Posts mit dem Label Planet Mars werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Planet Mars werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 22. Mai 2014

Studium Fundamentale 2014 - Mars, der rote Planet...


Die Vorlesungsfolien zum Studium Fundamentale SS2014 "Mars - der rote Planet" können Sie über folgenden Link als PDF-Datei herunterladen:

Studium Fundamentale SS 2014


Es wäre günstig, eine 3D-Brille (Anaglyphenbrille) zur Hand zu haben...





Sonntag, 8. April 2012

Planet Mars (40) - Magnetosphäre

Magnetosphäre

Eine genauere Analyse des Marsmagnetfeldes wurde ab 1997 durch die Magnetometermessungen der amerikanischen Marssonde Mars-Global-Surveyor (MGS) möglich. Vorangegangene Missionen (beginnend mit Mariner 4) hatten bereits erste Hinweise auf die Existenz eines sehr schwachen Magnet­feldes ergeben, dessen Stärke 0.5 nT im Wesentlichen nicht übersteigt. Mars 2 und Mars 3 (UdSSR) fanden darüber hinaus Hinweise auf eine Stoßregion, da ihre Meßgeräte beim Einflug zum Mars eine deutliche Erhöhung der lokalen Elektronendichte und Elektronentemperatur erfaßten. Der subsolare Punkt der Stoßfront befand sich dabei ca. 1.5 Marsradien (3394 km) vom Planeten entfernt. Auch hier entsteht die Stoßfront genauso wie bei der Venus durch eine direkte Wechselwirkung mit der Ionosphäre, denn das Eigenfeld von Mars ist viel zu gering, um bei der Ausbildung einer Magnetosphäre eine größere Rolle zu spielen (schwache induzierte Magnetosphäre mit unterscheidbarer Magnetopause und Plasmaschicht). 

Während in der Erdatmosphäre der Übergang zwischen der neutralen Atmosphäre zur Ionosphäre sehr scharf ausgeprägt ist, ist das beim Mars nicht der Fall. Eher pragmatisch als durch scharfe Grenzen festgelegt bezeichnet man hier den Bereich zwischen 100 und 500 km Höhe als Ionosphäre. Die Ionisierung der darin enthaltenen Atome geschieht einmal durch die elektro­magnetische Strahlung der Sonne (Photoionisation) und zum anderen durch die Teilchen des Sonnenwindes selbst, der aufgrund des fehlenden globalen Magnetfeldes bis in eine Tiefe, die ~270 km über der Oberfläche liegt, eindringen kann. Der Bereich zwischen 650 und 1200 km Höhe, also die Schicht, die genau unterhalb der induzierten Magnetosphärengrenze liegt, enthält fast nur Protonen (d.h. Wasserstoff-Ionen) und ionisierten Sauer-stoff. In den oberen Bereichen der Ionosphäre ist dagegen die Dichte freier Elektronen, die bei photoelektrischen Prozessen (solare UV-Strahlung) freigesetzt werden, besonders groß. Wesentlich ist, daß die induzierte Magnetosphäre nicht in der Lage ist, die Marsatmosphäre von dem geladenen Teilchenstrom des Sonnenwinds effektiv abzuschirmen. Das Sonnenwindplasma kann dagegen sehr leicht in den Raumbereich unterhalb der induzierten Magnetosphärengrenze eindringen und dort mit den darin enthaltenen Ionen in Wechselwirkung treten.


Mars besitzt kein inhärentes, Dynamo-induziertes Magnetfeld. Lediglich Regionen mit remanenter Magnetisierung bilden lokale Magnetfelder aus, die in der Lage sind, den einfließenden Sonnenwind über deren normale hydrodynamische Ablenkung hinaus zu stören. Da auf diese Weise die Hochatmosphäre des Mars direkt mit dem Sonnenwindplasma wechselwirkt, kommt es zu einer kontinuierlichen Erosion dieser Schichten. Quelle NASA

Konkret bedeutet das, daß der Sonnenwind in der Lage ist, diese Ionen aufzunehmen (Ionen pick up) und mit der Sonnenwindströmung mitzureißen. Daß das wirklich so ist, hat zum ersten Mal 1989 die russische Marssonde Phobos beim Durchfliegen der Nachtseite des Planeten nachgewiesen. Eine Hochrechnung der Ergebnisse zeigt, daß die heute sehr dünne Kohlendioxidatmosphäre des Mars in der Vergangenheit überaus mächtiger gewesen sein muß und vielleicht sogar in großen Mengen Wasserdampf enthalten hat (was das gemessene Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis auch nahelegt). Auf das Vorhandensein von flüssigem Wasser in der Vergangenheit des heute staubtrockenen Planeten weisen ja deutlich entsprechende morphologische Strukturen auf der Planetenoberfläche hin. Die gegenwärtige Ionenverlustrate, die aus den Daten von Phobos errechnet wurden, liegt in der Größenordnung von rund 100 g/s für Sauerstoffionen. Auch der geringe Stickstoffanteil der Marsatmosphäre hat wahrscheinlich seine Ursache in den durch den Sonnenwind verursachten Erosionsprozessen. 

Genauere Ergebnisse konnten ab 2004 mit dem Ion Mass Analyzer (IMA) des ASPERA-3 – Detektors (Analyzer of Space Plasma and Energetic Atoms) der Sonde Mars-Express gewonnen werden. Das Resultat von Phobos, daß Sonnenwind-Ionen (H+, He+ He++) tief in die Ionosphäre des Mars eindringen können (d.h. bis in eine Höhe von ca. 270 km), wurde damit eindrucksvoll bestätigt. Das bedeutet, daß die induzierten Magnetosphären­grenze für einen Teil des Sonnenwinds durchlässig ist mit der fatalen Folge, daß planetare Ionen bei der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind auf 400 bis 500 km/s beschleunigt werden und damit das Schwerefeld des Planeten in den freien Weltraum verlassen. Es entsteht damit ein kontinuierlicher Massestrom, welcher über die Nachtseite des Planeten in den freien interplanetaren Raum abfließt. Die Marsatmosphäre verlor auf diese Weise über Jahrmilliarden hinweg dramatisch an Substanz, was ihre heutige geringe Dichte erklärt und darüber hinaus Rückschlüsse auf ihre Vergangenheit zuläßt. 

Begonnen hat die Erosion der Marsatmosphäre wahrscheinlich im späten Noachian, als der davor noch vorhandene geody­namische Dynamo seinen Betrieb einstellte und das Eigen­magnetfeld des Planeten zusammenbrach. Modellrechnungen, die auf dem ersten Mars-Express Kongreß 2005 vorgestellt wurden, gehen davon aus, daß in der Frühzeit des Mars ein mildes Klima, eine wasserreiche Oberfläche und eine dichte Atmosphäre bestanden hat. In dem seitdem vergangenen ca. 3.5 Milliarden Jahren ist diese ehemals dichte Atmosphäre jedoch weitgehend verlorengegangen. Die in die Ionosphäre gelangten Wassermoleküle wurden z.B. photochemisch dissoziiert. Der leichte Wasserstoff diffundierte in den Weltraum und die schwereren Sauerstoffionen konnten aufgrund ihrer Wechselwirkung mit dem ungebremsten Sonnenwind den Planeten verlassen. Abschätzungen ergaben, daß seit dieser Zeit eine Wassermenge, die ungefähr einem planetenumfassenden Meer mit einer Tiefe von 10 bis 20 m entsprochen hat, in den Weltraum entwichen ist. Da aber um die vielfältigen, von flüssigen Wasser hervorgerufenen morphologischen Strukturen der Marsoberfläche zu erklären, eine Wassermenge, die einer globalen Schicht mit einer Tiefe von ungefähr 150 m entspricht, erforderlich ist, kann man davon ausgehen, daß sich der größte Teil davon immer noch im gefrorenen Zustand auf dem Planeten befindet. 
Oberflächenmagnetisierung

Als besonders aufregend erwies sich die magnetische Kartierung der Marsoberfläche mit dem MAG/ER-Experiment des Mars Global Surveyor. Die Magnetisierung der Oberflächengesteine ist offensichtlich nicht gleichmäßig über den Planeten verteilt. Es existieren vielmehr Magnetfeldanomalien, die besonders im Bereich südlich der großen Vulkanprovinzen (Terra Cimmeria) eine gewisse Ähnlichkeit mit den magnetic stripes der irdischen Ozeanbecken zeigen. Die Tharsis- und Elysium-Region sind dagegen frei von derartigen Anomalien. Sie müssen also älter sein. Unter den Geologen herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, daß man es hier mit den Relikten einer Art von Plattentektonik zu tun hat, die vor mehr als 4 Milliarden Jahren die Marskruste formte. Während dieser Zeit muß der Mars noch einen inneren Dynamo besessen haben, der um den Planeten ein Dipolfeld aufgebaut hat und das mehrmals seine Richtung (Polarität) gewechselt haben muß.


Globale Magnetfeldkarte des Mars nach Messungen mit dem MAG/ER (Magnetometer and Electron Reflectometer). Blaue und rote Farbtöne geben jeweils eine unterschiedliche Polarität an (Legende). Die Streifen unterschiedlicher Magnetisierung werden analog zur Erde als Folge einer bis in das Noachien hineinreichenden frühen Plattentektonik gewertet. Quelle NASA 

Man kann sogar relativ genau angeben, wann der Geodynamo des Mars seine Tätigkeit eingestellt hat. Die Magnetfeldkarte zeigt deutlich, daß die großen Einschlagbecken wie z.B. Hellas, Chryse und Argyre sowie eine Anzahl großer Einschlagkrater, deren Entstehungszeit in das späte Noachian datiert wird, frei von Magnetfeldanomalien sind. Eine genaue Analyse dieser Beobachtung (J.H.Roberts et.al. 2009) kam zu dem Ergebnis, daß das vom Mars-Dynamo erzeugte Dipolfeld ungefähr zur Mitte des Noachians, und zwar ziemlich abrupt (d.h. innerhalb von gerade einmal 100 Millionen Jahren), zusammengebrochen ist. Da weiterhin diese Impaktbecken bzw. Krater noch relativ gut erhalten sind, kann man davon ausgehen, daß die plattentektonischen Prozesse auf dem Mars noch vor deren Entstehung aufgehört haben.


Geographische Verteilung der stärksten Magnetfeldanomalien auf der Marsoberfläche. Sie kennzeichnen zugleich auch die nach Kraterzäh­lungen ältesten Krustenbereiche. Quelle NASA 

Eine weitere interessante Entdeckung war der Nachweis von Polarlichtern mit Hilfe des SPICAM-Instruments (Spectroscopy for the Investigation and the Characteristics of the Atmosphere on Mars) der Sonde Mars Express. Zuvor waren Auroras nur von der Erde und von den Riesenplaneten Jupiter und Saturn bekannt. Beim Mars bilden die „Polarlichter“ jedoch keinen Kranz um die Pole (was das Vorhandensein eines magnetischen Dipolfeldes voraussetzen würde), sondern sind auf Oberflächengebiete mit lokalen Magnetanomalien beschränkt. Die von dort ausgehenden Felder fokussieren den Elektronenfluß in der darüber liegenden Marsatmosphäre (220 bis 250 km Höhe), wobei die in diesen Magnetfeldern beschleunigten Elektronen in Wechselwirkung mit in tieferen Regionen vorhandenen Sauerstoffatomen und Kohlendioxid-Molekülen treten und dabei Leuchterscheinungen im UV-Bereich auslösen.

Nächstes Mal: Es gibt kein "Nächstes Mal". Hier ist Schluß mit Mars...

Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"

Mittwoch, 4. April 2012

Planet Mars (39) - Biosphäre?

Biosphäre

Die Frage, ob es auf dem Mars leben gibt oder ob es auf diesem Planeten einmal Leben gegeben hat (d.h. als dafür die Bedingungen noch günstig waren), ist immer noch unbeantwortet und damit spannend (2012). So gesehen erübrigt es sich eigentlich, etwas über die Biosphäre des Mars zu berichten. Anderseits gibt es auf der Erde Lebensformen, die an wirklich extremste Umweltbedingungen angepaßt sind. Diese speziellen Formen von Archaebakterien werden deshalb auch als „Extremophile“ bezeichnet. Einige Arten davon können jeden­falls unter heutigen Marsbedingungen durchaus gedeihen und sich sogar vermehren, wie eine ganze Reihe von Experimenten gezeigt hat. Und einige davon haben es, so verrät es die Statistik, ihren Weg zum Mars mit hoher Sicherheit geschafft – als blinde Passagiere der Landesonden, die wir zum roten Planeten geschickt haben... Unabhängig davon sind z.Z. noch alle Mutmaßungen über marsianisches Leben reine Spekulation. Wenn es aber im Sonnensystem außer auf der Erde doch noch irgendwo Leben geben sollte, dann ist der Mars ohne Zweifel die erste Adresse dafür. Aus diesem Grund war es ganz natürlich, daß man (wie bereits berichtet) die ersten Marslander, die Mitte der 70ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Marsoberfläche erreichten (Viking 1 und 2), mit ausgeklügelten Experimenten ausgestattet hatte, um zumindest einen Hinweis auf außer­irdisches Leben zu finden. Die Ergebnisse waren leider indifferent und im Lichte der Erkenntnisse jener Zeit auch nicht vernünftig interpretierbar, so daß diese Bemühungen leider nicht von Erfolg gekrönt waren. Die Folgemissionen waren nur mittelbar der Lebenssuche gewidmet (z.B. Phoenix 2008), da man der Meinung war, daß man erst einmal die Bedingungen der Marsoberfläche, insbesondere in Hinsicht auf die Präsenz von Wasser, erkunden muß, bevor man gezielt dort nach „Mikroben“ suchen kann. 

Marsmeteorit ALH 84001
Besondere Aufmerksamkeit auch außerhalb der wissenschaftlichen Community erregte die 1996 bekanntgegebene Ent­deckung von vermeintlichen Lebensspuren in einem Meteoriten aus der Antarktis (Allan Hills 84001), der zweifelsfrei vom Mars stammte (B.Clinton, 1996). Es handelt sich dabei um einen kataklastischen (bruchdeformiertes) Orthopyroxenit, der entsprech­end seines Bestrahlungsalters vor ca. 15 Millionen Jahren den Mars bei einem Impakt verlassen haben muß. Vor etwa 13000 Jahren ist er dann im Eis der Antarktis gelandet, wo er dann auch prompt 13000 Jahre später bei der systematischen Absuche der Blaueisfelder um die Allans Hills aufgefunden wurde. 

Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung fielen David S. McKay und seinen Mitarbeitern längliche Strukturen im Nanometer-Bereich auf, die verblüffend (bis auf ihre zu geringe Größe) irdischen Bakterien ähnelten. Heute ist diese Deutung weitgehend umstritten und nur noch sehr wenige Wissenschaftler, die sich mit dieser Materie beschäftigt haben, gehen davon aus, daß man es mit fossilierten „Marsbakterien“ zu tun hat. Wenn es sich wirklich um Mikrofossilien handeln sollte (was in keinster Form klar ist), dann handelt es sich eher um Verunreinigungen irdischen Ursprungs (man hat vor einiger Zeit auf der Erde sogenannte „Nanobakterien“ entdeckt, die von ihrer Länge her passen würden). Auch gibt es mittlerweile sicherlich ein halbes Dutzend „anorganische“ Erklärungsmodelle für die von McKay gefundenen Nanostrukturen. Auch die Entdeckung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH, Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) im gleichen Meteoriten ist kein Beweis für außerirdisches Leben, obwohl diese Stoffe häufig beim Zerfall von Bakterien entstehen.

Mars-Meteorit ALH 84001,0, der am 27. Dezember 1984 im Bereich der Allan Hills (Victoria Land, Antarctica) aufgefunden wurde und der zweifelsfrei vom Mars stammt. Quelle USGS


In genau einer Probe von ALH 84001 glaubte man 1996 erste Spuren außerirdischer Lebewesen in Form von „Nanobakterien“ gefunden zu haben – eine Deutung, die heute kaum noch ernsthaft vertreten wird. Quelle NASA

Da man weiß, das Leben auf der Erde relativ schnell entstanden ist (innerhalb von wenigen 100 Millionen Jahren, nachdem die Umweltbedingungen dafür geeignet waren), gibt es auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß dieselben oder ähnliche bio­chemische Prozesse auch auf einem „feuchten“ und „warmen“ frühen Mars stattgefunden haben. Da sich aber anschließend die Umweltbedingungen relativ schnell verschlechterten (es wurde bekanntlich „trocken“ und „kalt“), dürften heute nur noch wenige ökologische Nischen auf dem Mars vorhanden sein, in die sich primitive Mikroorganismen zurückgezogen haben könnten. Das betrifft insbesondere die im Untergrund wasser(eis)reichen gemäßigten Breiten sowie die Polarregionen mit ihren permanenten Wassereiskappen. Glaubt man den Evolutionsbiologen, dann stehen die Chancen jedoch ziemlich schlecht, endemische Marsorganismen zu finden. Eher kann es sein, daß der Mars einmal in früher Zeit von der Erde „angesteckt“ wurde. Denn wenn ein Meteorit vom Mars auf die Erde gelangen konnte, dann ist sicherlich auch der umgekehrte Weg möglich. 

Methananomalie der Marsatmosphäre
Der 2003 gelungene Nachweis von größeren Mengen Methan in der Marsatmosphäre (Konzentration ca. 10 ppbv – parts per billion by volume) hat besonders unter den Astrobiologen zu einigem Aufsehen geführt. Dazu muß man wissen, daß dieses Gas auf der Erde vorwiegend biologischen Ursprungs ist, wobei die wichtigsten Methanbildner spezielle Bakterien sind. Um die heute in der Erdatmosphäre beobachtete Methankonzentration von ca. 1750 ppbv aufrechtzuerhalten (Methanmoleküle werden in der Atmosphäre kontinuierlich abgebaut, wobei die durch­schnittliche Lebensdauer eines Moleküls ca. ein Jahrzehnt beträgt), müssen pro Jahr über 500 Millionen Tonnen erzeugt werden. Auf dem Mars sind die Verhältnisse dagegen vollkommen anders. In der fast reinen Kohlendioxid-Atmosphäre ist Methan lediglich ein Spurengas. Dort überlebt ein Methanmolekül im Mittel rund 600 Jahre. Das bedeutet, daß bei einer stabilen Konzentration von 10 ppbv pro Jahr rund 100 Tonnen von diesem Gas neu entstehen müssen. Da stellt sich natürlich sofort die Frage nach der Natur der Methanquellen auf dem Mars. 

Weiterhin ist auffällig, daß die Methankonzentration nicht gleichmäßig über den Planeten verteilt ist, sondern saisonal regelrecht „Methanwolken“ auftreten. So konnten im nördlichen Sommer Methanschwaden detektiert werden, die bis zu 19000 Tonnen dieses Gases enthalten haben. In den Wintermonaten scheint dagegen die Methanfreisetzung zu stoppen. Offen­sichtlich spielt die Temperatur dabei eine gewisse Rolle. 

Vulkanismus, der auf der Erde ca. 0.2% der Methanmenge liefert, sollte nach heutigen Kenntnissen auf dem Mars aus­scheiden, da trotz genauester Fernerkundung keine Anzeichen eines aktiven rezenten Vulkanismus gefunden werden konnte. Eine weitere denkbare Methanquelle wäre der Eintrag durch Kometenkerne, die ab und an den Mars treffen. Das sollte aber keine saisonale Abhängigkeit zeigen. Vielmehr würde man in diesem Fall nur eine temporäre Anreicherung in der Marsatmo­sphäre beobachten und andere Erklärungsmodelle wären obsolet. Lokale Entstehungs- bzw. Freisetzungsmechanismen können die beobachtete Verteilung sehr viel besser erklären, wobei aber, und das ist der Knackpunkt, denkbare Mechanismen der Methanbildung nur sehr begrenzt sind. Es kommen genau genommen nur mikrobiologische und anorganisch-chemische Bildungsmechanismen in Frage. Seitdem man weiß, daß es im Marsboden relativ viel Wasser gibt, könnte ein spezieller geochemischer Vorgang, der als Serpentinisierung bezeichnet wird, des Rätsels Lösung sein. Die Zutaten, Wasser, Kohlendioxid und das Mineral Olivin (ein wichtiger Bestandteil vieler Vulkanite wie z.B. der Basalte) sind auf dem Mars reichlich vorhanden. Wenn Olivin (aber auch andere Minerale wie z.B. Amphibole oder Pyroxene) mit kohlesäurehaltigen Wasser in Kontakt kommen, dann wandeln sich die genannten Minerale im Rahmen einer exothermen Reaktion in weißliche Serpentine (das sind gesteinsbildende Schichtsilikate, die sehr viel Magnesium enthalten) um, wobei Wasserstoff freigesetzt wird. Die metamorphen Gesteine, die sehr viel von dem Silikat Serpentin enthalten, bezeichnet man als Serpentinite. Auf der Erde kann man ihre Entstehung im Bereich heißer untermeerischer Quellen, den sogenannten Black und White Smoker, beobachten. Der bei der Umwandlung freigesetzte Wasserstoff kann anschließend mit Kohlenstoff und einfachen Kohlenstoffverbindungen (Kohlenmonoxid, Kohlendioxid) reagieren und dabei Methan bilden. Man schätzt, daß pro Jahr ca. 80000 Tonnen Olivin umgewandelt werden müssen, um die heutige mittlere Methankonzentration in der Marsatmosphäre stabil zu halten. Das ist nicht soviel, daß es nicht möglich wäre. Das Problem ist eher die notwendige Präsenz von flüssigem Wasser. Auf jeden Fall gibt es aber durchaus Möglichkeiten, die Methanvorkommen auf dem Mars auch ohne methanbildende Mikroorganismen zu erklären. Um Leben auf dem Mars zu postulieren, braucht man stichhaltigere Beweise. 

Wenn das Methan in den Krustengesteinen gebildet wird, muß es irgendwie an die Planetenoberfläche gelangen. Solche Orte könnten z.B. Schlammvulkane sein, wie man sie auch von einigen Gegenden der Erde (z.B. Aserbaidschan) her kennt. In ihnen strömt methanhaltiger Matsch aus der Erdkruste an die Erdober­fläche. Dabei entstehen morphologische Strukturen, die wie Vulkane (mit Zentralkrater) aussehen. Und genau solche Strukturen konnten auf dem Mars in der Chryse-Tiefebene entdeckt werden (Komatsu, 2009). Ob sie noch aktiv sind (was durchaus möglich wäre), müssen zukünftige Untersuchungen klären. Wenn ja, könnten sie methanhaltige Gase an die Oberfläche befördern.



Methankonzentration in der Marsatmosphäre während des nördlichen Sommers. Die Methanwolken enthalten insgesamt bis zu 17000 t Methan. Quelle NASA




Die größten Methankonzentrationen wurden in Gebieten beobachtet (z.B. Nili Fossae, Teile von Syrtis Major), wo in ferner Vergangenheit einmal Wasser geflossen ist. Quelle NASA



Diese vom Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommenen Objekte stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit Schlammvulkane dar. Sie könnten große Mengen Methan freisetzen. Quelle NASA

Schlammvulkane auf dem Mars erscheinen auf dem ersten Blick etwas sehr exotisches zu sein, erfordert ihre Entstehung doch das „Aufquellen“ von sehr plastischem, d.h. wasserreichen Materials mit einer Konsistenz zumindest von der von Tonen. Es ist aber durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß es in mehreren Kilometern Tiefe Bereiche mit warmen, flüssigen Wasser gibt, die Sedimentschichten durchsetzen. Wenn dieses feinkörnige, dick­flüssige Material durch Risse und Verwerfungen zur Oberfläche dringt, dann kann man erwarten, daß sich an den Austrittsstelen Schlammvulkane bilden. Und im gleichen Maße ist es möglich, daß sowohl anorganisch gebildetes Methan bzw. Methan, welches von methanbildenden Mikroorganismen stammt, in größerer Menge an die Oberfläche gelangt. Auch auf der Erde hat man Bakterien gefunden, die mehrere Kilometer unter der Erdoberfläche in den Poren von Gesteinen leben und sich völlig autotroph ernähren. Also, wenn einmal Leben auf dem Mars entstanden sein sollte oder eingetragen wurde (Panspermie), dann könnten es sich in wasserhaltige Schichten unterhalb der Marsoberfläche zurückgezogen haben. Denn dort sind sie von den gefährlichen kosmischen Einflüssen weitgehend geschützt. 

Methanal (Formaldehyd)
Methanal oder, wie dieser Stoff meist genannt wird, Formaldehyd, konnte auch in der Marsatmosphäre nachgewiesen werden (Peplow, 2005). Anfänglich hat man dies als ein Zeichen biologischer Aktivität gewertet (V. Formisano, 2005), heute ist man sich da nicht mehr so sicher. Auf jeden Fall ist Methanal dahingehend ein außergewöhnlicher Stoff, da er sehr schnell (innerhalb von 7.5 Stunden) in der Marsatmosphäre abgebaut wird. Um die vom Planetary Fourier Spectrometer der Sonde Mars Express gemessene Konzentration von ~130 ppb konstant zu halten, muß dieses Spurengas kontinuierlich aus einer noch unbekannten Quelle nachgeliefert werden. Chemisch wird Methanal durch Oxidation von Methan gebildet. Wie diese Oxidation im konkreten Fall unter Marsbedingungen stattfindet, abiotisch oder biotisch, ist aber weiterhin umstritten. Ein Teil könnte aus vulkanischen Exhalationen stammen. Nimmt man die Erde zum Vergleich, dann ist die Menge, die der Mars heute noch maximal jährlich emittieren kann, auf jeden Fall zu gering. Auch in die Atmosphäre eindringende Kometenkerne reichen dazu nicht aus. Deshalb ist die „biologische“ Erklärung auch lange noch nicht vom Tisch.

Nächstes Mal: Die Magnetosphäre

Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"

Sonntag, 25. März 2012

Planet Mars (38) - Marsatmosphäre V

Wolkenbildung und Niederschläge

In der Marsatmosphäre treten drei Arten von Wolken auf. Neben den bereits behandelten „Staubwolken“ (eher eine Art smog­artiger Dunst) sind das Wolken aus Wasserdampf / Eiskristallen – und wenn es besonders kalt ist, Wolken aus Kohlendioxid-Eispartikelchen. Wassereiswolken beobachtet man besonders häufig in der nördlichen Hemisphäre während der Sommermonate, also dann, wenn der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre aufgrund von Sublimationsvorgängen im Bereich der Polarkappen wieder ansteigt. Obwohl sie natürlich viel „dünner“ sind als vergleichs­weise in der Erdatmosphäre, sind sie auf den Aufnahmen der Mars-Orbiter und des Hubble-Teleskops gut zu erkennen. Über den Polkappen beobachtet man lokal häufig Bodennebel und smogartige Wettererscheinungen, die sich besonders in den Herbstmonaten häufen. Aber auch im Bereich der Gipfelcalderen der großen Tharsis-Vulkane ist ab und zu Wolkenbildung zu beobachten.


Am Rande der Polarkappen können sich atmosphärische Störungen zu Zyklonen entwickeln, die von dünnen Wasserdampfzirren nachgezeichnet werden. Quelle NASA

Lange Zeit nahm man an, daß sich Wasserdampfwolken nur tagsüber bilden können und sich gegen Abend rasch auflösen. Daß das nicht immer der Fall ist, wurde zuerst auf indirektem Weg erkannt. Die nächtlichen Bodentemperaturen, die von Mars Global Surveyor kontinuierlich gemessen und zur Erde gefunkt wurden, waren gegenüber Modellrechnungen einfach zu hoch. Die Abweichungen betrugen bis zu 20 K, was mit Fehlern im verwendeten Atmosphärenmodell einfach nicht zu erklären war. Die Lösung für dieses Rätsel liegt in der Präsenz von Eiswolken, welche die Abstrahlung der am Tag am Boden akkumulierten Wärme zu einem gewissen Grad verhindern. Um diese Hypothese zu quantifizieren, wurden die Temperaturmessungen der Sonde mit Messungen des Laser-Höhenmessers des MGS korreliert und zwar derart, daß zusätzlich die Streuung des von der Mars­oberfläche reflektierten Laserstrahls für jeden Meßpunkt bestimmt wurde (J. Wilson et.al. 2007).


Dünne Wassereiswolken bilden sich im Bereich des Äquators besonders zur Zeit des nördlichen Sommers (aphelion clouds). Sie verraten sich durch Mie-Streuung von Licht. Quelle NASA 

Dabei ging man davon aus, daß diese Streuung zu einem guten Teil durch kleine Eiskristalle (aus denen die Wassereiswolken bestehen) verursacht wird: starke Streuung – viele Eiskristalle; schwache Streuung – wenig oder keine Eiskristalle. Die Auswer­tung ergab, daß in den Sommermonaten (nördliche Hemisphäre) auch nachts Eiswolken vorhanden sind und zwar z.T. in noch stärkerem Maße als am Tag. Oder anders ausgedrückt, die Mächtigkeit der „Nachtwolken“ überstieg die der „Tagwolken“ teilweise um die Faktoren vier bis fünf. Ihre Opazität verhindert sehr effektiv die direkte Abstrahlung von IR-Licht in den Kosmos, wodurch die Bodentemperaturen nicht so stark absinken können, wie es ohne diese Wolken der Fall wäre. 

Aus solchen Wolken können durchaus Niederschläge fallen und zwar in Form von kleinen Eiskristallen, die des Nachts zu Boden rieseln (in der Regel erreichen sie aber nicht die Oberfläche des Planeten, da sie sich wieder in Wasserdampf auflösen). Der Nachweis von rieselnden „Marsschnee“ gelang dem Marslander Phoenix (2008), der mit einem sogenannten LIDAR (Light Detection and Ranging Instrument) ausgerüstet war. Dieses Gerät wird auf der Erde von Meteorologen und Atmosphärenphysikern routinemäßig zur Messung von Aerosolen eingesetzt. Es arbeitet mit gepulstem Laserlicht, welches senkrecht nach oben gerichtet wird. Zwischen den Pulsen wird dann das von Schwebeteilchen zurückgestreute Licht registriert. Aus der Laufzeit des Laser­impulses und der Grad der Streuung läßt sich die Aerosoldichte als Funktion der Höhe berechnen. Dem analoge Messungen wurden auch auf dem Mars ausgeführt (Whiteway et. al. 2009). 

Phoenix erreichte die Marsoberfläche bei ~68° nördlicher Breite ziemlich genau zu Sommerbeginn, also zu einer Jahreszeit, wo die Wasserdampfkonzentration in dieser Region seinem Maximal­wert zustrebt. Ungefähr einen knappen Marsmonat nach der Sommersonnenwende setzt in ungefähr 3 bis 4 km Höhe ab der zweiten Nachthälfte Wolkenbildung ein, in dem der Wasser­dampf in kleine Eiskristalle übergeht (als Kondensationskeime könnten feine Staubpartikel dienen). Die Temperatur erreicht dann in dieser Höhe einen Wert von ~208 K, der nicht ausreicht, um Kohlendioxid auszukondensieren (~153 K), weshalb man sicher sein kann, daß es sich auch wirklich um Wolken aus gefrorenem Wasser handelt. Auf diese Weise entstehen cirrusartige Wassereiswolken, die sich im Laufe des anbrechenden Morgen langsam nach unten bewegen und sich dann sehr schnell auflösen. Genau solche „Fallstreifen“ aus fallenden Eiskristallen hat das LIDAR von Phoenix vermessen. Mit diesem Nachweis konnte wieder ein Detail des rezenten Wasserkreislaufs auf dem Mars geklärt werden. 

Eine weitere Art von Wolken, die sogar so „dicht“ werden können, daß sie die Marsrover am Taghimmel fotografieren konnten, bestehen aus feinen Kohlendioxid-Kristallen. Sie können immer dann entstehen, wenn sich die dünne - Atmosphäre soweit abkühlt, daß der Übergang von der Gasphase direkt in die feste Phase von „Trockeneis“ erfolgen kann. Dazu sind aber zwingend Kondensationskeime erforderlich, deren Art und Konzentration in den entsprechenden Höhen (z.T. über 80 km) noch rätselhaft sind. Kosmischer Staub (von Meteoriten eingetragen), aber auch winzige Wassereiskristalle könnten dafür in Frage kommen. Ob der Staub, der bei den globalen Staubstürmen in die Marsatmosphäre gelangt, in so große Höhen vordringen kann, ist dagegen eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Mars Express konnte mit Hilfe des OMEGA Visible and Infrared Mineralogical Mapping Spectrometer einige Parameter dieser Wolken bestimmen. Die erste Auffälligkeit war, daß sie z.T. unerwartet dicht und damit in der Lage sind, auf die Mars­oberfläche Schatten zuwerfen. Auf diese Weise werden sie wie irdische Wolken „klimawirksam“, denn sie können die Sonnen­strahlung im optischen Spektralbereich für einen Beobachter auf der Marsoberfläche auf bis zu 40% verringern. Das hat bekanntlich einen Abkühlungseffekt zur Folge. Weiterhin ist noch erklärungsbedürftig, warum diese Kohlendioxideiswolken besonders in der Äquatorregion des Planeten auftreten.


Diese Aufnahme mit dem OMEGA-Spektrometer von Mars Express zeigt einmal (bei einer Wellenlänge von 0.5 µm) -Wolken sowie (bei einer Wellenlänge von 1.3 µm) deren Schatten auf der Marsoberfläche. Die horizontale Ausdehnung der Wolken kann die Größenordnung von 100 km erreichen. Man schätzt, daß die Partikelgröße in den Wolken einige Mikrometer betragen. Sie erscheinen deshalb auch weiß. ESA


Marswolken, aufgenommen von der Kamera des Mars-Rovers Opportunity. Quelle NASA, JPL

Nächstes Mal: Biosphäre?



Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"

Sonntag, 18. März 2012

Planet Mars (37) - Marsatmosphäre IV

Staubteufel

Auf manchen hochauflösenden Fotos der Marsoberfläche sind dünne dunkle Spuren auszumachen, die sich über eine größere Entfernung erstrecken und die Tendenz haben, bestimmte Richtungen zu bevorzugen. Sie bilden auf der sandigen und staubigen Oberfläche ein Gewirr von Linien, deren Entstehung zuerst nicht klar war. 

Das änderte sich, als Mars Global Surveyor mit seiner Kamera die Entstehung einer solchen linienartigen Struktur direkt beobach­ten konnte. Es handelte sich um eine - auf der Erde würde man sagen „Windhose“ - die über das flache Land raste und dabei die hellere Bodenschicht empor wirbelte, so daß entlang ihrer Bahn der dunklere Untergrund zum Vorschein kam. Dabei ist die Bezeichnung „Windhose“ für einige Exemplare auf dem Mars eher verharmlosend, denn diese schnell rotierenden Staubwirbel können eine Höhe von mehreren Kilometern erreichen und dabei ein Zerstörungs­potential entwickeln, die mit irdischen Tornados vergleichbar sind und sie in dieser Beziehung sogar um Einiges übertreffen können. Diese marsianischen Staubwirbel werden gewöhnlich als Staubteufel (dust devils) bezeichnet und sind in den Sommer­monaten in manchen Gebieten des Mars ein alltägliches Phänomen. Kleinere Exemplare konnten z.B. vom Marsrover „Spirit“, der im Gusev-Krater seine Arbeit verrichtete, in den Sommermonaten fast täglich beobachtet werden. 

Staubteufel entstehen immer dann, wenn sich bei hochstehender Sonne die Luftschicht dicht über dem Boden stark erwärmt und aufzusteigen beginnt (man spricht in solch einem Fall von einer in Bezug auf die Temperatur labilen Schichtung der Luftmassen, da sich bei nahezu Windstille die warme bodennahe Schicht mit der darüber liegenden kalten Schicht nicht durchmischen kann). Im Bereich des Gusev-Kraters ist diese Bedingung im Mars-Sommer gewöhnlich zwischen 10 Uhr und 15 Uhr Ortszeit (ein Marstag ist mit 24 Stunden und 39 Minuten nur 39 Minuten länger als ein Tag auf der Erde) erfüllt. Dabei entstehen kleine konvektive Warmluftblasen, die vertikal zu rotieren beginnen. Bläst jetzt ein kleiner Windstoß solch eine konvektive Zelle um, dann beginnt sie u.U. immer schneller horizontal zu rotieren, nimmt dabei Staub auf und es entsteht in einem sich selbstverstärkenden Prozeß eine vertikale, rotierende Säule - ein Staubteufel eben. Die antreibende Kraft ist dabei die heiße Luft im Zentrum, die eine Aufwärtsströmung bildet und - bei den größeren Exemplaren - Staub und Sand bis in mehrere Kilometer Höhe zu transportieren vermag. Der zentrale Bereich entspricht dabei erwartungsgemäß einem Druckminimum und die größten (horizontalen) Windgeschwindigkeiten werden an der Peripherie des Wirbels erreicht. 

Diese typische Signator konnten bereits die Meßgeräte der Carl Sagan Memorial Station (Mars Pathfinder) nachweisen.


Das Diagramm stellt den Verlauf des Luftdrucks über einen Zeitraum von ungefähr zwei Minuten dar und zeigt recht deutlich den Druckabfall um etwa 0.5% gegenüber dem normalen Luftdruck beim Durchgang der Windhose. 

Die folgende schematische Skizze zeigt, wie eine Trombe entsteht:


Außerdem konnten die Meßgeräte des Pathfinder-Landers sehr deutlich die wechselnden Windrichtungen bemerken, die sich aufgrund der Rotation des Wirbels ergeben.


Die dunklen, immer breiter werdenden Streifen auf diesem hochauflösenden Foto der Marsoberfläche stellen die Spuren kleiner lokaler „Tornados“, den sogenannten „dust devils“ dar. Quelle NASA

Besonders nachhaltig wirkt sich der Effekt der Drehimpuls­erhaltung bei der Entwicklung einer sich drehenden Trombe (wie man solche Phänomene in der Meteorologie nennt) aus. Ausgangsparameter sind die Rotationsgeschwindigkeit und die Rotationsfläche, gemessen an der Basis. Durch das Strecken der rotierenden Luftsäule aufgrund der aufsteigenden Luftströmung im Zentrum verringert sich die Rotationsfläche bzw. dessen Radius. Das führt wegen der Drehimpulserhaltung zu einer Vergrößerung der Rotationsgeschwindigkeit der Luftsäule und somit auch der Geschwindigkeit der einströmenden Luft. 

Die stärksten dust devil, die man bisher auf dem Mars beobachten konnte, erreichten am Marsboden einen Durch­messer von mehreren Hundert Metern und eine Höhe von mehreren Kilometern. Sie sind ungefähr 10 mal stärker als die stärksten bekannten irdischen Tornados (die aber auf eine völlig andere Art und Weise entstehen) und sind damit in der Lage – quasi wie Riesenstaubsaugers - riesige Mengen Lockermaterial entlang ihres Weges abzutragen. Man kann ihren Durchmesser anhand ihrer zurückgelassenen Spuren und ihre Höhe an der Länge ihres Schattens bestimmen, wie folgende MGS-Aufnahme von 1999 zeigt:


Anhand des Schattens kann man einige Parameter von „Staubteufel“ bestimmen, z.B. deren Durchmesser und die Höhe, in die sich erstrecken. Quellle NASA 

Irdische Staubteufel können außergewöhnlich große elektrische Ladungen - und damit verbunden - Magnetfelder aufweisen. Sie erhalten ihre Ladung von dem aufgewirbelten Staubkörnchen unterschiedlicher mineralogischer Zusammensetzung, die an­einander reiben und dabei Ladungen freisetzen.



Zwei kleine Staubteufel, die über den Gipfel des Husband Hill‘s rasen, aufgenommen von der Kamera des Mars-Rovers Spirit. Solchen dust devils ist es zu verdanken, daß sich die Stromversorgung der Mars-Rover ab an wieder verbessert hat, in dem sie absorbierenden Staub von den Solar­panels weggeblasen haben. Auf der Erde sind ähnliche „Tromben“ lokal nicht selten. Selbst in Deutschland kann man sie an heißen Sommertagen über abgeernteten Feldern ab und an beobachten. Quelle NASA 

Ähnliches beobachtet man auch, wenn man z.B. Bernstein an einem trockenen Tuch reibt. Kleinere Staubteilchen haben die Tendenz, sich negativ aufzuladen während größere Sandkörn­chen eher positiv geladen sind. Da die aufsteigende, zentrale Säule aus heißer Luft, die den Staubteufel antreibt, den negativ geladenen Staub nach oben transportiert und die schwereren, positiv geladenen Sandkörner nahe am Boden läßt, werden die Ladungen getrennt. Auf diese Weise wird ein elektrisches Feld mit einer Stärke von bis zu 20 kV/m erzeugt Einen ähnlichen Effekt erwartet man auch auf dem Mars. Wenn vielleicht auch nicht die Feldstärken irdischer Tromben erreicht werden, so kann doch der Betrag der Energie, der im elektrischen Feld eines großen Staubteufels gespeichert ist, durchaus um einiges größer sein. Deshalb ist es möglich, daß die dust devils die Elektronik von Marslandegeräten durchaus ernsthaft beeinträchtigen können obwohl ihr anderer Effekt - nämlich das Wegblasen von Staub von Sonnenkollektoren - beispielsweise. mitgeholfen hat, die Lebensdauer der Marsrovern Spirit und Opportunity wesentlich zu verlängern.


Nächstes Mal: Die Marsatmosphäre V - Wolkenbildung und Niederschläge

Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"

Sonntag, 11. März 2012

Planet Mars (36) - Marsatmosphäre III

Allgemeine Zirkulation der Marsatmosphäre

Die großräumigen Strömungsverhältnisse einer Planetenatmo­sphäre lassen sich räumlich und zeitlich allein durch Beo­bachtungen nur sehr schwer aufklären. Die Methode der Wahl ist deshalb die numerische Modellierung in Form von „Allgemeinen Zirkulations-Modellen“ (General Circulation Models, GCM), die auf allgemein anerkannten Prinzipien der Aeronomie und deren physikalischen Gesetzmäßigkeiten beruhen. Numerische Mo­delle, die sich prinzipiell für alle sinnvollen Skalen (begrenzt z.B. nur durch die verfügbare Rechenkapazität und der Genauigkeit der Ausgangsdaten) entwickeln lassen, werden dann im Vergleich mit Meßwerten, die u.a. von Satelliten vor Ort gewonnen werden, sukzessive verbessert. Im Fall des Mars ergibt sich der methodische Vorteil, daß sich bereits bestehende Modelle, die für die Erdatmosphäre entwickelt wurden, relativ leicht auf den roten Planeten übertragen lassen: Die Rotationsperiode des Planeten ist mit 24 Stunden und 34 Minuten nur unwesentlich länger als die der Erde. Auch die Neigung der Rotationsachse in Bezug auf die Bahnebene ist mit der der Erde durchaus vergleichbar, was bekanntlich zu ausgeprägten Jahreszeiten führt. Darüber hinaus ist auch die Skalenhöhe der stabil geschichteten Atmosphäre mit der der Erde vergleichbar. Das ergibt im Großen und Ganzen ein Zirkulationssystem, das auf dem geostrophischen Gleichgewicht zwischen horizontalen Druckgradienten und Coriolis-Kraft beruht und deshalb dem irdischen in vielerlei Hinsicht stark ähnelt. Große Unterschiede gibt es insbesondere in den absoluten Druckverhältnissen (der Gasdruck auf der Marsoberfläche beträgt weniger als 1% des irdischen Luftdrucks), in der geringeren Schwerebeschleunigung und in der völlig andersgearteten chemischen Zusammensetzung der Marsatmosphäre. Außerdem dauert ein Marsjahr doppelt so lange als ein irdisches Jahr und auch die Bahnexzentrizität ist bedeutend größer, was wesentlichen Einfluß auf die Länge der Jahreszeiten hat. Weiterhin fehlen die Ozeane, die auf der Erde wichtige Wärmespeicher sind, auf dem Mars völlig, was wiederum den Vorteil hat, daß man die für die Erde typische komplexe Wechselwirkung zwischen Hydro- und Atmosphäre nicht modellieren muß. Dafür spielen die Polargebiete mit ihren Polkappen, die jahreszeitlich große Senken (Winter) oder Quellen (Sommer) von Kohlendioxid und Wasserdampf sind, eine sehr dominierende Rolle. 

Was die Atmosphärenchemie und den Strahlungstransport in der Marsatmosphäre betrifft, braucht man für die Berücksichtigung der IR-Absorption im Wesentlichen nur die Absorptionsbanden von Kohlendioxid berücksichtigen. Das bedingt aber zugleich eine völlig andere Modellierung des Strahlungstransports im Vergleich zu den bedeutend komplizierteren irdischen Bedingungen. Einzigartig sind dagegen die auf dem Mars saisonal auftretenden globalen Staubstürme, durch die sehr viel mikroskopischer Feinstaub in die Atmosphäre gelangt und dessen Dynamik und Thermodynamik beeinflussen. Gerade die Modellierung dieses Phänomens stellt eine große Herausforderung an die Modell­entwicklung dar. 

In letzter Zeit werden in die Allgemeinen Zirkulationsmodelle der Marsatmosphäre mehr und mehr auch photochemische Reak­tionszyklen in der Art, wie sie im vorangegangenen Kapitel behandelt wurden, eingebaut. Sie ergeben neue Einsichten über die Vorgänge, welche dem Mars eine langzeitstabile Kohlen­dioxidatmosphäre ermöglichen. 

Atmosphärische Zirkulation
Die großräumige Zirkulation ähnelt in ihren Grundzügen denen der Erde. Genauso wie die Erde, wird die Marsatmosphäre „von unten“ geheizt und bildet meridionale Hadley-Zellen aus, deren Dynamik durch die Corioliskraft gestört wird. Da Ozeane fehlen und auch die Dichte der Atmosphäre im Vergleich zur Erde sehr gering ist, sind die Zirkulationsmuster im Großen und Ganzen gleichförmiger und werden im hohen Maße durch den starken Temperaturgradienten entlang der Längengrade bedingt. Außer­dem sind wegen der fehlenden Pufferwirkung großer Was­serreservoire und der schlechten Wärmeleitfähigkeit der Gesteine die Temperaturgegensätze zwischen Tag und Nacht, Pol und Äquator und zwischen den Jahreszeiten sehr extrem. So werden im Sommer die höchsten Temperaturen nicht am Äquator, sondern am subsolaren Punkt (dort wo zu Mittag die Sonne im Zenit steht) erreicht. Da dieser Punkt jahreszeitlich breitenabhängig zwischen den Wendekreisen wandert, wird im gleichen Maße die einzelne, äquatoriale Hadley-Zelle mit verschoben mit der Konsequenz, daß die warme Äquatorialluft in niedere Breiten der jeweiligen Sommerhemisphäre transportiert wird. Dort können sie dann zyklonale und antizyklonale Wirbel ausbilden. Die Messungen der Viking-Lander zeigen, daß damit verbundene Wetterfronten mit einer überraschend konstanten Periode von ungefähr 3 Tagen die Landeplätze jeweils überstrichen haben. Ein Meteorologe auf dem Mars hätte zwar einen sehr langweiligen Job, aber seine Vorhersagegenauigkeit wäre wahrscheinlich um einiges besser als das seiner Kollegen auf der Erde. 

Weitere wichtige Mitspieler bei der Verteilung von Energie in der Marsatmosphäre sind atmosphärische Wellen, die gewöhnlich als Rossby-Wellen bezeichnet werden. Sie sind, wie bei der Erde, mit mäandernden, ostwärts gerichteten Starkwindzonen („Jet­streams“) assoziiert. Von ihnen können sich kleinskalige Turbu­lenzen lösen, die sich u. U. dynamisch zu Tief- und Hoch­druckgebieten entwickeln. Zyklone besitzen bekanntlich die Fähigkeit, Luftmassen anzuheben, wodurch sie sich abkühlen. Ist diese Luft mit Wasserdampf gesättigt (was im Bereich der Pole oft der Fall ist), dann kann es u.U. in 4 bis 5 km Höhe zur Wolkenbildung kommen. Aus ihnen fallen sogar vereinzelt feine Eiskristalle, wie optische Messungen des Phoenix-Landers ergeben haben. Es ist also nicht falsch, von einem Schneefall auf dem Mars zu sprechen. 

Eine weitere Komponente im Zirkulationssystem des Mars sind die thermischen Gezeiten (thermal tide). Sie sind u. a. die Konsequenz der geringen Wärmeaufnahmefähigkeit der dünnen Kohlendioxidatmosphäre sowie der Eigenschaft des CO2-Moleküls, sehr effektiv Wärme im IR abzustrahlen. Aufgrund der rapiden und sehr starken Abkühlung auf der Nachtseite des Planeten bildet sich dort eine Zone sehr niedrigen Luftdrucks aus. Die Druckdifferenz zwischen Tag- und Nachtseite treibt dann zonale Ausgleichsströmungen an, wobei warme Luft von der Tag- auf die Nachtseite transportiert wird. Diese „thermischen Gezeiten“ des Mars sind aufgrund des sehr großen Temperaturgradienten in der Troposphäre (~100 K) zwischen der Tag- und Nachtseite viel intensiver als die der Erde. 

Eine Besonderheit der Dynamik der Marsatmosphäre besteht in den sogenannten saisonalen Kondensationsflüssen. Darunter versteht man meridionale Strömungen, deren Ursache im Aus­kondensieren von - während der Wintermonate der ent­sprechenden Hemisphäre liegt. Durch den Niederschlag von Trockeneis verliert die Atmosphäre im Bereich der Polkappen an Substanz, was mit einer Reduktion des Gasdrucks einhergeht. Die dabei entstehenden Druckdifferenzen versuchen dann diese „Kondensationsströmungen“ auszugleichen. 

Kohlendioxid-Zyklus
Während der Wintermonate wird es an den Marspolen so kalt (unter 150 K), daß bis zu 20% des atmosphärischen Kohlendioxids ausfrieren und sich auf der Marsoberfläche ablagern. Die Marsatmosphäre verliert also im gleichen Maße an Substanz. Steigen die Temperaturen im Frühjahr wieder, dann sublimiert das Trockeneis und der Atmosphärendruck nimmt wieder zu: Der aufmerksame Astronom auf der Erde kann in seinem Fernrohr das „Abschmelzen“ der Polkappen beobachten. Dabei verhalten sich die beiden Polkappen etwas unterschiedlich. Da die Herbst- und Wintermonate auf der Nordhalbkugel kürzer sind, bleibt die von Trockeneis bedeckte Nordpolkappe stets etwas kleiner als die Südpolkappe. Die Ursache für diesen Effekt liegt an der starken Exzentrizität der Marsbahn. Kurz gesagt: Auf der Südhalbkugel sind Frühling und Sommer kurz und heiß und der Herbst und Winter lang und kalt. Auf der Nordhalbkugel ist es genau umgekehrt. Die Südpolkappe erreicht in etwa 45° südlicher Breite ihre maximale Ausdehnung, während die Nordpolkappe kaum über 50° nördlicher Breite hinausreicht. 

Die durch den -Zyklus bedingten Druckänderungen liegen nach den Messungen der Viking-Lander zwischen 200 Pa und 300 Pa. 

Staubstürme auf dem Mars
Daß es auf dem Mars riesige Staubstürme gibt, ist seit langem bekannt. Die ersten Beobachtungen gehen auf den französischen Astronomen Honore Flaugergues (1755-1835) zurück, der 1796 „gelbliche Wolken“ mit seinem Fernrohr auf der Marsoberfläche wahrnahm. Während der Opposition von 1924 bemerkte der deutsche Astronom Kasimir Graff (1878-1950), daß die Marsatmosphäre nur im Marshochsommer klar und durchsichtig erscheint. Davor und danach können viele bekannte Oberflächen­details wie z.B. die Große Syrte nur angetrübt oder gar nicht im Fernrohr gesehen werden. Da die eintrübenden Wolken eine deutliche rötliche Färbung aufweisen, kann es sich dabei nur um aufgewirbelten Sand oder Staub handelt. 

Als 1971 Mariner 9 den roten Planeten erreichte und die an diesem Projekt beteiligten Wissenschaftler auf die ersten Detailaufnahmen der Marsoberfläche warteten, wurden sie enttäuscht. Ein Staubsturm machte die Marsatmosphäre quasi undurchsichtig und nur die großen Tharsis-Vulkane blickten wie Inseln aus dem Staubozean hervor. Erst einen Monat später hatte sich der Staub soweit abgesetzt, daß Mariner 9 mit der fotografischen Kartierung der Marsoberfläche beginnen konnte. Im Jahre 2001 ergab sich dann die Gelegenheit, die Entstehung und Entwicklung eines außergewöhnlich starken Staubsturms, der selbst auf der Erde mit bescheidenen Amateurteleskopen auszumachen war, im Detail zu untersuchen.


Aufnahmen des Mars mit dem Hubble Space Telescope. Links 10. Juni 2001 – die Atmosphäre ist noch klar. Etwas über zwei Monate später (4. September 2001, rechts) ist der gesamte Planet in feinem rötlichen Staub gehüllt. Quelle NASA

Eine Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops vom 26. Juni zeigt, wie sich ein Staubsturm im Bereich des Hellas-Beckens entwickelt. Bereits drei Wochen später hat er den gesamten Planeten in eine detaillose Kugel verwandelt. Die Ausbreitung dieses Sturms konnte mit Hilfe des IR-Wärmeemissions-Spektrometers (TES) von Mars Global Surveyor im Detail dokumentiert werden. Es zeigte sich, daß es sich dabei nicht um ein einziges, sich ständig vergrößerndes Phänomen handelt. Vielmehr führte das lokale Ereignis in der Hellas-Region zur Entstehung weiterer 

Stürme, die oft viele tausend Kilometer voneinander entfernt waren und die sich später zu einem globalen Staubsturm vereinigten. Erst einige Monate danach klangen sie ab und die Oberflächendetails des Mars wurden wieder sichtbar.



Lokaler Staubsturm, aufgenommen vom Viking 2–Orbiter. Derartige Stürme dauern meist nur wenige Tage und treten hauptsächlich in Tiefebenen auf, wo die Gasdichte größer ist als in höheren Regionen, was den Transport der Staubpartikel vereinfacht. Manchmal vereinigen sich mehrere kleine „Stürme“ zu einem „großen“ Sturm, der dann im ungünstigsten Fall den ganzen Planeten „einstauben“ kann. Quelle NASA 

Der Staub, der während eines solchen Sturms aufgewirbelt und in die Atmosphäre verfrachtet wird, ist außergewöhnlich fein, in der Größe vergleichbar mit den Rußpartikeln im Rauch einer Ziga­rette (ca. 1 μm). Deshalb dauert es auch oft mehrere Wochen, bis er sich nach Abklingen des Windes wieder auf der Mars­oberfläche abgesetzt hat. Auf diese Weise wird der Staub sehr gleichmäßig über den Planeten verteilt. Man erkennt das daran, daß die chemische Zusammensetzung des Staubes an den verschiedenen Landeplätzen der Marssonden weitgehend identisch ist. Während eines starken Sturms wird der Staub bis in eine Höhe von ~50 Kilometern aufgewirbelt und von Winden mit Geschwindigkeiten mehr als 100 km/h über den Planeten verteilt. Äolische Prozesse stellen aus diesem Grund zumindest z.Z. den wichtigsten Erosionsfaktor auf dem Mars dar.


Zeitliche Entwicklung des Staubgehalts der Marsatmosphäre während des globalen Staubsturms, der von Mitte Juni bis Ende August 2001 auf dem Mars tobte. Die Messungen erfolgten mit dem Thermal Emission Spectrometer an Bord des Mars Global Surveyors und wurden u.a. aus der Temperaturverteilung abgeleitet. Blaue Farbtöne kennzeichnet klare, rote dagegen staubige Luft. Quelle NASA 

Ein wichtiges Ergebnis der TES-Messungen des Mars Global Surveyor ist, daß sich die stauberfüllte Atmosphäre im Äquator­bereich insbesondere in ihren oberen Schichten stark erwärmte (bis über 20°C, Strahlung wird vom Staub absorbiert und danach an das umgebende Gas abgegeben, das sich dadurch erwärmt), während sich die Temperaturen im bodennahen Bereich signifikant verringerten. Der Grund dafür liegt in der hohen Opazität der Staubwolken, die das Durchdringen der Sonnenstrahlen und damit die Erwärmung der Marsoberfläche effektiv verhindern. Übrigens, auf der Erde hat man in einem anderen Zusammenhang für diese Erscheinung einmal den Begriff „Nuklearer Winter“ geprägt... Diese Abkühlung der Oberfläche ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, daß nach einiger Zeit die Stürme abklingen und letztendlich wieder verschwinden. 

Globale Staubstürme entstehen interessanterweise nicht jedes Jahr auf dem Mars, was eine genaue Klärung ihrer Entstehungs­mechanismen erschwert. Nach Meinung einiger Planetenforscher scheinen hier einige subtile Rückkopplungsmechanismen zwischen Staubgehalt der Atmosphäre, den großräumigen Strö­mungsverhältnissen und der saisonal sich ändernden Einstrah­lung der Sonne zu wirken. Auch die Größe und Ausdehnung der Polkappen scheint eine Rolle zu spielen.

Nächstes Mal: Die Marsatmosphäre IV - Kleinräumige Zirkulation

Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"

Sonntag, 4. März 2012

Planet Mars (35) - Marsatmosphäre II


Atmosphärenchemie

Kohlendioxid, Wasser und molekularer Sauerstoff waren die ersten Stoffe, die Mitte der zwanziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts in Marsspektren mit einiger Sicherheit identifiziert werden konnten. Zwar wurden vor Beginn des Raumfahrtzeitalters die Anteile und Partialdrücke dieser Gase maßlos überschätzt. Es zeigte sich aber, daß die Marsatmosphäre an sich doch viel lebensfeindlicher ist, als man ursprünglich voller Optimismus glaubte.

Das Wasserdampf ein regulärer Bestandteil der Marsatmosphäre ist – wenn auch nur als „Spurengas“ -, konnte Lewis D. Kaplan 1964 beweisen. Aber erst die ersten Satellitenmissionen (und hier besonders Viking 1 und 2) waren in der Lage, die chemische Zusammensetzung der (unteren) Marsatmosphäre sicher zu bestimmen (siehe Abschnitt „Chemische Zusammensetzung“). Weiterhin konnte Kohlenmonoxid CO und molekularer Sauerstoff O2, die als Resultat der photochemischen Dissoziation des CO2 -Moleküls entstehen, nachgewiesen werden. Dagegen blieb die Suche nach Stickstoff N2 und stickstoffhaltigen Verbindungen lange Zeit erfolglos. Genaugenommen konnte man erst seit Mariner 6 und Mariner 7 (1969) eine Stickstoffatmosphäre bei Mars definitiv ausschließen. Eine geringe Konzentration von N2 (<0.03 Vol%) konnten später die Viking-Sonden ermitteln.

Sehr interessant waren im Sinne der vergleichenden Planetologie die Konzentrationen der Edelgase Argon Ar, Neon Ne, Krypton Kr und Xenon Xe sowie ihre isotopenmäßige Zusammensetzung. Sie weisen darauf hin, daß die Marsatmosphäre in ihrer Geschichte einen grundlegenden Umbau erfahren haben muß. In diesem Zusammenhang muß auch auf die exorbitant hohe Deuterium-Konzentration im Vergleich zu normalen Wasserstoff hinge­wiesen werden. Das D/H-Verhältnis liegt bei etwa 8∙10^-4, was dem mehr als 5-fachen des irdischen Wertes entspricht. Das ist ein eindeutiger Hinweis auf die in diesem Blog schon mehrfach erwähnte „feuchte“ Frühgeschichte des Roten Planeten. Mit dem „Schweren Wasserstoff“ verbindet sich auch eine Kontroverse, die auf spektroskopische Beobachtungen in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zurück geht. Um diese Zeit beobachtete William M. Sinton (1924-2004) nahe λ≈3.46 μm starke Absorp­tionsbanden (Sinton bands) im IR-Spektrum des Mars, die man nach einigen Irrungen später dem HDO-Molekül zuordnen konnte. Sinton selbst konnte 1965 jedoch zeigen, daß diese Banden irdischen Ursprungs sind und eine sehr große Deuterium-Konzentration in der Marsatmosphäre nur vortäuschten.

Eine weitere große Überraschung, über die noch im Detail zu berichten sein wird, war die Entdeckung einer unerwartet hohen Konzentration des relativ kurzlebigen Methans CH4 sowie von Methanol CH2O in der Marsatmosphäre durch die europäische Sonde Mars-Express im Jahre 2004.

Die Atmosphärenchemie beschäftigt sich im Fall des Mars u.a. mit dem Zustandekommen der beobachteten Konzentrationen von Spurengase wie H2O, H2O2, CO und O2 aufgrund photo­chemischer Reaktionen in allen Atmosphärenschichten. Weiter­hin interessieren die chemische Wechselwirkung der Marsatmo­sphäre mit den Gesteinen der Marsoberfläche sowie der Verlust an atmosphärischer Substanz durch den kontinuierlichen Abfluß von Atomen und Molekülen in den interplanetaren Raum. Mehr in die Domäne der Atmosphärenphysik fallen Phasenumwand­lungen von Kohlendioxid und Wasser, die zu Dunstschleiern und Wolkenbildungen, insbesondere in der mittleren Atmosphäre, führen. Außerdem werden eventuelle biotische oder abiotische Ursachen für die unerwartet hohe Methangleichgewichtskonzen­tration gesucht.

Photochemie der Marsatmosphäre
Schon früh wurde klar, daß sich die beobachteten Volumen­anteile von CO2 (95.3%), O2 (0.13%) und CO (0.27%) nicht durch eine simple Rekombination von der zuvor durch Photolyse von CO2 entstandenen CO und O – Atomen erklären lassen (Fegly, Lodders 1998). Dazu läuft die entsprechende Reaktion einfach zu langsam ab. Vielmehr scheinen komplexe Reaktionsketten, an denen u.a. OH-Radikale (entstanden aus photolytisch aufge­brochenen Wasserdampf bzw. Wasserstoffperoxid-Molekülen) beteiligt sind, die beobachteten Konzentrationen aufrecht zu erhalten. Ein Ausgangspunkt für denkbare katalytischer Zyklen für die Netto-Reaktion CO + O → CO2 wären z.B. (Fegly, Lodders 1998):


Die erste Reaktion ist dabei am Wichtigsten. Sie wird durch solare UV-Photonen unterhalb einer Wellenlänge von 190 nm realisiert. Die zweite und dritte Reaktion liefern wiederum Sauerstoffatome, die sich in Folgereaktionen in molekularen Sauerstoff O2 sowie Ozon O3 umwandeln können. Auf diese Weise entstehen unter dem Einfluß der solaren UV-Strahlung Wasserstoff- bzw. OH-Radikale. Letztere sind anschließend in der Lage, über folgenden Zyklus CO2-Moleküle aus Kohlenmonoxid CO zu produzieren:



Ein anderer Zyklus, in dem Wasserstoffperoxid involviert ist, sieht folgendermaßen aus (Parkinson, Hunten 1973):



Aufgrund der geringen Dichte und Mächtigkeit der Mars­atmosphäre sind photochemische Reaktionen nicht nur (wie bei der Erde oder der Venus) auf die Hochatmosphäre beschränkt. Sie können vielmehr überall, sogar dicht am Boden, ablaufen. Das hat den Effekt, daß ohne effektive Rekombinationsreaktionen wie die eben Aufgeschriebenen die gesamte CO2-Atmosphäre durch Photolyse


CO2+ hν → CO+O  (a)
innerhalb von nur ~4000 Jahren zersetzt sein würde. Man könnte nun vermuten, daß die Rückreaktion


CO+O → CO2  (b)

schnell den status quo wieder herstellt. Dem ist aber nicht so, weil bei der Konstitution der CO-O –Bindung sehr viel Energie frei wird (5.5 eV), die größer ist, als das Molekül auf seine Vibrations- und Rotationsfreiheitsgrade aufzuteilen in der Lage ist. Das führt dazu, daß die Bildung eines CO2–Moleküls auf diese Weise extrem unwahrscheinlich wird und damit die Reaktion (b) schleppend langsam vonstatten geht. Erst Reaktionen der obigen Art, an denen Neutralteilchen, die bei Dreierstößen die überzählige Energie aufnehmen können, beteiligt sind, ergeben Zeitskalen, welche eine photochemische Quasi-Stabilität der dünnen Marsatmosphäre gewährleisten. Und dabei spielt offensichtlich Wasserdampf eine wichtige Rolle.

Eine Rekombination von CO und O2 ist auch am Boden auf der Oberfläche eisenhaltiger Minerale in der Art einer photoche­mischen Verwitterung möglich (R.Huguenin et.al. 1977). Auch derartige Prozesse können einen durchaus wichtigen Beitrag zur Langzeit-Stabilität einer dünnen Kohlendioxid-Atmosphäre leisten.

Chemische Reaktionen hängen bekanntlich sehr stark von ihren physikalischen Umgebungsbedingungen ab. Das betrifft u.a. die Temperatur, den Druck sowie die Teilchenkonzentrationen der Reaktionspartner. Insbesondere ist Wasserdampf in der Marsatmosphäre regional und saisonal unterschiedlich stark verteilt, da sich dessen Quellen bekanntlich mehr in den gemäßigten und polaren Gebieten (Polkappen) konzentrieren und die Verteilung durch die allgemeine Zirkulation stark von den Jahreszeiten abhängt. Wolkenbildung, die sich in Form von feinen Eiswolken

(Zirren) äußert, zeigt sich dort, wo der Sättigungsdampfdruck für H2O erreicht wird. Die große Bedeutung von Wasserdampf in der Marsatmosphäre liegt ja u.a. darin, daß er die Quelle für freie Wasserstoff-und Hydroxyl-Radikale ist, die, wie eben erläutert, wiederum in katalytischen Zyklen erst eine effektive CO2-Rekombination ermöglichen. In diesem Zusammenhang kann es interessant sein, die Verteilung photochemisch erzeugter Radikale mit dem Wasserdampfgehalt zu korrelieren. Ein günstiger Indikator dafür ist die Ozonkonzentration (Lefevre et.al. 2008). Ozon wird erstens durch Wasserstoffradikale leicht zerstört und ist zweitens durch seine UV-Absorption spektroskopisch relativ leicht in fremden Planetenatmosphären nachzuweisen. Gesuchte Größe ist die Zahl der Moleküle, die in einer vertikalen Säule mit der Querschnittsfläche von 1 m² enthalten sind. Diese Größe nennt man die Säulendichte des entsprechenden Gases.

Ozonmessungen können sowohl von irdischen Teleskopen aus durchgeführt werden (z.B. mit dem NASA Infrared Telescope Facility, dessen Heterodyne-Spektrometer HIPWAC (Heterodyne Instrument for Planetary Wind And Composition) bei λ ~ 9.5 μm  arbeiten) als auch von Weltraumteleskopen aus. Hier soll nur das Hubble-Teleskop erwähnt werden, welches in diesem Fall im UV-Bereich arbeitet. Kontinuierlicher und mit einer bedeutend besseren Auflösung können Ozon-Beobachtungen natürlich direkt vor Ort, d.h. am Mars, vorgenommen werden. Das erste Instrument, welches seit 2004 zum systematischen Studium der Ozonkonzentrationen in der Marsatmosphäre eingesetzt wird, ist SPICAM (Spectroscopy for Investigation of Characteristics of the Atmosphere of Mars), installiert auf der europäischen Sonde Mars Express. Es arbeitet sowohl im ultravioletten (118 – 320 nm) als auch im infraroten (1.1 – 1.7 μm) Spektralbereich. Ge­messen wird das an der Marsoberfläche reflektierte und von der Marsatmosphäre veränderte Sonnenlicht. Mit dem UV-Spektro­meter wird der Ozongehalt (Absorption bei 250 nm) und mit dem IR-Spektrometer der Wasserdampfgehalt (Absorption bei 1.38 μm) in der Luftsäule genau unterhalb des Satelliten bestimmt. Eine weitere Methode besteht in der Aufnahme des Spektrums eines Sterns, wenn er langsam hinter der Marsscheibe ver­schwindet. Ziel dieser Messungen ist es, die räumliche Verteilung von Ozon und Wasserdampf über den gesamten Planeten als auch die jahreszeitlich bedingten Änderungen in deren Konzen­tration zu kartographieren.

Mit den Instrumenten CRISM (Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer) und MARCI (Mars Color Imager) besitzt auch der Mars Reconnaissance Orbiter Spektrometer zur Bestimmung der Ozonkonzentration. Ersteres ist in der Lage, Ozon im Airglow des Mars zu detektieren, während MARCI dessen UV-Absorptionen im Hartley-Band zwischen 200 und 300 nm zu erfassen in der Lage ist. Bei den Airglow-Beobachtungen wird nicht direkt Ozon beobachtet, sondern das Produkt seiner Photolyse, bzw. das Produkt aus der Rekombination atomaren Sauerstoffs bei einem Dreierstoß (bei dem noch ein Neutralteilchen beteiligt ist). Dabei kommt es zur Emission von Strahlung mit einer Wellenlänge von 1.27 μm. Da die dazu führenden Prozesse treten auch in der oberen Erdatmosphäre auf, wo sie nicht unwesentlich zum soge­nannten „Nachthimmelsleuchten“  beitragen.

Aus den ersten Langzeitbeobachtungen der Ozon- und Wasser­dampfkonzentration in der Marsatmosphäre können folgende Ergebnisse abgeleitet werden (Lefevre et.al. 2007, 2008):

  • Im Vergleich zur Erde (Säulendichte ~300 Dobson; 1 Dobson=44.66 nmol/m²) ist die Ozonschicht des Mars sehr dünn (maximal ~3 Dobson). Deshalb gibt es auf der Marsoberfläche keinen Schutz vor UV-Strahlung und photochemische Prozesse können in der gesamten Luftsäule auftreten. 
  • Die Ozonkonzentration zeigt eine sehr starke Abhängigkeit mit den Jahreszeiten, mit der geographischen Breite, der Untergrund-Geographie sowie den lokalen Wetterverhält­nissen. 
  • In hohen Breiten der beiden Hemisphären erreicht die Ozonkonzentration im jeweiligen Winter ihren Maximalwert, wenn aufgrund der geringen Temperaturen die Atmosphäre über den Polen quasi austrocknet. Im Marssommer, wenn sich viel sublimiertes Wasser über den Polen befindet, wird erwartungsgemäß die geringste Ozonkonzentration gemessen. Das bestätigt die theoretisch geforderte Anti-Korrelation zwischen Ozon- und Wasserdampfkonzentration. 
  • Im Äquatorbereich beobachtet man eine ähnliche, nicht ganz so stark ausgeprägte Antikorrelation in Bezug auf Aphel - Perihel-Stellung des Planeten, wobei erwartungsgemäß die -Konzentration im Aphel ihren größten und die Wasser­dampfkonzentration den geringsten Wert erreicht. 
  • Um die Aphel-Stellung herum bildet sich eine auch nachts beständige Schicht erhöhter Ozonkonzentration in Höhen zwischen 30 und 60 km auf. Sie verschwindet, wenn sich der Mars den sonnennächsten Punkt seiner Bahn nähert.
Die Zone, wo sich Ozonbildung und Ozonzerstörung etwa die Waage halten, befindet sich in der mittleren Atmosphäre. Stabiles Ozon konzentriert sich dagegen im Wesentlichen in einer oberflächennahen Schicht unterhalb einer Höhe von ~20 km. Die Konzentration ist dort aber weiterhin stark von der Lage des Planeten auf seiner Bahn und den Jahreszeiten abhängig. Kontrollgröße ist die jeweilige Wasserdampfkonzentration.


Mittlere Säulendichte von Wasserdampf (a) und Ozon (b), über die Marsoberfläche für verschiedene Sonnenlängen, berechnet auf der Grundlage eines Allgemeinen Zirkulationsmodells der Marsatmosphäre. Die Grafik zeigt damit die jahreszeitliche breitenabhängige Verteilung dieser Moleküle. Deutlich ist deren Antikorrelation zu erkennen. Die Ordinaten sind in μm - Wasserdampf- bzw. Ozonsäule unter Normalbedingungen (1013 hPa) ausgewiesen. Zur Info: 1 cm Ozonsäule entspricht 1000 Dobson Einheiten.  Eine Sonnenlänge von 71° entspricht der Aphel-Stellung des Planeten.  Quelle Lefefre et.al.2006


Messungen sowie Modellrechnungen, die auf einem allgemeinen Zirkulationsmodell der Marsatmosphäre beruhen, zeigen mittler­weile eine schon recht gute qualitative Übereinstimmung (Lefefvre et.al. 2006, 2008) und helfen mit, die räumlich und zeitlich stark heterogene Photochemie, die für die Stabilität der dünnen  CO2-Atmosphäre verantwortlich zeichnet, zu verstehen. Wie auf der Abbildung zu erkennen ist, erreicht auf beiden Hemisphären die Ozonkonzentration ihren Maximalwert jeweils im Winter. Zu dieser Zeit nimmt die Wasserdampfsäulendichte insbesondere über den Polkappen stark ab, was die Bildung ozonzerstörender Radikale mangels Substanz stark behindert. Im Sommer dagegen, wenn die permanenten Eisflächen der Polkappen wieder frei­liegen und die angestiegenen Temperaturen eine verstärkte Sublimation von Wassereis ermöglichen, erreicht die Ozon­konzentration erwartungsgemäß ihr Minimum.  In den äquatori­alen Bereichen ist diese Korrelation weniger stark bis kaum ausgeprägt. Hier zeichnet sie, wenn überhaupt, mehr die jeweilige Entfernung des Mars von der Sonne nach. Eine Ursache dafür liegt in einer Variation der Wasserdampf- und Ozonkonzentration in vertikaler Richtung, also innerhalb der Luftsäule selbst, die, grob gesagt, vom Wert der Solarkonstanten S(r) abhängt. Befindet sich der Mars im Bereich seines Perihels (Sonnenlänge Ls zwischen 180° und 330°), dann liefern Atmosphärenmodelle eine relativ hohe Wasserdampfkonzentration in Höhen von über 40 km. Dort werden die Wasserdampfmoleküle von der solaren UV-Strahlung in die Radikale H, OH und HO2  zerlegt. Das führt zu einem Ozonverlust in der mittleren Atmosphäre, während die bodennahe Ozonschicht unterhalb von 20 km Höhe nur wenig beeinflußt wird. Befindet sich dagegen der Mars in großer Sonnenentfernung, d.h. bei einer Sonnenlänge zwischen 330° und 180° (Aphel-Lage), dann sinkt die Schicht, wo Wasserdampf in gesättigter Form vorliegt, stark ab – auf ungefähr 10 km Höhe (Ls~90°). Während die bodennahe Ozonschicht teilweise abgebaut wird, kann sich darüber, d.h. im Höhenbereich zwischen 30 und 70 km, eine zusätzliche Ozonschicht ausbilden. Die kumulative Ozon-Säulendichte ändert sich auf diese Weise über das Marsjahr dagegen in den äquatorialen Bereichen nur wenig.

In letzter Zeit wurden Untersuchungen angestellt, welchen Einfluß Wasserdampfwolken sowie Staub auf die großräumige Ozonverteilung in der Marsatmosphäre nehmen. Die dabei erzielten Ergebnisse konnten bereits jetzt einige Diskrepanzen zwischen den durch Atmosphärenmodelle berechneten Ozon-Säulendichten und Beobachtungen mit dem SPICAM-Instrument von Mars Express erklären. Andere sind noch Gegenstand der Forschung. Ausgangspunkt war die Beobachtung, daß die Ozonkonzentration über den Polen im Frühjahr weniger schnell abnimmt (d.h. das „Ozonloch“ wächst langsamer) als erwartet und im Herbst schneller zunimmt, als die Atmosphärenmodelle vorhersagen. Als Ursache für diese Diskrepanzen konnte die Nicht-Berücksichtigung von Zirren aus mikroskopischen Wasser­eiskristallen in den Modellrechnungen identifiziert werden. Diese Zirren entsprechen den auch von der Erde her bekannten „Eiswolken“. Die feinen Wassereiskristalle, aus denen sie bestehen, sind in der Lage, Wasserstoff-Radikale sehr effektiv zu binden. Auf diese Weise wird der Ozonabbau im Frühjahr verlangsamt, da nicht mehr genügend Radikale dafür zur Verfügung stehen (Lefevre et.al. 2008). Nachdem man diesen Prozeß in die Berechnungsgrundlagen mit eingebaut hat, ließ sich die Ozonverteilung in der Mars-Atmosphäre bemerkenswert genau vor­hersagen und mit den SPICAM-Messungen in Einklang bringen.


Nächstes Mal: Die Marsatmosphäre III - Allgemeine Zirkulation

Hinweis:  Alle Postings finden Sie über die Randleiste des Blogs unter "Beliebte Reihen"


Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de Interessante Blogs Blog-Webkatalog.de - das Blogverzeichnis