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Dienstag, 29. August 2023

Wanderung durch das Tal der Schwarzen Desse

 Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Die Schwarze (Černá Desná) und die Weiße Desse (Bílá Desná) entspringen im Umfeld des Siechhübel (Jizera). Beide Flüsse richteten bei Hochwasser an den Unterläufen schwere Schäden an, so dass man zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschloss. Die Wassermassen durch den Bau von Stauwerken zu regulieren. Der Talsperre an der Weißen Desse war kein langes Dasein beschieden, sie barst bereits 1916 und ihre Wasser- und Schlammmassen forderten 62 Menschenleben. Die Darretalsperre (Souš) hat das Jahrhundert überdauert und dient heute als Trinkwasserreservoir für Gablonz (Jablonec nad Nisou). Bei der Befüllung der Talsperre mussten zwei kleine Dörfer den Fluten weichen. Wie wir das auch heute kennen, wurde das Ereignis von den Medien natürlich schöngeschrieben:

Sicher ist anzunehmen, daß die kunst- und stilvolle Sperranlage auch dieser Gegend einen neuen Zauber verleihen wird, daß der große, ruhige Wasserspiegel mit seiner herrlichen Umgebung zu einer vielbesuchten Sehenswürdigkeit unseres schönen, an stehenden Gewässern ohnedies armen Isergebirges werden dürfte. Hoffentlich wird die Liebe zur Heimatscholle die seßhaften Waldbewohner in der Nähe festhalten, diese zur Ansiedlung an den Ufern der Talsperre veranlassen, damit dieser lieblich-stille ErdenwinkeL ausgeschmückt durch neue Reize, eine erhöhte Bedeutung gewinnt und als Zielpunkt fröhlicher Gebirgswanderer für die Zukunft erhalten bleibt.“ (Jahrbuch des Deutschen Gebirgsvereines für das Jeschken- und Isergebirge, 1911).

Nun aber zu unserer Tour, die wir in Albrechtsdorf (Albrechtice v Jizerských horách) starten. Die Flusstäler versprechen bei der gegenwärtigen Hitze erträgliche Verhältnisse. Von Albrechtsdorf wandern wir zunächst hinüber nach Dessendorf (Desná).

Das Thal und die gewerbfleißige Ortschaft gehören zu den schönsten Landschaften des ganzen Isergebirges. An den beiden Berglehnen, wie auch auf dem Kamme selbst, liegen außerdem noch zerstreute Häuser, größtenteils im Blockwandbau aufgeführt, im Thale jedoch schon viele aus Stein erbaut. … Die Häuser liegen malerisch zerstreut zwischen Wiesen und wenigen Feldern und spärlichen Obstbäumen, dazwischen Felsblöcke.“ (Franz Hübler, Führer durch das Jeschken- und Isergebirge, 1902)

Die meisten Häuser und die Grundstücke darum befinden sich in gutem Zustand. Wir mutmaßen, dass sie während ihrer Lebenszeit noch nie in dem jetzigen Glanz erstrahlten. Das dürfte an den heute verfügbaren Bau- und Anstrichstoffen liegen. In Dessendorf betreten wir das Tal der Schwarzen Desse:

Die Desse entsteht durch die Beteiligung der weißen und schwarzen Desse, welche unterhalb der Tiefenbach-Dessendorfer Brücke erfolgt. Die beiden Bäche kommen fast parallel vom Sieghübel, theilweise durch wilde, felsige Gebirgsthäler herab und der östliche, die schwarze Desse, bildet unterhalb der Darre sehenswerte Wasserfälle.


Die Dessefälle liegen etwa eine Viertelstunde oberhalb der Dessendorfer Papierfabrik in einem wildromantischen Thale und erfreuen sich von Seite der Touristenwelt großen Besuches. Dachförmig fällt auf zwei Kilometer Länge das Bett der Desse ab und das Wasser stürzt tosend von Felsblock zu Felsblock herab. Im Frühjahre zur Zeit der Schneeschmelze, sowie überhaupt nach starken Regengüssen, gewähren die Dessefälle wahrhaft überwältigenden Anblick. Nicht minder schön ist derselbe im Winter, wenn der Frost das schäumende Wasser in Fesseln geschlagen hat, und von den zahlreichen granitnen Felsblöcken sonderbare Eisgebilde, Zapfen und Zacken herabhängen. Am rechten Ufer steigen Felskolosse an steiler Wand thurmhoch empor, sie lagern aufeinander und scheinen sich erdrücken zu wollen.
Die schwarze Desse nimmt in Unter-Polaun den die Grenze zwischen den Gemeinden Polaun und Prschichowitz bildenden Dietzenbach auf, die vereinigte Desse erhält das Brander und das Friedrichsthaler Flössel auf dem rechten und das Hüttenflössel und Schumburger Wasser auf dem linken Ufer.“ (Franz Hübler)

Vor wenigen Wochen waren wir beeindruckt von den Tannwasserfällen (Vodopády Jedlové) bei Josefsthal (Josefův Důl). Diese sind sicher eine touristische Sensation, aber die Kaskaden entlang des gesamten Tales der Schwarzen Desse sind noch ein anderes, und zwar unberührtes Kaliber. Wir sind beeindruckt. Verlockend ist es, sich in den Gumpen die Füße zu kühlen, aber Vorsicht!, durch das moorige Wasser sind die Platten glitschig, so dass einem unvermittelt zu einem Vollbad verholfen werden kann. Im abschüssigen Bereich ist das dann schon nicht ganz ungefährlich. In Darre (Souš) endet der Aufstieg durch das Tal der Schwarzen Desse. Das Restaurant „Chata Na Souši“ ist unbedingt eine Empfehlung wert.

Der Rückweg in Richtung des Tales der Weißen Desse ist weniger aufregend, dafür aber der Aussichtsturm auf dem Lichtenberg (Světlý vrch). Von diesem genießt man einen herrlichen Ausblick in die benachbarten Täler, zum Tannwalder Spitzberg (Tanvaldský Špičák), dem Schwarzbrunnkamm (Černostudniční hřbet), der Stephanshöhe (Hvězda) und in der Ferne zum Berg Tabor (Tabor) und der Kumburg (Kumburk). Nach steilem Abstieg erreicht man in Kürze den Ausgangspunkt in Albrechtsdorf. Der hiesige gepflegte Friedhof ist sehenswert.

Während der heimfahrt werfen wir noch einen Blick auf das neue Wittighaus.


Die GPS-Daten findet man hier.




Albrechtsdorf hat einen sehr schönen, gepflegten Friedhof





Dessendorf steht in dem Ruf, das schönste Dorf der Region zu sein












Hinein in das Tal der Schwarzen Desse


Betreten auf eigene Gefahr




Ein Stück entlang der weißen Desse






















Der Aussichtsturm auf dem Lichtenberg







Das neue Wittighaus – „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ – oder doch?