Von Zeit zu Zeit gelingt es der Sächsische Zeitung, Interesse für Wanderziele der besonderen Art zu wecken. z.B. am 04. Mai 2018 mit dem Artikel „Totenkopf – oder doch eher Brustwarze?“.
„Totenkopf? Gasmaske? Dorfbewohner Antonin Vorapek schüttelt verständnislos den Kopf. „Ufo habe ich schon gehört. Aber das wäre mir beim besten Willen nicht eingefallen“, sagt er zu den Spitznamen, die deutsche Medien dem neuen Aussichtsturm vor seiner Haustür in der Böhmischen Schweiz gegeben haben. „Das ist eine sehr scharfe Assoziationskette. Wir Tschechen sind da wohl anders veranlagt, eher sexistischer“, sagt er mit verschmitztem Lächeln. Denn bei ihnen heißt der Turm bei Ruzova (Rosendorf) im Volksmund schon lange „Brustwarze“ - und das nicht nur unter Männern.“
Was mich an diesem Beitrag irritierte war die Frage nach dem Sinn eines Aussichtsturmes auf dem Hutberg (Pastevní vrch) vor den Toren Rosendorfs, weil dieser unscheinbare Hügel auch ohne ein solches Bauwerk bereits eine begnadete Aussicht auf die umliegende Landschaft mit den Felsformationen der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, dem Lausitzer Gebirge und dem Böhmischen Mittelgebirge gewährt. Aber eines muss man dem Nachbarvolke lassen: wenn Fördermittel ausgerufen sind, dann haben sie ganz schnell einen Plan zur Hand, um diese auf schnellstem Wege flüssig zu machen. Und machen wir uns nichts vor, eine Verwendung derselben für solche Zwecke ist allemal gescheiter, als Kriegsspielzeug an die Außengrenzen der NATO zu verfrachten.
Nun also auf zu unserer Tour in die Dürrkamnitzschlucht (údolí Suché Kamenice). Vom Ortskern Rosendorf ist es nicht weit zum Hutberg, auf dem zu früheren Zeiten bereits ein Gasthaus in aussichtsreicher Lage stand, welches nach dem Krieg verschwand. Durch eine Gasse zwischen Koppeln geht es hinauf zum Gipfel und damit direkt zu dem merkwürdigen Bauwerk, in welchem sich eine Aussichtsplattform verbergen soll. Man kann es sehen, wie man will, aber die Aussicht von der umhüllten Plattform ist begnadet. Auch die verspielten geografischen Orientierungshilfen empfand ich als gelungen. Noch ist der Turm neu und so wäre es zu wünschen, dass auch künftig die Mittel zur Verfügung stehen mögen, um diese „Warze“ in ihrem Zustand zu erhalten.
Der weitere Weg führt uns durch eine schöne Weidelandschaft, die sich zwischen Rosendorf, Jonsdorf (Janov) und Kamnitzleiten (Kamenická Stráň) erstreckt, eine wahre Parklandschaft mit viel Gesträuch und Baumgruppen. Beim Abstieg hinab zu dieser Hochebene durchqueren wir den Standort des ehemaligen Weilers Neudörfel, einer von ca. 1.300 Orten, die nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung von der Landkarte verschwunden sind. Ein wenig unwohl ist es uns, weil wir neben dem Pfad recht frische Dungspuren von Rindern finden. Von den Tieren ist aber weit und breit nichts zu sehen. Erst aus größerer Distanz nehmen wir wahr, dass eine Herde kräftiger Mastrinder auf dem Gelände des früheren Neudörfel herab kommt. So können wir getrost unsere Schritte gen Jonsdorf lenken, wo ein weiterer Aussichtsturm mit prächtiger Rundsicht zum Besuch einlädt. Das Dorf ist reich an Gaststätten, so dass die Chance für eine Labung sehr aussichtsreich ist.
Von Jonsdof geht es nun weiter zur Dürrkamnitzschlucht. Unser Weg dahin ist ziemlich abenteuerlich und Wanderern mit schwachen Nerven nicht unbedingt empfohlen. Wir hatten nämlich auf einen Pfad vertraut, der durch die Schlucht des Janovský potok führt. Leider ist dieser Weg stellenweise so verwachsen und an entscheidender Stelle verschüttet, dass man seinen Verlauf nicht mehr zuverlässig erkennen kann. So verpassten wir den Abstieg zum Bachgrund, kämpften uns durch vertrocknetes Unterholz und mussten zuletzt halsbrecherisch durch die Felsen absteigen. Auch die letzte Strecke bis hin zur Dürrkamnitzschlucht war kein Vergnügen, denn der am Bachlauf vermutete Weg ist weitestgehend verschwunden. Zudem versperren zahlreiche moosgrüne Felsbrocken den Weg, die im Laufe der Jahre ins Bachbett gestürzt sind. Die Kraxelei da hindurch kostet Energie, so dass der Aufstieg durch die Dürrkamnitzschlucht bis nach Arnsdorf (Arnoltice) uns ziemlich anstrengend vorkam. Das ändert nichts daran, dass wir die reich mit Felsen besetzte Schlucht gern durchwandern.
Glücklicherweise hatte das 'Arnoltický hostinec' in Arnsdorf geöffnet, so dass nach der Aufnahme einer individuell angepassten Dosis Wanderdiesel sich die nötige Motivation für den Rückweg nach Rosendorf alsbald wiederfand.
Die GPS-Daten für diese Tour findet man hier.
Die Brustwarze auf dem
Hutberg
Hier befand sich das
alte Gasthaus 'Hubertusbaude'auf dem Hutberg
Blick zum Rosenberg
Blick zu den Felswänden
am Gabrielensteig
In der
Parklandschaft zwischen Rosendorf und Kamnitzleiten
Der Zirkelstein im
Elbsandsteingebirge
Unwegsames Gelände am
Janovský potok
Hinauf nach Arnsdorf
durch die Dürrkamnitzschlucht
Die Kirche Mariä
Himmelfahrt wurde 1906 durch einen Brand zerstört und 1959
wieder hergestellt
Kirche in Rosendorf
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