TB: Seite 212
Louis-Auguste Cyparis und der Montagne Pelée
Im Zusammenhang mit „Glutwolken“ fällt mir noch ein Name ein, Louis-Auguste Cyparis (1875-1929), der unter den Künstlernamen Ludger Sylbaris mit einem Barnum’schen Wanderzirkus einst durch die Vereinigten Staaten reiste. Taylor Barnum (1810-1891) haben wir ja bereits im Zusammenhang mit „Barnum’s American Museum“ und den Siamesischen Zwillingen kennengelernt. Die Aufgabe des Herrn Cyparis bestand dabei nur darin, auf der Bühne in einem Nachbau einer Gefängniszelle zu sitzen und möglichst dramatisch dem Publikum einen Teil seiner Lebensgeschichte zu schildern. Und die begann auf der Antilleninsel Martinique in der Stadt Saint-Pierre, wo er sich wieder einmal in der Nacht vom 7. Mai auf den 8. Mai 1902 an einer Kneipenschlägerei beteiligte, bei dem es sogar einen Toten gegeben haben soll. Jedenfalls hat man ihn festgehalten und im „Maison d'Arrêt“ in eine halberdige Arrestzelle gesteckt, die nur ein kleines vergittertes Fenster nach außen hatte. Und das war sein Glück. Denn nur wenige Stunden später waren alle über 40.000 Einwohner von Saint-Pierre tot und nur er, ein Schuhmacher mit Namen Léon Compère-Léandre sowie ein geistesgegenwärtiges Mädchen, das sich an der Küste in eine Grotte retten konnte, überlebten das tödliche Ereignis. Denn am 8. Mai 1902, dem Himmelfahrtstag, kurz vor 8 Uhr in der Frühe, brach der nicht weit entfernte Vulkan Montagne Pelée aus und eine über 700 °C heiße Glutwolke raste mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 km/h seine Hänge hinab und tötete bis auf die drei alle Einwohner der Stadt. Selbst in seiner Gefängniszelle traten durch das kleine Fenster glühend heiße Dämpfe ein und verbrannten Teile seiner Haut. Sie hinterließen große Narben an Armen, Beinen und Rücken, die ihn bei seiner späteren, wenn auch kurzen Zirkuskarriere jedoch noch zum Vorteil gereichen sollten. Leider – oder zum Glück - hielt auch die Zellentür dem Glutstrom stand, so dass Cyparis sich selbst nicht befreien und somit erst drei Tage später entdeckt und gerettet werden konnte. Und da es auch keine überlebenden Zeugen mehr für die Kneipenschlägerei gab, bei der er seinen Saufkumpan (der ihm angeblich Geld schuldete) mit einer Machete erschlagen haben soll, wurde er schließlich vom Gouverneur begnadigt. Er wanderte in die USA aus, wo ihn Taylor Barnum schon erwartete, um ihn in seiner damals sehr gut besuchten Freakshow zu zeigen. Dort begann dann ein neues Leben für den hünenhaften, aber durch vernarbte Brandwunden entstellten Farbigen aus Martinique. Er stellte als „The Most Marvellous Man on Earth“ neben dem „Cardiff Giant„ George Auger, Rob Roy, dem „Albino und Schlangenmensch“ und Charles Tripp, „dem Mann ohne Arme“ eine der Attraktionen von Barnum’s Wanderzirkus dar. Er war übrigens der erste Farbige, dem auf diese Weise zumindest kurzzeitig eine einträgliche Zirkuskarriere gelang, die aber bereits am 5. Juni 1903 abrupt endete. An diesem Tag stach er sturzbesoffen einen Zirkuswächter nieder, was ihm einen weiteren, nun aber dauerhafteren Gefängnisaufenthalt eingebracht hat. Nach seiner Begnadigung soll er sich schließlich nach Panama begeben haben, um dort mit vielen anderen den Panamakanal auszuschachten.
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Louis-Auguste Cyparis und der Montagne Pelée
Im Zusammenhang mit „Glutwolken“ fällt mir noch ein Name ein, Louis-Auguste Cyparis (1875-1929), der unter den Künstlernamen Ludger Sylbaris mit einem Barnum’schen Wanderzirkus einst durch die Vereinigten Staaten reiste. Taylor Barnum (1810-1891) haben wir ja bereits im Zusammenhang mit „Barnum’s American Museum“ und den Siamesischen Zwillingen kennengelernt. Die Aufgabe des Herrn Cyparis bestand dabei nur darin, auf der Bühne in einem Nachbau einer Gefängniszelle zu sitzen und möglichst dramatisch dem Publikum einen Teil seiner Lebensgeschichte zu schildern. Und die begann auf der Antilleninsel Martinique in der Stadt Saint-Pierre, wo er sich wieder einmal in der Nacht vom 7. Mai auf den 8. Mai 1902 an einer Kneipenschlägerei beteiligte, bei dem es sogar einen Toten gegeben haben soll. Jedenfalls hat man ihn festgehalten und im „Maison d'Arrêt“ in eine halberdige Arrestzelle gesteckt, die nur ein kleines vergittertes Fenster nach außen hatte. Und das war sein Glück. Denn nur wenige Stunden später waren alle über 40.000 Einwohner von Saint-Pierre tot und nur er, ein Schuhmacher mit Namen Léon Compère-Léandre sowie ein geistesgegenwärtiges Mädchen, das sich an der Küste in eine Grotte retten konnte, überlebten das tödliche Ereignis. Denn am 8. Mai 1902, dem Himmelfahrtstag, kurz vor 8 Uhr in der Frühe, brach der nicht weit entfernte Vulkan Montagne Pelée aus und eine über 700 °C heiße Glutwolke raste mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 km/h seine Hänge hinab und tötete bis auf die drei alle Einwohner der Stadt. Selbst in seiner Gefängniszelle traten durch das kleine Fenster glühend heiße Dämpfe ein und verbrannten Teile seiner Haut. Sie hinterließen große Narben an Armen, Beinen und Rücken, die ihn bei seiner späteren, wenn auch kurzen Zirkuskarriere jedoch noch zum Vorteil gereichen sollten. Leider – oder zum Glück - hielt auch die Zellentür dem Glutstrom stand, so dass Cyparis sich selbst nicht befreien und somit erst drei Tage später entdeckt und gerettet werden konnte. Und da es auch keine überlebenden Zeugen mehr für die Kneipenschlägerei gab, bei der er seinen Saufkumpan (der ihm angeblich Geld schuldete) mit einer Machete erschlagen haben soll, wurde er schließlich vom Gouverneur begnadigt. Er wanderte in die USA aus, wo ihn Taylor Barnum schon erwartete, um ihn in seiner damals sehr gut besuchten Freakshow zu zeigen. Dort begann dann ein neues Leben für den hünenhaften, aber durch vernarbte Brandwunden entstellten Farbigen aus Martinique. Er stellte als „The Most Marvellous Man on Earth“ neben dem „Cardiff Giant„ George Auger, Rob Roy, dem „Albino und Schlangenmensch“ und Charles Tripp, „dem Mann ohne Arme“ eine der Attraktionen von Barnum’s Wanderzirkus dar. Er war übrigens der erste Farbige, dem auf diese Weise zumindest kurzzeitig eine einträgliche Zirkuskarriere gelang, die aber bereits am 5. Juni 1903 abrupt endete. An diesem Tag stach er sturzbesoffen einen Zirkuswächter nieder, was ihm einen weiteren, nun aber dauerhafteren Gefängnisaufenthalt eingebracht hat. Nach seiner Begnadigung soll er sich schließlich nach Panama begeben haben, um dort mit vielen anderen den Panamakanal auszuschachten.
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