Ein wunderschöner Herbsttag erinnert uns an eine Isergebirgstour, die genau vor einem Jahr stattfand. Die goldige Herbststimmung ist der richtige Anlass, diese Gefilde erneut heimzusuchen. Wir rücken nur ein Stück weiter nach Osten am Steilgehänge des nördlichen Isergebirges.
Die Kirche in Oberweißbach (Bílý potók) ist Ausgangspunkt für unsere Wanderung. Über der Ortslage zeigen sich schon im Morgenlicht die mächtigen Felsformationen, welche vom Rand des Massivs herab stürzen. Im Tal des Schwarzbaches (Černý potok) geht es zunächst allmählich, später stramm nach oben. Da der Bach nach den Regentagen in der letzten Zeit wieder mehr Wasser führt, nutzen wir die Gelegenheit, dem Schwarzbachfall einen Besuch abzustatten.
„Der Schwarzbach, ein Zufluß der Wittig, entspringt am Scharchen (906 Meter) und tost aus der wilden Thalschlucht des Mittagsteines (1006 Meter) herab. Ein schöner Waldweg führt von Weißbach empor. Wir klimmen am rechten Ufer des schäumenden Wildbaches zwischen Felsblöcken, Fichten, Buchen und Farrenkräutern bis zu einer Stelle empor, an welcher die Felsen das Thal zu verschließen scheinen. Kaum scheint es möglich, zur Linken weiter in die Höhe zu gelangen. Feuchte, kühle Luft umfängt uns, bald macht sich ein feiner Sprühregen bemerkbar und das Tosen des Wasserfalles kommt immer näher. Oben angekommen, erblicken wir endlich den schäumenden Schwarzbachfall. Das Wasser desselben stürzt über eine geneigte Felsplatte und dann über Felsen herab, theilt sich in zwei Hauptarme, während zu gleicher Zeit ein dritter Wasserstrahl aus der dunklen Höhle eines überhängenden Felsens herunterkommt; über große Felsblöcke springend, bildet der Bach sodann thalwärts noch zahlreiche Cascaden. Nach lange anhaltendem Regen, namentlich jedoch im Frühjahre beim Schmelzen des Schnees wird der Wasserfall imposant, im Sommer jedoch ist er von geringerer Bedeutung. Doch ist die prächtige Schwarzbachschlucht zu jeder Zeit sehenswert.“ (Prof. Hübler, Jahrbuch des Dt. Gebirgsvereines für das Jeschken- und Isergebirge, 1892)
Über den Zickelsteig geht es hinauf zu den Mittagssteinen. Die Abzweigung zur Hainskirche (Hajni kostel) lassen wir heute links liegen, aber der Austritt zur Friedländer Zinne (Frýdlantské cimbuří) ist geradezu ein Pflichtprogramm. Über die Gesteinsmassen erhebt sich ein mit einem Kreuz bekrönter, erschlossener Aussichtsfels. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn der Böhmische Wind fegt heute dermaßen über die Zinnen, dass die Begehung nicht ganz ungefährlich ist. Es wäre nicht der erste tragische Unfall, der sich hier ereignet.
„Von der Friedländer Zinne tödlich abgestürzt. Am gestrigen Sonntag unternahmen einige Neustädter einen Ausflug in die nahen Iserberge. U. a. bestiegen sie auch die Friedländer Zinne, eine Gruppe der Mittagsteine. Hierbei stürzte der 37 Jahre alte verheiratete kommunistische Sekretär Paul Hölzel aus Neustadt a. T. Nr. 418 ab, und sauste etwa 20 Meter in die Tiefe. Hölzel blieb mit zertrümmertem Schädel tot liegen. Sein Leichnam wurde in die Leichenhalle des Weißbacher Friedhofes überführt.“ (Gablonzer Tagblatt, 02.10.1933)
Immer noch befinden wir uns im Anstieg zu den Mittagssteinen. Von einem Fotografen habe ich einmal gelernt, dass man bei einer Wanderung nicht vergessen soll, hin und wieder zurückzublicken. Dieser Rat ist heute besonders wertvoll, denn im weiteren Anstieg entrollt sich ein wunderbares Panorama, nächst das herbstliche Schwarzbachtal, dahinter das schroffe Gefälle der nördlichen Iserberge. Die Vegetation ist hier spärlich und hat sich dem rauen Klima am hohen Kamm des Gebirges angepasst.
Der weitere Weg zum Wittighaus (Smědava) und folgend zum Käuligen Berg (Klínový vrch) führt uns über weniger Aufsehen erregende Wegabschnitte, sieht man einmal vom Moor an der Wolfswiese (Vlčí louka) am Wittigberg (Smědavská hora) ab.
Die Lehne des Käuligen Berges wird von einer Galerie aus Granitgestein gesäumt, aus welcher der begehbare Felsgipfel Paličník sich erkennbar absetzt, der im deutschen Sprachgebrauch ebenso als Käuliger Berg durchgeht.
„Der Granitfelsen, gegen die Thalseite wohl 50 m, auf der entgegengesetzten 30 m hoch, besteht aus drei Theilen: zwischen dem 1. und mittleren Felsen ist eine größere Öffnung, „das Thor". Der r. liegende Felsen wird auf einer Holztreppe erstiegen [heute aus Eisen]. Im Winter ist der obere Theil vereist. Steigeisen angezeigt. Oben befindet sich ein vom D. R.-G.-V. hergestelltes Eisenge1änder sowie ein Holzkreuz mit Fahne. Der Felsen weist mehrere sitzartige Muldenbildungen auf. Beim Kreuz, 3 m hoch, ist im Felsen ein trigonometrisches Zeichen eingehauen. Die Aussicht vom Käuligen Berge ist entzückend, sie gehört zu den schönsten und eigenartigsten des lsergebirges und reicht vom Riesengebirge bis in die Görlitzer Gegend. Die Felsenhöhe gewährt insbesondere die schönste und beste Gesamtansicht des Wittigthales.“ (Prof. Hübler, „Führer durch das Jeschken- und Isergebirge, Theile des Lausitzer und Mittelgebirges, durch Reichenberg und Umgebung“)
Die Sonnenstrahlen des späten Nachmittags verwandeln die Lehne des Käuligen Berges in ein goldenes Blättermeer. Vom Felsgipfel halten wir umfassende Ausschau und genießen die romantische Herbststimmung.
Bleibt uns noch der Abstieg nach Oberweißbach durch das ebenso herbstliche Tal des Hegebaches (Hájený potok), welches mit seinen Gumpen merklich lieblicher ist, als die bekannteren wilden Täler des Schwarzbach und der Stolpichbäche.
Den GPS-Track zu dieser Tour findet man hier.
Morgenstimmung in Oberweißbach
Im Tal des wilden Schwarzbach
An der Hainskirche
Gebieterisch erhebt sich die Felswand "Nase" (Nos) aus dem
Tal des Schwarzbach
An der Friedländer Zinne
Weiter geht es hinauf zu den Mittagssteinen
Das Wittighaus einmal im Herbst gesehen. Meistens
beginnen hier unsere Skitouren.
Auf dem Käuligen Berg
Das Weißbacher Köpfl (Palička)
Im Hegebachtal
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