Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Ziel unserer heutigen Wanderung ist das Kloster Marienthal. Der sehenswerte Klosterkomplex liegt am Ausgang des Neißetals bei Ostritz. Ausgangspunkt unserer Tour ist Schlegel. Durch den Klosterwald, der das Tal der Neiße umspannt, wandern wir auf dem Wolfsweg hinunter zur sogenannten Saupantsche, von hier weiter entlang des Flusses zum Kloster. Schon Gottlieb Korschelt war diese romantische Partie ein paar Anmerkungen wert
„Der Weg führt immer am linken Ufer der Neiße hin, welche vielfache Krümmungen macht und rauschend über die im Flußbett lagernden Felsblöcke dahinströmt. Namentlich Sonntags sind die anmutigen Waldwiesen mit fröhlichen Gruppen von Wanderern belebt. Überall bieten sich schöne Blicke auf die in den verschiedensten Farbentönen prangenden Laubwaldungen der Nebenthäler. Bald erblicken wir in überraschend schöner Lage, am Ende des Neißethales, das Zisterzienserinnenkloster Marienthal vor uns. Von drei Seiten von Höhen umgeben, liegt das von dreißig, meist aus Böhmen stammenden Nonnen bewohnte Kloster, im Süden und Osten von der Neiße umflossen, am linken Ufer derselben. Besonders malerisch ist der Blick von der westlichen und der etwas entfernteren nordöstlichen Höhe.
Das Kloster wurde im Jahre 1234 von der Königin Kunigunde von Böhmen, einer Tochter Philipps von Schwaben, gestiftet. Mehrmals sind die alten Klostergebäude durch Kriegsverheerung und Brand zerstört worden, z. B. I427, als unter Anführung der beiden Prokope die Hussiten schreckIich in der Oberlausitz wüteten und am 11. Mal das Kloster niederbrannten. Gleichzeitig ging auch das aus der Höhe nahe bei Marienthal gelegene Dorf Sifriedsdorf in Flammen auf und ist seitdem nicht wieder aufgebaut worden. Einige Brunnen und Mauerreste im Walde nahe an der Görlitzer Straße in der Nähe der Bergschänke erinnern heute noch an jene Schreckenszeit. Die gegenwärtigen Klostergebäude stammen aus dem Ende des l7. Jahrhunderts. Das Innere der Kirche macht mit seinen zahlreichen Fresken und mit den vielfach angebrachten Vergoldungen einen prächtigen Eindruck.“ (Führer durch Zittau und Umgebung und das Sächsisch-Böhmische Grenzgebirge, 1894)
Heute gibt es dieses romantische Ambiente nicht mehr. Die prangenden Laubwaldungen in den Nebentälern sind stark dezimiert und in einem sehr ungesunden Zustand, der Wanderweg ist asphaltiert und damit unbequem für die Füße (Radler sehen das anders) und seit einiger Zeit ist der Zugang zu den Wiesen auch unmöglich. Ein Elektrozaun soll widerrechtliche Grenzverletzungen polnischer Wildschweine - mutmaßlich mit dem Schweinepestvirus infiziert - verhindern.
Da man die Uferzone nicht betreten kann, ist auch der Unrat unsichtbar, den der Fluss mit sich bringt und anspült, ebenso die Autoreifen, die auf geheimnisvolle Weise zahlreich im Flussbett lagern (mit Unglauben musste ich dies vor einiger Zeit bei einer Bootsfahrt auf der Neiße erleben). Das große Areal des Klosters haben wir für uns ganz alleine. Nur vereinzelt huscht eine Gestalt durch die Szene. Spannende Frage: was passiert an Ostern? Das kommunistische Herrschaftsregime konnte der christlichen Tradition des Osterreitens nichts anhaben. Es war geradezu eine Herausforderung für viele Bürger, hier alljährlich zum Ostersonntag zu erscheinen - zum großen Ärger der Repräsentanten des Arbeiter- und Bauernstaates. In der Bekanntmachung des Buches „380 Jahre Saatreiten in Ostritz - St. Marienthal“ des Autors Gerhard Brendler erklärt im Jahre 2008 das Bistum Meißen zum Osterreiten
„Nach der Reformation beschränkte sich dieses Brauchtum allerdings auf wenige katholische Enklaven in der östlichen und sorbischen Oberlausitz. Trotz weiterer Wirrnisse der Geschichte, wie der Säkularisierung im Königreich Sachsen oder der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, überstand das Saatreiten die Zeit. Selbst Nationalsozialisten und SED-Machthaber ließen die Reiter gewähren. Zu DDR-Zeiten wurde der Brauch durch die vielen Besucher, die alljährlich zur Prozession ins Kloster Marienthal strömten, zu einem starken Signal an die Staatsführung.“
Was sich Nazis und Kommunisten nicht trauten, ist heute kein Tabu mehr. Im Jahr 2020 wurde das Osterreiten abgesagt und 2021 darf die traditionelle Veranstaltung unter strengsten Vorkehrungen wohl stattfinden, aber so, dass man sich möglichst nicht zu nahe kommt. Gemäß Bekanntmachung der Sächsischen Zeitung hört das so an
„Welche Strecke die Reiter am Sonntag absolvieren, werde laut Blaschke noch festgelegt. Die Route soll aber nicht veröffentlicht werden, um Menschenansammlungen entlang der Strecke zu verhindern. … Diesmal bitten die Osterreiter alle darum, von einem Besuch der Prozession Abstand zu nehmen. "Sie helfen uns mehr im Gebet, als dass sie an der Strecke stehen", meint Steffen Blaschke. … Ziel sei, dass sich niemand beim Osterreiten mit dem Virus anstecke. Das sei nur zu erreichen, wenn Kontakte vermieden werden, meint Blaschke.“
Noch im 17. Jahrhundert grassierte auch die Pest in der Oberlausitz, nicht einmal die Furcht davor konnte offenbar die Menschen von der Teilnahme an der Prozession abhalten. Vielleicht haben sie gerade daraus Hoffnung und Zuversicht schöpfen können, denn nichts anderes verheißt die frohe Botschaft, die von den Osterreitern verkündet wird.
Die Reiter müssen sich natürlich am Vorabend und wahrscheinlich
danach testen lassen, mutmaßlich mit dem PCR-Test, über den das
Verwaltungsgericht Wien gerade ein gerechtes, aber vernichtendes
Urteil gefällt hat, siehe hier.
Ein wenig mehr Gottvertrauen wäre ausgerechnet zu Ostern bei der
Verkündung der frohen Botschaft angezeigt.
Am Kloster befindet sich ein Weinberg, der östlichste Deutschlands, der liebevoll von einer ehrenamtlichen Winzergemeinschaft bewirtschaftet wird. Ostersonntag wird normalerweise aus dem Weinkeller der köstliche Rebensaft unter das Volk gebracht. Oberhalb des Weinberges ist ein schöner Kreuzweg angelegt. Die Aussicht von hier über die gesamte Klosteranlage ist wunderschön.
Durch den Klosterwald begeben wir uns auf den Rückweg, aus naher Entfernung grüßt der Knorrberg herüber. Ein ortskundiger Wanderfreund lotst uns auf einmal durch das Dickicht, so dass wir plötzlich am Gipfel des unscheinbaren Butterberges vor einem Felsblock stehen, auf welchem ein schlichtes Steinkreuz aufgesetzt ist. Eine Widmung finden wir nicht, so dass der Ursprung dieses Gedenkortes zunächst im Dunkeln bleibt. Auch Herr Bültemeier („Denkmale in den Oberlausitzer Wäldern“) konnte dazu keine schlüssige Erklärung finden.
Bald lichtet sich der Wald, die Ortslage Schlegel wird sichtbar und in Kürze schließt sich unsere heutige Runde.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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