Mittwoch, 15. September 2021

Wanderung um das Johannesberger Tal

 Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Die Südseite des Isergebirges gehört zu den von mir bisher weniger frequentierten Gebieten. Landschaftlich sind die Vorberge durchaus schön, aber ziemlich zersiedelt und durch die Eingriffe des Wintersportes hat ihre Ursprünglichkeit doch ziemlich gelitten. Denken wir uns das alles einmal weg. Wir beginnen mit unserer Wanderung im Ortszentrum von Johannesberg (Janov nad Nisou).

Johannesberg liegt in den Vorbergen des Isergebirges. Die bedeutendste Erhebung ist der Johannesberger Kamm, dessen westlichster Anfangspunkt die „Königshöhe" (858 m) und dessen östlicher Endpunkt der „Seibthübel" (819 m) ist. Südwestlich stuft sich der Kamm ab in nachbenannte Koppen: Nickelkoppe (808 m), Tischerkoppe (706 m), Mittelberg (731 m) und Wolfsberg oder Wolfshübel (580 m). … Der Abhang des Johannesberger Kammes, über welchen der Weg von Ober- nach Unter -Johannesberg führt, heisst Richterberg. mmtliche Höhen sind mit Fichtenwaldung, durchsetzt voll Birken und Buchen, bedeckt und bewirken, dass .Johannesberg zu den landschaftlich schönsten Ortschaften des Bezirkes gehört. Gegenüber der Kirche, wohl schon im Reichenberger Bezirke, auf steiler Anhöhe, erhebt sich inmitten herrlicher Waldung der ruinenähnliche Tirnsfelsen. Derselbe ist durch Stufen zunglich und auf seinem Gipfel mit einem hölzernen Kreuze versehen. Unweit des Felsens ist eine Wallfahrtsstation.“ (Der politische Bezirk Gablonz, Eine Heimatkunde für Schule und Haus, 1895)

Zunächst geht es hinter der Kirche steil hinauf nach Groß Semmering und Ober Maxdorf, wo ein restaurierter Kreuzweg mit 15 Granitsäulen weiter steil bergan zum Seibthübel (Slovanka) führt. Im Januar 1887 beschloss der Deutsche Gebirgsverein für das Jeschken- und Isergebirge den Bau eines Aussichtsturmes auf dem Seibthübel.

„Im nächsten Jahre schritt der Verein bereits an die Ausführung eines größeren Werkes. Er ließ auf dem 819 Meter hohen Seibthübel den 14 Meter hohen Aussichtsturm errichten, den ersten eisernen Turm in ganz Böhmen. Er wog über 5400 Kilogramm und die Gesamtkosten der Herstellung beliefen sich auf 6568 K, wozu die Ortsgruppen Johannesberg, Oberes Kamnitzthal und Gablonz die Hälfte aufbrachten. Der Tag der Einweihung, der 14. August, war gleichzeitig ein großes Volksfest, an dem über 5000 Menschen teilnahmen.“ (Jahrbuch des Dt. Gebirgsvereines für das Jeschken- und Isergebirge, 1910)

Der Aussichtsturm wurde im Jahr 2000 repariert und befindet sich in einem guten Zustand. Die Aussicht am heutigen Tage ist nicht berauschend, aber immerhin kann man den Hohen, Mittleren und Welschen Iserkamm ausmachen. Die beistehende Baude scheint in Betrieb zu sein, hatte aber in der Woche geschlossen. Wir wandern nun über den Johannesberger Kamm in Richtung Königshöhe (Královka). Auf den weitläufigen Wiesen verteilen sich vereinzelte Anwesen, auffällig die neue, sich geschmackvoll präsentierende Tesanka Baude (Website). Bei näherem Hinsehen erfährt man, dass sich der ehemalige tschechische Biathlet Roman Dostal diese Herberge gegönnt hat. Von irgend etwas muss er ja auch leben (das ist nicht despektierlich gemeint, aber erstaunlich ist es schon, was eine Goldmedaille bei einer Weltmeisterschaft einbringen kann [2005 Gold im Einzel über 20 km]). Eigentlich hätte man hier einkehren können, aber unser vorher besprochenes Ziel ist die Prezidentka Chata (Website), das frühere Naturfreundehaus. Es ist eine klasse Baude unterhalb der Königshöhe. Das Naturfreundehaus wurde 1929 eröffnet und hatte zunächst eine Kapazität von 44 Betten. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde es von den Nazis konfisziert und erst 52 Jahre später wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie diente bis dahin dem Staatspräsidenten als Gästehaus. In dieser Zeit war die Baude nicht einmal auf den Touristenkarten eingetragen und die Straßen dahin waren abgesperrt. Nach einem Eigentümerwechsel, Privatisierung und gründlicher Renovierung konnte die Baude 2012 in ihrer jetzigen Erscheinung und mit erweiterter Kapazität wieder eröffnen.

Auf Sichtweite residiert auf der Königshöhe eine weitere Baude (Website) mit Turm. Gegenwärtig gleicht das Terrain noch einer Baustelle, denn die Baude wurde bonfortinös in ein „Wellness-Berghotel“ umgebaut. Es ist wohl eher ein Anlageobjekt, bei dem Geld kein Rolle zu spielen scheint. Als Naturfreund würde man die Prezidenstska Chata bevorzugen. Turmbesteigung lohnt heute nicht, weil nach wie vor Dunst auf der Landschaft liegt, aber ansonsten kann man eine vortreffliche Aussicht erwarten. Die Königshöhe gehört auch zur Gemarkung Johannesberg.

Der höchste Punkt des Gebietes, die Köngshöhe (858 m), gewährt einerseits Ausblick über die hochentwickelte Industriegegend, wo sich stundenweit ohne Abgrenzung in blühenden Tälern wohlhabende Ortschaften reihen, auf den Bergkoppen die leuchtenden Buchen den Nadelwald lieblich durchsehen, Fabriksschlote ragen und eine fleißige, aber lebensfrohe Bevölkerung reichen Erwerb findet; andererseits über das dunkle Waldmeer, das sich von Berg zu Berg ununterbrochen immer weiter und höher dehnt, bis das Grün der Fichten in ein feines Blau übergeht, woher die Berge der Lausitz aus dem Nebel des Westens blicken und das Riesengebirge in massiger Entfaltung von Osten herübergrüßt, während der Jeschken in majestätischer Schönheit das Bild beherrscht. Darf es da wundernehmen, wenn die Touristik der letzten Jahrzehnte die Königshöhe mit zu ihren Zielen wählte, so daß sie jetzt einer der beliebtesten Ausflugspunkte der Reichenberger und Gablonzer bildet, daß die Einheimischen sie in ihren Mußestunden gern besuchen und jeder Fremde auf dieselbe aufmerksam gemacht wird?“ (Jahrbuch des Dt. Gebirgsvereines für das Jeschken- und Isergebirge, 1908)

Weiter wandern wir nach Friedrichswald (Bedřichov), „reizend im Thale zwischen Weberberg und Königshöhe wie ein Alpendorf gelegen“ (Franz Hübler), welches durch die Verwandlung in einen Wintersportort seinen Charme als das gewesene hübsche Gebirgsdorf längst eingebüßt hat. Über den Skihang geht es hinauf zum Weberberg, auch als Himbeerberg (Malinový vrch) bekannt. Mit einem kurzen Abstecher zur Weberbaude auf seinem Gipfel möchten wir uns nach dem Zustand derselben erkundigen, in der wir gerne nach der Wende, als die Grenze aufging, einkehrten. Fehlanzeige. Die Baude ist bestens vorgerichtet, aber der Zutritt scheint nur für Hausgäste gestattet zu sein. Ein martialisches Tor öffnet sich per Fernbedienung, wenn man im Besitz einer solchen ist. Abgehakt, es gibt Alternativen, wie wir gesehen haben.

Der Rückweg nach Johannesberg vollzieht sich nun durch den Wald. Wir passieren die oben erwähnte Wallfahrtsstation in deren Nähe einst die schön gelegene Dornstbaude den Wanderer einlud. Nach 1945 erhielt die Hütte den Namen Hašlerova chata. In den 80er Jahren wurde sie abgerissen und an ihrer Stelle entstand ein neuer Komplex, der jetzt geschlossen ist. Allerdings keimt Hoffnung. Ein Bauschild verspricht eine Sanierung, die scheinbar 2022 beginnen soll. Unweit der Baude liegt am Weg der beschriebene Tirnstfelsen/Dornst (Skalní věž Trniště), den zu erklimmen es nicht lohnt, weil er überwuchert ist. Vielleicht besinnt man sich seiner und richtet mit der Renovierung der Baude den Aussichtsplatz wieder her. Lohnenswert wäre das schon. Nach kurzem steilen Abstieg finden wir uns wieder in Johannesberg ein.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




 Kirche und Ortslage in Johannesberg





In Groß Semmering





Kreuzweg hinauf zum Seibthübel








Die Skigebiete um Grafendorf








Die Tesanka Baude



Die Talsperre von Josefstal


Die Prezidentska Chata





Die Baustelle an der Königshöhe






Schnappschüsse in Friedrichswald






Wallfahrtsstation bei der ehemaligen Dornstbaude




Die verfallene Dornst = Hašlerova Baude


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