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Donnerstag, 17. November 2011

Planet Mars (22) - Die Südpolarkappe - Kohlendioxid-Geysire


Kohlendioxid-Geysire
Die Südpolarregion des Mars scheint auch heute noch geologisch aktiv zu sein – und zwar in einer unerwarteten Art. In den mit Trockeneis überzogenen polaren Wüstengebieten fand man dunkle Flecken (dark dune spots, DDS) mit ovalen, nicht ganz so dunklen „Abgasfahnen“, die in die bevorzugte Windrichtung zeigen. 

Diese Flecken, die man besonders in den Dünenfelder der Südpolarregion findet, erscheinen und verschwinden im Wechsel der Jahreszeiten. Sie tauchen zu Frühlingsbeginn auf, werden dann kräftiger (Maximum im späten Frühling) um mit dem beginnenden Sommer langsam wieder zu verblassen bis im Marsfrühling der Zyklus von Neuem beginnt. Eine Analyse der Regionen, wo dieses Phänomen auftritt, hat einige Charakte-ristika ergeben, die für deren Interpretation von Bedeutung sind:

  • Die dunklen Spots habe eine zumeist kreisförmige Gestalt mit einem Durchmesser von einigen 10 bis einigen 100 m.
  • Die Existenz dieser Flecken hängt offenbar entscheidend von der Oberflächenstruktur der Dünen ab, bei denen sie auf-treten.
  • Die unterliegenden Strukturen (sie werden u.U. sichtbar, wenn die Deckschicht sublimiert ist) zeigen eine sternförmige Struktur, bei der von einem Zentrum aus radial wenige Meter breite Gräben ausgehen (spider structures).
  • Die DDS entstehen nur selten direkt oben auf den Dünen, sondern zumeist weiter unten. Der Sonnenstand hat auf ihre Entstehung keinen nachweisbaren Einfluß.
  • Die winterliche Abdeckung des Untergrundes durch Trockeneis erreicht in den Regionen, wo DDS auftreten, eine Mächtigkeit von ungefähr einem Meter.

Diese im wahrsten Sinne des Wortes ungewöhnlichen Formationen lassen sich nach dem derzeitigen Wissensstand am besten damit erklären, daß die saisonale Sublimation des Trockeneises von der Unterseite der Trockeneisschicht her erfolgt, wobei die Gasentwicklung eine besondere Art von „Geysire“ bewirkt (S.PIQUEUX et.al. 2003). Wenn dabei das Gas nicht sofort einen Ausgang findet, gräbt es nach dieser Hypothese unter dem Eis im Regolith des Untergrundes radiale, meterbreite Kanäle aus, die nach dem Verschwinden der Trockeneisschicht schlußendlich wie die beobachteten spider aussehen. 


Detailaufnahme von dark dune spots. Man beachte die ovalen, wie Abgasfahnen aussehenden Verfärbungen des Marsuntergrunds auf der Lee-Seite der kraterähnlichen Depressionen. Quelle NASA, MGS

Wie sehen nun diese Vorgänge im Einzelnen aus? Die Gebiete, wo die genannten Strukturen auftreten (man nennt sie cryptic regions), werden über den Winter hinweg von einer ca. 1 Meter mächtigen, weitgehend durchsichtigen Trockeneisschicht bedeckt. Darunter befinden sich dunkle PLD-Schichten mit guter Absorptionsfähigkeit für das durch die Trockeneisschicht dringende Sonnenlicht. Sie nehmen im Frühjahr die Sonnenwärme auf und lassen das CO2- Eis von der Unterseite her sublimieren. Da die Eisschicht gasundurchlässig ist, baut sich nach und nach ein Druck auf bis zu dem Moment, wo es an einer Schwachstelle zum Durchbruch kommt. Das Kohlendioxidgas (sein Druck ist ungefähr 4 Größenordnungen höher als der atmosphärische Druck) entweicht dann mit einer Strömungsgeschwindigkeit von bis zu 160 km/s in die dünne Marsatmosphäre, wobei Partikel des Untergrundes mitgerissen und dann durch den Wind vom Geysir weg verfrachtet werden...


Prinzipielle Funktionsweise eines Kohlendioxid-Geysirs auf dem Mars.  Quelle PIQUEUX et.al., Wikipedia

Auf diese Weise bilden sich die beobachteten „Abgasfahnen“. Durch den beim Abblasen erfolgten Druckverlust fließt radial im Untergrund Gas nach, wobei im lockeren Regolith flache Gräben ausgeblasen werden, die radial zur Öffnung des Geysirs weisen. Als Ergebnis erhält man genau die Morphologie, wie sie die spider structures aufweisen. Diese Strukturen treten jedoch nicht überall in den cryptic regions auf, sondern nur dort, wo lockeres, leicht erodierbares SPLD anliegt


Dark dune spots und spinnenartige Grabenstrukturen dominieren diese Aufnahme des MGS vom 8. September 2008. Sie entstehen im Frühjahr immer wieder neu, was auf ein saisonales Phänomen schließen läßt.  Quelle NASA, MGS


Spider-artige Strukturen auf einem mit DDS-überdeckten Dünenfeld. Anhand derartiger Aufnahmen erkannte man, daß beide morphologische Strukturen vom Ursprung her miteinander verwandt sein müssen.   Quelle  NASA

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß es ähnliche Geysire, die aber mit Stickstoff als Treibgas arbeiten, auf dem Neptun-Mond Triton gibt, wie die Voyager-Aufnahmen aus dem Jahre 1989 zeigen. Die an manchen Stellen auf der Erde vorkommenden „Kaltwasser-Geysire“ (z.B. der Adernach-Geysir in der Eifel) arbeiten auch mit Kohlendioxid. Dieses aus dem Untergrund aufsteigende Gas ist die Ursache dafür, daß dieser Geysir über ein 1903 abgeteuftes Bohrloch ca. alle 100 Minuten ausbricht. Er ist (im Gegensatz zu den Geysiren auf Triton) natürlich in keinster Weise mit den Mars-Geysiren zu vergleichen.


Es muß wohl für einen zukünftigen Astronauten, der in der Südpolregion des Mars einmal einen Frühlingsspaziergang unternehmen wird, ein aufregendes Erlebnis sein, wenn rings um ihn herum die Kohlendioxid-Geysire ausbrechen...    Quelle NASA

Die Hypothese von der Existenz von Kohlendioxid-Geysiren kann viele morphologische Strukturen in diversen Regionen der Südpolarkappe, deren Entstehung sonst äußerst rätselhaft wäre, recht gut erklären. Das betrifft die spiders, aber auch die saisonal wechselnden dunklen „Fahnen“ im Bereich der Gasaustritts-öffnungen. Es fehlt eigentlich nur noch eine erfolgreiche Landung in der Nähe eines solchen Geysirs, der gerade ausbricht. Man kann sich vorstellen, daß ein solcher Ausbruch ein ähnlich spektakuläres Ereignis ist wie z.B. der Ausbruch des Old Faithful im Yellowstone-Nationalpark.


Nächstes Mal: Entwicklungsgeschichte der Polkappen

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