Es gibt immer wieder auf den ersten Blick unbedeutende Ereignisse, welche die Weltgeschichte in die eine oder andere Richtung umzulenken vermögen. Eine spezielle Gruppe derartiger Ereignisse hat Stefan Zweig (1881-1942) einmal „Sternstunden der Menschheit“ genannt. Sein gleichnamiges schmales Büchlein von 1927 bzw. (die Erweiterung) von 1943 sollte eigentlich jeder einmal gelesen haben. Ich möchte hier nur drei „Sternstunden“ kurz erwähnen, die mich besonders stark beeindruckt haben: „Die Eroberung Byzanz’s“ im Jahre 1453 durch Sultan Mehmed II.; „Leo Tolstois Tod“ und der „Kampf um den Südpol“ – die tragische Geschichte des Polarforschers Robert Falcon Scott (1868-1912).
... wenn nicht bleibt der Ruhm? - Robert Falcon Scott
„Was bleibt, was bleibt nach dem Tode, wenn nicht bleibt, wenn nicht bleibt der Ruhm? – Große Tat, großes Menschentum!“ heißt es in dem Song von „Stern Meißen“ aus dem Jahre 1976, die sich von dieser Geschichte inspiriert fühlten (der Text, der leicht im Internet zu finden ist, stammt übrigens von Kurt Demmler). Robert Falcon Scott war genauso wie sein Widersacher Roald Amundsen (1872-1928) kein Anfänger in Polardingen, als er am 1. November 1911 seinen Marsch ohne Wiederkehr in Richtung Südpol antrat. Er hatte zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Edward Adrian Wilson (1872-1912) und Ernest Shackleton (1874-1922) schon einmal den Versuch unternommen, den Südpol zu erreichen. Während der sogenannten Discovery-Expedition (benannt nach dem Schiff, welches sie in die Antarktis trug) überschritt er immerhin den 82. südlichen Breitengrad, was damals ein Rekord war. Wenn einer den Südpol erreichen konnte, dann wer, wenn nicht er. Und so bereitete er sich und seine Begleiter, darunter wieder der Ornithologe Edward A. Wilson, auf eine neue Expedition vor, die als „Terra-Nova-Expedition“ (auch hier war wieder das Schiff der Namensgeber) in die Geschichte der Polarforschung eingegangen ist. Sie verlief dahingehend erfolgreich, dass Scott und seine drei Gefährten (Edward A. Wilson, Henry R. Bowers und Edgar Evans) am 17. Januar 1912 ihr Ziel, den Südpol, erreichten. Aber dort war bereits knapp 5 Wochen zuvor der Norweger Roald Amundsen im Rahmen der Amundsen-Fram-Expedition (am 14. Dezember 1911) angekommen und hatte als Zeichen seines Erfolges die norwegische Fahne gehisst. Der Rückweg der Briten über das Ross-Schelfeis gestaltete sich danach desaströs und endete mit dem Tod der letzten drei Expeditionsteilnehmer um den 29. März 1912, nach dem Edgar Evans bereits zuvor an den Folgen eines Unfalls (er fiel in eine Gletscherspalte und erlitt eine Gehirnerschütterung, von der er sich unter den strapaziösen Bedingungen der Antarktis nicht mehr erholt hat) verstorben war. Dieser Rückmarsch über 1000 Kilometer lässt sich sehr gut rekonstruieren, da Robert Scott regelmäßig Tagebuch geführt hatte, welches man später, im November 1912, zusammen mit seinen sterblichen Überresten auffand. In der Folgezeit wurde diese Expedition als tragisches Wettrennen zwischen Scott und Amundsen verklärt und in vielerlei Art literarisch verarbeitet. „Was bleibt nach dem Tode, wenn nicht bleibt, wenn nicht bleibt der Ruhm?“, heißt es, wie gesagt, bei „Stern Meißen“. Die in das Eis des antarktischen Rosseis-Schilds eingeschlossenen Leichen von Scott, Wilson und Bowers werden durch die Gletscherdrift wahrscheinlich um das Jahr 2270 in das Rossmeer entlassen.
Der Walfänger „Terra nova“
Ihre heutige Position ist unbekannt. Interessant ist auch die Geschichte des von der Scott-Expedition verwendeten, polartauglichen Seglers „Terra nova“, eines ehemaligen Walfängers. Sie war insgesamt fast 60 Jahre in den Polarmeeren beider Hemisphären unterwegs, bis sie dann 1943 bei einer Kollision mit einem Eisberg vor Grönland sank (die 24-köpfige Besatzung konnte damals von der US-Küstenwache gerettet werden).
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Aus "Panoptikum interessanter Dinge und Begebenheiten"
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