Der Kampf für Recht und Freiheit hat in Zittau eine gute Tradition. Ich denke insbesondere an die mächtigen Demonstrationen, die im November 1989 hier stattfanden. Höhepunkt war sicher der Vortrag von Manfred Stolpe in der Johanniskirche, den er anlässlich des 200-jährigen Jahrestages der französischen Revolution halten sollte. Die politische Entwicklung war aber soweit fortgeschritten, dass sich ein Bezug auf die damaligen Verhältnisse unschwer herstellen ließ. Wer Stolpes Rede damals gehört hat, dem läuft es gewiss bis heute noch heiß und kalt über den Rücken.
„In Zittau, einer Kreisstadt im Dreiländereck, in der sich eine Offiziersschule der NVA befindet, nehmen 20.000 Menschen an einer Veranstaltung des Neuen Forums teil. Da sich die Johanniskirche, die als Versammlungsort ausgewählt worden war, als zu klein erwies, um diesen Ansturm zu fassen, weicht man erst auf andere Kirchen aus. Als das auch nicht reicht, genehmigt der Rat der Stadt kurzfristig eine Lautsprecherübertragung der Veranstaltung auf die Straße.“ (Vera Lengsfeld, "1989 – Tagebuch der friedlichen Revolution")
Ob nun damals tatsächlich 20.000 Bürger an der Demonstration teilnahmen, ist schwerlich zu rekonstruieren, jedenfalls waren die gesamte Innenstadt und die Kirchen mit Menschen prall gefüllt und ein erhebendes Gefühl erfüllte die Menschen. 1989 gingen sie auf die Straße und niemand wurde gefragt deswegen, heute ist die Demonstration anzumelden und im konkreten Falle wurde 15 Personen das Recht zur Meinungsäußerung eingeräumt. Niemand hat wohl erwartet, dass sich das Volk im Jahre 2020 so zahlreich wie 1989 versammeln würde, aber ein Anfang ist immerhin gemacht. Das Motto der genehmigten Demonstration am 25.04.2020 ist kurz und bündig formuliert
Wie nicht anders zu erwarten, war es ein freundliches Miteinander und Ansagen erübrigten sich, das betrifft, nebenbei gesagt, auch die Polizei, die sich im Hintergrund hielt.
Leider steht das, was sich derzeit unter dem Vorwand der Corona-Pamdemie abspielt, in keiner Weise in Übereinstimmung mit den Vorstellungen, welche die Menschen der Oberlausitz und der übrigen DDR von einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hatten, wofür sie letztendlich damals stritten. Und es ist ihr gutes Recht, nötigenfalls dafür wieder auf die Straße zu gehen. Es sei an dieser Stelle an ein Wort des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker erinnert, in dem es heißt:
„Der Artikel 1 unseres Grundgesetzes mit dem verbrieften Schutz der Menschenwürde ist schutzfähig. Aber mit einem Satz in der Verfassung ist es nicht getan. Sondern jeder von uns muss selbst dazu beitragen, ihn durch Wachsamkeit, durch Zivilcourage und Solidarität zu verwirklichen.“
Das Aufbringen von Wachsamkeit, Zivilcourage und Solidarität gilt auch für den Schutz aller anderen Artikel des Grundgesetzes. Zur Erinnerung an die Veranstaltung noch ein paar Bilder.
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