Sonntag, 1. September 2019

Der Weg ist das Ziel: Höhenwanderung im Böhmischen Mittelgebirge

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Ein Artikel der Sächsischen Zeitung vom 25.06.2019 verleitete mich, dem Böhmischen Mittelgebirge wieder einmal einen Besuch abzustatten

Der Bagger gräbt sich in den Hang und legt nach und nach Gleise frei. „Hier führte früher die Bahnstrecke entlang. Später wurde sie teils verschüttet und ist zugewachsen“, zeigt Radek Kubala auf den wieder hergestellten Einschnitt. Jahrelang wurden Bahnstrecken stillgelegt. Doch in Tschechien sind diese Zeiten offenbar vorbei. Es werden sogar demontierte Gleise wieder aufgebaut, wie hier in Zubrnice (Saubernitz) im Böhmischen Mittelgebirge. Bis in das malerische Dorf führen die Gleise der Nebenstrecke von Usti nad Labem-Strekov (Aussig-Schreckenstein). Von Ende März bis Ende Oktober verkehren jedes Wochenende Traditionszüge.

Ein Verein hat sich der Wiederherstellung der alten Bahnstrecke verschrieben, die früher zwischen Aussig (Ústí nad labem) und Auscha (Ustek) verkehrte und den hohen Kamm des Böhmischen Mittelgebirges bei Wernstadt (Vernerice) überquerte. Nach und nach soll die Strecke bis Loschowitz (Loveckovice) instand gesetzt werden. Bereits bei einem Besuch in Saubernitz (Zubrnice) hatten wir im letzten Jahr die total verwilderte Strecke gesehen. Vielleicht lassen sich jetzt schon Fortschritte erkennen.

In Nieder Lukowitz (Dolní Lukavice) beginnen wir unsere Wanderung. Typisch für das Böhmische Mittelgebirge sind in dieser Region die weitläufigen Höhenrücken, die abgehenden Täler und die kleinen, zauberhaften Ortschaften, die sich darin verbergen. Von den Kämmen erleben wir traumhafte Ausblicke über das Mittelgebirge und die angrenzenden Gebiete. Unser erstes Ziel ist der immer wieder gern besuchte Ort Hinternessel (Zadní Nezly). Schön sind bei diesem klaren Wetter Dreiberg (Trojhora), Kelch (Kalich) und Jungfrau (Panna) zu erkennen, die wir erst vor kurzem besuchten. Westlich von unserem Standort verbirgt sich in einem Kessel das Dorf Luppitz (Hlupice), welches sich an den südlichen Hang eines Gebirgszuges anschmiegt. Dorthin wandern wir durch das trennende Tal und steigen zur dieser Anhöhe hinauf.

Besteigt man diesen Kamm, welcher die Wasserscheide zw. dem Groß- und Kleinpriesener Tal bildet, so breitet sich vor dem überraschten Auge das fruchtbare Ploschkowitzer Tal aus, darüber hinaus eine weite Ebene, durchschlängelt vom Silberbande der Elbe, besäet mit einer Unzahl von Ortschaften.“ (Dr. Hantschel)

Der Sankt Georgsberg (Říp) und die Hasenburg (Hazmburk) sind deutlich erkennbar, nördlich der Fernsehturm auf dem Zinkenstein (Buková hora), im Osten der Geltsch.

Über das hoch gelegene Taubernitz (Doubravice) und Tinischt (Týniště) erreichen wir endlich das schmucke Museumsdorf Saubernitz. Auf dem Wege dahin finden wir die oben erwähnte Eisenbahntrasse, später noch einmal kurz vor Loschowitz. Tatsächlich können wir wahrnehmen, dass die verwilderte Strecke beräumt und in einem ersten Abschnitt die Gleise beiseite geräumt wurden, um die Schwellen auswechseln zu können. Dem Vorhaben ist eine erfolgreiche Realisierung zu wünschen, da es gute Impulse für den Fremdenverkehr in dieser schönen, zudem aber verschlafenen Region auslösen kann.

Wir schauen uns ein wenig in dem bemerkenswert restaurierten Ortskern von Saubernitz um und steigen dann nördlich gegen den Zinkenstein (Buková hora) aus dem Tal heraus. Mitten im Wald begegnen wir den Ruinen der Wüstung Mauerschin, die vom Wald überwuchert sind und an den unweit entfernten Ort Wittine (Vitin) erinnern. Grasland und alte Obstanlagen verraten uns, dass die früheren Bewohner ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft bzw. Gartenbau verdienten. Insgesamt hat es unter dem Zinkenstein fünf nunmehr verschwundene Dörfer gegeben, die durch einen Lehrpfad verbunden sind.

Unterhalb des Buková hora, den man wegen seines Sendemastes schon aus Kilometern Entfernung sieht, liegen fünf aufgegebene Dörfer im Wald versteckt, die man suchen muss. Sie hießen einmal Mauerschin, Großzinken, Althummel, Wittine und Tscherlaken und konnten nach der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nicht wieder auf Dauer besiedelt werden.

Für Mauerschin und Tscherlaken gibt es nicht einmal tschechische Namen. Die Häuser sind inzwischen verfallen, die Gärten überwuchert. Im Jahr 2007 richteten Studenten der Universität Ústí in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Ústí den elf Kilometer langen Lehrpfad "Zaniklé obce" (deutsch: untergegangene Dörfer) ein. Der Weg führt von Zubrnice hinauf auf den Buková hora und dann wieder hinunter nach Malé Březno. Die Strecke ist mit einem grünen Balken markiert, aber nicht immer leicht zu finden.“ (http://www.viamariana.com/bukova-hora)

Wir lenken jedoch unsere Schritte endlich wieder zum Ausgangsort unserer Wanderung und treffen bald auf ein weiteres herrlich gelegenes Bergdorf. Es ist Kninitz (Knínice). Wir merken gar nicht, dass wir den aus dem Ort heraus führenden Weg verloren haben, da über das ausgedehnte Grasland ein Weg mit dem Mähbalken freigeschnitten wurde, der uns diesen folgen lässt. Nach einem reichlichen Kilometer ist Schluss. Dort nämlich steht am Waldrand eine (Liebes?) -bank in aussichtsreicher Lage. Was nun? Unserem Orientierungssinn folgend pirschen wir durch hohes Gras talwärts in Richtung der ehemaligen Ortschaft Nieder Rzebirze (Dolní Šebířov), von wo es nicht mehr weit bis nach Nieder Lukowitz ist. Nicht genug der großen Eindrücke von dieser Wanderung halten wir auf der Rückfahrt noch einmal oberhalb der Ortschaft Naschowitz (Náčkovice) an und gehen zu der Anhöhe, die sich über „Zimmers Beule“ (Horka u Náčkovic) erhebt, auf der schon von weitem der Aussichtsturm Víťova rozhledna sichtbar ist. Leider ist er verschlossen, was uns jedoch kaum bekümmert, weil sich um diesen Hügel herum das gewaltige Panorama des östlichen und westlichen Mittelgebirge bis hin zum Milleschauer Berg (Milešovka) entfaltet, ferner zum Geltsch (Sedlo), zu den Bergen des Lausitzer Gebirges, dem Roll (Ralsko) und dem Daubaer Bergland. Es ist immer wieder überraschend, welche landschaftlichen Schätze  Nordböhmen für uns bereithält.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




Landschaft bei Hinternessel






Landschaft bei Luppitz





Landschaft um Taucherschin





Die alte Bahnlinie Aussig – Auscha, hier bei Saubernitz


In Saubernitz












Altes, vergessenes Gemäuer von Mauerschin


Das schöne Bergdorf Kninitz



Viechzeug am Wegesrand




Ein paar Naturbeobachtungen





Aussichten vom Matrelig






2 Kommentare:

  1. Phantastische Ausblicke, eine Tour, welcher wir sicher nicht widerstehen können. Danke für diesen Tipp, ist bereits vorgemerkt, wir freuen uns.

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  2. Eure Berichte lese ich immer wieder gern. Vaters alte Heimat ist es und hin und wieder schaffe ich es dort hin zu fahren. DANKE vielmals !

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