Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Mit der Vertreibung der Deutschen Bevölkerung 1945 aus der Tschechoslowakei sind ca. 1.300 Ortschaften verschwunden, für die kein Nachzug zustande kam oder die aus anderen Gründen weichen mussten, z.B. die Dörfer im Rollberg-Hügelland (Podralsko), die zunächst von der tschechischen Armee, später von der Sowjetarmee okkupiert und abgerissen wurden. Oder auch der von uns häufig besuchte Ort Rabenstein (Havraní) in der Nähe von Oberpolitz (Horní Police). Es gibt eine Datenbank, in welcher die Orte aufgeführt sind, man findet sie hier. Heute möchten wir die Überreste einer Reihe von Dörfern aufsuchen, die sich im Böhmischen Mittelgebirge in unzugänglichem Gelände in den Wäldern an den steil zur Elbe abfallenden Gebirgshängen verbargen. Den größten Ort Wittine (Vitín) hatten wir schon früher einmal gesehen, die anderen waren uns unbekannt. Wandert man in den Bergen, die sich aus dem Elbtal erheben, muss man sich immer auf einen Kraftakt einstellen. Das Gelände ist steil und die Höhenunterschiede sind beachtlich. Aus diesem Grunde verplempern wir auch nicht die Zeit mit einem Dorfspaziergang in dem wunderschönen Museumsdorf Saubernitz (Zubrnice), sondern beginnen sofort mit dem Einstieg in die Berge, vielleicht ist ja nach unserer Rückkehr noch ein wenig Zeit für einen Dorfbummel.
Hinter den letzten Häusern geht es zunächst steil aufwärts bis zum ehemaligen Ort Mauerschin (für den es keine tschechische Bezeichnung gibt). Es handelt sich um eine Einsiedelei. Ein mächtiges, verfallenes Gemäuer steht mitten im Wald. Überlieferungen zufolge soll es sich hier um ein Restaurant gehandelt haben, in dem auch Bier gebraut und getanzt wurde. Alles andere liegt derzeit im Dunkeln. Über aussichtsreiche Wiesen, auf denen früher noch die Einschicht Wokerdolen hauste, führt der Weg zum Anstieg durch Buchenwald hinauf zu den Ruinen des ehemaligen Dorfes Großzinken (Velké Stínky), welches zuletzt 7 Häuser und 35 Einwohner zu verzeichnen hatte. Ein Stück oberhalb verläuft der Kamm, von dem sich nach Osten weite Wiesen ausbreiten, so dass man sich vorstellen kann, dass die Bewohner von der Landwirtschaft leben konnten. Aus dieser Lage eröffnet sich dem Betrachter über der Hochebene von Reichen-Munker (Rychnov-Lovečkovice) ein gewaltiges Panorama mit Lausitzer Gebirge, Jeschkengebirge und der Daubaer Schweiz am Horizont. Die Aussicht verbessert sich noch stetig beim Anstieg zum Zinkenstein (Buchberg/Buková hora), auf dem ein weithin sichtbarer Fernsehturm in den Himmel ragt. Wenige Meter sind zur Humboldtaussicht auf der Westseite des Kammes zurückzulegen, von wo der Blick über das Elbtal zu den westelbischen Bergen des Böhmischen Mittelgebirges bis hin zum Erzgebirge schweift.
Unterhalb des Zinkensteines finden wir Ruinen des ehemaligen Dorfes Althummel. In Althummel soll es zuletzt 55 Einwohner in 14 Häusern gegeben haben. Wir fanden am Wegrand nur ein verfallenes Gemäuer, haben aber auch nicht weiter gesucht, denn die bisherigen Anstrengungen mahnen angesichts der weiteren Strecke zum Haushalten. Unser nächstes Ziel ist das alte Bauerndorf Wittine. Hierzu wählen wir nicht den mutmaßlich kürzesten Weg, sondern wandern über einen welligen Seitenkamm beständig abwärts, stellenweise mit schönen Ausblicken ins Elbtal. Wittine ist mit Abstand das größte der hier ehemals ansässigen Dörfer. Der Ort bestand aus 19 Gebäuden, in denen zuletzt 106 Menschen lebten (angesiedelte ehemalige Militärangehörige). Im Jahre 1950 wurden hier noch 16 Einwohner gezählt, der letzte verließ das Dorf 1965.
Der Ort ist von schönen Wiesen umgeben, auf denen früher ertragreicher Obstbau betrieben wurde. Stellenweise bieten sich schöne Aussichten auf das Elbtal. Hier beginnt der sehr steile Abstieg in das Tal des Lischkenbaches (Luční potok). Dabei passieren wir die Ruine eines weiteren, im Wald gelegenes Gehöfts. Es handelt sich dabei um die Einschicht Tscherlaken, von der so gut wie nichts übrig geblieben ist. Nach kraftzehrendem Abstieg bei den ersten Häusern von Kleinpriesen (Malé Březno) angekommen, stellt sich nun die Frage, ob wir zurück nach Saubernitz an der stark befahrenen Straße laufen oder lieber noch einen Kilometer investieren und an den schönen Hanglagen oberhalb von Leschtine (Leština) entlang pilgern wollen. Wer hätte gedacht, dass das noch einmal mit einem Anstieg von etwa 250 Metern verbunden ist? Mit letzter Kraft erreichen wir das Hostinec U Pernekrů in Saubernitz, welches, das muss man lobend erwähnen, bisher immer geöffnet hatte, wenn wir hier vorbei kamen. Wenigstens das hohe Flüssigkeitsdefizit können wir hier zum ganz kleinen Preis ausgleichen, bevor wir uns zu unseren Fahrzeugen quälen. Mit dem oben angedachten Dorfrundgang durch Saubernitz – das wird heute nix mehr.
Die GPS-Daten zu diesem Track findet man hier.
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