Donnerstag, 15. März 2018

Eine Wanderung zum Ortelsberg (Urteilsberg) bei Böhmisch-Zwickau

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Mit seinen 554 Metern erreicht der Ortelsberg (Ortel) nicht mehr die Höhe der Berge am Hauptkamm des Lausitzer Gebirges, aber durch seine Kuppelform erscheint er als außergewöhnliche Dominante in dem Hügelland, welches sich südlich von Zwickau (Cvikov) ausbreitet und avanciert damit zu einem begehrenswertem Wanderziel. Auch Franz Hantschel verschafft dem Ortelsberg in seinem Nordböhmischen Touristenführer einen ordentlichen Raum.

Der Klingstein tritt theils säulenförmig, theils in riesigen Blöcken zu Tage, theils bedeckt er in Brocken u. Scherben die nach allen Seiten ziemlich jäh abfallenden Lehnen des Berges. Er heißt auch “Urtheilsberg" u. wird als solcher mit der Götterverehrung der heidnischen Vorfahren in Verbindung gebracht; auch sollen die Ritter v. Bürgstein daselbst eine Art Vehmgericht abgehalten haben. Uralte Sagen wissen auch zu melden, daß die Zwerge hier eine Wohnstätte gehabt haben, u. noch heute zeigt man eine Felsenplatte aus dem Gipfel, auf der sie ihr Brot gebacken haben. … Ein ziemlich breiter, schattiger Pfad führt bequem um den Berg herum empor. Hierbei hat man auf der Lindenauer Seite eine freie, schöne Aussicht, die durch Abholzen des Waldes entstanden ist. … Der Gipfel bildet eine Art Felsengrat, ist aber gänzlich verwachsen; dafür kann man hier die interessante Beobachtung machen, wie die Klingsteinsäulen bis zu einer Höhe v. 10 m u. darüber, gleich Orgelpfeifen, senkrecht stehen u. dann plötzlich in die Horizontale so umbiegen, daß sie überhängen und gleichsam den Absturz drohen.

Die durch Kahlschläge freigelegten Sichtachsen befinden sich heute bestimmt anderenorts, als zu Hantschels Zeiten, aber es ist gewährleistet, dass man an verschiedenen Stellen des vollständig bewaldeten Berges einen umfassenden Überblick über die umgebende Landschaft erhält. Eine besonders beeindruckende Sicht ergibt sich von den Felsen, die dem Gipfel an der Südseite vorgelagert sind.

Ausgangspunkt für unsere Tour ist das Dorf Lindenau (Lindava), welches sich lang im Tal des Zwittebaches (Svitávka) hinzieht. Besonders schöne Panoramen zeigen sich bereits im ansteigenden Wiesengelände bergauf zu dem Ringweg um den Ortel sowie am Fuße des Schieferberges (Šišák), wohin wir unsere Wanderung fortsetzen. Laufberg (Brnišťský vrch) und Roll (Ralsko), in der Ferne der Jeschkenkamm (Ještědský hřbet) formen das Landschaftsbild. Wir wollen den Ortel gern noch aus einer anderen Perspektive sehen, wandern über Sohr (Záhořín) durch den Weiherwald (Vejrov) hinunter in den Wellnitzer Grund und von da weiter in Richtung Kränzelberg (Věneček). In einer nicht einsehbaren Senke zwischen Wellnitz (Velenice) und Kränzelberg verbirgt sich in idyllischer Lage am Fuße des Laufberges eine schön restaurierte Kapelle; eine weitere Kapelle steht auf der Anhöhe. Schlussendlich bringt uns ein Feldweg vom Fuße des Kränzelberges durch ein sanftes Tal hinunter nach Lindenau. Hier genau zeigt sich das herrliche Bild von den Bürgsteiner Bergen (Slabitschken (Slavíček), Eibenberg (Tisový vrch), Schieferberg) und dem Ortel, in dessen Erwartung wir den Umweg zum Kränzelberg eingeschlagen haben. Für uns ein schöner Abschied von dieser Tour.

Noch ein Wort zu Lindenau. Im Deutschen Krieg 1866 wurde die Gegend lästigerweise von den Preußen heimgesucht, die fleißig Verpflegung für Mann und Viech sowie Quartier requirierten (wobei sie in der Regel dafür bezahlten). So, wie uns der Krieg heute wieder erklärt wird, kann es wohl damals kaum gewesen sein. Folgendes ist u.a. überliefert:

Im Lager am Lacheberge, von welchem man eine schöne Aussicht gegen Zwickau, den Ortels- und Schieferberg, dann gegen Brims und Wellnitz hat, herrschte ein reges Leben. Demselben entlang waren Leinen gezogen, an welche die Pferde angekoppelt worden, zwischen diesen waren an 8 Gassen eröffnet, in denen man frei hin- und herschreiten konnte. Die Offiziere lagen, im süßen Nichtsthun begriffen, in mächtigen Strohhaufen, rauchten und tranken. Die Soldaten putzten ihre Waffen und Pferde; auf einem Acker neben dem Lager wurden die requirirten Rinder abgeschlachtet, Frauen und Mädchen boten den Soldaten Lebensmittel feil, auch der in der Invasionsgeschichte von Zwickau bereits erwähnte stämmige Marketender fehlte nicht. Abends wurden große Wacht- und Kesselfeuer angezündet und hierzu aus den nächsten Häusern das Brennholz und die Kochgeschirre geholt. … Am 26. August kam die 3. Compagnie, 138 Mann stark, in unsere Gemeinde und wurde einquartirt. Diese Leute halfen den Bewohnern bei ihren häuslichen Verrichtungen, machten Ausflüge nach dem Einsiedlerstein in Bürgstein, auf den Ortelsberg [sic!] und waren bald sehr beliebt. - Am 30. August spielte die Lindenauer Musikkapelle, hierum vom Hauptmann ersucht, den Soldaten zum Tanze auf und am 31. August zogen letztere ab.‘ (A. Jahnel, Chronik der Preußischen Invasion des nördlichen Böhmens im Jahre 1866)

Im übrigen beendeten die Preußen den Krieg sogar siegreich (Schlacht von Königgrätz vom 03.07.1866). Sogar ohne Uschi und die NATO.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





Start in Lindenau hinauf zum Ortel


    Landschaftsbilder am Ortel bei nicht ganz optimalem Fotolicht


Blick zu Grünberg Hochwald und Limberg






Blick über den Wachberg zum Kleis


Felsabgänge am Südhang des Ortel






Ausblicke am Wendler-Kreuz


Buchenwald am Schieferberg


 Sohrkapelle


Aus den Hohlräumen in den Felsen wurde Sand zum Zwecke der Spiegelschleiferei gewaschen


Kapelle am Laufberg


Links der unscheinbare Kränzelberg, rechts der Laufberg


Abschied vom Ortel


Kreuz am Wegesrand

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