Unweit von Münchengrätz, auf einem stehengebliebenen Sandsteinplateau, welcher im Tertiär mittig von einem Vulkan durchstoßen wurde (Mannstreu, Mannsberg - Mužský, 463 m hoch), befinden sich die Reste einer alten Felsenburg, die im Volksmund "Schergenstübchen" (Drábské světničky) genannt wird. Der Tschechische Name leitet sich vermutlich von dem altschechischen Wort drápat (aushauen, meißeln) ab. Der ursprüngliche Burgname ist nicht überliefert.
Es führt nur eine Straße, von Bosin (Boseň) kommend, auf das Plateau, welches größtenteils mit Obstplantagen bedeckt ist. Deshalb ist auch die schönste Zeit, diesen Ort zu besuchen, die Zeit der Kirschblüte. Die Straße endet an der Gaststätte "Schöne Aussicht", wo es auch eine Parkmöglichkeit gibt. Von dort führt ein Wanderweg immer entlang der Abbruchkante des Felsmassivs, über den man in einer knappen halben Stunde den Ort der alten Felsenburg erreicht. Eine weitere (kürzere, aber steile) Aufstiegsmöglichkeit ergibt sich aus dem Ort Dneboch (Dneboh) am Fuße des Burgfelsens. Schon beim Aufstieg können zwei (für Nicht-Kletterer unzugängliche) ausgehölte Felsen ausgemacht werden. Die Burg selbst ist nur zu den Öffnungszeiten zugänglich, denn die schmale, mit Treppen ausgehauene Stiege ist an ihrem Fuß durch eine Holzhütte verschlossen, die man nur nach Erwerb einer Eintrittskarte passieren kann. Oben spaltet sich der Hauptfelsen in vier kleinere Blöcke, die über Brücken erreichbar sind. Der aufmerksame Beobachter entdeckt im Sandstein überall ausgehauene Vertiefungen, die einst die Balken der damals umfangreichen Holzbauten stützten. Sie müssen einmal den gesamten Felsen eingenommen haben. In einem der Felsblöcke bemerkt man eine in den Felsen eingehauene Höhlung, die man "Grotte" genannt hat. Als man zu Ende des 18. Jahrhunderts begann, diese Felsenburg näher zu untersuchen, fand man hier Reste alter Waffen als auch einige Münzen, die aber - da jüngeren Ursprungs - von sogenannten "Raubgesindel" her stammen, die zwischenzeitlich die Felsenveste bewohnt hatten. Über die Zerstörung dieses Raubnestes hat sich eine Sage erhalten, die ich hier kurz nacherzählen möchte: Ein Mädchen aus der Umgebung war von den Räubern gefangen und auf ihre Veste gebracht worden, fand jedoch glücklicherweise Gelegenheit aus der Haft zu entkommen. Da damals die Gegend weit und breit mit Wald bedeckt und der Weg zu dem Felsenneste unbekannt war, so ließ die Entflohene den Faden eines Zwirnknäuels hinter sich um den Weg zu bezeichnen. Zu ihrer Heimat zurückgekehrt, forderte sie die gedrückten Bewohner zur Rache und zur Befreiung von ihren Bedrückern auf, und geführt von dem Faden der neuen Ariadne, zogen sie durch das Labyrinth der Felsen und des Urwaldes vor die Raubveste, belagerten und zerstörten sie.
Neben der "Grotte" wurden in dem Felsen (auch unterhalb der Veste) insgesamt 18 ausgehauene Räume entdeckt. Aus den in den Felsen gehauenen Falzen ließ sich die Größe und Lage von sieben Holzhäusern, mehreren Brücken und drei Wehrtürmen rekonstruieren. Außerdem konnte eine Höhlung als ehemalige Kapelle identifiziert werden. Der Raum, der erst nach dem ersten Weltkrieg entdeckt wurde, ist fast 7 Meter lang und 4 Meter breit. Er enthält steinerne Bänke sowie einen erhöhten Altarplatz mit den Anzeichen einer kleinen Kanzel. Es ist nicht klar, ob der Raum aus der Hussitenzeit stammt oder erst später angelegt wurde. Letzteres ist aber wahrscheinlicher, da viele Details auf eine katholische Kapelle hinweisen. Auf jeden Fall ist sicher, daß die Burganlage während des 30-jährigen Krieges für die Menschen der Umgebung als Zufluchtsort diente, um sich vor der kaiserlichen als auch schwedischen Soldateska zu schützen.
Sehr interessant und schön anzusehen sind die vielfältigen Verwitterungsformen des kreidezeitlichen Sandsteins...
An den mächtigen Felsentürmen kann man sehr oft Sandsteinkletterer bei ihrem Sport zuschauen...
Der Aufstieg von Dneboh aus ist kürzer aber anstrengender...
Aufgang zu der Felsenburg...
Auf dem Berg Mannstreu befindet sich ein Denkmal, welches an das Jahr 1866 erinnern soll ...
Über die Geschichte der Burg und nicht einmal über ihren ursprünglichen Namen ist Kunde erhalten geblieben. Teile davon waren wahrscheinlich schon im 12 Jahrhundert vorhanden, was sich anhand von Keramikresten vermuten läßt. Die eigentliche Burg ist aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erst im Zusammenhang mit den Hussitenkriegen angelegt worden (wahrscheinlich zwischen 1425 und 1430). Auf diese Weise konnten sie das strategisch wichtige Iser-Tal zwischen Turnau und Münchengrätz kontrollieren. Aber die Felsenveste bestand wahrscheinlich nur etwas mehr als ein Jahrzehnt, denn es gibt Hinweise darauf, daß sie bereits um 1434 wieder aufgegeben wurde. In diesem Jahr fand bekanntlich die berühmte Schlacht bei Lipan statt (siehe z.B. Gerhard Brendler "Prokop: hussitischer Ketzer oder Reformator?" Oberlausitzer Verlag 2010), die das Ende des Hussitenunwesens markierte. Später diente sie - wie bereits erwähnt - als Räuberhöhle sowie als Zufluchtsort in kriegerischen Zeiten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderst wurde sie dann touristisch erschlossen und schon allein wegen der herrlichen Aussicht gern besucht.
Aufnahme: Prof. M. Dopleb, Zittau
Und hier noch einmal ganz groß (Achtung: Eventuell lange Ladezeiten).
Aufnahme: Prof. M. Dopleb, Zittau
Und hier noch einmal ganz groß (Achtung: Eventuell lange Ladezeiten).
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Und hier noch ein Youtube-Video (in tschechisch) von einer Wanderung in dieser Gegend ... http://www.youtube.com/watch?v=XRdqewhHbr8
www.wincontact32.de
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