Vor einiger Zeit sah ich im Fernsehen die Übertragung einer Etappe der Spanienrundfahrt (Vuelta). Unterdessen verstehen es die Spanier, dieses Ereignis genau so einladend in Szene zu setzen, wie die Franzosen ihre Tour de France. Ich sah das Peleton entlang einer zauberhaften Küsten fahren, um sich einige Minuten später bereits mit steilen Anstiegen im Gebirge herumzuplagen. Diese kontrastreiche Landschaft hat unmittelbar in uns die Neugier geweckt.
Etwa 15 Kilometer Luftlinie südlich der Biscaya erheben sich die Picos de Europa, ein Hochgebirge, welches vielen hierzulande völlig unbekannt ist. Bis zu 2.600 m ragen die Gipfel des Gebirges auf, welches wir uns zum Ziel erkoren. Zwischen den Picos und der Küste haben sich aber noch zwei kleinere Vorgebirge, die Sierra de Sueve und die Sierra de Cuera eingeschlichen.
Motiviert, wie man sich in so eine Reise stürzt und nichts dem Zufall überlassend, hatte ich schon für jeden Tag eine stramme Wanderung vorbereitet. Aber, wie es nun einmal so ist im Leben: es bleibt alles ganz anders. Bereits die ersten Eindrücke waren so überwältigend, dass wir jegliches Programm über den Haufen warfen, täglich neu disponierten und uns von den bisherigen Erlebnissen inspirieren ließen. Die Picos würden am Ende nicht die Sensation sein, auf die wir uns eingestellt hatten, vielmehr war es das Gesamtensemble vom schroffen Hochgebirge über die Sierras mit ihren Tälern und schön gelegenen Bergdörfern bis hinunter zu der stark gegliederten grünen Küste. Diese räumlichen Verhältnisse bieten günstige Bedingungen, tagsüber die Berge zu erkunden und am Abend die Stille oder das Tosen des Meeres zu erleben.
Spanien teilt sich in 17 autonome Gemeinschaften. Das Fürstentum Asturien im Norden Spaniens ist eine davon. An der Atlantikküste gelegen, ist es wechselnden maritimen Witterungseinflüssen ausgesetzt, man muss also auch mit Regen rechnen, aber diesem Umstand verdankt die Region ihre üppige Vegetation. Es ist ein grünes Land, vielleicht an Irland, Schottland oder die Azoren erinnernd. Die Küste trägt auch den Beinamen 'Costa Verde', es befinden sich hier die schönsten Strände Spaniens, aber ohne den ausgeprägten Massentourismus. Die Kapazitäten sind dafür auch nicht vorhanden. Man kann sich also auf einen ruhigen Urlaub einstellen. Nichts ist hier perfekt, aber gerade das macht es für uns so perfekt.
Die kleinen Küstenstädte, wie Llanes, Ribadesella oder Llastres haben einen soliden Charme, anziehend sind die Bars und Restaurants mit regionalen Angeboten, ohne dass man als Gast zu befürchten hätte, ständig von Lockvögeln bedrängt zu werden. Tritt man ein, ist es gut, lässt man es bleiben, ist es auch gut. Besonders empfehlenswert, weil frisch und gut zubereitet sind hier Meeresfrüchte, dazu einen passenden Wein. Gern wird hier Sidra getrunken, ein für uns gewöhnungsbedürftiger Apfelwein. Das Trinken ist das eine, der Ausschank das andere. Das ist nämlich Kult. Der Wein (oder wollen wir dazu besser Getränk sagen) wird mit ausgestrecktem Arm aus Überkopfhaltung in das Glas in der Hand am anderen ausgestreckten Arm am unteren Ende ausgegossen. Man muss das gesehen haben, um es zu glauben, aber es klappt und es gehört wohl reichlich Übung dazu.
Spanien leidet derzeit unter einer schweren Wirtschaftskrise, man hat sich im Immobiliensektor verzockt und die EU übt jetzt ihr Diktat aus. Den Menschen merkt man es nicht an, sie demonstrieren Gleichmut. Das macht sie sympathisch. Aber der Begriff 'Sa vende' begegnet einem auf Schritt und Tritt. Viele Wohnanlagen, die wohl noch nie einen Besitzer gesehen haben, stehen zum Verkauf, manche wurden nicht fertig gebaut. Und leider sieht man diese Schilder auch in vielen Dörfern in den Bergen an Grundstücken, die schon lange verlassen sind und wohl nie wieder bewohnt sein werden. Hier gibt es keine Arbeit. Bestenfalls ein wenig in der Landwirtschaft, die dafür sorgt, dass die Weiden in den Bergen vorbildlich bewirtschaftet sind. Fleischrinder, Pferde und Schafe begegnen uns bis in die entlegensten Ecken, die gerade noch so zu beweiden sind.
In einem solchen kleinen Bergdorf waren wir in aller Einfachheit einquartiert. Von der Terrasse ein schöner Blick über das alte Dorf auf die gegenüber liegenden Berge, besonders reizvoll im Abendlicht, oberhalb des Dorfes das Klingeln der Glocken der Rinder. (immer noch aufgemerkt: es sind nicht die Alpen!).
Hat es der Leser schon einmal selbst erfahren? Ein selbst gebratener frischer Fisch, ein Steak oder sogar der Salat schmecken unter diesen Bedingungen anders, will sagen : besser als zu Hause (vom Wein wollen wir gar nicht erst reden). Vielleicht liegt es an den wirklich frischen Lebensmittel, dem satten Olivenöl, den frischen Kräutern – vielleicht bildet man es sich bei diesem Ambiente aber auch nur ein. Egal, Hauptsache es wirkt.
Die Tage in Asturien schwingen immer noch stark nach in uns. Und das mag gerne noch eine Weile so bleiben.
Im folgenden einige Impressionen zur Einstimmung, in Teil 2 und 3 gehen wir in die Berge und an das Meer.
Anacamptis pyramidalis (Pyramiden-Hundswurz)
Malva mochata (Moschus Malve)
Serapias cordigera (Herförmiger Zungenstendel)
Linaria trionithophora (Iberisches Leinkraut)
Lilium pyrenaicum (Pyrenäen-Lilie)
Daboecia cantabrica (Irische Heide)
Erysimum cantabrica (Schöterich-Art)
Berglandschaften
Basilika von
Covadonga, ein Wallfahrtsort zur Besinnung auf die Rückeroberung
Spaniens von den Mauren
Iglesia de Nuestra Señora del Buen Suceso de Bobia
Einige hübsche Küstenorte
Recht nobel: Ribadesella mit seinem schönen Stadtstrand
Llastres, hübsches altes Fischerstädtchen in lauschiger Lage
Schön bummeln lässt es sich in Llanes, auch wegen der urigen Bars und Restaurants
Tazones, hübsches kleines Fischerdorf, ein wenig zu schön für die Touristen hergerichtet
Man
findet wenig landestypische Accesoires, aber Blumen spielen als
Hausschmuck eine wichtige Rolle
Das Radeln ins Gebirge ist ein Volkssport, auch für Senioren
... aber auch für jüngere Anhänger*innen dieses Sports
Die schönsten Küstenabschnitte fanden wir bei Celores und Niembru
Unmittelbar hinter der Küste beginnen die Berge
Auf schöne Bergdörfer treffen wir in der Sierra de Cuera
Die landestypischen Hórreos dienten als Futterspeicher
In den Bergdörfern sind oft Stallanlagen neuester Bauart anzutreffen
Die Almen werden bis in die letzten Winkel intensiv beweidet
'Sa vende' – der Begriff steht für die geplatzte spanisch Immobilienblase. 'Zu verkaufen...'
Sehr schöne Bilder und ein toller, anschaulicher Bericht. Ich freue mich schon auf die nächsten Teile!
AntwortenLöschenGrüße,
Tilo