Alba Patera
Nicht der Höchste, sondern der vom Volumen her massivste
Vulkan des Sonnensystems ist der etwas unscheinbare Alba Patera, der mit einem
Basisdurchmesser von ~1600 km fast den ganzen nördlichen Teil der
Tharsis-Region einnimmt. Mit einer Gipfelhöhe von lediglich 6.8 km gehört er
mit zu den flachsten Schildvulkane, die man kennt. Die mittlere Hangneigung
liegt gerade einmal bei 0.5° und ist somit vor Ort quasi gar nicht zu bemerken.
Nur der leicht konische zentrale Teil mit einem Durchmesser von knapp 400 km
und einer Höhe von 1.5 km ist ein klein wenig steiler und endet in einer
komplexen Gipfelcaldera. Sie besteht aus sechs größeren Einzelkomponenten und
ist ca. 200 bis 500 m tief. An ihrer Struktur läßt sich erkennen, daß Alba Patera in der Vergangenheit mehrere,
durch inaktive Phasen unterbrochene Aktivitätszyklen durchlaufen haben muß.
Für den Geologen sind besondere die Flanken des Vulkans
interessant. Sie bestehen aus schalenartig übereinander abgelagerten
Flutbasalten, die im unteren Bereich aus ausgedehnten Spalteneruptionen stammen
und einmal extrem dünnflüssig gewesen sein müssen. Auffällig sind auch die
bogenförmigen Brüche, die den Gipfelbereich unvollständig in Form eines ~ 400
km messenden Ringes umgeben. Dazu kommen noch Bereiche mit vielen nebeneinander
liegenden Verwerfungsstrukturen und offenen bzw. partiell eingefallenen
Lava-Abflußrinnen mit typischen Streichrichtungen von Nord nach Süd. Der
nördlich von Alba Patera liegende Teil dieser Strukturen bilden die Tantalus
Fossae und der südlich davon liegende Teil die Ceraunius Fossae. Dabei haben
die weitgehend parallel verlaufenden Gräben eine Breite zwischen 2 und 10 km
und lassen sich über eine Länge von bis zu 1000 km verfolgen. Aus dem
Schattenwurf ihrer Ränder konnte ihre ungefähre Tiefe ermittelt werden. Sie
liegt im Bereich zwischen 100 und 350 m. An manchen Stellen sind sie auch durch
jüngere Flutbasaltdecken überlagert und deshalb dort nicht mehr sichtbar.
Alle diese Strukturmerkmale zeugen sowohl von einer
intensiven vulkanischen Tätigkeit als auch von prä- und subvulkanischen
Prozessen, die schließlich zum Bruch der unter Streß geratenen Krustenteile
führten und dabei eine Abfolge komplexer
tektonischer Prozesse konservierten. Auf jeden Fall haben sich die
einzelnen Grabensysteme in verschiedenen Phasen entwickelt, die zeitlich
zwischen 3.8 und 2.3 Ga anzusiedeln sind (Tanaka, 1990, Neukum, 2001). Die
Nord-Süd-Verwerfungen, die das System der Tantalus Fossae und Ceraunius Fossae
bilden, entstanden durch Zugbeanspruchung zu Beginn der Tharsis-Aufwölbung
zwischen 3.8 und 3.4 Ga. Danach entwickelte sich unter dem heutigen Vulkan ein
hot spot, der einen viele 100 Millionen Jahre andauernden Vulkanismus
einläutete. Dabei sind zuerst sehr dünnflüssige und später, im Endstadium, zähflüssigere
Laven gefördert worden, was sich in dem etwas steileren, auf dem Hauptkörper
leicht aufgesetzten Vulkankegel widerspiegelt.
Alba
Patera mit Gipfelcaldera und den bogenförmigen Grabenstrukturen Alba Fossae
(links), Phlegethon Catena (rechts an der südöstlichen Flanke) und den
teilweise von Flutbasalten überdeckten Ceraunius Fossae im unteren Teil des
Bildes. Quelle NASA
Während der Aktivitätsphasen flossen die Laven entweder in
breiter Front über die Flanken oder in Lavaröhren bzw. Abflußrinnen ab.
Letztere lassen sich über viele dutzende Kilometer über die Vulkanflanken
verfolgen, wobei ausgeräumte Lavaröhren oftmals eingebrochen sind und
grabenartige Strukturen bilden. Ob es auch explosive Aktivitätsphasen mit
pyroklastischen Ablagerungen zumindest in der Frühgeschichte von Alba Patera
gegeben hat, ist nicht klar. Die Vermutung kam auf, weil sich damit einige
geologische Befunde in den nördlichen Flankenbereichen erklären lassen
(Netzwerke dendritenartiger Talstrukturen), die besonders leicht erodierbares
Material (vulkanische Lockerstoffe) voraussetzen.
Über die Entstehung der auffälligen Grabenstrukturen sind
verschiedene Erklärungsmodelle vorgeschlagen worden. Hier soll nur kurz das
durch „Sandkastenexperimente“ und numerische Simulationen nachvollzogene Modell
von Cailleau et.al. (2003) erwähnt werden. Es geht,
wie die meisten anderen Modelle (z.B. Turtle, Melosh, 1997) auch, von einer mehrphasigen vulkanischen
und tektonischen Entwicklung der Region aus. Danach sind die Gräben, die im
Gipfelbereich von Alba Patera konvergieren, älter als die mehr bogenförmigen
Gräben (z.B. Alba Fossae), die den oberen Teil des Vulkans konzentrisch
umgeben. Erstere ist das Resultat von Zugkräften, die lokal zu einer Krustendehnung
und damit zur Ausbildung von Scharen von Grabenbrüchen führten. Diese Brüche
zeigen im südlichen Bereich (Ceraunius Fossae) eine auffällige Richungsänderung,
die es modellmäßig zu reproduzieren gilt. Ohne zu sehr in die Einzelheiten zu
gehen, lassen sich zwei Arten von Ursachen für die Entstehung des zur
Grabenbildung notwendigen Spannungsfeldes in der Lithosphäre ausmachen. Einmal
die Decklast, die durch den kontinuierlichen Aufbau des Schildvulkans entsteht
und einmal der Druck von „unten“, der durch einen aufsteigenden (sekundären)
Diapir verursacht wird. Dazu muß noch
der Einfluß der Tharsis-Aufwölbung, die sich weiter südlich konzentriert, Berücksichtigung
finden. Die Berechnungen zeigen, daß ein nur durch die Decklast des Vulkans
bedingtes Spannungsfeld nicht in der Lage ist, die beobachteten
Grabenstrukturen zu erklären, da man dazu eine zu geringe Lithosphärendicke im
Bereich von Alba Patera voraussetzen müßte, die aber nach gravimetrischen
Messungen auszuschließen ist. Vielmehr scheint folgendes Szenario die
beobachteten Morphologien am besten zu reproduzieren:
·
Mit Beginn der Tharsis-Aufwölbung entstand ein
Dehnungsstreß der dazu führte, daß sich Risse in der Lithosphäre auftaten
(3.9 - 3.7 Ga)
·
Im Bereich von Alba Patera entstand durch einen
lokalen Diapir ein „hot spot“, der
bei seinem Aufstieg ein horizontales Spannungsfeld aufbaute (welches nach
Norden schwächer wurde) und an der Oberfläche parallele Grabensysteme, die
südlich des hot spots nach Süd-Ost
abbiegen, entstehen ließ. (3.7 – 3.1 Ga).
·
Durch die Risse konnte über dem hot spot Magma aufsteigen und es
entwickelte sich ein mehrere 100 Millionen Jahre andauernder weitgehend
effusiver Vulkanismus, der riesige Mengen von Laven liefert, die sich über die
Flanken des Vulkans in die Umgebung ergossen. Die dadurch bedingte Auflast
verstärkte das horizontale Spannungsfeld im nördlichen Bereich von Tharsis
(3.6 – 2.2 Ga).
·
Mit dem Erlöschen der vulkanischen Tätigkeit
began sich der Bereich der Intrusionen und Magmakammern auszukühlen, was zu
einer Schrumpfung und damit Dichteerhöhung der unter dem Vulkan liegenden Gesteinskörper
führte. Resultat davon war die Entstehung der bogenförmigen Grabenstrukturen
wie Alba Fossae, welche heute noch den oberen Gipfelbereich des Vulkans
umgeben. Außerdem entstand ungefähr zu gleichen Zeit durch Einsturz der
oberflächennahen und weitgehend entleerten Magmenkammer die Gipfelcaldera (~2.1
Ga).
Pit chains in einem Dehnungsbruch im Bereich Phlegethon Catanae (unten perspektivische Ansicht). Quelle ESA, Neukum
Zum Abschluß soll noch ein Blick auf die Gräben und
Abflußkanäle selbst geworfen werden. Mars Expreß konnte am nördlichen Teil von
Ceraunius Fossae in einem Gebiet mit dem Namen Phlegethon Catena hochauflösende
Fotos einzelner Dehnungsbrüche gewinnen, aus denen sich eindrucksvolle
3D-Bilder erzeugen ließen. Die Bezeichnung „Catena“ (lateinisch für „Kette“)
leitet sich aus den kraterartigen Senken („pits“)
her, die perlschnurartig den Boden der Gräben ausfüllen. Ihre Durchmesser
liegen zwischen 500 Meter und 2.3 Kilometer. Solche pit chains findet man häufig in Grabensystemen auf dem Mars,
während man derartige in Gräben aneinander gereihte kegelförmige Einbrüche auf
der Erde (bis auf wenige Ausnahmen in viel kleineren Skalen, z.B. auf Island)
so gut wie nie beobachtet (Ferrill et. al. 2004). Die
Gründe liegen dabei einmal in der höheren Erosionsrate auf der Erde (die solche
Strukturen schnell verschwinden lassen) als auch in einem anderen tektonischen
Szenario der Grabenbruchbildung, die etwas mit der mehr als doppelt so großen
Oberflächenschwerkraft im Vergleich zum Mars zu tun hat.
Grabenbrüche entstehen bekanntlich immer dann, wenn Lithosphärenbereiche durch Zugbeanspruchung zerbrechen und deren inneren Teile durch das freiwerdende Volumen an den tektonischen Bruchkanten absinken. Durchziehen die Brüche Schichten unterschiedlich verfestigtes Material, dann können sich im tieferliegenden festeren Material vertikale Dehnungsrisse bilden, die quasi nach unten verlaufende Hohlräume darstellen. Erreichen sie eine gewisse Größe, dann kann das den Grabenboden bildende lockere Oberflächenmaterial instabil werden und nach und nach einbrechen, wobei Ketten von konusförmige Einbruchdellen entstehen. Dieser Vorgang wird durch die geringere Oberflächenschwerkraft begünstigt, da dadurch die Zugbeanspruchung mit der Tiefe moderater abnimmt und sich damit die Grabensegmente unter ihrem eigenen Gewicht tiefer (d.h. bis zu 5 km) absenken können, als es beispielsweise auf der Erde der Fall ist (bis zu 2 km). Damit ist auch das Potential größer, daß sich im oberen Bereich der Dehnungsrisse größere Hohlräume ausbilden, in der lockeres Oberflächenmaterial nachrutschen kann.
Entstehung
von Einsenkungsstrukturen (pit chains) in Grabenbruchbereichen auf dem Mars. Quelle D.A.Ferrell et.al.2004
Nächstes Mal: Tharsis Montes etc..
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