TB: Seite 248
Marsmenschen
Das wusste man natürlich Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht und stellte sich den Mars als ein wahres Paradies für dessen Bewohner, den „Marsmenschen“ (die man sich damals noch nicht als „klein und grün“ vorgestellt hat), vor. Unter der konsequenten Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips konnte so ein Redakteur einer Gazette aus dem Jahre 1859 ("Die Fackel – Literaturblatt zur Förderung geistiger Freiheit") wie selbstverständlich folgende Beschreibung über die „Marsbewohner“ seinen staunenden Lesern abliefern:
„Wie schon erinnert, mag es auf Mars im Durchschnitt ebenso warm sein, als auf der Erde. Da aber das Sommerhalbjahr beinahe so lange währt, als auf der Erde ein ganzes Jahr, so muss im Sommer die Hitze, im Winter die Kälte weit höher steigen als bei uns. Man wird von manchen Fruchtarten in jedem Sommer zwei oder drei Ernten halten. Edle Weine und Südfrüchte kommen in dem langen Sommer zu einer Reife, ihre Weine bekommen ein Feuer, einen würzigen Geruch und Wohlgeschmack, von dem wir uns keinen Begriff machen können. (…) Da jeder Körper zehnmal leichter ist als auf der Erde, so muss es den Marsbewohnern sehr leicht werden, sich selbst und große Körpermassen von einem Orte zum anderen zu bewegen. Vielleicht bedürfen sie dazu nicht einmal der Chausseen, ihre Hauptheerstraße ist die Luft. Ihre Luftballone tragen 10mal mehr als die unsrigen, sie bedürfen, um sie zu füllen, nicht eine so feine, kostspielige Luftart wie wir. Wie wir in der ersten Sekunde durch 15, so fallen sie nur durch 6 Fuß; ein Sturz aus beträchtlicher Höhe bringt daher Wenigen Gefahr. Die Kunst in der Luft zu schiffen, lag ihnen näher, ward, früher erfunden, eifriger und mit lohnenderem Erfolg ausgebildet. Handel und Wandel sind in der schönsten Blüthe; man ist lebhaft beschäftigt, die Produkte der verschiedenen warmen und kalten Länder gegeneinander auszutauschen. Fahrten in fremde Marstheile, Reise um den ganzen Mars, welche 5mal kleiner ist als die unsrige, sind etwas sehr Gewöhnliches. Es kennt jeder Marsbewohner alle Städte und Merkwürdigkeiten seines Planeten aus eigener Anschauung. Dagegen besitzt man vielleicht auf dem Mars, weil die mündliche Mitteilung so leicht ist, weil alle Geschäfte durch persönliche Zusammenkünfte abgemacht werden können, weder der Schreibe- noch der Buchmacherkunst. (…) Da Mars 5mal kleiner ist als die Erde, so sind muthmaßlich auch seine Menschen 5mal kleiner, Zwerge nach unsern Begriffen, aber wohlgebildete, wohl gar mit Flügeln versehene, um sich ohne weiteres in die Luft erheben zu können“.
Ein knappes halbes Jahrhundert später glaubten einige Astronomen große Bewässerungsanlagen auf diesem schon von der Farbe her als überwiegend trocken erscheinenden Planeten entdeckt zu haben, die ominösen „Marskanäle“. So ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ein Großteil des Bildungsbürgertums Europas und Nordamerikas weitgehend darüber einig war, dass es auf dem Mars eine hochentwickelte Zivilisation gibt, die mit akuter Wasserknappheit zu kämpfen hat und deshalb riesige Kanäle bauen mussten, um das Schmelzwasser der Pole in die warmen Äquatorregionen zu leiten. In manchen Kreisen debattierte man ernsthaft die Frage, wie man mit ihnen Verbindung aufnehmen und mit ihnen kommunizieren könnte. Die Vorschläge – oftmals von durchaus seriösen Wissenschaftlern vorgetragen – erscheinen uns heute nur noch als mehr oder weniger kurios. So gab es ernsthaft den Vorschlag, dass man in Sibirien große Kahlschläge in Form von Buchstaben und Wörtern anlegen sollte, die von den „Marsastronomen“ mit ihren Fernrohren zu erkennen wären.
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Marsmenschen
Das wusste man natürlich Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht und stellte sich den Mars als ein wahres Paradies für dessen Bewohner, den „Marsmenschen“ (die man sich damals noch nicht als „klein und grün“ vorgestellt hat), vor. Unter der konsequenten Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips konnte so ein Redakteur einer Gazette aus dem Jahre 1859 ("Die Fackel – Literaturblatt zur Förderung geistiger Freiheit") wie selbstverständlich folgende Beschreibung über die „Marsbewohner“ seinen staunenden Lesern abliefern:
„Wie schon erinnert, mag es auf Mars im Durchschnitt ebenso warm sein, als auf der Erde. Da aber das Sommerhalbjahr beinahe so lange währt, als auf der Erde ein ganzes Jahr, so muss im Sommer die Hitze, im Winter die Kälte weit höher steigen als bei uns. Man wird von manchen Fruchtarten in jedem Sommer zwei oder drei Ernten halten. Edle Weine und Südfrüchte kommen in dem langen Sommer zu einer Reife, ihre Weine bekommen ein Feuer, einen würzigen Geruch und Wohlgeschmack, von dem wir uns keinen Begriff machen können. (…) Da jeder Körper zehnmal leichter ist als auf der Erde, so muss es den Marsbewohnern sehr leicht werden, sich selbst und große Körpermassen von einem Orte zum anderen zu bewegen. Vielleicht bedürfen sie dazu nicht einmal der Chausseen, ihre Hauptheerstraße ist die Luft. Ihre Luftballone tragen 10mal mehr als die unsrigen, sie bedürfen, um sie zu füllen, nicht eine so feine, kostspielige Luftart wie wir. Wie wir in der ersten Sekunde durch 15, so fallen sie nur durch 6 Fuß; ein Sturz aus beträchtlicher Höhe bringt daher Wenigen Gefahr. Die Kunst in der Luft zu schiffen, lag ihnen näher, ward, früher erfunden, eifriger und mit lohnenderem Erfolg ausgebildet. Handel und Wandel sind in der schönsten Blüthe; man ist lebhaft beschäftigt, die Produkte der verschiedenen warmen und kalten Länder gegeneinander auszutauschen. Fahrten in fremde Marstheile, Reise um den ganzen Mars, welche 5mal kleiner ist als die unsrige, sind etwas sehr Gewöhnliches. Es kennt jeder Marsbewohner alle Städte und Merkwürdigkeiten seines Planeten aus eigener Anschauung. Dagegen besitzt man vielleicht auf dem Mars, weil die mündliche Mitteilung so leicht ist, weil alle Geschäfte durch persönliche Zusammenkünfte abgemacht werden können, weder der Schreibe- noch der Buchmacherkunst. (…) Da Mars 5mal kleiner ist als die Erde, so sind muthmaßlich auch seine Menschen 5mal kleiner, Zwerge nach unsern Begriffen, aber wohlgebildete, wohl gar mit Flügeln versehene, um sich ohne weiteres in die Luft erheben zu können“.
Ein knappes halbes Jahrhundert später glaubten einige Astronomen große Bewässerungsanlagen auf diesem schon von der Farbe her als überwiegend trocken erscheinenden Planeten entdeckt zu haben, die ominösen „Marskanäle“. So ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ein Großteil des Bildungsbürgertums Europas und Nordamerikas weitgehend darüber einig war, dass es auf dem Mars eine hochentwickelte Zivilisation gibt, die mit akuter Wasserknappheit zu kämpfen hat und deshalb riesige Kanäle bauen mussten, um das Schmelzwasser der Pole in die warmen Äquatorregionen zu leiten. In manchen Kreisen debattierte man ernsthaft die Frage, wie man mit ihnen Verbindung aufnehmen und mit ihnen kommunizieren könnte. Die Vorschläge – oftmals von durchaus seriösen Wissenschaftlern vorgetragen – erscheinen uns heute nur noch als mehr oder weniger kurios. So gab es ernsthaft den Vorschlag, dass man in Sibirien große Kahlschläge in Form von Buchstaben und Wörtern anlegen sollte, die von den „Marsastronomen“ mit ihren Fernrohren zu erkennen wären.
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