Mit seinen 554 Metern erreicht der Ortelsberg (Ortel) nicht mehr
die Höhe der Berge am Hauptkamm des Lausitzer Gebirges, aber durch
seine Kuppelform erscheint er als außergewöhnliche Dominante in
dem
Hügelland, welches sich südlich von Zwickau (Cvikov) ausbreitet
und avanciert damit zu einem begehrenswertem Wanderziel. Auch
Franz
Hantschel verschafft dem Ortelsberg in seinem Nordböhmischen
Touristenführer einen ordentlichen Raum.
‚Der Klingstein tritt theils säulenförmig, theils in
riesigen Blöcken zu Tage, theils bedeckt er in Brocken u.
Scherben
die nach allen Seiten
ziemlich jäh abfallenden
Lehnen des Berges. Er heißt auch “Urtheilsberg"
u. wird als solcher mit der Götterverehrung
der heidnischen Vorfahren in Verbindung
gebracht; auch sollen die Ritter
v. Bürgstein daselbst eine Art Vehmgericht
abgehalten haben. Uralte
Sagen wissen auch zu melden, daß die Zwerge
hier eine Wohnstätte gehabt haben,
u.
noch heute zeigt man eine Felsenplatte aus dem Gipfel,
auf der sie ihr
Brot gebacken haben. … Ein ziemlich
breiter,
schattiger Pfad führt bequem um den Berg herum empor. Hierbei
hat
man auf der Lindenauer Seite eine freie, schöne Aussicht, die
durch
Abholzen des Waldes entstanden ist. … Der Gipfel bildet eine Art
Felsengrat, ist aber gänzlich verwachsen; dafür kann man hier
die interessante Beobachtung machen, wie die Klingsteinsäulen
bis zu
einer Höhe v. 10 m u. darüber, gleich
Orgelpfeifen,
senkrecht stehen u. dann plötzlich in die
Horizontale
so umbiegen, daß sie überhängen und gleichsam den Absturz
drohen.‘
Die durch Kahlschläge freigelegten Sichtachsen befinden sich
heute bestimmt anderenorts, als zu Hantschels Zeiten, aber es ist
gewährleistet, dass man an verschiedenen Stellen des vollständig
bewaldeten Berges einen umfassenden Überblick über die umgebende
Landschaft erhält. Eine besonders beeindruckende Sicht ergibt sich
von den Felsen, die dem Gipfel an der Südseite vorgelagert sind.
Ausgangspunkt für unsere Tour ist das Dorf Lindenau (Lindava),
welches sich lang im Tal des Zwittebaches (Svitávka) hinzieht.
Besonders schöne Panoramen zeigen sich bereits im ansteigenden
Wiesengelände bergauf zu dem Ringweg um den Ortel sowie am Fuße
des
Schieferberges (Šišák), wohin wir unsere Wanderung fortsetzen.
Laufberg (Brnišťský
vrch) und Roll (Ralsko), in der Ferne der Jeschkenkamm
(Ještědský
hřbet) formen das Landschaftsbild. Wir wollen den Ortel gern noch
aus einer anderen Perspektive sehen, wandern über Sohr (Záhořín)
durch den Weiherwald (Vejrov)
hinunter in den Wellnitzer Grund und von da weiter in Richtung
Kränzelberg (Věneček). In einer nicht einsehbaren Senke zwischen
Wellnitz (Velenice) und Kränzelberg verbirgt sich in idyllischer
Lage am Fuße des Laufberges eine schön restaurierte Kapelle; eine
weitere Kapelle steht auf
der Anhöhe. Schlussendlich bringt uns ein Feldweg vom Fuße des
Kränzelberges durch ein sanftes Tal hinunter nach Lindenau. Hier
genau zeigt sich das herrliche Bild von den Bürgsteiner
Bergen (Slabitschken (Slavíček),
Eibenberg (Tisový
vrch), Schieferberg) und dem Ortel, in dessen Erwartung wir
den
Umweg zum Kränzelberg eingeschlagen haben. Für uns ein schöner
Abschied von dieser Tour.
Noch ein Wort zu Lindenau. Im Deutschen Krieg 1866 wurde die
Gegend lästigerweise von den Preußen heimgesucht, die fleißig
Verpflegung für Mann und Viech sowie Quartier requirierten (wobei
sie in der Regel dafür bezahlten). So, wie uns der Krieg heute
wieder erklärt wird, kann es wohl damals kaum gewesen sein.
Folgendes ist u.a. überliefert:
‚Im Lager am Lacheberge, von welchem man eine schöne
Aussicht gegen Zwickau, den Ortels- und Schieferberg, dann gegen
Brims und Wellnitz hat, herrschte ein reges Leben. Demselben
entlang
waren Leinen gezogen, an welche die Pferde angekoppelt worden,
zwischen diesen waren an 8 Gassen eröffnet, in denen man frei
hin-
und herschreiten konnte. Die Offiziere lagen, im süßen
Nichtsthun
begriffen, in mächtigen Strohhaufen, rauchten und tranken. Die
Soldaten putzten ihre Waffen und Pferde; auf einem Acker neben
dem
Lager wurden die requirirten Rinder abgeschlachtet, Frauen und
Mädchen boten den Soldaten Lebensmittel feil, auch der in der
Invasionsgeschichte von Zwickau bereits erwähnte stämmige
Marketender fehlte nicht. Abends wurden große Wacht- und
Kesselfeuer
angezündet und hierzu aus den nächsten Häusern das Brennholz und
die Kochgeschirre geholt. … Am 26. August kam die 3. Compagnie,
138
Mann stark, in unsere Gemeinde und wurde einquartirt. Diese
Leute
halfen den Bewohnern bei ihren häuslichen Verrichtungen, machten
Ausflüge nach dem Einsiedlerstein in Bürgstein, auf den
Ortelsberg
[sic!] und waren
bald
sehr beliebt. - Am 30. August spielte die Lindenauer
Musikkapelle,
hierum vom Hauptmann ersucht, den Soldaten zum Tanze auf und am
31.
August zogen letztere ab.‘ (A. Jahnel, Chronik der
Preußischen Invasion des nördlichen Böhmens im Jahre 1866)
Die GPS-Daten zu
dieser Tour findet man hier.
Start in Lindenau hinauf zum Ortel
Landschaftsbilder am Ortel bei nicht ganz optimalem Fotolicht
Blick zu Grünberg Hochwald und Limberg
Blick über den Wachberg zum Kleis
Felsabgänge am Südhang des Ortel
Ausblicke am Wendler-Kreuz
Buchenwald am Schieferberg
Sohrkapelle
Aus den Hohlräumen in den Felsen wurde Sand zum Zwecke der Spiegelschleiferei gewaschen
Kapelle am Laufberg
Links der unscheinbare Kränzelberg, rechts der Laufberg
Abschied vom Ortel
Kreuz am Wegesrand
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen