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Mittwoch, 1. November 2017

Wanderung durch die Pschichrasener Felsen und zum Mannsberg

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Begnadet ist der Oberlausitzer durch die wundervolle Landschaft Nordböhmens, sofern er diese Gabe zu schätzen weiß. Vom Böhmischen Mittelgebirge bis zum Riesengebirge ist es mit den heutigen Verkehrsmitteln ein Katzensprung. Auch das Böhmische Paradies (Český ráj) gehört zu diesen Regionen und, obwohl schon oft da gewesen, gibt es noch immer etwas Neues zu entdecken. Z. B. die Reste der Felsenburg Klamorna im westlichen Teil des Böhmischen Paradieses. 

Vom Parkplatz des ehemaligen Tourismuszentrum Pschichras (Příhrazy), welches sich leider in bedauerlichem Zustand befindet, steigen wir hinauf zu den Felsen. Von zahlreichen Austritten auf den Riffs und durch die Bäume hindurch fällt der Blick auf die gegenüberliegenden Steilwände des großen Felskessel, natürlich sucht das Auge den Stutenkopf (Kobyla) und findet ihn auch. Unsere Ziele liegen aber jenseits der Felsen, zunächst der Mannsberg (Mužský), dessen Gipfel von Basaltmassen durchbrochen wurde und der einen geradezu idealen Aussichtspunkt mit garantiert 360° Rundblick abgibt. Von diesem ergötzt etwa ein Zweidrittel das Auge, nämlich der Ausschnitt von der Daubaer Schweiz bis zum Riesengebirge und natürlich direkt unter uns das Paradies. Am Gipfel steht ein Gedenkstein für die Gefallenen eines Gemetzels zwischen Österreichern und Preußen im Deutschen Krieg (1866), bei dem sich die Kaiserlichen nicht mit Ruhm bekleckert haben. Theodor Fontane, der sich in diesem Krieg als Feldberichterstatter betätigte, weiß über die Niederlage der Österreicher wenig Rühmliches zu berichten: 

'Wenig Umsicht, wenig guter Wille, wenig Entschlossenheit hätten genügt, diese Felsenmasse zu einer uneinnehmbaren Festung zu machen. Es war aber das Schicksal Oesterreichs, dass es an der einen oder der anderen dieser Eigenschaften (oft an allen dreien) immer wieder und wieder gebrach.'

Es ist schon absehbar, dass die heutige Tour, obwohl nicht sehr lang, viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Neben einer ausgiebigen Rast am Mannsberg wartet als nächster Glanzpunkt die Burgruine Walletschow (Valecov). Heute werfen wir unser Augenmerk weniger auf den Burgkörper, als mehr auf die Behausungen die unterhalb der Burg in die Felsen geschlagen wurden. Arme Leute, als Troglodyten bezeichnet, hausten hier noch samt ihrer Familien bis etwa 1893 in dumpfen, engen, lichtlosen, stallähnlichen Felslöchern und fristeten ein elendes Dasein, berichtet uns Theodor Schäfer (1912). Das Angebot eines Kiosks am Fuße der Burg hält uns ein wenig auf.

Scheinbar war es Mode, zwischen den Felsen zu hausen, denn ein paar Kilometer weiter ist in luftiger Höhe der Standort der ehemaligen Felsenburg Klamorna zu besichtigen. Dabei ist natürlich zu beachten, dass es sich hier um ursprünglich steinzeitliche Ansiedlungen handelt und zum Besiedlungsgebiet auch die ehemaligen Burgen Hynšta und Stara hrad, der mutmaßliche Opferstein am Berg Smrkovec und die unweit davon gelegenen 'Schergenstübchen' (Drábské světničky) gehörten. Die Schergenstübchen (auch Räuberstuben oder Wachtstuben genannt) sind das ausgegebene Ziel der heutigen Wanderung.

'An der Westecke seines Felsengürtels birgt der Mannberg eine seit Jahrhunderten verlassene, aus siebzehn Felsenstuben bestehende Höhlensiedlung, die in fiinf nebeneinanderstehenden turmhohen Felsblöcken untergebracht ist. Man nennt sie »Räuberstuben« oder »Wachtstuben«. Die drei Hauptfelsen stehen so zusammen, daß sie in halber Höhe einen hofartigen Innenraum freilassen, den wir von Süden her über eine steile Treppe und durch eine enge Kluft erreichen. Hier nimmt uns sogleich der ganze Zauber der Felsensiedlung gefangen. Rings in den Felsen dämmern uns in verschiedenen Höhen geheimnisvolle Aushöhlungen entgegen, die durch Felsentreppen miteinander verbunden sind. Da winden sich schmale Felsenstufen empor und führen uns durch eine gut erhaltene Felsenstube auf die Oberfläche des linken Hauptfelsens und schon lockt uns ein lief eingehauener Stiegengang zu weiteren Räumlichkeiten hinab, die mit ihrer ausgesparten Sitzbank Anlaß boten, hier die Schule der ehemaligen Felsensiedlung zu vermuten.' ('Väterspuren jenseits der Sprachgrenze', Emil Thiel, Jahrbuch des Deutschen Gebirgsvereines für das Jeschken- und Isergebirge). In einem seitenlangen Beitrag schildert Emil Thiel detailliert die mutmaßliche Bestimmung der vielen Räumlichkeiten der Anlage und bemüht sich redlich darum, den germanischen Ursprung dieser kühnen Burganlage herauszuarbeiten, die archäologischen Erkundungen tschechischer Archäologen kleinzureden und sich an der Sonnenanbetung der Altvorderen zu ergötzen. Kein Wunder, wir schreiben das Jahr 1938, als der Artikel erschien.

Die Burganlage der Schergenstübchen ist schon außergewöhnlich, erfordert ein wenig Wagemut, ist aber im Großen und Ganzen gut abgesichert. Die Zeit für eine Begehung sollte man sich nehmen, vielleicht auch den Aufenthalt auf den Felsen mit Fernsicht für eine Pause nutzen - die Anlage hat etwas Besonderes.

Der Rückweg führt vorbei an der Gaststätte 'Zur schönen Aussicht´. Alternativ zum rot markierten Wanderweg, der nördlich entlang des Felskammes verläuft, wählen wir heute einen unmarkierten Weg südlich der Kammlinie. Von diesem Pfad bieten sich noch einmal herrliche Ausblicke auf den Pschichrasener Felskessel (Příhrazské skály) und zwar auf der Gegenseite, über die wir am Morgen aufgestiegen sind. Bei einer weiteren Felsenburg (Stara hrad) vereinen sich die Wege wieder, bevor der ziemlich steile Abstieg, teils über Leitern, nach Pschichras beginnt.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.



Am Rande des Pschichrasener Felsenkessels



Der Stutenkopf






Der Gedenkstein am Mannsberg


Ausblicke vom Mannsberg mit Bösigen aun Roll






Die Behausungen der Triglodyten




Burg Walletschow



In den Felsen befand sich die frühere Burg Klamorna




Bei den Schergenstübchen










Der Pschichrasener Felskessel von der Gegenseite



Schöne Ausblicke von der Stara hrad nach Wiskersch, Trosky und zum Jeschken





Der Mond ist aufgegangen (über dem Felskessel)

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