Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Blicke ich auf eine großflächige Karte, auf der alle meine Wandertouren eingetragen sind, so fällt ein ziemlich großer weißer Flecken auf. Das ist die Gegend um den Tanzplan (Tanečnice) im Schluckenauer Zipfel. Das Loch ist zu stopfen.
Bei einer früheren Tour durch das Böhmische Niederland war uns aufgefallen, dass das industrielle Erbe aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie noch ziemlich desolat in der Gegend herum steht. Daran hat sich nicht all zu viel geändert, wie wir mancherorts feststellen müssen.
Die PKW stellen wir an einem total verfallenen Firmengebäude in Franzthal (Dolina) ab, welches noch inmitten der Natur herum steht. Normalerweise wollen wir an dieser Stelle sofort mit dem Aufstieg zum Tanzplan beginnen. Lästiger Regen fällt aber vom Himmel, so dass wir vagen Witterungsprognosen, sogenannten Wetter-Apps trauen und die Tour in der Hoffnung auf Besserung einfach umdrehen. Allerdings hören wir auch, dass sich die Prognosen der Apps stündlich ändern können. Was soll‘s? So wandern wir zunächst gen Karolinsthal (Karlin) und weiter Richtung Hainspach (Lipova). Für die Aussichten, die sich stellenweise über das wellige, dünn besiedelte Hügelland bieten, haben wir kaum ein Auge, da es noch eine ganze Weile feucht vom Himmel fällt, wenn auch nachlassend. Natürlich scheint die Sonne, als wir nun endlich den Gasthof „Vinarna pod lipou“ erreicht haben. Deswegen flüchten wir in die Gaststätte. Der Aufenthalt zieht sich zudem noch etwas in die Länge, weil der Wirt ein sehr geselliger Mensch ist und für Kurzweil sorgt. Am Ende erzählt er mir noch einen Witz: „ Treffen sich ein Corona- und ein Influenza-Virus. Fragt das Influenza-Virus, wieso dem Corona-Virus so viel Aufmerksamkeit zuteil wird. Sagt das Corona-Virus, es habe eben das bessere Marketing.“ So viel zwischendurch zu diesem Thema.
Wir machen uns nun auf den Weg nach Nixdorf (Mikulášovice), um von dort den Aufstieg zum Tanzplan in Angriff zu nehmen. Der Tanzplan war bereits Gottlieb Korschelt ein Kapitel wert („Zittau und Umgebung und das Sächsisch-Böhmische Grenzgebirge“, 1894). Lassen wir ihn einfach zu Wort kommen:
„Die Partie auf den 599 m hohen Tanzplan ist eine der lohnendsten Ausflüge in das Gebiet des sächsisch-böhmischen Grenzgebirges. Da neuerdings eine Fahrstraße auf den Berg führt, so kann man zu Wagen bis vor den Turm gelangen. Die Entfernung von Nixdorf aus beträgt ³/4 Stunden. Der Weg im Walde ist übrigens gut markiert. Der Tanzplan befindet sich auf dem höchsten Punkte des Thomaswaldes und ist eine kleine, von hochstämmigen Nadelbäumen umsäumte Waldblöße, auf welcher der Gebirgsverein Nixdorf mit großem Kostenaufwande Turm und Wegeanlagen geschaffen hat. Neben dem Turme ist die gute Sommerrestauration, welche auch Nachtlager gewährt. Sie ist kürzlich um den Preis von 44144 Gulden in den Besitz des Gebirgsvereins übergegangen. Der Turm ist ein Holzbau von 7 Stockwerken. Der Ausblick von ihm bietet eine herrliche Rundsicht.“
An dieser Stelle ist anzumerken, dass der mehrfach durch Sturm zerstörte hölzerne Turm 1904 durch einen 26 m hohen Ziegelbau ersetzt wurde. Von ihm genießt man eine wahrlich prächtige Rundsicht. Die alte Bergwirtschaft brannte 1946 ab und wurde ebenfalls neu errichtet. Die Baude war bereits geschlossen, aber den Turm konnten wir besteigen. Nach dem Regen des heutigen Tages hat sich eine Inversionswetterlage eingestellt, so dass wir uns ausgiebig der großartigen Aussicht hingeben können, die von Korschelt leidenschaftlich beschrieben wird. Wir möchten uns an dieser Stelle auf die beiden Blickrichtungen beschränken, die uns am besten gefallen haben:
„Besonders prächtig ist der Anblick der im Westen und Südwesten gelegenen Sächsischen Schweiz., die sich in all ihrer Großartigkeit und eigenartigen Formenschönheit vor unseren staunenden Augen aufbaut. Und gerade hier mit ihren Kuppen und Felszinken uns in unmittelbare Nähe gerückt hat. Gleichsam kulissenartig erscheinen die langen Züge der Berg- und Felswände hintereinander gestellt, dazwischen gähnen dunkle Schluchten, und darüber erheben sich die bekannten Höhen : ...“
Den nördlichen und östlichen Horizont möge der geneigte Leser sich selbst erarbeiten, aber hier noch ein Wort zur fehlenden südlichen Hemisphäre:
„Zwischen dem Tannenberge und der südlichen Sächsischen Schweiz breitet sich im Südosten und Süden eine mächtige Gebirgswelt aus, welche mit ihren Kuppen, Felswänden und dem dunklen Waldschmucke ein eigenartig fesselndes Bild darbietet. Von den zahlreichen Berghöhen rechts vom Tannenberg mögen nur als besonders hervorragend genannt sein: die stumpfe Spitze des Kleis, der Kalteberg und Rosenberg mit ihren Türmen. Bei hellem Wetter sind über diese Bergwelt hinaus zwischen den Winterbergen der Geltsch bei Auscha und der Milleschauer sichtbar.“
Das alles konnten wir bei der nun verbesserten Wetterlage mit unseren Augen erschauen. Den zuweilen sehr steilen Abstieg vollziehen wir in ziemlich direkter Linie zum Ausgangspunkt in Franzthal. Dabei ist ein schmaler Korridor deutschen Bodens zu durchschreiten. Beim Wiedereintritt ins Böhmische erreichen wir unmittelbar die abgestellten PKW.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
Industrieruine
Landschaft bei Obereinsiedel
Der Ort Hainspach ist von Teichen bzw. gefluteten
Hinterlassenschaften des Mineralstoffabbaus umgeben
Corona-Aufpasser
Die lobenswerte "Vinárna pod Lípou"
Landschaft um Nixdorf (Mikulášovice)
Auf dem Tanzplan
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen