Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Diese Wanderung hat das Zeug, die Wanderung des Jahres zu sein. Abgesehen von den großen landschaftlichen Momenten sorgt heute ein üppiges Blütenfest für das Sahnehäubchen. Lange haben wir gepokert, um den richtigen Zeitpunkt für die Tour zu finden, wohl wissend, dass man bei gutem Gelingen ein einmaliges Naturerlebnis genießen können wird. Und es hat geklappt.
Wir starten am Golfressort „Ještěd“ und beginnen sogleich über Rostein (Rozstání) mit dem Aufstieg nach Zwetlai (Světlá pod Ještědem), dessen hübsches Kirchlein des hl. Nikolaus von weitem schon sichtbar ist und welches den Wanderer magisch anzieht. Schaut man aus der Entfernung auf Zwetlai, so ist es zu diesem Zeitpunkt von einem prächtigen Blütenmeer umgeben, welches aus blühenden Obsthainen, aber auch Forsythiensträuchern und blühenden Hecken gebildet wird. Auch die sprießenden Blätter der Bäume an den Hängen des Jeschkenkammes, deren Grün mannigfaltig nuanciert ist, lassen die Berglandschaft als bunten Flickenteppich erscheinen. Immer wieder halten wir inne, erfreuen uns an dieser Pracht und schauen in die Ferne zur Landschaft der Kegelberge. Zu Füßen liegt aber der Hühnerberg (Mazova horka), dem wir am Ende noch einen Besuch abstatten werden. Hier etwa nahm die Teufelsmauer (Čertova zeď) ihren Anfang.
Zunächst jedoch geht es kontinuierlich aufwärts zum Lubokaier Kamm (Hlubocký hřeben), das ist der Abschnitt des Jeschkenkammes, der sich etwa von der Baude am Plan bis Raschen (Rasovka) hinzieht, benannt nach dem Gebirgsort Lubokai (Hluboká) am östlichen Hang des Kammes. Lustig geht es in der Planbaude bei einem Glas Bier zu. Wie schon im letzten Jahr, als wir auf unserer Matoweg-Tour der Baude einen Besuch abstatteten, ist eine Schulklasse zugange, die hier naturnahen Unterricht erhält, total offline sozusagen, was die Frage aufwirft, ob aus diesen jungen Menschen jemals etwas Vernünftiges werden kann. Man kann sie nur bedauern.
Weiter wandern wir den Lubokaier Kamm entlang bis zur kultigen Baude „U Šámalů“, die unter der Woche leider geschlossen hat. Über diese Baude haben wir bereits oft berichtet, zum Beispiel hier, hier und hier. Wer jetzt keine Pause einlegt, ist selbst schuld, die Bänke vor dem Lokal laden dazu gerade ein und die Aussicht hier oben ist blendend. Heute gibt es allerdings nur Proviant aus dem Rucksack.
Von nun an geht‘s bergab, immer schön in der Nähe des Waldrandes, wieder stets blühende Bäume vor Augen nebst Blick in die Tiefen der Landschaft. Rein optional ist der Aufstieg zum Hühnerberg, den ich – ich schwöre es – das letzte mal in diesem Leben besteige. Extrem steil geht es durch waldiges Gelände hinauf zum Gipfel, auf dem neben einer beschädigten Gipfelmarkierung und einem verwachsenen Wall einer kleinen, früheren Burganlage rein gar nix zu sehen ist. Aber, man war mal wieder oben. Interessanter ist da schon das Felsenhaus (Skalákovna) am Fuß des Berges, über welches wir aus einer Beschreibung auf einer Tafel folgendes lernen:
„Das Felshaus, eine in den Sandsteinfels gehauene Behausung, wurde in den 1860er Jahren immer noch bewohnt. Größere Bekanntheit gewann die künstliche Höhle dank Karolina Světlás Erzählung „Der Mann im Fels“ [Skalák, 1863]. Wegen der Trunk- und Spielsucht des Vaters muss Jáchyms Familie in dieser Felsbehausung ihr Leben fristen. Jáchym schlägt die traurige Laufbahn seines Vaters ein, doch Rozička kann ihn zur Umkehr bewegen. Ein ganzes Jahr führt Jáchym ein geordnetes Leben und ersucht danach die Gemeindevorsteher um Erlaubnis zur Heirat, erntet aber nur Spott und Gelächter. In seinem Zorn erschlägt er einen der Würdenträger und wird zu 10 Jahren Gefängnis in Prag verurteilt. Nach seiner Rückkehr sucht er mit Rozička Zuflucht in der Skalákovna. Schließlich wählt Jáchym den Tod, um Rozička den Weg in ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Der Mann im Fels wird gemeinhin als literarische Verarbeitung einer persönlichen Erfahrung von Karolina Světlá gesehen: ihrer unerfüllten Liebe zu dem Schriftsteller, Dichter und Journalisten Jan Neruda. Die Korrespondenz zwischen Neruda und Světlá erreichte 1862 ihren Höhepunkt, Světlá hielt sich gerade am Jeschken auf. Als sie erfuhr, dass Neruda wegen Verschuldung eine Haftstrafe drohte, verkaufte sie ihren Familienschmuck, ließ eine Kopie davon anfertigen und schickte den Erlös an Neruda. Von dieser Fälschung hat Petr Mužak, ihr Mann, nie erfahren, doch der Inhalt der Briefe wurde verraten, und Světlá sah sich gezwungen, die Verbindung abzubrechen. Sie hielt auch ihr Versprechen, verbrannte Nerudas Briefe und hat ihn nie mehr wiedergesehen. Die Asche der Briefe wird bis heute in einem Schächtelchen im Jeschkenmuseum in Cesky Dub aufbewahrt.“
Eine traurig schöne Geschichte am Ende unserer Wanderung. Die Namensfindung für den Ort Zwetlai geht übrigens auf Karolina Světlá zurück.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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