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Mittwoch, 27. März 2019

Wanderung zu den Vogelkoppen und dem Taubenhaus

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Olbersdorf

Ein spätsommerlicher Herbsttag macht uns die Entscheidung nicht leicht, welcher aussichtsreichen Höhe wir bei der geplanten Wanderung unseren Vorzug geben sollen. Unter den Möglichkeiten fällt unsere Wahl auf das Taubenhaus (Holubnik) und die vorgelagerten Vogelkoppen (Ptačí kupy) im Isergebirge, zumal die letzte Wanderung dorthin schon eine ganze Weile zurückliegt. Der Zugang soll dieses mal von der Haindorfer Seite aus erfolgen, weil es von dort, besser gesagt von Ferdinandstal (Ferdinandov) aus einen viel gepriesenen Weg hinauf auf das Gebirgsplateau gibt, welcher uns noch völlig unbekannt ist: der Weg durch die Schlucht der Kleinen, oder auch Weißen Stolpich (Bílý Štolpich).

Von Haindorf aus, die Wittig überschreitend, bei der Schule vorbei, erreicht man in 30 Min, sw. das malerisch zwischen den Ausläufern des Nußsteines um die schwarze u. kleine Stolpich, die sich in der Nähe vereinigen, gebettete Dorf Ferdinandstal. Es wurde 1783 auf herrsch. Grunde angelegt, hat 66 H., eine Papierfabrik, Weberei, Dampfmühle, Brettsäge, Gasth. z. Waldschloß. Überschreiten wir in Ferdinandstal die schwarze Stolpich u. folgen, in den Tiergarten eintretend, der kleinen Stolpich aufw., so gelangen wir in eine von Buchenwald ganz umgebene wildromantische Schlucht, die von den schroffen Abhängen der Saustirn (858 m, r.) u. denen der Vogelskoppen (l., die große 1017 m) begrenzt wird u. wo sich mächtige Blöcke u. wüstes Gerölle dem herabstürzenden Gewässer entgegenstellen. Wie es heißt, soll hier Weber, als er in Liebwerda weilte, die rechte Stimmung für seine Wolfsschlucht im „Freischütz'' gefunden haben. Zwischen den Ästen der Buchen hindurch, bes. von der Holzbrücke aus, genießt man reizende Rückblicke aufs Wittigtal u. das Haindorfer Kloster.“ (Franz Hantschel)

Mit dem „Freischütz“, das lassen wir einmal so stehen, denn dies wird von anderen Lokalitäten auch behauptet. Das urgewaltige Tal jedoch ist ungemein schön und die im Herbstlaub stehenden Bäume in dem geschützten Buchenwald sorgen für eine irre Naturstimmung, so dass wir uns ausgiebig Zeit nehmen, um diese Atmosphäre auszukosten. Nur das ‚herabstürzende Gewässer‘ erscheint uns als erklecklicher Rinnsal, weil durch den extrem trockenen Sommer des Jahres diese unerschöpflich scheinenden Quellen des Isergebirges auch ihre Grenzen erreicht zu haben scheinen. Das gewaltige Gerinne des Baches lässt aber erahnen, was sich hier in regenreicher Zeit und bei Schneeschmelze abspielt. 

Ein Stück des Weges geht es auf geteerter Piste bis zum Einstieg zu den Vogelkoppen. Die steilen, teils felsigen unwirtlichen Wegabschnitte wurden seit unserem letzten Besuch mit neuen Aufstiegshilfen versehen, so dass deren Überwindung zwar immer noch anstrengend, aber technisch unproblematisch ist. Der Wald wird spärlich und bald erscheint die Felsgruppe der Vogelkoppen.

Die beiden zunächst [des Weges] liegenden, durch einen Engpass („Pass Lueg" scherzweise genannt) von einander getrennten [Koppen] heißen die Großen Vogelkoppen 1017 m, die entfernteren, am Rande des Abhanges gegen die Kleine Stolpichschlucht zu gelegenen, die Kleinen Vogelkoppen. Sie bestehen aus gewaltigen Granitfelsen, deren Flächen mit Moos, Strauchwerk und selbst Bäumen bedeckt sind. Vor einigen Jahren erfolgte auf der nördlichen Seite der Kleinen Vogelkoppen ein Erdabrutsch, so dass der Fels bloß gelegt wurde.“ [Franz Hübler, 'Führer durch das Jeschken- und Isergebirge, Theile des Lausitzer Mittelgebirges, durch Reichenberg und Umgebung', 1902]

Einen stärkeren Eindruck von den Gefilden um die Vogelkoppen erlangt man durch eine Schilderung Rudolf Kauschkas.

Licht und freundlich ist die Felsenwirrnis der Gartenlehne [am Nußstein gelegen], verglichen mit dem tannendunklen Abfalle der Vogelkoppen, der sich wie ein Keil zwischen die Stolpichbäche vordrängt und mit wildem, düsterem Waldgestrüpp zur schwarzen Stolpich und etwas sanfter und lichter zur kleinen Stolpich niederstürzt. Was hier zwischen der „Schönen Marie“ und den genannten Bächen an finsteren Felsburgen und Graten ragt, was mit riesigen, dickbemoosten Platten, auf denen die von Wind und Wetter zerschlagenen Tannen modern, dem seltenen Eindringling überall Widerstände entgegensetzt, daß er sich Schritt für Schritt in diesem düsteren, jahrhundertalten Waldleben erkämpfen muß, das findet sich in solchen Ausdehnungen nicht mehr in unseren Bergen. Es ist eine wilde Verlassenheit, die selbst an heißen Sommertagen mit ihrem Dunkel und Moderduft an kühle Grabgewölbe mahnt, aber an frühen Spätherbstabenden, wenn der Sturm die zähen Nebel durch das schauerlich stöhnende Tannicht zerrt, mit sonderbaren Tönen und Gesichten die einsame Seele ängstigt, wie einst manche Märchen der Kinderzeit, wo Wolf, Bär und Drache in schrecklichen Klüften hausen.“ (Rudolf Kauschka, ‚Wandern und Klettern‘)

Nach den Vogelkoppen lichtet sich der Wald und wir sehen vorwiegend die Krüppel abgestorbener Bäume. Die Aussicht ist ausgezeichnet und wird immer besser auf dem Weg hinauf zum Taubenhaus, dessen typische Kontur schon aus weiter Entfernung erkennbar ist. 

Den merkwürdigen Namen dieses Berges leitet man von einer mit einem taubenhausähnlichen Gehäuse versehenen Signalstange ab, die hier im Jahre 1813 gestanden haben soll. Der Gipfel des Berges ist eine 8 m hohe Granitmasse. Sie zeigt uns mehrere eigenartige Aushöhlungen, die man Opferschalen nennt. Früher war es allgemeine Annahme und auch jetzt noch glaubt man verschiedentlich, daß sie von Menschenhänden herrühren und einstmals den Heiden zu Opferzwecken gedient haben. Wie die geologische Wissenschaft jedoch unwiderlegbar feststellen konnte, sind sie nichts anderes denn Gebilde, die durch die ausnagende Tätigkeit des Wassers, des Frostes und der Luft entstanden. Die Zahl der bisher bekanntgewordenen sogenannten Opferschalen im Isergebirge beläuft sich auf mehr als achtzig. Zu den bemerkenswertesten Stätten, an denen man sie findet, gehören außer dem Taubenhaus der südwestlich vom Wittighaus gelegene Siechhübel und der Schwarze Berg bei Christiansthal.

Großartig ist die Rundschau, die uns das Taubenhaus aus seiner Höhe gewährt. Im Osten und Südosten dringt unser Blick bis zu dem mächtigen Riesengebirgswall vor. Im Süden zeigt sich uns ein schier unübersehbares Wäldergebiet, aus dem fern der Trosky emporragt. Die Landschaft, die sich uns in südwestlicher Richtung darbietet, wird durch den stolzen Jeschken begrenzt. Fern im Westen begrüßen wir die Lausche, das Zittauer Höhenland und zuletzt die Sächsische Schweiz. Aus dem nordwestlichen Hintergrunde winkt, nur schwach sichtbar, die Landeskrone herüber, und bei der Wendung nach Norden und Nordosten tut sich uns hinter der Isergebirgswelt groß die schlesische Niederung auf.“ [Müller-Rüdersdorf; Wilhelm; 'Deutsche Wanderungen, Das Isergebirge', 1914]

Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass wir vor dieser Kulisse eine längere, genussreiche Rast eingelegt haben.

Eine Kammschneise verläuft vom Gipfel des Berges zum Taubenhaussattel. Hier entlang führt der Fußsteig durch Gras und wir erblicken vereinzelte Felsen, Knieholz und Moorflächen, die sich bis hinauf zum Schwarzen Berg ausbreiten und ebenfalls ausgetrocknet sind.

Auf dem Rückweg nach Haindorf statten wir noch dem Nußstein einen Besuch ab und blicken nach dieser fantastischen Herbsttour mit innerer Zufriedenheit über das Felsmassiv, Haindorf mit seiner Kirche und zurück zum Taubenhaus und der Saustirn (Svinskě čelo), als einer Wanderfreundin der nachdenkliche Satz über die Lippen kommt: „Warum eigentlich reist man immer in die Ferne, wo all diese Schönheit hier zu Hause vor uns liegt?“

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





    Durch das Tal der Weißen Stolpich














Über neue Aufstiegshilfen zu den Vogelkoppen





Weiter zum Taubenhaus












Der Weiße Tod



Wasserknappheit am Stolpichfall



Weiter zum Nußstein






    Majestätische Aussicht vom Nußstein; schwindelfrei sollte man schon sein




Rückzug nach Haindorf







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