Die Erstbegehung des Kleinen Schöber (Malý Stožec) liegt nun schon eine ganze Weile zurück. Von diesem Berg war ich seiner begnadeten Aussicht wegen so fasziniert, dass ich diese nun endlich auch einmal bei schönem Wetter erleben wollte. Alle bisherigen Versuche waren diesbezüglich fehlgeschlagen. Nach langen nebligen Herbsttagen stellt sich plötzlich ein Bombenwetter (gelegentlich auch als Terroristenwetter bezeichnet) ein und schon kann es losgehen.
Wir beginnen die Wanderung an der Bahnstation Klein Semmering (Malý Semerink), die mitten im Wald auf dem Weg zwischen Ober Kreibitz (Chřibská) und dem Tannenberg (Jedlová) gelegen ist. Unmittelbar nach der Eröffnung der Bahnstrecke der böhmischen Nordbahn erwarb der Schönfelder Industrielle Tschinkel hier ein Waldgrundstück und errichtete eine Restauration mit zwei Veranden nebst Stallungen, Zierpark, Musikpavillon, Wasserleitung … und einen nahezu 11 ha großen Tiergarten. Die Einrichtung wurde sukzessive erweitert und nahm im Laufe der Zeit die Gestalt einer Kureinrichtung an.
„Gegenwärtig gehört der Kurort den Erben nach Ernst Seibt, welcher ihn 1904 käuflich erwarb. Infolge mannigfacher Verbesserungen u. Erweiterungen schwang sich die bisherige Sommerfrische Kleinsemmering zu einem trefflich geleiteten klimat. Kurort empor. Gegenwärtig stehen mit Hinzuziehung der Waldhäuser ..Emilienruh“ u. ,,Johannesruh“ 30 heizbare Fremdenzimmer zur Verfügung mit Mietpreisen von 6 bis 30 K die Woche: Leihbibliothek, Konzertsaal, Briefsammelkasten u. dgl. sind vorhanden. Der auf einer nach SO. abfallenden Lehne sich hinziehende Naturpark bietet mit seinen Waldpromenaden, Felspartienen, Quellen u.s.w. größtmögliche Zerstreuung: für Terrain-, Drink- u. Molkekuren sind die erforderlichen Vorkehrungen getroffen.“ (*)
Der Kleine Schöber liegt westlich des Tannenberges. Von oben besehen erscheint er wie ein Bergzwerg, der es aber in sich hat. Es handelt sich um eine freistehende Phonolithkuppe, umgeben von einer bergumfassenden Blocksteinhalde. An seiner südlichen Flanke führt ein Pfad an steilen, zum Teil überhängenden Felswänden zum Gipfel empor. Der Kleine Schöber
„... ist auf der Südseite bequem zu ersteigen, hängt mit dem Tannenberge ö. durch einen bewaldeten Rücken zusammen u. besteht, wie jene beiden, aus Klingstein. Die bes. auf der Nordseite wild sich häufenden Blöcke, die bis an den Bahnkörper herab liegen, wirken geradezu großartig; auf dem Gipfel stehen sie unregelmäßig an u. erscheinen von weitem wie ein liegendes Gesicht, weshalb der Berg auch „Gesichtsberg“ o. „Riesenkopf“ genannt wird. Vom höchsten Punkte, der Nasenspitze, durchblickt man w., wo der Königstein den Horizont abschließt, das ganze Kreibitzbachthal in seiner Talrichtung.“ (*Franz Hantschel)
Wir nähern uns dem Berg von Westen. Dort, wo das Felsmassiv an den Weg stößt, hauste nach der Legende der Räuber Fridolin Rauch recht unkomfortabel in einer kleinen Höhle (Rauchfriedels Kammer/Komora). Knapp davon entfernt verlassen wir den Weg, streifen ein Stück aufwärts durch den Wald und treffen dort auf einen alten Pfad (mit der GPS-Technik ist das ein Leichtes), der an den Einstieg zum Berg heranführt. Da, wo wir nun das Gipfelplateau betreten, befindet sich in einer kleinen Mulde ein lauschiger Lagerplatz. Ein Stück oberhalb davon bietet sich vom Gipfel des Kleinen Schöber ein überwältigender Rundblick, besonders schön zu den westlichen Gipfeln des Lausitzer Gebirges (Kaltenberg/Studenec, Goldberg/Zlaty vrch), zum Böhmischen Niederland (Šluknovský výběžek) und vor allem über das Kreibitzer Tal zum Rosenberg (Růžovský vrch) in der Böhmisch-Sächsischen Schweiz.
Kaum auffallend zeigt sich südöstlich der Große Eibenberg (Velká Tisová). In unserem Bestreben, jeden Gipfel des heimatlichen Lausitzer Gebirges einmal zu begehen, wenden wir uns ohne besondere Erwartung diesem Berge zu. Die Wege zum Gipfel künden nicht gerade von reger Begängnis. Aber dann, begünstigt durch die heutige Fernsicht, erwartet uns ein Schauspiel der Extraklasse. Vom Gipfel des Großen Eibenberges streicht eine Geröllhalde auf breiter Front zu Tal. Darüber breitet sich ein phantastisches Bergpanorama aus, welches zunächst durch Tannenberg, Tollenstein (Tolštejn) und Finkenkoppe (Pěnkavčí vrch) beherrscht wird, in weiterer Entfernung zeigen sich Hochwald und Jeschken (Ještěd). Die Kämme aber, welche dahinter aufragen, gehören dem Riesengebirge. Reifträger (Szrenica), Schneegrubenbaude (Schronisko Nad Śnieżnymi Kotłami) und Hohes Rad (Wielki Szyszak) können mit dem Fernglas ganz klar ausgemacht werden, selbst die Burgruine Trosky ist überraschend zu erspähen. Die Wanderfreunde lassen sich nieder, verweilen und erfreuen sich an diesem fast perfekten Momentum.
Nachdem gerade die Uhren auf Winterzeit umgestellt wurden, ist die voranschreitende Zeit zu beachten. Mit schleunigem Schritt verlassen wir den Berg und erreichen bald Schönfeld, ein Dorfidyll oberhalb von Kreibitz. Von den Hanglagen an der Juliushöhe bietet sich noch einmal ein hübscher Blick über das Kreibitzer Tal, welches sich im warmen Licht der schon tief stehenden Sonne in den schönsten Herbstfarben darstellt. Wir blicken zum Irichtberg (Spravedlnost), der bereits den Übergang zur Böhmischen Schweiz markiert, während sich in unserem Rücken der Tannenberg und der Kleine Schöber zeigen, dessen „Gesicht“ nun deutlich zu erkennen ist.
Es ist kaum zu glauben, dass die Sommerfrische Schönfeld, die 1709 auf Oberkreibitzer Fluren gegründet wurde, früher ein prosperierender Industriestandort war. Angesiedelt waren hier Mühlbetrieb, Glasschleiferei, Zwirnfabrik, Zichorienfabrikation, Schokoladenfabrik sowie Strick- und Häkelgarnfabrik.
Ein schöner Waldweg führt direkt aus Ober Kreibitz hinauf nach Klein Semmering. Die Kuranstalt ging mit Ende des Zweiten Weltkrieg unter, aber eine Pension mit angeschlossener Gaststätte wird auf dem Gelände immer noch betrieben.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
Herbststimmung um den Kleinen Schöber
Am Gipfel des Kleinen Schöber
Der Tannenberg
Prächtige Sicht vom Großen Eibenberg
Die Blockhalde am Großen Eibenberg
Der Plissenberg (Plešivec)
Blick über das Kreibitzer Tal
Hier sieht man, warum man den Kleinen Schöber auch
Gesichtsberg nennt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen