Mittwoch, 14. September 2011

Planet Mars (8) - Oberfläche - Kleinere Tharsis-Vulkane


Kleinere Tharsis-Vulkane
Neben den riesigen Vulkanbauten mit Olympus Mons an der Spitze existieren im Bereich der Tharsis-Aufwölbung noch weitere, zwar bedeutend kleinere, aber trotzdem immer noch eindrucksvolle Vulkane. Auf der Erde stehend, würden sie jeden irdischen Vulkan in den Schatten stellen. 

Ceraunius Tholus z.B. gehört zu einer Gruppe von Schildvulkanen, welche die sogenannte Uranius-Gruppe bilden. Sein Durchmesser beträgt 130 km, die Hangneigung ~ 8° und die Höhe erreicht einen Wert von 5.5 km. Besonders auffällig sind die drei riesigen Talstrukturen, die sich in nördlicher und westlicher Richtung vom Rand der Caldera bis zum Fuß des Vulkans erstrecken. Die Größte von ihnen hat eine Breite von 2 bis 2.5 km, ist 37 km lang, besitzt eine Tiefe von 200 – 300 Meter und endet im Rahe-Krater (34x19 km), bei dem es sich um einen Impaktkrater handelt. Detaillierte Untersuchungen lassen für die Entstehung dieser Talstrukturen komplexe und zeitlich gestaffelte Entwicklungsprozesse vermuten. Anfänglich durch Lavaflüsse vorgezeichnet, sind sie später fluvial überformt worden. Auch gibt es auch hier (wie bei den meisten der Tharsis-Vulkane auch) Hinweise in Form spezieller morphologischer Strukturen, die auf  Vergletscherungen in der Vergangenheit deuten. Es kann sogar sein, daß die Gipfelcaldera einmal mit Wasser gefüllt war und für kurze Zeit einen Kratersee gebildet hat (FASSETT, HEAD, 2006). Ein denkbares Szenario geht von einer Eisbedeckung des Vulkans aus, die sich während einer feuchteren Periode ausgebildet hat.


Ceraunius Tholus und Uranius Tholus (oben).  Quelle JPL, NASA


„Boden“ der Gipfelcaldera von Ceraunius Tholus. Wie diese vielen kleinen Kratergruben entstanden sind, ist noch nicht völlig klar. Fehlende Ejekta zeigen, daß es offensichtlich keine Einschlagskrater sein können. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Kollapsstrukturen oder sie sind anderweitigen vulkanischen Ursprungs. Quelle  JPL, NASA

Bei der Reaktivierung des Vulkans begann das Eis sehr schnell zu schmelzen, die Caldera füllte sich mit Wasser und Ströme von Schmelzwasser flossen nach Durchbrechen der Calderawand und die heute noch sichtbaren Talstrukturen ausräumend, die Hänge hinab. Ablagerungen des mitgerissenen Materials kann man deutlich im Rahe-Krater sehen.

Sind die Tharsis-Vulkane noch aktiv?
Diese Frage läßt sich z. Z. (2011) noch nicht abschließend beantworten, obwohl es eine große Zahl ernstzunehmender Hinweise dafür gibt, daß es vor geologisch kurzer Zeit (d.h. vor wenigen Millionen Jahren) auf dem Mars noch Vulkanausbrüche gegeben hat. Sicher ist, daß die Tharsis-Vulkane ungefähr über 85% der zeitlichen Existenz  des Planeten – mit Unterbrechungen – aktiv waren. Die Beweiskette für diese Erkenntnis sieht ungefähr folgendermaßen aus: Bei einem Ausbruch werden Magmen gefördert und Ströme von Laven ergießen sich aus Vulkankratern oder aus Spalten und bedecken große Landstriche. Nach ihrer Erstarrung werden sie ab und an von  kosmischen Kleinkörpern getroffen, wobei Impaktkrater entstehen. Da die Impaktrate (also die Zahl der Impakte unterschiedlicher Größe pro Flächen- und Zeiteinheit) als Funktion der Zeit bekannt ist, läßt sich durch eine Impaktkraterstatistik das Alter der entsprechenden Flächen bestimmen. Man muß dabei natürlich u.U. natürliche landschaftsformende Prozesse - auf dem Mars sind das Vulkanismus, Winderosion sowie glaziale Effekte – mit berücksichtigen. Auch Sekundärkrater, die bei großen Impakten entstehen sowie vulkanische Kleinkrater müssen möglichst erkannt und aus den statistischen Betrachtungen ausgeschlossen werden. Untersuchungen dieser Art wurden mit großem Erfolg von einer Arbeitsgruppe unter GERHARD NEUKUM anhand der Aufnahmen von Mars Express an einer Anzahl von Tharsis-Vulkanen unter-schiedlicher Größe vorgenommen (NEUKUM et. al. 2004). Hauptuntersuchungsgebiet waren dabei deren Gipfelcalderen, die Zeugen verschiedener, zeitlich gestaffelter Ausbruchsepisoden sind und deren Datierung die vulkanische Entwicklung der Tharsis-Region nachvollziehbar macht. Aber auch individuelle Lavaströme – besonders am Vulkan Olympus Mons – sind auf diese Weise mit z.T. überraschenden Ergebnissen datiert worden. 


Altersbestimmung der Bodenfläche der Gipfelcalderen von Tharsis-Vulkanen mittels Impaktkraterstatistik anhand von Aufnahmen mit der HRSC von Mars Expreß.  Der Fehler in den Zeitangaben liegt bei ungefähr ±  50 Ma.  Quelle Nature

Alle diese Untersuchungen zeigen, daß die vulkanische Aktivität in der Tharsis-Region nicht kontinuierlich, sondern mehr episodisch war. Die mittlere Caldera von Ascraeus Mons ist z.B. ~100 Ma alt und wird flankiert von weiteren, nur teilweise erhaltenen Calderen, die sich nach den Impaktkraterzählungen vor ~200, ~400 und ~800 Ma (und vielleicht noch etwas früher) gebildet haben müssen. Die einzige Gipfelcaldera von Arsia Mons ist ~130 Ma alt. Überraschend ist auch, daß bei Olympus Mons ältere Calderen zu fehlen scheinen. Die heute auf seinem Gipfel noch sicher identifizierbaren 5 Einsturzkrater sind vor 200 und 100 Ma entstanden. Einige  Lavaflüsse  an  den  unteren  Flanken  dieses Riesenvulkans sind sogar noch jünger. Für sie ergibt sich aus der Auswertung der HRSC-Aufnahmen ein Alter zwischen ~115 Ma, 25 Ma und sogar nur 2.5 Ma.  Olympus Mons muß also, verglichen mit dem Alter des Planeten, quasi bis vor kurzem aktiv gewesen sein. Diese Datierungen sind wichtig, will man die Funktionsweise des Tharsis-Vulkanismus verstehen. Episodische Calderabildungen setzen eine periodische Ausbildung ober-flächennaher Magmenkammern voraus, die eine zeitlang Laven fördern, dann auskühlen und sich verfestigen um anschließend wieder aufgeschmolzen zu werden. Die theoretischen Erwar-tungen über die Zeitskalen dieser Prozesse (einige 10 Ma) lassen sich recht gut mit den eben beschriebenen Altersbestimmungen in Einklang bringen. Mehr noch, sie stellen wichtige Parameter dar, welche hot spot –Modelle des Tharsis-Vulkanismus reproduzieren müssen. Gegenwärtig werden insbesondere „bewegliche“ Magmaquellen im Bereich der Tharsis-Riftzone, die sich entlang der wie Perlen an einer Kette aneinandergereihten Marsvulkane  Ascraeus Mons, Pavonis Mons, Arsia Mons und die der Uranius-Gruppe befinden sollen, diskutiert. Derartige Vulkanreihen sind auf der Erde über ortsfeste hot spots typisch, über die Lithosphärenplatten driften und dabei Inselvulkane (oder Calderen wie Yellowstone) abnehmenden Alters bilden.  Da es auf dem Mars keine Plattentektonik und damit auch keine driftenden Platten gibt, müssen die Magmareservoire beweglich sein. Bei der Untersuchung der Altersstruktur der Tharsis-Vulkane zeigte sich, daß die erstarrten Lavaflüsse des nördlichsten der drei großen Tharsis-Vulkane, Ascraeus Mons, die jüngsten sein müssen.

Nach Süden nimmt deren Alter offensichtlich zu, so daß sich daraus schließen läßt, daß sich die Durchbrüche der Magmenkammern, über die sich die Vulkane türmen, von Arsia Mons beginnend über Pavonis Mons bis zu Ascraeus Mons im Laufe der Zeit entlang einer Schwächezone nordostwärts gewandert sind. Das ist aber nur eine Hypothese, denn es sind durchaus auch noch andere Erklärungsmodelle denkbar. Es wird z.B. auch der sehr unwahrscheinliche Fall geprüft, unter welchen Bedingungen eine zusammenhängende Lithosphärenschale („Einplattentektonik“), die quasi auf dem Marsmantel gleitet, begrenzten horizontalen Bewegungen fähig ist. Sollte es sich herausstellen, daß solche Bedingungen in der vulkanisch besonders aktiven Frühgeschichte des Mars möglich waren, dann könnte eine entsprechende Drift über einem ortsfesten hot spot analog zu irdischen Inselvulkanen die auffällige Reihe der Tharsis Montes gebildet haben. Aber auch hier handelt es sich lediglich um eine Hypothese, für deren Überprüfung es nur wenige faßbare An-haltspunkte gibt.

Glaziale Überformungen der Tharsis-Vulkane
Es gilt mittlerweile als erwiesen, daß während der ersten Milliarde Jahre der Existenz des Mars dessen Klima feucht und warm war und ein vollständiger Wasserkreislauf ähnlich dem der Erde existiert hat. Danach hat es flüssiges Wasser in größerer Menge wahrscheinlich nur noch im Zusammenhang mit vulkanischen Prozessen oder Meteoritenimpakten gegeben. Daß dieses Wasser in Form von Eis bis heute nicht nur in den Polkappen überlebt hat, zeigen u.a. Strukturen an den großen Tharsis-Vulkanen, die sowohl auf eine ehemalige massive Vergletscherung als auch auf noch bestehende, mit vulkanischem Staub abgedeckte Gletscher hinweisen (falls diese Interpretation zutrifft). 

Die Frage, wie große Eismassen in äquatornahe Gebiete gelangen können, läßt sich wie folgt beantworten: Mars besitzt eine stark exzentrische Bahn, die im Zusammenspiel mit einer chaotischen Änderung der Raumlage der Rotationsachse zu ausgeprägten Milankovic-Zyklen führen, was wiederum eine Verlagerung von volatilen Stoffen in Form von Wasser- und Trockeneis durch atmosphärische Prozesse in andere Regionen des Mars begünstigt. Auf diese Weise konnten sich offensichtlich auf den „Wetterseiten“ der großen Vulkane in der Vergangenheit große Eisablagerungen ausbilden, deren Spuren man noch heute in Form von Gletscherflüssen, Moränenstrukturen und glazialen Ablagerungen auf den HRSC-Aufnahmen von Mars Express erkennen kann (NEUKUM et.al. 2004). Besonders die unteren Abbruchkanten von Olympus Mons und die sich daran anschließende flacheren Regionen wurden in dieser Beziehung genauer untersucht. Man erkennt z.B. deutlich, daß sich immer wieder Eismassen über die Bergflanken geschoben haben müssen. Das Material, welches sie in die umgebenden Ebenen transportiert haben, bilden heute ausgedehnte zungenförmige Geröllfelder. 

Überraschend in diesem Zusammenhang ist, daß einige dieser Ablagerungsgebiete sehr jung sein müssen, da sie auch in kleinen Skalen kaum Meteoritenkrater aufweisen. Statistische Untersuchungen ergaben ein Alter zwischen 2 und 2.5 Ma, was auch dem Alter von einigen eindeutig identifizierbaren Lavaflüssen an den Flanken von Olympus Mons entspricht. Es ist daher keine weit hergeholte Hypothese, daß zumindest einige der lappenförmigen oder auch kanalartigen Strukturen im Umfeld der Vulkane fluvial, d.h. durch Schlammströme oder fließendem Wasser, welches sich aus dem bei einsetzender vulkanischer Tätigkeit geschmolzenem Eis gebildet hat, entstanden sind.


Detailansicht eines Steilhangs an der Abbruchkante von Olympus Mons. Die sichtbaren Fließstrukturen und Ablagerungen sind glazialer Natur.  Quelle ESA, Neukum

Datierungen der Ablagerungsgebiete am unteren westlichen Rand von Olympus Mons lassen erkennen, daß es mehrere Phasen der Gletscherbildung und deren Abschmelzen gegeben haben muß und zwar in den Zeiträumen zwischen 280 und 130 Ma, zwischen 60 und 20 Ma und weniger als 4 Ma.  

Die Ablagerung von großen Mengen Eis an den westlichen Flanken der Tharsis-Vulkane läßt sich durchaus mit Klima-modellen reproduzieren, welche von einer starken Schwankung der Raumlage der Rotationsachse des Mars ausgehen. Gelangen Eisdepositionen in äquatoriale Lagen, dann erfolgt unter dem Einfluß der Sonneneinstrahlung eine schnelle Sublimation von Wassereis. Durch Strömungen gelangt der Wasserdampf auf die Lee-Seite der Riesenvulkane, wo es sich niederschlagen kann. Schon geringe jährliche Depositionsraten von wenigen Millimetern können auf diese Weise über Hunderte von Jahren hinweg zu dichte Eisdecken und damit großräumigen Vergletscherungen führen. Detaillierte Modellrechnungen bestätigen genau dieses Bild und lassen andere Erklärungen weniger wahr-scheinlich erscheinen.


Nächstes Mal: Elysium-Vulkanprovinz

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