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Montag, 28. August 2023

Wanderung nach Groß Iser

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Groß Iser (Górzystów) weckt eigentlich die Begehrlichkeiten der Wintersportler, wenn das Hochtal an der Großen Iser beste Bedingungen zum Langlaufen bietet. Allerdings ist es ein recht sportliches Unternehmen, wenn man vom Wittighaus (Smědava) kommend über die Tafelfichte (Smrk) keucht und über Klein Iser den Rückweg antritt, dann hat man schon mal gut und gerne 30 km oder mehr in den Beinen. Aber auch im Sommer bietet Groß Iser ein gewisses Flair. Gegründet wurde der Ort von böhmischen Exulanten, die sich in dem rauen Hochtal niederließen. In den Vorkriegsjahren erfreute sich das abgelegene Dorf zunehmender Beliebtheit bei Insidern, die schon damals naturnahe Entspannung suchten. Abrupt fand der Weiler sein Ende, als ihn 1945 sowjetische Truppen zerstörten und die Bevölkerung vertrieben. Polnische Soldaten besorgten den Rest. Übrig blieb die ehemalige Schule, die heute einen beliebten Kiosk beherbergt. Um ein Stimmungsbild des alten Dorfes zu erhalten, hier die kurze Beschreibung von Prof. Franz Hübler

Der Ort, zu Flinsberg gehörig, zählt 37 Häuser mit 250 Einw. und weist ähnliche Verhältnisse auf, wie Klein-Iser oder Wilhelmshöhe. Die Einwohner leben dürftig, sind auf Waldarbeit und Viehzucht angewiesen; der Getreide- und Kartoffelbau ist nicht möglich. Der oft mehrere Meter hohe Schnee liegt vom October bis Mitte Mai. Im Winter reicht er oft bis zu den Giebeln der Dächer, und Thüren und Fenster müssen schachtartig ausgeschaufelt werden. Die ausgedehnten Moorflächen an der Iser sind mit dichten Knieholzbeständen bedeckt, von welchen manche Stämme, 14 cm im Durchmesser, ein Alter von 150 Jahren aufweisen. Außer der Rausch- und Moosbeere und anderen Pflanzen gehören die zierliche Zwergbirke und der Zwerg-Wacholder zu den Seltenheiten der Großen Iserwiese. Im Sommer bieten die gut gedüngten Wiesen mit den eingestreuten Blumen (Sumpfdotterblume, Lichtnelke, Hahnenfuß, Ampfer, Knöterich), dazwischen auch Germer, einen hübschen Anblick; die meisten Holzhäuschen im Blockwandbaue sind von kleinen Ziergärten umgeben. In der nahen Iser gibt es schöne Forellen. Zu erwähnen ist, dass das Schul- und Bethaus neben der Straße vom Gustav Adolf-Vereine errichtet wurde. Von der Schule aus führt ö. ein Weg zu dem durch Naturschönheit ausgezeichneten Lämmergrunde, der zum Hinterberge emporsteigt. Im Gasthause IsermühIe (Veranda) Kulmbacher Bier, Wein, kalte und warme Speisen (Conserven); auch Betten zum Übernachten. Sommerfrischler finden beim Förster gute und preiswürdige Unterkunft; auch im Schulhause gibt es Wohnungen.“ (Führer durch das Jeschken- und Isergebirge)

So kann man es sehen, man kann aber auch durch die romantische Brille schauen, wie einst der Volkskundler, Hochschullehrer und Schriftsteller Will-Erich Peuckert, der uns an seinen Tagebuchaufzeichnungen teilhaben lässt, hier ein paar Splitter aus dem Herbst 1920

Holzabladeplatz. Die Abendsonne liegt auf dem Moorplatz, der mit braunem und gelbrotem, grünlichem Gras spärlich bewachsen ist. Der Wald in Gold dahinter. Ganz warm - eingetaucht in müdes Gold.
Zwischen den Herden. Alles Geläut schwimmt über die Wiesen. Die Iser schon kaltgrün. Otterwurz - am Wege eine Glockenblume, blau und tief. ‘
Kalt. Dämmerung.
Brücke übers Lämmerwasser. Kuckuckslychnis. An jeder schwarz-roten Blüte ein kleiner Weißling. Alle betrunken von Honig und Hitze. Der Tag blau und wolkenweiß
Die Iser geht in violetten Tiefen. '
Iserabende riechen immer nach Milch und Heu. Aus den Wiesen ein erster Hauch von Nebel. Irgendwo spricht jemand, den man nicht sieht. Nur die Worte gehen über die Ebene. Vor einem Hause, weit fort, wird eine Sense gedengelt. Eine Kuh läutet.
Kein Luftzug. Kühl, ganz kühl. Der Wald etwas dämmerig, blau. Die Weiten blaß.
Im Wasser steht eine junge Forelle. Flink - zickzack.
Am 18. Juli blühen die ersten Flockenblumen oder Disteln. (Niemand weiß eigentlich recht, was es für eine Pflanzenart ist, die hohen Kräuter mit den purpurnen Blütenkugeln. Aber was macht auch ein Name aus?)
Die blaue Welt. Am Abend ist alles nur blau. Die Wiesen grünblau, Wolfsnest und Zimmerlehne dunkelgraublau - der Himmel weißlich. Die Dächer schieferblaugrau. Auf der Straße blaue Schatten. Die Wiese vor der Mühle war heut schon den ganzen Tag rotbraun von Rispengras und graublau von den Glockenblumen. ...
Für einen Roman „Wälder“. Wolfsnest. Rispengras. Die Hitze roch wie Pelargonien. - Die alte Hütte unterm weißen Flins.- Das Rübezahlgesicht links von der Tür der Abendburg. - Bahndamm und Rain in Schreiberhau. Johanniskraut, Labkraut, das große gelbe, Glocken, weiße Dolden.
Es gibt Strophen, die sinnlos sind und doch in sich vollkommen beruhen. Ich werde seit Tagen die drei Zeilen nicht los, ohne daß sie sich weiterbilden:
Und eine Grille, reine -
im tröstenden Vereine
durchdrang das lichte Abendrot -"

Um zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zu gelangen, bedienen wir uns ausnahmsweise eines Hilfsmittels. Wir fahren mit der Kabinenbahn von Bad Flinsberg (Świeradów-Zdrój) zum Heufuder (Stóg Izerski) hinauf, um auf bekannten Wegen nach Groß Iser (Górzystów) zu wandern. Der Wald ist wieder ziemlich geschlossen, so dass man keine Aussicht hinüber zum Riesengebirge mehr hat. Erst, wenn man die Große Iserwiese betritt, wird es spektakulär. Am Wegesrand erkennt man noch vereinzelt die Grundmauern der früheren Höfe. Von weitem schon sieht man die Alte Schule und das Gewimmel unzähliger Wanderer und Radler, welche die Wiese um das Anwesen belagern. Trotz des schönen Wetters nehmen wir heute die Mahlzeit einmal in der Baude ein, denn im Winter oder bei schlechtem Wetter ist hier kaum ein Platz zu ergattern.

Der Rückweg führt uns entlang des Isermoores, später ein Stück über den Grenzweg und das letzte Stück unmarkiert hinauf zum Heufuder. Das war keine gute Idee. Aufgrund der starken Regenfälle der letzten Tage hat sich der Pfad in einen Bach verwandelt. Der Rest ist Moor. Zum Ausgleich gibt es reichlich leckere Heidelbeeren. Vom Heufuder nehmen wir wieder die Kabinenbahn.

Angenehmer Nebeneffekt: vom Parkplatz aus ist es ein Katzensprung zum Mühlenberg (Młynica), den wir im Frühjahr bei dichtem Nebel erstiegen. Heute nun kann man das Aussichtspotential des Turmes ausschöpfen.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




Der Aussichtsturm auf dem Mühlberg mit Ausblicken zum Geierstein und zum Heufuder



Auf dem Iserkamm nahe der Heufuderbaude






Die Große Iserwiese




Grundmauern ehemaliger Höfe in Groß Iser



Das ehemalige Schulgebäude und seine Gäste







Raupe des Kleinen Nachtpfauenauges

Durchs Isermoor in Richtung Heufuder













Am Grenzweg gibt es noch reichlich Heidelbeeren


Der Aufstieg zum Heufuder ist eine feuchte Angelegenheit









 Die Liftstation an der Heufuderbaude

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