Naturwunder ...: Wandertour zum Rabenstein über die Biberklamm (Nordböhmen)

Dienstag, 7. Mai 2013

Wandertour zum Rabenstein über die Biberklamm (Nordböhmen)

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

"Nicht immer müssen es hohe Felskegel und Bergrücken sein, von denen man die herrlichen Landschaften Nordböhmens bewundernd überschauen kann ... viele Hügel erheben sich nur wenig über die benachbarten Flüsse und Teiche, aber sie zeichnen sich dennoch durch recht schöne Aussichten aus, welche die geringe Mühe des Ersteigens dem Naturfreunde mit überreicher Ergötzung lohnen. Das gilt vom Kahlenberge bei Leipa, vom Kirschberge bei Oberliebich, vom Tschepelberge bei Hirschberg, vom Schulberge bei Quitkau, vom Kreuzberge bei Schluckenau, vom Jütelsberge bei Königswalde und von vielen anderen Kuppen und Gipfeln des hügelreichen Nordböhmerlandes."

(Amand Paudler)

Ein ganz hervorragender Vertreter aus der Reihe dieser Erhebungen kommt jedoch bei Amand Paudler nicht vor. Es ist der Rabenstein (Havraní vrch) bei Groß Jober (Velká Javorská). An seinem Nordhang befand sich einst das ehemalige deutsche Dorf Rabenstein, welches seit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 verlassen ist. Die dem Verfall ausgesetzten Ruinen sind von Urwald überwuchert und befinden sich in einem Dornröschenschlaf. Um die verfallenen Höfe blühen jetzt im Frühjahr flächendeckend die Himmelschlüssel. Im Jahre 2002 berichtete die Sächsische Zeitung von einer Initiative, die dieses Dorf wieder auferstehen lassen wollte; es sollte als Freilichtmuseum rekonstruiert werden. Leider konnte dieses Projekt bislang noch nicht umgesetzt werden. Interessant ist der Gedanke allemal. Von drei Seiten wird der Ort von tiefer liegenden Wäldern umringt und gestattet daher einen faszinierenden Blick auf ungefähr 50 Gipfel in der mittleren und weiteren Umgebung, so Jeschken, Roll, Wilschtberg, Ronberg, Geltschberg, Kaltenberg, Rosenberg - um einige davon zu nennen. Der langgezogene Gipfel des Rabenstein ist ein genialer Platz für eine ausgiebige Rast auf unserer Wanderung, auch wenn der Aufenthalt dieses mal nicht durch die erhoffte Fernsicht gekrönt wird.

Die Tour zum Rabenstein lässt sich gut mit einer Wanderung durch die Biberklamm (Bobří soutěska) kombinieren. Der Biberbach entspringt bei Wernstadt (Verneřice). Im oberen Bereich der Klamm vereinigen sich zwei Bäche, die über Wasserfälle in den Klammkessel hinabstürzen. Von da bahnt sich der Bach seinen Weg durch den von Basaltwänden eingefassten Canyon. Der Weg durch die Klamm, der mal dies-, mal jenseits des Baches verläuft, hat eine Länge von knapp 4 km. Blühende Anemonen, Lerchensporn, Himmelschlüssel und Sumpfdotterblumen zeichnen freundliche Farben in die Klamm.

In Erwartung besseren Wetters besuchen wir vor Beginn der Wanderung die barocke Wallfahrtskirche von Oberpolitz (Horni Police) an der Polzen. Die Pfarrei Oberpolitz war die Wirkungsstätte des Wenzel Hocke alias Hockewanzel (verst. 1808), jenes schwejkhaften Erzdechanten, der weit über die Grenzen Nordböhmens hinaus bekannt war. Zahlreiche Geschichten sind über ihn niedergeschrieben, seine Person erfreut sich bis heute eines ehrenden Andenkens. In einer Laudatio auf Hockewanzel heißt es:

"Der Erzdechant war ein Mann der Güte und des väterlichen Wohlwollens gegen seine Untergebenen. Gerne half er den Unterdrückten und Armen und gar manche Lücke im Dezimationsregister zeigt, dass er ein Herz für die Notleidenden hatte ... Manche vergnügte Stunde hat er schon vielen von uns bereitet, heute danken wir's ihm. In seiner Schule lernt man wieder lachen und 'Lachen ist ein Glück, Ihr Brüder,' denn Homer läßt Götter lachen. Wie hat unsere Zeit das Lachen verlernt, wie notwendig braucht sie es!"

(aufgeschrieben 1908 anlässlich der Einweihung des Hockewanzel-Gedenksteins) - Wie zeitnah !