Samstag, 26. November 2011

Essay: Wind im Tank - Flaute im Portmonnaie



Am 25.Oktober erschien ein sehr interessanter Artikel von dem von mir sehr geschätzten Wissenschafts-Journalisten Holger Dambeck in der Online-Ausgabe des „Spiegels“, in dem er von der Inbetriebnahme eines sogenannten Hybridkraftwerks in Prenzlau bei Berlin berichtet. Im Sinne der „Energiewende“ hofft man, durch die Umwandlung von Windstrom und durch Strom, den Photovoltaik-Anlagen liefern, das Speicherproblem ein für allemal zu lösen, indem man in einem ersten Schritt Wasserstoff durch Elektrolyse und in einem zweiten Schritt Methan (was Erdgas entspricht) erzeugt. Diese Gase können dann in die bereits vorhandenen Erdgasspeicher eingespeist und später bei Strommangel in Gaskraftwerken wieder in elektrischen Strom umgewandelt werden. Aber das kann man alles in dem Spiegel-Artikel nachlesen. Ich will darauf nicht näher eingehen - insbesondere auch nicht auf die Problematik der Umwandlung von Wasserstoff in Methan...    

Als Physiker interessiert man sich erst einmal für Zahlen, denn wir sind es gewöhnt, bestimmte Sachverhalte zumindest einmal zahlenmäßig zu überschlagen, bevor wir sie beurteilen (das hat uns Enrico Fermi gelehrt). Und so liest man, daß die gesamte Anlage 21 Millionen Euro gekostet hat (natürlich zum überwiegenden Teil von öffentlichen Geldern finanziert) und daß sie in der Lage ist, 120 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde zu erzeugen. Und das man mit 120 Kubikmeter Wasserstoff (das Volumen entspricht unkomprimiert einem Würfel von ~ 5 m Kantenlänge) mit Hilfe eines Brennstoffzellenfahrzeuges ~1200 km fahren kann, also von Prenzlau bis Marseille. Damit ließe sich also, nimmt man einen Super-betriebenen VW Golf GTI als Maßstab, ~100 Liter (Kubikdezimeter) Super-Benzin einsparen. Oder etwas salopp ausgedrückt, das Hybrid-Kraftwerk in Prenzlau erzeugt in einer Stunde aus Windstrom ein Energieäquivalent von 100 Liter Superbenzin. An einem Tag 2400 Liter und in einem Jahr 876000 Liter. Ein Liter Super kostet z.Z. 1.48 €.  Also wird in einem Jahr ein Benzinäquivalent von ~ 1.3 Millionen € erzeugt. Damit dürfte sich das Kraftwerk bereits nach 16 Jahren amortisiert haben. Das ist natürlich keine ordentliche betriebswirtschaftliche Rechnung (ich habe Zinsen, Abschreibungen, Betriebskosten etc. vernachlässigt, was das Ergebnis natürlich völlig verfälscht). Aber man bekommt ein Gefühl dafür, was ein „richtiges“ Hybridkraftwerk einmal in der Lage sein wird, zu leisten. 

Man kann aber auch noch eine andere Rechnung versuchen, über den Heizwert des produzierten Wasserstoffs. 120 m³ Wasserstoff entsprechen dem Heizwert von ungefähr  33 m³ Erdgas (entspricht ~330 kWh an chemischer Energie). Die Anlage erzeugt also im Jahr ca. 2.9, sagen wir mal 3 Millionen kWh. Eine kWh kostet z.Z. 0.04 €. Der jährliche Ertrag liegt also bei ~120000 € ... Weiter will ich gar nicht rechnen.

Nun könnte man sagen, daß, was in Prenzlau eingeweiht wurde, ist doch nur eine Pilotanlage. Sie soll einfach demonstrieren, daß es möglich ist, aus Windstrom Wasserstoff und aus Wasserstoff wieder elektrischen Strom zu machen.  Und wenn das so richtig schön funktioniert, dann baut man solche Hybridkraftwerke in großer Zahl, die dann sogar grundlastfähig sind. Und schwupps sind wir von den volatilen erneuerbaren Energien „Wind“ und „Sonne“ unabhängig, denn wenn der Wind mal nicht so richtig bläst und nur der Mond die Solarpanel bescheint, dann wird halt das Windgas verbrannt und auf diese Weise Strom erzeugt. Brave new World.

Als Naturwissenschaftler fragt man sich aber, wieso man für so etwas überhaupt eine „Forschungsanlage“ braucht?  Der Hoffmannsche Wasserzersetzungsapparat wurde um 1866 erfunden. Großtechnisch wird die Wasserstoffelektrolyse schon seit über 100 Jahren in der chemischen Industrie eingesetzt. Die chemisch-physikalischen Details sind genausolange bekannt. Das einzige Neue dünkt mir, sind die angeschlossenen Windräder...

Also wäre es doch interessant zu wissen, wieviel von der elektrischen Energie, welche die Windräder so bei mäßigen Wind erzeugen, am Ende, wenn der im Hybridkraftwerk erzeugte Wasserstoff wieder verbrannt wird, als elektrische Nutzenergie übrigbleibt. Doch leider fehlen diese Angaben in allen Artikeln, die ich zu dem Thema „ergoogelt“ habe. Also versuchen wir es selbst es herauszubekommen. Wichtig sind dabei nur die Wirkungsgrade bei den einzelnen Prozeßschritten (siehe meinen Essay „Nachdenken über Energie“).

Als Erstes muß der Wechselstrom, den die Windkraftgeneratoren erzeugen, in Gleichstrom umgewandelt werden, denn Elektrolyse funktioniert nur mit Gleichstrom. In der Literatur findet man für diese Transformation einen Wirkungsgrad von ~0.92, d.h. im günstigsten Fall ist mit etwa 8% Verlust zu rechnen. Die Hochdruckelektrolyse von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff ist im Vergleich zu anderen elektrochemischen Prozessen recht effektiv. In der Wikipedia findet man dafür einen erreichbaren Wirkungsgrad zwischen 70% und 80%. Gehen wir also von einem Verlust von ~25% aus, was einem Wirkungsgrad von 0.75 entspricht. 22.4 Kubikdezimeter Wasserstoffgas wiegen gerade einmal 2 Gramm. Um es vernünftig speichern zu können, muß es zumindest auf den Gasdruck von Erdgasspeichern komprimiert werden. Auch dazu ist Energie notwendig. Ich schätze mal optimistisch, daß hier ein Verlust von vielleicht 5% eintritt. Das Ziel des ganzen Prozedere ist es aber, am Ende wieder elektrische Energie zu erzeugen und zwar zu dem Zeitpunkt, wo sie gerade benötigt wird (erinnern wir uns, im „Netz“ muß immer genausoviel an elektrischer Leistung verfügbar sein, wie zu dem gegebenen Zeitpunkt benötigt wird – andernfalls gehen die Lichter aus). Dazu dienen Gasmotore, die mit Wasserstoff betrieben, Generatoren antreiben, die dann wiederum den Wechselstrom erzeugen, der an das Netz abgegeben wird. Ein Wirkungsgrad von 50% für den Gasmotor und Generator („Gasturbine“) dürfte realistisch sein (das ist ungefähr der Wirkungsgrad eines klassischen Gaskraftwerks). Weitere Verluste, die sich z.B. aus Leckagen ergeben, will ich großzügig vernachlässigen (sie dürften nochmals 10% ausmachen).

Nun ergibt sich leider der Gesamtwirkungsgrad einer Prozeßkette aus der Multiplikation der Einzelwirkungsgrade der einzelnen Prozeßschritte, hier also 0.92*0.75*0.95*0.50=0.327. Oder anders ausgedrückt, rund 70% der in das Hybridkraftwerk eingespeisten Energie verpufft ins Leere. 

Wenn also nach dem EEG aufgrund der Abnahmeverpflichtung eine Kilowattstunde „billiger Windstrom“ 13 Cent kostet, dann hat sie nach Durchlaufen des Hybridkraftwerkes dreimal an Wert zugelegt, sie ist quasi „veredelt“ worden. Und diese Wertsteigerung sollen wir demnächst alle bezahlen. Dazu ein passender Kommentar von Gernot Hassknecht ...

Nun gut. Man muß sich dem Kommentar von Herrn Hassknecht nicht unbedingt anschließen. Es macht natürlich Sinn, überschüssige elektrische Energie, die man ansonsten "erden" oder an Nachbarländer verschenken oder zu einem "negativen" Preis veräußern müßte (kein Witz, alles schon dagewesen), in solchen "Kraftwerken" zumindest noch zu einem Bruchteil zu retten. Aber den Leuten zu erklären, daß man damit das akute "Speicherproblem" für elektrische Energie lösen kann, grenzt ja dann doch wohl eher an Volksverdummung. Das Einzige, was herauskommen wird, ist, daß die Energiepreise jedes Jahr weiter steigen werden ...

1 Kommentar:

  1. hallo herr scholz :)

    ich hatte diese rechnung vor einiger zeit auch schon durchgeführt.

    [quote] 90% — umwandlung wechsel- in gleichstrom
    25% — elektrolyse
    —--
    90% * 25% = 67,5% wirkungsgrad für die H2-herstellung <- gerundet 70%, siehe dr. keil
    SolarFuel wirbt mit 60% wirkungsgrad.

    setzt man diesen wirkungsgrad in die gesamtbilanz ein, sieht es noch trüber aus.

    0,60 * 0,3 (gasmotor) * 0,95 (generator) = 17,1% gesamtwirkungsgrad für PowerToGasToStrom

    verstrome ich das Windgas in einem modernen GuD-Kraftwerk (wirkungsgrad ca. 65% im auslegungsbetriebspunkt) erhalte ich einen prozesswirkungsgrad von ca.37%

    0,60 * 0,65 (GuD) * 0,95 (generator) =37% gesamtwirkungsgrad für PowerToGasToStrom

    wird das GuD-Kraftwerk in Teillastfall betrieben (Dampfturbinen a.B.) sind 35% Wirkungsgrad realistisch. da sind wir wieder in der größenordnung des gasmotors.

    betrachtet man noch die benötigte energie für die CO2-herstellung hat dies auch einen negativen einfluss auf den prozesswirkungsgrad. bei CCS lagen die annahmen für die wirkungsgradeinbußen bei 7 — 15%, bezogen auf den blockwirungsgrad. da kann man als grobe abschätzung 10% der benötigten elektrischen leistung des PowerToGas-verfahrens nehmen.

    0,60 *0,9 (CO2-bereitstellung) * 0,3 (gasmotor) * 0,95 (generator) < 16% gesamtwirkungsgrad für PowerToGasToStrom [/quote]

    in echt ist der wirkungsgrad über die prozesskette einfach nur lächerlich ;)

    lg
    michael m.

    zu finden hier: http://www.science-skeptical.de/klimawandel/die-funf-rechentricks-der-okobranche-nebst-einem-kommentar-der-hype-um-den-okostrom-folgt-dem-niedergang-beim-klimawandel/008742/

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