Samstag, 4. Juli 2015

Unterwegs im Cilento – Teil 1

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Den Begriff 'Cilento' hatte ich noch nie gehört, bevor ich einen heißen Tipp erhielt. Den meisten wird es doch ziemlich ähnlich gehen. Der Cilento ist eine italienische Küstenlandschaft, Luftlinie etwa 60 km südlich der Amalfiküste gelegen und gehört zur Region Kampanien. Im Wortstamm dieser Bezeichnung verbirgt sich das Wort 'lento' und wie unser Vermieter erklärte, heißt das 'langsam', was gleichsam ein Hinweis auf die gemütliche Lebensart der Ureinwohner sein soll. Ob das sprachwissenschaftlich haltbar ist, sei dahin gestellt, uns war der Denkansatz jedenfalls sympathisch. Ganz profan könnte man sagen, hier ist Italien so richtig italienisch.

Belesene kennen vielleicht die griechischen Tempelanlagen von Paestum und Cineasten dürfte der Film 'Christus kam nur bis Eboli' bekannt sein, beides Stätten im Norden des Cilento. Aber das war es dann auch schon an bekannten Lokalitäten.

Das Mondäne fehlt dem Cilento und so wird man nicht von Schwärmen wissensdurstiger und lebenshungriger Bildungsbürger mit dicken Brieftaschen aus dem etablierten Teil der Welt überrannt und der Einzugsbereich der Toscana-Fraktion endet irgendwo weiter im Norden. Es gibt hier kaum Möglichkeiten, den feinen Zwirn aufzutragen und auch nichts erwähnenswertes zu kaufen, weil man die Shopping Malls vergessen hat. Es gibt also kaum etwas zu erzählen in der Heimat. Eng wird es hier nur, wenn in Italien Sommerferien sind und die Einheimischen ihren Urlaub im Cilento verbringen. Somit ist es richtig behaglich hier.

Momentan geht es in Italien wirtschaftlich eng zu, denn der jetzige Ministerpräsident Renzi hat sich dem Spardiktat der Troika unterworfen und wird deswegen von Merkel & Co. als artiger Schüler gelobt. Darauf sollte man sich nichts einbilden, denn Leidtragende sind üblicherweise nicht die, die für den Schlamassel verantwortlich sind. Man bekommt das beispielsweise an den Treibstoffpreisen zu spüren, Diesel bis 1,68 €/l und Benzin bis 1,80 €/l haben wir gesehen. Da lernt der Teutone, dass noch ausreichend Spielraum nach oben ist.

An Geld für die Infrastruktur scheint es zu mangeln, augenfällig wird das am Zustand der Straßen. Andreas Haller, Autor des Reiseführers über den Cilento (der uns gute Dienste erwies), schreibt einleitend: 'Ein betagter Fiat ist eine gute Wahl, um auf abseitigen Routen durch den Cilento zu kurven'. Zwangsläufigerweise schaut man ins Wörterbuch, denn häufig künden kleine Schilder an der Straße Unheil an, z.B. das Wort 'Frana', was soviel heißen will, wie 'Erdrutsch' – und so kommt das dann auch. Lento geht es vorwärts. Ein Wunder manchmal, dass einzelne Bergdörfer noch erreichbar sind. Hin und wieder scheint auch kein Geld für diese Schilder da zu sein, das kann dann unschön für das Auto werden. Uns rettete eine Vollbremsung, als die Straße ganz weg war.

Die Leute nehmen das scheinbar gelassen. Die Cilentani treffen sich in den Cafes oder Bars und haben sich eine Menge zu erzählen, man wird gerne von den Fremden gegrüßt und grüßt natürlich freundlich zurück. Man rückt zusammen, wenn ein Gast augenscheinlich einen Platz sucht. Auch in den kleinsten Bergdörfern ist im Ortszentrum immer und zuverlässig etwas los und die Durchfahrtstraßen sind verstopft. Wenn sich Autos begegnen und die Fahrer sich etwas zu erzählen haben, muss man eben warten. So lernt man, sich nicht über Nebensächlichkeiten aufzuregen. Nicht selten knallen die Böller in den Straßen und man fragt sich, ob hier die erste Liga spielt.

In den kleinen Ristorante an der Küste kann man gut essen, man wird mit viel Gestik, großen Gefühlen und Handschlag begrüßt und verabschiedet, es geht volkstümlich zu. Man genießt den abendlichen Blick über den Golf von Policastro zu den Lichtern der Ortschaften in der angrenzenden Basilikata.

Mangels Alternative schaut man auch italienische Regionalsender (wegen des Wetterberichts) - und sieht fast jeden Abend, dass wieder ein Mitglied der ehrenwerten Gesellschaft verhaftet oder von einem Richter seiner gerechten Strafe zugeführt wurde. Zuweilen führen Großaufgebote von Carabinieri Straßenkontrollen durch. Zwar wurde 2009 in Pollica der Bürgermeister auf offener Straße erschossen, aber das Wirken der Mafia soll in der Region nicht sehr ausgeprägt sein, weswegen bereits Initiativen im Gange waren, sich von Kampanien zu lösen und der Basilikata anzuschließen, um sich aus dem Einflussbereich des neapolitanischen Verwaltungssumpfs zu lösen. Da soll das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Für Freunde des südlichen Flairs ist das Cilento die richtige Adresse und eine schöne Landschaft gibt es dort auch. Wir kommen noch darauf zurück. 


Infrastruktureller Nachholebedarf wird besonders am Straßennetz sichtbar





 … und bei den Medien




 … das ist aber die Ausnahme. Borgo San Severino ist ein verlassener Ort in den Bergen


Liebevoll kümmern sich die Cilentani um den Blumenschmuck in den Ortschaften, er bringt Farbe die alten Gassen










Die unkonventionelle Art des Wäschetrocknens kennt man aus italienischen Filmen; auch das belebt das Ortsbild 





Er passt auf, dass nichts weg kommt


Passt gut in die kleinen verwinkelten Gassen: der Ape, ein dreirädriges Rollermobil des Herstellers Piaggio


Auch die Vespa kommt überall durch


 … und überholt auch auf solchen Gebirgsstraßen (hier die Mingrado Schlucht)


Schöne Bergdörfer gibt es im Hinterland (Campora)



… und allen geht es gut



Im Cilento wird hochwertiges biologisch erzeugtes Olivenöl produziert, hier ein Methusalem unter den Olivenbäumen


Das gebirgige Hinterland wird von gewaltigen Schluchten durchzogen (Calore Schlucht)



Der Übergang zum Meer führt meistens über Steilküsten


 Man kann am Strand baden...


… oder in den herrlichen Badebuchten, die von der Steilküste umschlossen werden


Man erreicht sie anstrengenderweise zu Fuß oder mit einem Shuttleboot


oder auch so



1 Kommentar:

  1. Sehr schöner Reisebericht. Da bekommt man doch Lust auf die hoffentlich bald folgenden Teile.

    Grüße,
    Tilo

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