Montag, 5. Juli 2021

Mato-Weg Teil 2

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


 Mato-Weg Teil 2

Genau ein Jahr ist es her, als wir den Abschnitt 1 unserer Mato-Weg Tour absolvierten. Bekannte Covidioten in Berlin vermasselten uns die Wiederaufnahme der Wanderung, als sie Tschechien im September 2020 zum Risikogebiet erklärten und die dortige Regierung den Lockdown ausrief. Zur Strafe wurde dreimal in Tschechien der Gesundheitsminister ausgewechselt, jetzt regiert wieder der alte (Vojtěch, Prymula, Blatny, Vojtěch). Ein gutes Zeichen? Die vier Tage in Tschechien, die wir gerade hinter uns haben, waren absolut entspannt, freundliche Begegnungen, das böse Wort „Corona“ war nicht zu hören, nur die schwere Zeit für die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe wurde beklagt. Kaum zurück in der Heimat musste man sich fragen: „Leben wir hier auf einem anderen Stern oder haben sie nicht mehr alle Tassen im Schrank?“ Eine Sondersendung jagt die nächste, die indonesische Sau wird gerade durch das Dorf getrieben und Experten vom Schlage Lauterbach sondern unvermindert ihr Geschwafel ab. Merken sie nicht, wie lächerlich sie sich dabei machen (bei einem selbst definierten Unsinnswert [Inzidenz] von heute 5,0 bundesweit)? Diese Leute und jene, welche die Politik daran ausrichten, haben jeglichen Anspruch auf Respekt verloren. Aber, vielleicht glauben sie, dass man heute zum Regieren keinen Respekt mehr benötigt. Das könnte sich als Irrtum herausstellen.

Apropos Respekt. Respektvoll gingen wir die Tour an, denn wir wussten, was auf uns zukommt, nämlich eine Distanz von 86 km und etwa 3.000 Höhenmeter. Zur Erinnerung: 93 km unseres Mato-Weges liegen bereits hinter uns und weiter: der Mato-Weg soll dem Gedächtnis Josef Matouscheks gewidmet sein. Auch in Tschechien wird ihm unterdessen die gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht. Auf dieser Internetseite gibt es eine Kurzbiografie, auch werden hier die von ihm verfassten und bis heute verwertbaren Landkarten vorgestellt. Dort heißt es:

Heute, im Zeitalter der Satellitennavigation und der Smartphones, haben wir touristische Karten mit einem Fingertipp auf einem Touchscreen zur Verfügung. Die wenigsten Menschen wissen jedoch, dass dies nicht immer der Fall und die Beschaffung einer detaillierten Karte oft eine übermenschliche Aufgabe war.

Um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts sorgte der Deutsche Gebirgsverein für das Iser- und Jeschkengebirge für die Förderung der Wanderbewegung im Isergebirge. Josef Matouschek (1867-1945), ein Liebhaber der Berge, schuf dafür touristische Karten….

Die Bedeutung der Karten von Josef Matouschek für die heutige Zeit ist enorm. Sie liegt im Vermächtnis des kollektiven Wissens über die Landschaft des Isergebirges in der Weise, in der sie von Generationen von Bewohnern mit ihrem Leben und ihrer Tätigkeit bis zum Zweiten Weltkrieg mitgestaltet wurde. Mit der Neubesiedlung änderten sich die mündlich überlieferten Traditionen, die Örtlichkeiten erhielten neue Namen. Die Karten von Matouschek gehören aber zu den besten Quellen für die heutigen Bewohner und Besucher des Isergebirges und des Rollberg-Hügellandes.“ (Adolf König, "Eine Wanderung zur Jeschkenkammbaude", 1934),

Nun zu unserer Tour. Wir werden nur auf Lokalitäten näher eingehen, die bisher auf den Naturwunderseiten noch nicht besprochen wurden



Etappe 5: Oschitz – Jaberlich



Wir starten in Oschitz (Osečná), etwa 2 km vom Endpunkt der 4. Etappe in Krassa (Chrastna) entfernt. Wir sputen uns, denn es soll heiß werden und mit nachmittäglichen Gewittern ist zu rechnen. Der Weg führt uns zunächst über die Polzenquelle (Pramen Ploučnice) hinauf nach Oberpassek (Hoření Paseky). Die hier zu erwartende Aussicht auf die westlich gelegene Kegelberglandschaft ist schon leicht eingetrübt. Stramm ansteigend geht es hinauf zur Plan-Baude auf dem Lubokaier Kamm (Hlubocký hřeben). Reger Betrieb ist hier im Gange, denn in Tschechien haben die Ferien begonnen. Wir blockieren eine Weile einen Tisch, um uns mit einem großen und einem kleinen Bier (malé pivo) zu erfrischen. Letzteres wird am Nachbartisch etwas spöttisch quittiert. Wir setzten daher schleunigst unseren Weg fort, denn es geht nun bergab zum Berggasthof Schamal (U Šámalů), der leider nur an Wochenenden geöffnet hat. Wir staunen nicht schlecht, dass auch heute. mitten in der Woche, hier ein Bier zu haben ist. Das lassen uns nicht entgehen und legen noch eine längere Rast ein, denn der Ort verleitet geradezu zum Träumen und das Gewölk lässt noch auf sich warten. Unser Ziel , das Riesenfass (Obří Sud) am Jaberlich (Javornik) ist bereits ins Sichtweite.

Wer noch ein Stück des Rundblickes gegen Trosky, Roll und Bösig hin genießen will, der versäume ja nicht, vor dem nahen Gasthause Schamal die Sprachgrenze zu überschreiten und einen Blick zur Bergwelt nach Süden und Südwesten zu werfen, zu den kegelförmigen Bergen des Mittelgebirges hin. Schief gegenüber dem genannten Gasthause liegt im Schatten eines hohen Baumes ein merkwürdiges Bauerngehöft, wie überhaupt die Holzbauten am Südabhange des Jeschkengebirges volkskundlich anregend sind.

Die Ausblicke zum Isergebirge, dem Böhmischen Paradies und dem Rollberg-Hügelland beim weiteren Ab- und Aufstieg zum Riesenfass (Obří Sud) hin sind zauberhaft. Im Riesenfass sind wir die einzigen Übernachtungsgäste, aber ab kommender Woche, wenn die Ferien beginnen, ist die Hütte voll, versichert uns der Wirt.


Aufstieg über Oberpassek zum Plan

















Kleiner Stop bei U Šámalů






Abgang zum Jaberlich über Raschen







6. Etappe: Jaberlich - Prichowitz



Übernachtung und Bewirtung im Riesenfass sind zu unserem besten Wohlgefallen. Das ist auch notwendig, denn es liegt eine schwere Etappe vor uns. Die vorgesehene Übernachtung in Radl (Radlo) konnten wir nicht organisieren, so dass sich zu der ursprünglich gedachten Route ein langer Ab- und Anstieg hinzu gesellt. Nachts hat sich ein heftiges Gewitter entladen, so dass die Wege nass und rutschig sind und zäher Nebel über dem Land liegt. Bis hin zum Schwarzbrunnkamm (Černostudniční hřbet) trägt der Track eher den Charakter einer Überführungsetappe, der teilweise auf Landstraßen zu laufen ist und die Außenbereiche von Gablonz (Jablonec nad Nisou) touchiert. Ausgerechnet die Schwarzbrunnwarte, die eigentlich von 11 – 18 Uhr geöffnet haben müsste, lässt uns im Regen stehen. Das Wetter bessert sich aber langsam, so dass die folgende Passage des Kammes recht unbeschwert absolviert wird. Neben den Felsen, die sich am Kamm zu teilweise beachtlichen Mauern auftürmen, treffen wir auf eine Informationstafel, die doch tatsächlich das Leben von Josef Matouschek würdigt, der in Großhammer (Velké Hamry) geboren wurde. Genau dorthin gilt es nun abzusteigen und zwar bis zur tiefsten Stelle, wo der Kamnitz-Bach (Kamenice) durch das Tal rauscht. Wir ahnen nichts Gutes, denn das Ziel der heutigen Etappe konnten wir bereits beim Abstieg ausmachen. Es liegt in der Nähe der Kirche von Prichowitz (Příchovice) ganz oben am Kamm, es ist die alte Baude (im neuen Gewand) „Beim Storch“ (U Čápa). Schön ist es zum Abend geworden und der Blick schweift von der Terrasse über die Hügel und Täler des Riesengebirgsvorlandes bis hin zum auslaufenden Jeschken-Kosakow-Kamm (Ještědsko-kozákovský hřbet) mit dem Berg Tabor und der Kumburg (Kumburk).


Die Etappe beginnt vei Nebel und führt zunächst hinauf nach Radl





 ... und weiter über den Schwarzbrunnkamm








... und weiter nach Prichowitz zur Gaststätte / Pension "Storch"











7. Etappe: Prichowitz – Klein Iser



Über Nacht hat es wieder stark geregnet, entsprechend sind die Wege und Nebel steigt wieder aus den Tälern. Hier trennt sich die Vierergruppe für ein paar Stunden. Die einen wollen über die Stephanshöhe (Hvězda), um den Turm zu besteigen (tolle Idee bei diesem Wetter), die anderen erhoffen sich, von den Höhen um Pasek (Paseky nad Jizerou) ein paar Blicke auf den Riesengebirgskamm zu erhaschen. Aber der Nebel lässt das noch nicht zu, nur die Hufen an den unteren Bergwiesen sind zu sehen. Schön ist jedoch das typische Riesengebirgstal bei Hawirna (Havrina) mit den alten, überwiegend schön restaurierten Bergbauernhöfen. Wir durcheilen das Isertal und treffen mit unseren Freunden am Ortseingang von Harrachsdorf (Harrachov) wieder zusammen. Immer entlang der rauschenden Iser geht es jetzt hinauf nach Klein Iser (Jizerka). Immer häufiger müssen wir unsere Regenklamotten überwerfen. Trotzdem lassen wir uns den Aufstieg auf den Hausberg von Klein Iser, den Buchberg (Bukovec) nicht entgehen. Als wir seinen Gipfel erreicht haben, klärt es ein wenig auf, so dass sich das herrlicher Panorama ,it dem Hochtal von Klein Iser entfaltet.

Der schöngeformte, bewaldete Buchberg (999 m, Basaltdurchbruch im Granit, höchster Basaltkegel des deutschen Mittelgebirges), an dessen Fuße Wilhelmshöhe liegt) ist in 20 Min. vom Gasth. „Z. Buchberge“ zu ersteigen, bietet aber nur nach einer Seite Aussicht.“ (Franz Hantschel)

Wer sich in der alten Literatur auskennt, sucht dort nach dem Begriff Klein Iser möglicherweise vergeblich, denn der Ort hieß früher Wilhelmshöhe (vormals Buchberg).

Der Ort führt seinen Namen seit dem J. 1829 nach dem Herrschaftsbesitzer Grafen Wilh. Clam-Gallas, an dessen Besuch eine steinerne Pyramide vor dem gleichnamigen Gasthause erinnert; vordem hieß der Ort Klein Iser nach dem Bache. welcher unweit des Sieghübels entspringt u. ö. des Dorfes in die gr. Iser mündet. o. auch Buchberg nach dem Berge, an dessen Fuße er gelegen ist. Wilhelmshöhe ist eine der höchsten Ansiedlungen des Isergebirges u. hochinteressant durch seine Hochgebirgs- u. Sumpfflora auf der benachbarten Pfaffen- o. kl. Iserwiese (Kniekiefer u. Zwergwachholder, mittlerer Sonnenthau, Sumpf – u. Blumenbinse, Alpenampfer, pomeranzenblütiges Habichtskraut, kugeliges Schirmmoos u. a. m.). Ehemals war hier auch eine reiche Fundstätte von Edelsteinen; heute aber finden sich nur noch Iserine (Titan-Eisen, zu Trauerschmuck verwendbar) im Sande der kl. Iser (bachaufw. vom Gast. z. Pyramide") u. an deren Zuflusse, dem Saphirflössel.“ (Franz Hantschel)

Wir gedachten in meiner Lieblingsbaude zu übernachten, der „Chata Jizerka“, mussten aber zur Kenntnis nehmen, dass die Baude den Besitzer gewechselt hat, der sie derzeit offenbar zu einem privaten Wohnhaus umbaut. Stattdessen fanden wir Unterkunft in der „Chata Stara Pila“, einer ehemaligen Sägemühle, gelegen direkt am Lauf der Kleinen Iser. Betrieben wird sie von den früheren Wirtsleuten der „Chata Jizerka“. Die Eheleute haben sich der Aufgabe verschrieben, das herunter gekommene Anwesen zu sanieren. Arbeit ist noch genug vorhanden, aber das Ambiente. ist urig und passt zum Flair des Ortes Klein Iser. Der Ehemann stammt übrigens aus Paraquay und die Wirtin spricht ganz gut Deutsch. Sie erzählt uns, dass es sich beim Besitzer des in der Nachbarschaft gelegenen ehemaligen Zollhauses um Petr Kellner handelt, reichster milliardenschwerer Tscheche, der in diesem Jahr bei einem Helikopterabsturz in Alaska ums Leben kam. Das alte Zollhaus, einst ebenfalls eine kultige Absteige, ist schon lange privatisiert und dem öffentlichen Zutritt entzogen. Mal sehen, wer es erbt.


Es geht wieder los bei Nebel






Auf den Höhen um Reiditz











Abstieg durch das Harwina - Tal





Entlang der Iser hinauf zum Buchberg




Auf dem Buchberg






In Klein Iser








Abend in der Chata Stara Pila


8. Etappe: Klein Iser – Bad Liebwerda



Die letzte Etappe führt uns durch Moore zum höchsten böhmischen Gipfel des Isergebirges, der Tafelfichte (Smrk). Man muss das schon mögen, solch eine Tour bei Nebel, bei teils strömendem Regen und der Prognose, dass sich das tagsüber nicht ändern wird, auf sich zu nehmen. Aber, auch das gehört dazu und es passt vielleicht gerade zu dem rauen Charakter des Isergebirges. Über die Zimmerlehne (Jelení stráň) erklimmen wir den Mittleren Iserkamm. Kilometerlang geht es nun geradeaus, vorbei an den Raubschützenfelsen (Pytlácké kameny), für die wir heute kein Auge haben, und weiter hinunter zu den Torfmooren in der Nähe des Wittighauses, die unter dem Begriff der „Schwarzen Teiche“ (Černá jezírka) zusammengefasst sind. Hier passt das schlechte Wetter zu der geheimnisvollen Moorstimmung. Herrlich blüht das Wollgras entlang des Weges und in den Tümpeln.

Kurz vor dem Wittighause, dem Endziel der Moorfahrt, packt dich noch einmal die Lust abseitiger Ergründung. Den Auerhahnsteig nicht verfehlend, tauchst du rechts in den Hochwald, wo, umhütet von dichtem Gestrüpp, nachtdunkle Moortümpel glänzen. Wie unheimliche Augen einer abgrundschaurigen Zaubermacht starren sie dir entgegen, der du durchfeuchteten Fußes, bedächtig tastend, in das Urwaldleben eindringst. Schwammige Moospolster mit rötlichem Scheine dein einziger Stand, üppige Binsen und Riedgräser davor und schließlich die düsteren Moorlachen. Wo dräuen Gräbertiefen, die undurchspürter abgleitendes Leben in sich zu krallen vermögen? Aber banne die Schauer, die dich umschleichen! Koste mit dem Tiefgefühle des Naturbewunderers diesen Sumpfzauber! Und lerne sie schätzen: diese grausige, versteckte Schönheit! So wie Jäger, der inbrünstige Landschafter der böhmischen Iserwelt, sie wertete, der ihre düstere Romantik meisterhaft mit seinem Pinsel festhielt. Doch daß wir nicht versäumen, den Namen der beiden schwer zugänglichen Moorgebiete zu verraten! Schwarze Teiche und Schöne Wiese hat sie der Volksmund genannt. Das Schönwiesefloß, das weltfern der Großen Iser zuwindet, scheidet sie voneinander. Und in der Nähe der wichtigen Isermoore mag man auch sie nicht vergessen.

Mit nassen Füßen fühlst du dich wieder auf den sicheren Weg zurück. Und dort, wo mehrere Waldbahnen zusammenlaufen und ausmünden, hast du das gastliche, viel besuchte Wittighaus erreicht.“ („Großböhmerland“, Ein Heimatbuch für Deutschböhmen, Nordmähren und das Südöstliche Schlesien, Hadina u. Müller-Rüdersdorf, 1923)

Das Wittighaus müssen wir leider auslassen. Hier wollten wir eigentlich übernachten, doch an seiner Stelle gibt es nur eine neue Kellergaststätte. Die altehrwürdige Herberge ist geschlossen und scheint einer Restaurierung entgegen zu sehen. Also machen wir uns auf den Weg zur Tafelfichte. Der Aufstieg erfolgt (was sonst?) über die steile Himmelsleiter. Man konzentriert sich nur noch auf sich selbst, der Regen spielt dabei gar keine Rolle mehr, denn man weiß: das ist der letzte Ritt, dann hat man es geschafft. Oben eine Eintragung in das Gipfelbuch gefertigt, ein letzter Schluck Borovicka ist auch noch in der Flasche und schon beginnt der Abstieg nach Bad Liebwerda (Lazne Libverda). Man weiß jetzt nicht mehr, ob das Wasser in den Schuhen quietscht oder unter der Sohle. Macht nichts, am Kleinen Riesenfass, dem Brüderchen des Obří Sud auf dem Jaberlich findet die Tour mit einem zünftigen Scheidebecher ihr Ende, auf der wir die Heimat Josef Matouscheks auf insgesamt 179 km gedenkwürdig (wie wir meinen) durchwandert haben. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere Wanderfreund herausgefordert, unserem Weg zu folgen. Wir versprechen ein großartiges Erlebnis. Unsere guten Wünsche begleiten ihn.



Start an der Chata Stara Pila bei Regen... und es bleibt so







An den Felsen der Zimmerlehne







An den Raubschützenfelsen






Durch die Schwarzen Teiche












 Auf die Tafelfichte und wieder hinunter









Am Kleinen Riesenfass



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