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Dienstag, 14. Januar 2020

Bier am Bahnhof



Ein trüber Herbsttag vermag von vornherein keine großen Erwartungen an eine aussichtsreiche Wanderung hervorzubringen. Wir sind also darauf eingestellt, dass die am Wege liegenden Aussichtsfelsen uns heute keinen Genuss bereiten werden. Wir starten also zunächst in Herrenwalde unmittelbar an der tschechischen Grenze. Während des Anstiegs zum Weberberg dringen für Momente ein paar Sonnenstrahlen durch den dichten Nebel, so dass Hoffnung aufkeimt, aber eben nur kurz. Bald umfängt uns wieder der Nebel und zwar für den Rest des Tages. Wir nutzen die Gunst der Stunde und suchen die Gipfelmarkierung des Weberberges, die auf der tschechischen Seite mitten im Wald gelegen ist. 

Über das Schwarze Tor geht es zum Dreiecker. Hier trafen die Grenzen dreier Herrschaften aufeinander, nämlich Rumburg (Rumburk), Reichstadt (Zákupy) und Zittau. Auf dem Quarzitfelsen wurde zu Beginn der 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Grenzstein aufgesetzt, der die deutsch-tschechische Grenze markiert(e).

Da wir die Finkenkoppe (Pěnkavčí vrch) streifen, lassen wir uns auch hier den Aufstieg nicht entgehen, um die unschwer zu findende Gipfelmarke aufzusuchen. Immerhin ist die Finkenkoppe im Wettstreit um den höchsten Berg des Lausitzer Gebirges der Lausche mit ihren 792 m nur um 1 Meter unterlegen. Von ihrem Gipfel ist aber keine Aussicht zu erwarten. Dafür würde ein Stück des Weges weiter der Fünfkirchenstein (Pětikostelní kámen) zu einer Landschau über das Tal des Goldflössel (Lesenský potok) einladen, Tannenberg (Jedlová), Tollenstein (Tolštejn) und Hirschensteine (Jelení kameny) auf dem Hanfkuchen (Konopáč) rücken unter normalen Bedingungen ins Bild. Die Hirschensteine sind unser nächstes Ziel. Von dieser Anhöhe sollte man nun tatsächlich eine bewegende Aussicht erwartend dürfen, aber leider eben nicht heute. Welch Glücksgefühl, dass man sich wenigstens gegenseitig noch im Nebel erkennen kann. Verständlich, dass die Wanderfreunde nun endlich einmal einen Glanzpunkt am heutigen Tage einfordern. Gemach, er ist ganz nah! Nach vollzogenem Abstieg erreichen wir die Bahnstation Tannenberg mit ihrer urigen Bahnhofskneipe, in Kreisen auch „High Noon“ genannt. 

Verdutzter Blick zunächst bei allen, die noch nie hier waren. Abgesehen einmal davon, dass hier mitten im Busch 3 Bahnlinien aufeinander treffen und somit einen Verkehrsknotenpunkt bilden, hinterlässt das Bahnhofsgebäude einen absolut lausigen Eindruck (aber immerhin, es wird daran gearbeitet). Im Inneren der Bauhülle befindet sich so eine Art MITROPA-Kneipe (die älteren werden sich noch erinnern). Vorurteile sind jedoch unangebracht. Noch vor Jahren, hinterließ das Etablissement allerdings einen sehr halbseidenen Eindruck. Ein Gaststättenführer beschreibt die Kneipe wie folgt:

„Überdachter Freisitz; Keine eigenen Toiletten [die gehören zum Bahnhof]; Im Gastraum Durchsagen, den Zugverkehr betreffend. Zuletzt unter fernöstlicher Flagge segelnd, traten zunehmend Mängel bei Kundenzufriedenheit, Servicequalität und Rechnungslegung hervor. Jetzt Wiedereröffnung durch einheimische Aktivisten nach umfassender Renovation. Anlässlich eines Kontrollbesuches weitgehend unverändert angetroffen. Lohnt jederzeit den Aufenthalt.“

Genau so kann man sich das auch vorstellen. Meistens erleben wir das kleine Lokal bis auf den letzten Platz gefüllt. Wenn hier Züge eintreffen, herrscht Gewimmel auf dem Bahnsteig und die Fahrgäste schauen dann auch in die Kneipe hinein, manche kommen wohl zum Essen und Bier Trinken extra hier her und fahren mit dem nächsten Zug wieder davon. Es gibt gute böhmische Hausmannskost, böhmisches Bier und (Liebhaber Obacht!) guten Borovička, was für tschechische Gaststätten nicht unbedingt üblich ist, weil das Gesöff aus der Slowakei kommt. Es ist also alles da, was der Mensch zum Wohlfühlen brauch, dazu noch gute Stimmung in dem kleinen Laden. Unisono wurde das Ambiente von der Wandertruppe als kultig eingestuft. 

Nun kann man sich entscheiden, ob man mit dem nächsten Zug von hier nach Hause fährt, Einheimische üblicherweise in Richtung Teichstadt (Rybniště) oder eben in Richtung Tetschen (Děčín) bzw. Böhmisch Leipa (Česká Lípa). In jede Richtung ist die Fahrt ein landschaftlicher Leckerbissen.

Wir entscheiden, uns noch ein wenig die Füße zu vertreten und so wandern wir heiter bis St. Georgenthal (Jiřetín pod Jedlovou), von wo uns der Zug nach Niedergrund (Dolní Podluží) in die Nähe von Herrenwalde bringt, wo wir die Autos abgestellt haben. Anzumerken ist noch der Fahrpreis von Georgenthal bis Niedergrund: 144 tschechische Kronen für 12 Personen. Wir trauen uns gar nicht erst, den Preisnachlass für Pensionäre (75%) anzumahnen.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.






Gipfel des Weberbergs




Gipfel der Finkenkoppe








Fünfkirchenstein


Hirschenstein




Bunker des tschechoslowakischen Verteidigungswalls am Hanfkuchen



Dreiherrensäule



St. Jakobussäule




Bahnstation Tannenberg





4 Kommentare:

  1. Wo ist das Bier?
    Sehr schöne Bilder!

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  2. Das Bier verbirgt sich hinter dem Link "Gaststättenführer"

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  3. Der Link. Funktioniert bei mir nicht 404.

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    1. Ich habe es auch gesehen. Der Link existiert scheinbar nicht mehr.

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