmet außerhalb seines Interesses...



Pilze: Waldfreund-Rübling

Foto: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Der "Waldfreund" freut sich darüber, der Pilzfreund mit kulinarischen Ambitionen läßt ihn im Wald stehen - den Waldfreund-Rübling (Collybia dryophila).

Pilze: Ziegelroter Schwefelkopf

Foto: Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Sehr bitter im Geschmack kommt der Ziegelrote Schwefelkopf (Hypholoma sublateritium) daher. Also am besten am Stumpf, an dem sie oft in großer Zahl wachsen, stehen lassen.

Pilze: Kastanienroter Butterrübling

Foto Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Schmeckt in Mengen zwar recht fade, aber eßbar ist er, der Kastanienrote Butterrübling (Collybia butyracea), durchaus. Aber wenn es ihn in größerer Menge gibt, gibt es auch andere, bei weitem schmackhaftere Pilze, in vergleichbar großen Mengen, so daß man gut und gerne auf ihn verzichten kann...

Etwas Lesestoff: Trojanische Wirren um den Glöckner von Notre Dame, um Luther, Böhmisches Bier und dessen schöne "Blume"

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Auch das Patent, welches Blaise Pascal für diese Erfindung erhielt, hat ihn nicht reich gemacht.

Erfindung des Omnibus

Quelle: Bundesarchiv

Aber eine andere Erfindung, die ihm noch kurz vor seinem Tod im Jahre 1662 gelang, hat in einer natürlich moderneren Form bis heute überdauert: Der Droschken-Omnibus (kurz, ein Gefährt für alle), der auf einer festen Omnibuslinie in festgesetzten Zeiten verkehrte und dessen An- und Abfahrzeiten somit kalkulierbar waren (was bei der Deutschen Bahn bekanntlich nicht immer der Fall ist). Er wurde als „Wagen für 5 Groschen“ (carrosses à cinq sols) bezeichnet und befuhr, mit zwei Pferden bespannt, mehrere Stadtteile von Paris.

Trojanische Wirren

Da fällt mir ein, dass manche Leute glauben, der Stadtname „Paris“ hätte etwas mit Paris, dem Sohn des trojanischen Königs Priamos zu tun, der, wie ja jeder weiß, einen guten Geschmack bewies als er Aphrodite als die schönste Frau unter der Sonne erwählte und, in den dadurch ursächlich ausgelösten Wirren (von denen Homer in seiner Ilias ausführlich berichtet) dem Helden Achilles einen Pfeil in die Achillesferse schoss, was dieser bekanntlich wiederum nicht überlebte.

Skulptur von Ernst Herter, 1884

Achilles fiel auf diese Weise für die weitere Belagerung Trojas aus (was für die Achäer ziemlich tragisch war) und die Griechen unter Agamemnon erlangten erst dann das Kriegsglück wieder zurück, als das von Odysseus erdachte hohle Holzpferd fertig gebaut und mit einer geheimen Besatzung ausgestattet war. Was dann von Seiten Trojas passierte, kann man unter allen denkbaren (und nicht allein militärischen) Gesichtspunkten nur als saudumm bezeichnen (so wie heute das Öffnen unbekannter E-Mail-Anhänge). Der Ausgang ist bekannt.

Warum Paris „Paris“ heißt

Nein, der Name Paris für die Stadt „Paris“ hat einen anderen Ursprung, und den kann man in dem bekannten Geschichtswerk Gaius Iulius Caesars (100 – 44 v. Chr.) „De Bello Gallico“ – deutsch „Der Gallische Krieg“, jederzeit selbst nachlesen.


Der große römische Feldherr berichtet darin, wie der gallische König Vercingetorix zusammen mit den Kriegern des keltischen Volksstamms der Parisii gegen Caesars Legionen kämpfte. Dazu verließen sie ihre Heimatsiedlung Lutetia auf einer Insel in der Seine und wurden, wie erwartet, von den Römern geschlagen, die dann prompt deren Siedlung übernahmen, sie am Ufer erweiterten, in „Lutetia Parisiorum“ umbenannten und zu einer für damalige Verhältnisse wirklich modernen Stadt ausbauten, welche später kurz „Paris“ genannt wurde. Ein Römer, den es privat oder dienstlich dort hin verschlug, hatte quasi das große Los gezogen. Ein Aquädukt versorgte die Stadt mit Frischwasser, Thermen luden zu einem Bad ein und mehrere Theater sorgten für ein kulturelles Ambiente. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in und um diese Ansiedlung waren für damalige Verhältnisse hervorragend. Damit war der Grundstein für eine große Zukunft dieser Stadt gelegt. Nach dem Untergang des "Großen Römischen Reiches“ residierten hier ab 508 fränkische Könige.


Notre Dame de Paris und sein Glöckner

Im Jahre 1163 wurde der Grundstein für die Kathedrale Notre Dame de Paris gelegt und 1831 der berühmte Roman Victor Hugo’s (1802-1885) über das Zigeunermädchen Esmeralda und den Glöckner Quasimodo, welcher genau in dieser und um diese Kirche spielt, veröffentlicht. Die meisten werden dieses Werk des großen französischen Romanciers nur als Verfilmung kennen, was eigentlich schade ist. Denn der Roman entfaltet sogar in seiner deutschen Übersetzung eine unvergleichliche epische Wucht, die einem das Leben im spätmittelalterlichen Paris (1482) farbig und opulent vor Augen führt - verbunden mit einer spannenden, ineinander verwobenen Handlung unterschiedlichster Charaktere.


Eigentlich sollte man beides kennen, den Roman und die wunderbare Verfilmung von 1956 mit Anthony Quinn als Quasimodo, der unvergleichlichen Gina Lollobrigida als Esmeralda und Alain Cuni als Claude Frollo.


Das Leben in einer spätmittelalterlichen Stadt, war, soweit man nicht einer besser gestellten Kaste angehörte, meist beschwerlich und kurz. Die Lebenserwartung erreichte im Durchschnitt gerade einmal 35 bis 40 Jahre und war u. a. den schlechten hygienischen Verhältnissen geschuldet, die verheerende Seuchen (wie die Pest) begünstigten und auch zu einer hohen Kindersterblichkeit führten. Also alles Faktoren, die in Verbindung mit einer für die meisten kaum erschwinglichen medizinischen Versorgung, schwerer körperlicher Arbeit, häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen und schlechter Ernährung zu einem frühen Tod führte.

Der Tod im Mittelalter

Und der Tod verlor im Mittelalter seine heitere, epikureische Form und wurde zu einem Schrecken mit folgender Verdammnis, Fegefeuer und Höllenqualen, die ihrer theologischen Bedeutung beraubt, zu einer realen und jedermann vorstellbaren Tatsache wurde, der man nur durch einen entsprechenden gottgefälligen Lebenswandel entkommen konnte. Kurz gesagt, das Ziel des mittelalterlichen Lebens war ein rechtes Sterben (bona mors).


Denn der Tod konfrontierte den Christenmenschen ganz direkt mit der Frage nach Verheißung oder Verdammnis, wobei die mittelalterliche Kirche in den Verdammnisbeschreibungen stark (man denke nur an das „Jüngste Gericht“ von Hieronymus Bosch (1450-1516) oder Dantes „Commedia“) und in den Himmelsvisionen erstaunlich schwach war.


Die Schrecken wurden dabei noch genährt von den Eindrücken, welche die wie aus dem Nichts erscheinenden großen Seuchen (z. B. die Pestwellen des Spätmittelalters) in den Seelen der Menschen hinterließen, die Schrecken der Kriege oder den sehr direkten Empfindungen, wie man sie in jener Zeit relativ oft bei Ketzer- und Hexenverbrennungen gewinnen konnte.

Hieronymus Bosch - Höllensturz

Die größte Angst des mittelalterlichen Menschen bestand deshalb darin, zu früh, noch im Zustand der Sündhaftigkeit, zu sterben (mala mors). Denn „Mors peccatorum pessima“ – der Tod der Sünder ist überaus schlimm. Deshalb bedeutete „Leben“ im Mittelalter sich ganz konkret auf den Tod vorzubereiten, denn nichts war schlimmer als ein plötzlicher Tod, ohne Absolution, letzter Ölung und kirchlichen Beistand. Tägliches Beten, das fromme Anhören der Messe, gute Taten etc. sollten den „schlimmen Tod“ verhindern. Denn es galt der Grundsatz von Augustinus „Es kann nicht übel sterben, wer gut gelebt hat“ (Non potest male mori, qui bene vixerit). Um das zu unterstützen, entwickelte sich seit dem 12. Jahrhundert eine Art göttlicher Fürbitte, die sich an dem „Heiligen Christophorus“ (derjenige, welcher der Legende nach das Christuskind auf seinen Schultern über den Fluss getragen hat) anlehnte. Sein Gedenktag im katholischen Kirchenjahr ist übrigens der 24. Juli. Das Ziel der Fürbitte war es, den „Tod ohne Gnadenmittel“ abzuwenden. Dazu benötigte man ein Bild des Heiligen und eine entsprechende Fürbitte-Formel.

Christophorusblätter

Mit dem Aufkommen des Druckgewerbes wurden in großer Zahl entsprechende Drucke (meist Holzschnitte mit dem Abbild Christophorus‘) hergestellt und unter dem Volk verteilt. Man nannte sie Christophorusblätter. Trotz ihrer großen Stückzahl haben sich nur wenige bis heute erhalten. Mit dem Beginn der Reformation wurde in den gebildeten Kreisen immer mehr Kritik über den Christophorus-Wunderkult laut, wobei die Kritik von Erasmus von Rotterdam in seiner „Lob der Torheit“ sicherlich am Lautesten zu vernehmen war.


Auch für Luther war letztendlich das „Anschauen des Christophorus-Antlitzes“ nur eine spezielle Form der Götzenbildnerei. Als es um den Neubau des Petersdoms in Rom ging und man merkte, so wie heuer in Berlin beim Flughafenbau, dass er teurer wird als vorgesehen, musste sich der Papst und seine Kardinäle überlegen (so wie heute die Landesregierung in Potsdam und der Senat von Berlin), wo denn das viele Geld dafür herkommen soll. Nachdem die Einnahmen aus dem „Peterpfennig“, eine freiwillige Spende der Gläubigen an die Kurie, nicht ausreichten, erinnerte man sich an die Urängste der spätmittelalterlichen Menschen, nämlich nach dem Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Hölle im Fegefeuer (Purgatorium) zu landen.

Ablassbriefe

Da ist es schön, dass das Kirchenrecht dem armen Sünder Möglichkeiten eröffnete, dem zu entgehen oder die Bußzeit in der Hölle zumindest maßgeblich zu verkürzen. Vor dem Neubau der Peterskirche reichte es dazu aus, eine Wallfahrt zu unternehmen (im schlimmsten Fall bis nach Jerusalem), oder, bei kleineren Sünden, nach der Beichte ein entsprechendes Gebet entsprechend oft zu wiederholen. Aber dann wurde der Ablass kommerzialisiert in Form der Einführung der Ablassbriefe, die jedermann ohne sonstige Voraussetzungen (Beichte, Kommunion) für sich und andere gegen „Bares“ erwerben konnte. Und wer erst eine „Sünde“ plante, konnte sich damit auch schon einmal prophylaktisch von einer zeitlichen Sündenstrafe freikaufen. Denn „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“, war damals ein geflügeltes Wort der Ablasshändler, von denen der Dominikanermönch Johann Tetzel (1460-1519) nur einer der besonders Prominenten war.


Da nur ein Teil der Gelder, die der Ablasshandel einbrachte, den Weg nach Rom fand (der andere Teil landete gewöhnlich in der Schatulle des Landesbischofs sowie in der des Ablasshändlers selber), erhielten die Ablasshändler große Unterstützung von den lokalen Kirchenfürsten (hier der Hohenzollernprinz und dreifache Erzbischof Albrecht von Brandenburg). Die Ablasshändler traten dabei marktschreierisch auf, malten die Hölle in noch düsterer Farben, als es Hieronymus Bosch (1450-1516) je hätte tun können, und zogen so dem dummen Volk den letzten Kreuzer aus der Tasche. Aber beachten Sie, die Methode, die hinter dem Ablasshandel steckt, bewährt sich auch heute noch. Nur ist sie subtiler geworden. Als Stichworte möchte ich nur „Telekomaktie“ (vielleicht erinnert sich noch jemand an Manne Krug, „Anwalts Liebling“, und Ron Sommer?) und manche Formen des „Riesterrentenvertrags“ nennen. Es gab aber einen gelehrten Professor der Bibelauslegung, dem der exzessive Ablasshandel an seiner universitären Wirkstätte in Wittenberg ziemlich suspekt vorkam. Ihn störte dabei weniger die geistliche Intention, die sich dahinter verbarg, sondern vielmehr die Tatsache, dass auch der Ablass für bereits Verstorbene erworben werden konnte. Und so beschloss er, wie damals üblich, eine gelehrte Disputation darüber anzustoßen.

Martin Luther und seine 95 Thesen

1517 veröffentlichte dieser gelehrte Mönch mit Namen Dr. Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen über die Heilskraft der Ablässe und löste damit eine Ereignisfolge aus, die zum noch heute andauernden neuzeitlichen Kirchenschisma führte. Das die Reformation zum Erfolg wurde und Luther nicht das Schicksal von Jan Hus ereilte, lag u. a. an einem zwar durchschnittlichen, aber sehr weisen Fürsten, nämlich an Kurfürst Friedrich III. dem Weisen von Sachsen (1463-1525), dessen Untertan damals Luther war.


Obwohl zutiefst katholisch, hielt er über den durch das Wormser Edikt in die Reichsacht gefallenen Professor seiner von ihm gegründeten Wittenberger Universität die schützende Hand. Und durch den von ihm veranlassten Zwangsaufenthalt Luthers auf der Wartburg bei Eisenach verdanken wir Deutschen die erste deutsche Bibelübersetzung und damit die Grundlagen unserer Schriftsprache. Niemand hat die deutsche Einheitssprache mehr geprägt, als Martin Luther. Er schaute dem Volk aufs „Maul“, rang beim Übersetzen der Heiligen Schrift um jedes Wort, erfand dabei einprägsame Redewendungen, die später direkt in die Alltagssprache eingegangen sind und setzte so die Grundlage für ein einheitliches Schriftdeutsch für eine Nation, die in eine Vielzahl von Sprachdialekten aufgespalten ist.

Martin Luther und die deutsche Sprache

Nur ein Beispiel. So beginnt er die Weihnachtsgeschichte nicht mit einem märchenhaften „Es war einmal…“ sondern gehoben und formschön mit „Es begab sich aber zu der Zeit…“. Deshalb lohnt es sich schon der Sprache wegen, das Lukasevangelium wieder einmal zu lesen, und das gerade heute, wo Sprachschluderei nicht nur scheinbar Usus geworden ist. Wer es nicht glaubt, lese einfach einmal die E-Mails, die jeden Tag auf Arbeit so eintrudeln. Was einem hier manchmal ernsthaft – und das im Rahmen einer gewöhnlicher Geschäftskorrespondenz - vorgesetzt wird, lässt einen immer öfters am Bestehen einer Kulturnation zweifeln…


Doch zurück zu Martin Luther. Zu seinen Lebzeiten sprach man im deutschen Raum ca. 20 verschiedene Sprachen oder Dialekte, die sich wiederum grob in Niederdeutsch (im Norden) und Oberdeutsch (im Süden) zusammenfassen lassen. Das Kurfürstentum Sachsen lag dabei ziemlich genau auf der Sprachgrenze, was erklärt, das Wörter aus beiden Sprachräumen in der Lutherbibel Verwendung fanden mit dem erfreulichen Effekt, dass sich heute sogar Friesen und Bayern problemlos verstehen können. Kaum jemand weiß noch, dass Sprüche wie „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein“, „Niemand kann zwei Herren dienen“ oder „Sein Licht unter den Scheffel stellen“ allesamt von Luther stammen. Das liegt daran, dass er sich viele Gedanken um Formulierungen gemacht hat. Die wortwörtliche Übersetzung war nicht unbedingt sein Ding. Für ihn war es vielmehr wesentlich, den Sinn zu erfassen und daraus eine Formulierung abzuleiten, die jeder versteht - und nicht stattdessen starr an Worten zu kleben. Lassen Sie sich einfach mal den Satz „Ex abundantia cordis os loquitur“ von Google ins Deutsche übertragen und vergleichen Sie das Ergebnis mit Luthers Version „Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über“ – und Sie werden ein bekanntes Sprichwort erkennen. Auch deshalb ist die Lutherbibel nicht bloß eine schnöde Übersetzung aus dem lateinischen und griechischen Original, sondern eine literarische Meisterleistung und damit ein Kulturgut an sich. Viele Worte, die ehemals einem Dialekt angehörten und nur sehr lokal gesprochen und verstanden wurden, hielten durch Luthers Bibelübersetzung Einzug in das moderne Deutsch. Ich denke dabei beispielsweise an das Wort „ruchlos“, was bekanntlich nur ein anderer Ausdruck für „rücksichtslos“ ist. Aber auch „Feuereifer“, „Machtwort“, das „Morgenland“ oder das „Lästermaul“ waren Wörter, die Luther erstmals verwendete und die heute zum gewöhnlichen Wortschatz eines jeden Deutschen gehören. Dadurch, dass sich in den folgenden Jahrhunderten die Lutherbibel sprachlich nicht mehr veränderte (sie war quasi sakrosankt) und man dialektbedingte Verständnisprobleme mit „Übersetzungshilfen“ abmilderte, stellte sie einen gewissen Standard dar, nach der letztendlich selbst Schüler in der Schule Schreiben und Lesen lernten. Auch das Gottes Wort nun in Bibeldeutsch von den Kanzeln verkündet wurde und nicht mehr in dem für das Volk unverständlichen Kirchenlatein, war ein wichtiger Schritt bei der Vereinheitlichung der Sprache. Zwar dauerte es noch einige Zeit, bis sich überall im deutschen Sprachraum die von Luther initiierte Schriftsprache auch im gesprochenen Wort in einem gemeinsamen Hochdeutsch (das selbst die Schweizer beherrschen) wiederspiegelte. Aber damit war eine weitere Grundlage hin zu einem zukünftigen vereinheitlichten deutschen Nationalstaat geschaffen worden, der bekanntlich 1871 Wirklichkeit wurde. Und noch etwas dürfte vielleicht interessant sein. Auch das Schriftbild, dass Sie hier bewundern dürfen – also die nur für das Deutsche typische Großschreibung von Substantiven – hat sich wegen Luther erhalten, denn er hat sie konsequent angewendet. Eigentlich ein guter Grund, sie auch in Zukunft beizubehalten. Zum Schluss noch ein paar wenige Worte zur Reformation.

Martin Luther und die Reformation

Zeitlich ist sie anzusetzen zwischen den Thesenanschlag Luthers im Jahre 1517 und der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Sie ist ohne Zweifel die bedeutendste kirchliche (und gesellschaftliche) Erneuerungsbewegung der frühen Neuzeit, die von Deutschland ausgehend nach und nach auch die Nachbarländer – zuerst die Schweiz unter Ulrich Zwingli (1484-1531) – erfasste und Europa zu einem neuen Antlitz verhalf. Der Preis war freilich hoch. Man denke nur an den Dreißigjährigen Krieg, der ganz Mitteleuropa, und darin insbesondere die deutschen Länder, in ein nie dagewesenes Elend stürzte.

Prag in Böhmen


Ausgangspunkt für diesen verheerendsten Krieg aller Kriege, die unseren Kontinent je heimgesucht haben, war Prag, die Hauptstadt und der Mittelpunkt Böhmens. Über viele Jahrhunderte war diese Stadt an der Moldau selbst der Mittelpunkt Europas. Im Veitsdom auf dem Hradschin, dem Burgberg hoch über der Moldau, sind allein vier Kaiser und eine Kaiserin sowie 8 Könige und eine Königin begraben. An ihnen lässt sich ein großer Teil der Geschichte des Sacrum Imperium Romanum, beginnend bei den Premysliden im 14. Jahrhundert (Ottokar I. und II.), über den Lu-xemburger Karl IV. bis hin zu den Habsburgern Ferdinand I., Maximilian II. und Rudolf II., festmachen - mit Nachwirkungen bis heute. In Prag wirkte Jan Hus an der dort 1348 von Karl IV. gestifteten Karls-Universität (der ältesten Universität überhaupt nördlich der Alpen!), dort fand 1419 der erste Prager Fenstersturz (Beginn der Hussitenkriege) und 1618 der zweite Prager Fenstersturz (Beginn des Dreißigjährigen Krieges) statt. Hier wirkte Johannes Kepler von 1600 bis 1612 als Hofmathematiker Kaiser Rudolf II. und hier entstand im Wesentlichen sein großes Werk „Astronomia nova“, eines der wichtigsten und bedeutendsten Bücher in der langen Geschichte der Astronomie.

Der Prager Sankt-Wenzels-Vertrag

Und nicht zu vergessen, hier, in Prag, wurde 1517 der Sankt-Wenzels-Vertrag geschlossen, der es adeligen Grundeigentümern erlaubte, auf ihrem Grund und Boden Bier zu brauen. Dieses Privileg führte um 1570 zur Gründung einer Brauerei im rund 50 Kilometer nordwestlich von Prag gelegenen Dorf Kruschowitz (Krušovice), die, seitdem sie 1581 von Kaiser Rudolf II. erworben wurde, als „Königliche Brauerei Kruschowitz“ firmiert. Wenn Sie also einmal durch Böhmen reisen, achten Sie auf das auffällige Logo mit dem Namenszug „Krušovice“ und der Jahreszahl 1581 beidseitig der Krone.

Kruschowitzer Dunkel


Dann lohnt es sich allemal, einmal anzuhalten und einen halben Liter „Kruschowitzer Dunkel“ (Krušovice Černé) zu genießen, so wie es einst Kaiser Rudolf II. auch des Öfteren getan hat. Ein Bierkenner hat es wie folgt beschrieben:

Das Bier fließt tiefschwarz mit schönem, bräunlichen Schaum ins Glas und duftet nach kräftigen Röstmalz-Aromen, Kaffee und Rauch. Umso überraschender ist dann der Geschmack: Im Antrunk kommen zwar wie erwartet, schön ausgeprägte Röstaromen, Kaffee, einen Hauch bittere Schokolade und Getreide, doch sofort danach bleibt jegliche Schwere aus. Das Bier fließt leicht die Kehle hinab und wirkt dabei erfrischend mild. Es klingt mit einem dezenten Bitteren süffig aus und erinnert entfernt an ein Pils. Ein Blick auf den Alkoholgehalt erklärt dann diese Leichtigkeit.

Braunschweiger Mumme

„Schwarze“ Biere sind eine urdeutsche Erfindung. Es lässt sich urkundlich mit einiger Unsicherheit bis zum Jahr 1390 zurückverfolgen, und zwar in Form der „Braunschweiger Mumme“. Ganz sicher und offiziell wird dieses spezielle, extrem haltbare dunkle Bier seit 1492 in Braunschweig gebraut – und man kann es auch heute noch kaufen…


Lange Zeit war die „Mumme“ das Bier der Seefahrer. Sein hoher Alkohol- und Zuckergehalt machte es auch ungekühlt für lange Zeit haltbar und schützte die Seefahrer so vor dem gefürchteten Skorbut. In Niedersachsen war über Jahrhunderte hinweg dieses Getränk quasi ein Grundnahrungsmittel, und man sagte sich:

Ein starker Sachse wird, wie alle Völker sagen - Nie schmal in Schulter seyn und schlappe Lenden tragen. - Fragt einer, welches denn die Ursach dessen sey? - Er isset Speck und Wurst und trinket Mumm’ dabey“.

Bier mit Blume

Ein frisch gezapftes Bier ist nicht nur ein kulinarischer sondern auch ein ästhetischer Genuss, wenn es eine „Blume“ (oder andernorts auch „Krone“ oder „Haube“ genannt) besitzt. Darunter versteht man den feinsahnigen Schaum, der sich beim Einschenken über der Flüssigkeit bildet und fast immer von weißer Farbe ist. Ihre Entstehung ist dem beim Gärungsprozess entstandenen und im Bier gelösten Kohlendioxid zu verdanken. Beim Einschenken kommt es zu einer minimalen Druckentlastung und auch zu einer leichten Erwärmung der Flüssigkeit, so dass Kohlendioxid-Gasbläschen entstehen, die aufgrund der von Archimedes schon vor einiger Zeit entdeckten Gesetzmäßigkeit nach oben steigen und dabei aufgrund des abnehmenden Drucks weiter wachsen. Dabei werden spezielle Eiweißstoffe (Proteine) mit nach oben gerissen, die beim Erreichen der Oberfläche der Flüssigkeit Schaumbläschen bilden. Kleinere können sich dabei noch zu Größeren vereinigen und der Nachschub von Unten schiebt sie zusammen mit ihren Nachbarbläschen weiter nach oben, so dass über dem Bier eine Schaumkrone – „die Blume“ – entsteht.


Die Wände der Bläschen sind dabei durchsichtig, aber an ihnen kann sowohl Licht gebrochen als auch reflektiert werden. Fällt Licht auf den Bierschaum wird er deshalb dieses Licht nach allen Richtungen streuen und es entsteht unabhängig von der Farbe der Biersorte ein weißer Schaum. Das Besondere dabei ist dessen Stabilität, die eine längere Zeit anhält, obwohl an der Schaumbildung keine Tenside (wie bei Geschirrspülmittel oder beim Badeschaum) beteiligt sind. Diese Eigenschaft, die gern zur Prüfung der „Schalheit“ eines Bieres herangezogen wird, war über Jahrhunderte hinweg rätselhaft. Denn bei „normalen“ Proteinen ist solch eine relativ lange andauernde Schaumbildung eher ungewöhnlich. Seit der Einführung des Reinheitsgebotes (welches Geschirrspülmittel im Bier explizit verbietet) mussten 496 Jahre vergehen, bis dieses Rätsel gelöst werden konnte. Und schuld daran waren, wie konnte es auch anders sein, die Gene. Und zwar ganz speziell ein Gen des Hefepilzes Saccharomyces pastorianus mit dem Namen CFG1, wobei „CFG“ die Abkürzung für „Carlsbergensis foaming gene“ ist. Wird dieses Gen in der Zelle des Hefepilzes exprimiert, dann entsteht an den Ribosomen, den Eiweißfabriken der Zellen, das Hüllenprotein Cfg1p, welches den Bierschaum stabilisiert. Und das scheint den Hefen in den bei Bieren der dänischen Carlsberg-Brauerei offensichtlich besonders gut zu gelingen. Carlsberg und Tuborg waren übrigens die Lieblingsbiere der Mitglieder der „Olsenbande“ Egon, Kjeld und Benny. Stabile Schäume sind aber nicht nur beim Gerstensaft erwünscht.


Nicht immer sind Träume Schäume - Jane Everson

Einer amerikanischen Lehrerin aus Chicago mit Namen Carry Jane Everson (1843-1914) fiel um 1885 beim Waschen von ölverschmierten Säcken, die zuvor zerkleinerten Kupferkies enthalten hatten, etwas Interessantes auf.
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