Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Das Vorhaben war ganz klar definiert: Wanderung zu Rotstein und Löbauer Berg in einem Ritt. Obwohl die beiden Berge auf Sichtweite neben einander liegen, haben wir trotz größter Mühen letztendlich keine vernünftige Lösung für eine Rundtour gefunden. Der Grund ist die großräumige landwirtschaftliche Nutzung, die mit Feld- und Wanderwegen gründlich aufgeräumt hat. Also bleibt nur eine zweiteilige Unternehmung. Schauen wir uns an, was dabei herausgekommen ist.
1. Der Löbauer Berg.
Mir persönlich hat der Berg, wie er in die Landschaft eingebettet ist, noch nie gefallen. Die Schöpfung hat ihn ein wenig einfallslos in die Landschaft gegossen. Mag sein, dass der Sendeturm auf dem angrenzenden Schafberg den Gesamteindruck dabei schmälert. Lokalpatrioten haben, wie man sieht, eine andere Ansicht
„Die in seiner äußerlicher Zucht florierende älteste, oft nachdrücklich gewarnte und entsetzlich heimgesuchte Sechsstadt Löbau“ ... hat den Vorzug vor vielen anderen Städten, in ihrer nächsten Nähe einen herrlichen, romantischen Berg zu besitzen, welcher in jeder Beziehung schätzenswerth ist. Soll ich uns Löbauern alle seine Tugenden aufzählen, die wir ihn mit gerechtem Stolz „unseren Berg“ nennen? Sollten wirklich Menschen unter uns leben, die ihn als bloßen Steinhaufen mit grünen Bäumen betrachten? Oder soll ich seinen Ruhm verkünden vor den Fremden, denen er bis jetzt noch ziemlich gleichgültig, wenn nicht unbekannt ist, damit sie einmal herkommen, um einen Berg zu besteigen, der doch bald so aussieht, wie andere Berge?“
Es ist ja gut nun, wir sind ja jetzt da, kommen aber aus einer Gegend, in der ringsum Berge stehen. Da hat man gewisse Ansprüche, also weiter im Text:
„Soll ich als Prophet verkünden, daß so wie einst vor 2000 Jahren zu Odins und Thors, zu Swantewits oder Radegasts Altären Tausende von Helden hinauf zu seinen grünem Scheitel pilgerten, um ihren Göttern heilige Gelübde darzubringen, daß ebenso in kurzer Zeit Millionen kommen werden, zu bewundern, was Patriotismus, was des Menschenkindes Geist und des Menschen Hand zu schaffen vermochten? Fragt die Legionen umherliegender Felsblöcke, und sie werden erzählen, daß sie es waren, welche auf dem Gipfel des Berges von den Riesen einst zusammengetragen wurden, um den Himmel zu stürmen, bis Thors Hammer jene Riesen so gut wie sie selbst in die Tiefe schleuderte ...“ u.s.w. u.s.f.
Wer sich weiter in Stimmung bringen möchte, lese selbst nach bei E. Borott, „Der Löbauer Berg und der Friedrich-August-Thurm“. 1854.
Leider liegt der Berg im Dunst an diesem noch nebligen Herbsttag. Von der sogenannten Skiwiese steigen wir zunächst hinauf zum Großen Steinbruch, von da aus weiter zum Berggasthof, der zu unserem Erstaunen zwar unverschlossen, aber scheinbar verlassen ist. Wahrscheinlich hat sich der Wirt versteckt, denn es ist Corona-Zeit und man weiß ja nie, was sich da draußen so herum treibt. Den nebenan aufragenden gusseisernen Friedrich-August-Turm habe ich sehr lange nicht mehr gesehen und man kann sagen, so saniert, wie er da steht, ist er ein Schmuckstück. Hören wir schnell noch einmal, wie E. Borott den Bauherrn dieses Kunstwerks preist:
„Dieser ist es, der mit eisernem Willen und standhaftem Muthe Felsen und Eisen verbindet, der unsern Berg schmückt mit einem Bauwerke, das bis jetzt einzig und allein in Deutschland dastehen wird. Hier auf herrlich erbauten, kunstreich gerundeten Terrassen steht in wenigen Monaten mit Gottes Hilfe ein eiserner Thurm, der jetzt schon Weit und Breit in neugieriges Erstaunen setzt. Dann wirst auch Du, Meschenkind, auf den Zinnen dieses Baues stehend, ringsumher, so weit dein Auge reicht, die Allmacht des allgütigen Schöpfers bewundern und preisen können…“ u.s.w.u.s.f.
Bei den schlechten Sichtverhältnissen scheinen uns die 2 € Eintritt allerdings unangemessen, aber Herr Borott hat uns wenigsten noch ein Gedicht geschenkt, benannt „Die Aussicht“
So ziehen wir weiter zum „Alten Berggasthaus“. Die Aussicht von hier auf das Lausitzer Gebirge und das Lausitzer Bergland verspricht einiges, aber leider nicht heute. Kurze Rast und schon geht es weiter zum Schafberg, auf dem der Sendemast steht. Eingezäunt und völlig verwaist scheint das Grundstück. Braucht man in der modernen Kommunikationsgesellschaft dieses Scheusal noch, könnte man den Masten nicht einfach absägen?
Der Abstieg vom Schafberg durch den Herbstwald ist recht hübsch. Felsbrocken, die scheinbar Thor hierher geschleudert hat (siehe oben), erinnern an den Sagenreichtum, der sich mit dem Berg verbindet. Den Geldkeller zum Beispiel kann man nicht übersehen, denn sinnigerweise hat ein Mensch den Steinkoloss mit weißer Farbe beschriftet.
Am Fuß des Berges blinzelt zwar der Rotstein zu uns herüber, aber dem genialen Einfall einer Wanderfreundin geschuldet, wenden wir uns nun nach Norden hin und verbinden unsere Tour mit einem Besuch der Georgewitzer Skala. Das kleine felsige Tal, durch welches sich das Löbauer Wasser seinen Weg gesucht hat, ist ein landschaftliches Kleinod. Wir folgen dem Weg bis zur gemauerten Mühle. Kurz vor der Mühle steht ein Prachtbau in Wassernähe, die „Villa Hühnerglück“ (nebst Gartenhaus), wo einst einer der größten deutschen Revolutionäre der Neuzeit siedelte, ein Mann namens Jürgen Wagner, von Beruf Aussteiger und mit Eigennamen „Öff! Öff!“ versehen, zugewandert natürlich aus dem Westen, der den Ossis hier in der Oberlausitz einmal zeigen wollte, dass man auch ohne Arbeit ein erfülltes Leben leben kann. Als Vertreter der Spezies „Schenkerbewegung“ kommt man auch so ganz gut durch das Leben. Man wird beschenkt und vergilts durch Gegengeschenke, vorzugsweise in Form von Liebe. Eine Weile scheint er davon satt geworden zu sein, dann ist er weiter gezogen. Und ich glaube, keiner vermisst ihn. Trotzdem scheint das ganze einen unterschätzten Nährboden in Deutschland zu haben, denn die Wikipedia-Eintragung zu „Öff Öff“ sprengt schon fast den Rahmen des Vorstellungsvermögens, vergleicht man es einmal mit der Notierung des von mir geschätzten Schöngeistes Thomas Kapielski (den man nicht kennen muss), der so aufrüttelnde Bücher schrieb, wie „Sämtliche Gottesbeweise“ oder „Bestwerliner Tunkfurm“ (Taschenbuch, kostet derzeit bei Amazon 188 €). Der Mann hat wenigstens etwas geleistet!
Bevor ich mich verplaudere nun noch zum Ende unserer Tour: sie führt uns von der gemauerten Mühle auf dem direkten Weg zurück nach Löbau. Der Löbauer Berg liegt jetzt im schönsten Sonnenschein und goldig schimmert das Herbstlaub der Bäume auf seinen Hängen.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
2. Der Rotstein
Dem hufeisenförmig
gewachsene Bergmassiv aus Georgenberg, Hengstberg und Rotstein,
welches von den schönen Dörfern Sohland, Dolgowitz und Rosenbach
umgeben ist, würde ich in meiner Gunst den absoluten Vorrang vor
dem
Löbauer Berg einräumen. Die Gegend empfinde ich einfach als
gefälliger. Leider bestimmt das diesige Herbstwetter auch noch
eine
Woche nach der Wanderung zum Löbauer Berg das Geschehen. Schade,
aber die Erinnerung an einen klaren Wintertag, an dem wir vor ein
paar Jahren den Rotstein
bestiegen, versöhnt mich dann schon wieder. Von Sohland wenden wir
uns zunächst dem Georgenberg zu, unternehmen einen Abstecher zum
Gipfel, wo eine Tafel an eine längst verfallene Kapelle erinnert,
die einst hier stand. Nun verlassen wir den Berg in Richtung
Rosenbach, um in einer Schleife zurück zum Rotstein zu wandern,
den
wir dann selbstverständlich noch besteigen. Das Gasthaus hat
geschlossen, aber die
Begehung des Aussichtsturms wäre möglich, macht aber ebenso keinen
Sinn, da nicht einmal der nahe Löbauer Berg zu sehen ist. Zwei
Erlebnisse allerdings bleiben uns in bester Erinnerung. Als wir
den
Georgenberg in Richtung Rosenbach verlassen, bemerken wir - jetzt
im
November - am Hang eine blühende Blumenwiese, wir sehen
Ringelblumen, Vergissmeinnicht, Studentenblumen, Schmuckkörbchen
etc. Sie bringen richtig Farbe in die graue Landschaft.
Wunderschön!
Die zweite willkommene Überraschung sind die gesunden,
schmackhaften
Falläpfel, welche unter alten Apfelbäumen in Mengen herum
liegen. Einige Wanderfreunde füllen sich die Rucksäcke. Von Öff!
Öff! ist weit und breit nichts zu sehen. Das wäre normalerweise
ein
gesundes Fressen für ihn. Kurz, bevor wir in Sohland den Parkplatz
erreichen, bemerken wir auf den Feldern um den Ort herum eine
Pflanzenart, die wir bisher noch nie gesehen haben. Wie wir in
Erfahrung bringen konnten, handelt es sich dabei um Ramtillkraut
(Guizotia
abyssinica), ein Neophyt, der neuerdings in der
Landwirtschaft als Zwischenfrucht eingesetzt wird.
Der Landwirt kann sich darauf verlassen, dass diese Pflanze, die
aus südlichen Hemisphären kommt, im Winter abstirbt, so dass sie
als Gründüngung untergepflügt werden kann. Während ihrer
Vegetationszeit verdrängt sie andere Unkräuter. Hin und wieder
lernt man noch Neues auf den Wanderungen, wie man sieht.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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