Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Das Lobendauer Tal liegt nun wirklich im Zipfel des Schluckenauer Zipfels (Šluknovský výběžek), denn westlich und nördlich stoßen die Fluren an die sächsische Grenze. Lobendau (Lobendava) ist von Bergen und einer vorgelagerten Hügellandschaft umgeben. Über letztere spannen sich weitläufige Weideflächen, deren Koppeln oft bis an die Waldränder heran reichen.
Seit Wochen herrscht Dürre und die Hitze plagt Mensch und Getier. Wir staunen nicht schlecht, dass die Bäche um Lobendau munter fließen, die Wege verschlammt sind und die Wiesen, sich je nach Bearbeitungszustand, noch recht grün zeigen. Hier muss also hin und wieder einmal etwas Nass herunter gekommen sein, allerdings tröstet das nur vorübergehend, denn die Temperaturen steigen im Laufe des Tages doch ein ganzes Stück auf jenseits der 30° C. Unser Plan ist es, das Lobendauer Tal zu umrunden, dort wo es möglich ist, immer entlang der Waldgrenze. Dabei haben wir uns zwei Ziele gesetzt, den Annaberg (Anenský vrch) und den Joachimsberg (Jáchym), auf beiden befinden sich sakrale Gedenkstätten. Der Annaberg ist sicher der bekanntere, hier steht die Wallfahrtskapelle der hl. Anna mit einem gepflegten Kreuzweg, von dessen oberer Kreuzwegstation sich dem Wanderer ein sehr schöner Blick auf Lobendau bietet. Der Joachimsberg ist aber nach unseren Empfinden der weitaus schönere, auf seinem aussichtsreichen Gipfel steht ebenfalls eine imposante Jugendstil-Kapelle, an der gerade Sanierungsarbeiten im Gange sind. Umgeben ist diese ebenfalls von einem Kreuzweg. Der Legende nach sind beide Berge durch gewisse Vorkommnisse mit einander verbunden. Was es damit auf sich hat, schildert uns Amand Paudler (Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions-Clubs 1886)
„Westlich von dem Städtchen Hainspach erhebt sich in sanfter Ansteigung eine Anhöhe, genannt „Annaberg", welche steil zu dem Dorf Lobendau abdacht. Auf der Anhöhe ist eine Kapelle zur Verehrung der heiligen Anna errichtet, ein starkbesuchter Wallfahrtsort. Das Annafest beginnt zu St. Anna und dauert ununterbrochen acht Tage lang. Aus Nah und Fern strömt hier Volk während der Andachtszeit zusammen.
Das in dieser Kapelle
befindliche St. Annen-Standbild befand sich ehedem in
der auf dem steil ansteigenden, in eine Spitze verlaufenden, an drei Viertelstunden nordöstlich
von Lobendau gelegenen Joachimsberge
errichteten Kapelle. -- Der Weg aus den Joachimsberg war in früherer Zeit sehr beschwerlich
zu begehen, und der Raum um die Kapelle herum ist von geringem Umfange; auch hegte die
Bevölkerung der dortigen Gegend den Wunsch, den Gegenstand ihrer Verehrung auf einem bequemeren Platze zu besitzen, wozu die Anhöhe zwischen Hainspach und Lobendau entsprechend erschien. Dem Wunsche folgte die That. Es wurde auf der berührtem Anhöhe eine Kapelle zur Verehrung der
heiligen Anna errichtet, und der Berg selbst wurde fortan „Annaberg" genannt. Nachdem alles zur Unterbringung des St. Annen-Standbildes hergestellt war,
wurden die Kirchenväter
der dortigen Pfarrkirchen zu dessen Abholung auf den Joachimsberg abgesendet. Sie
brachten es und stellten dasselbe in der Annakapelle auf den ihnen geistlicher Seits
angewiesenen Ort. Als man jedoch am nächsten Morgen in die
Kapelle kam, fand man sie leer. Das Standbild war verschwunden, es war wieder in seine frühere Behausung in die Kapelle auf dem Joachimsberge
zurückgekehrt.
Da nun die Kapelle seitens der
Bevölkerung aus dem Grunde errichtet worden war, um das Bild der St. Anna in der Nähe zu haben, wurden dieselben
Kirchendiener abermals zu dessen Abholung auf den Joachimsberg abgesandt; sie
brachten das Standbild ohne jedes Hindernis und stellten es wieder auf den angewiesenen Platz. Aber
welcher Schrecken
erfüllte die Besucher der Kapelle am nächsten Morgen, als
sie die Kapelle abermals
leer fanden! Das St. Annen-Standbild war während der Nacht
nochmals auf den Joachimsberg „zurückkehrt".
Die zweimalige ,,Entweichung" der St. Anna aus der Anna-Kapelle und deren Rückkehr in die Joachimsberg-Kapelle erschien als ein übernatürliches Ereignis. Das
Volk fühlte, dass es durch die einfache Übertragung des Standbildes gegen die
heilige Anna eine
Handlung der Unehrerbietigkeit
begangen habe, und es wurde demnach beschlossen, zu deren Versöhnung das Standbild auf eine feierliche Weise abholen zu lassen.
Es wurde eine Procession veranstaltet. Die
Schulkinder der ehemaligen Herrschaft Hainspach mussten sich an dieser Procession betheiligen. Die Knaben voran im Sonntagsgewande und mit Fahnen; hernach die
Mädchen, angethan mit weißen Kleidchen, mit gepudertem Haar
und mit Blumenkränzchen auf dem Kopfe, in der rechten Hand eine mit Goldschaum (Blattgold) verzierte Staude Teichschilf und um die Linke einen Rosenkranz
gewunden. Dann folgte St. Anna, von Kranzeljungfern getragen, hinter derselben die
Geistlichkeit, Amtleute und Gemeindevorsteher, dann die
Musik und eine unzählbare Menge Volkes, Jung und Alt, Männer und Weiber. Der Zug bewegte sich
unter Trompeten- und
Paukenschall und
Böllerschüssen. Das Volk sprach Gebete und sang fromme Lieder.
Unter dieser feierlichen Begleitung gelangte das St. Anna-Standbild auf dem Annaberge an, worauf die Aufstellung desselben in der Kapelle erfolgte. Die heilige Anna blieb von nun an in der für sie errichteten Kapelle und steht heute noch unwandelbar aus derselben Stelle. Sie war versöhnt!“
Zunächst wandern wir zum Annaberg. Über die Kapelle gab es schon einmal hier einen Beitrag. Die Romantik der Örtlichkeit wird ein wenig dadurch gestört, dass die Verbindungsstraße Schluckenau (Šluknov) - Lobendau direkt am Kalvarienberg vorbei führt. Man kann mit dem Auto bis direkt vor die Kapelle pilgern. Anders ist das dann schon auf dem Joachimsberg. Auf diesen muss man hinauf laufen, was bei den heutigen Temperaturen Anlass für eine willkommene Rast ist. Man kann sich auch die Zeit nehmen, an der Ostseite des Gipfels eine Landschau zu halten und versuchen, die Berge zu benamen, die so am Horizont auftauchen. Im Vorteil sind Smartphone-Nutzer. Eine sogenannte "App" bringt ihnen erstaunlich Informatives zu Tage.
Wir haben hier etwa die Hälfte der Tagesstrecke zurückgelegt, an den Rest möchte man angesichts der Temperaturen, die sich ab Mittag einstellen, gar nicht denken. Gut, dass man das Streckenprofil nicht vor Augen hat, es geht nämlich munter rauf und runter. Wer noch über die nötigen Reserven verfügt, schöpft seine Kraft durch einen Blick auf die liebliche, schön gewellte Landschaft, zumal ganz am Ende der Tour noch eine Gaststätte löckt, in der man die längst verbrauchten Flüssigkeitsreserven auffrischen kann. Womit sich das „Restaurace U Hraničáře“ auf mapy.cz die Bewertung „Fantastisch“ erworben hat, sei dahin gestellt, aber urig "biehmsch" ist es allemal.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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