Dienstag, 11. Oktober 2022

Wanderung zur Scheibenwarte und zum Sustrich

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

 Wanderung zur Scheibenwarte und zum Sustrich

In der näheren Umgebung sollte es nur noch wenige bedeutende Wanderziele geben, die von uns noch nicht besucht wurden. Dass wir nun ausgerechnet heute zwei davon bei teilweise strömendem Regen ins Visier nehmen, ist ziemlich aberwitzig.

Bei den beiden Zielorten handelt es sich um die Scheibe (Na vyhlídce), ein Ausläufer des Fasanengartens (Bažantnice) und den Sustrich (Rozsocha) in der Nähe von Meistersdorf (Mistrovice) bzw. Neu Ullrichsthal (Nový Oldřichov). Ausgangspunkt ist ein Parkplatz in der Nähe des Sustrich, den wir uns für das Ende der Tour aufheben wollen. Beide Örtlichkeiten verfügen über ein beträchtliches Aussichtspotential und waren früher mit kleinen Sommerrestaurationen versehen (die Scheibe mit einem Turm, der Scheibenwarte), von denen nichts mehr übrig ist. Zunächst zur Scheibe:

Die aus Liebe zum Heimatorte vom Vereine der Naturfreunde, unterstützt von der freien Vereinigung der Naturfreundinnen, auf Pachtgrund geschaffene Scheibenwarte wurde am 24. April 1903 bei strömendem Regen unter großer Teilnahme aus nah und fern festlich eröffnet Die Erbauung der Gastwirtschaft und des Turmes beanspruchte den Betrag von 7341.K. Im Frühjahre 1904, dem ein sehr trockener Sommer folgte, wurden vor der Gastwirtschaft mehrere Lindenbäumchen gepflanzt. Die Anlage ist vortrefflich gediehen. 1906 machte sich die Erbauung einer geräumigen Veranda notwendig. 1907 war ein schweres Unglücksjahr für die Scheibenwarte. Der jähe Wettersturz brachte am 14. Juli nachmittags gegen 3 Uhr den 20 Meter hohen hölzernen, an 4 starken Eisenseilen befestigten Aussichtsturm, den Stolz des Vereines und des Ortes, unter donnerähnlichem Gepolter zum Falle, ein harter Schlag für den Verein…. Über die Aussicht von der Scheibenwarte schrieb der verstorbene Prof. Paudler, ein warmer Freund derselben, im 3. Hefte 1904 der „.Mitteilungen "Wer die Galerie (des Turmes,) betritt, den belohnt ein herrlicher Ausblick, so daß man ohne Übertreibung sagen kann, daß die Scheibenwarte den herrlichen Aussichtsbergen unserer Landschaft sich würdig zur Seite stellt und in manchen Beziehungen sogar besondere Beachtung verdient“ (Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions-Clubs, Heft 4, 1913)

Auf der Scheibe stand, als Meistersdorf noch ein eigenes „Halsgericht“ besaß, der Galgen. Eine Hochfläche, auf der im Sommer glückliche Rinder grasen, verbindet die Scheibe mit dem sogenannten Fasanengarten, von hier ungeordneter Abgang über einen leichten Grat mit Basaltdurchbrüchen nach Gersdorf (Kerhartice). Beim Austritt aus dem Wald ergibt sich eine überraschende Begegnung mit einem Jägersmann, der hier gerade einen Hirsch erlegt und ausgeweidet hat.

Beim Aufstieg von Gersdorf zur Henne/Heidelberg (Hana) beginnt es richtig zu „schiffen“. Dabei könnte die Henne mit ihrem ausgedehnten Grasland ein idyllisches Plätzchen zum Ausruhen sein. Mit der Zuwegung sieht es allerdings ziemlich schlecht aus, man muss sich etwas einfallen lassen. Wahrscheinlich empfiehlt es sich von der Westflanke aufzusteigen, von wo aus wir vor Jahren einen herrlichen Ausblick auf die Böhmische Schweiz genossen.

Man muss über die Wiesen von der Henne steil absteigen zum Ort Henne (Huníkov), um auf der gegenüberliegenden Talseite am Forstberg wieder einen kräftigen Anstieg zu meistern und um das Endziel Sustrich zu erreichen. Nach all dem ertragenen Regen kommt die Sonne hervor, so dass wir für den miesen Tag mit einer Bilderbuchaussicht mehr als entschädigt werden.

Ringsum ist das abgerollte Gestein in Form einer Mauer aufgeschichtet. Auf der n. Seite führt der Weg zw. Haselgesträuch empor zur Gipfelfläche, die seit 1800 eine Schutzhütte trägt u. zum Theil terrassirt u. mit Bäumchen bepflanzt ist, zum Theil aus den Köpfen verwitternder Basaltsäulen bienenwabenartig sich zusammensetzt u. mit sprossender Hauswurz dicht überzogen ist. Aus einer Einsenkung zw. zwei Felszacken am ö. Rand steht ein Triangulirungsstein. Nö. unter dem Gipfel hat der Besitzer (ein Insasse aus Ulrichsthal) zw. dem Basaltgestein einen Kellerraum für Restaurationszwecke hergerichtet. Die Aussicht ist nur ö. gegen den bewaldeten Sonnebergrücken aufgehalten, sonst aber eine ungemein befriedigende“. (Franz Hantschel)

Die ungemein befriedigende Aussicht beschreibt das Panorama vom Daubaer Bergland bis hin zum Rosenberg (Růžovský vrch) in der Böhmischen Schweiz. Selbst der Milleschauer (Milešovka) ist bei günstigen Sichtbedingungen zu sehen. Im Jahre 1931 kam dann eine Hiobsbotschaft:

Bei Steinschönau befindet sich der wegen seiner Fernsicht bekannte 576 Meter hohe Sustrich, um den ringsum das Gestein in Form einer Mauer aufgeschichtet ist. Der Sustrich wurde vor dem Weltkriege durch die Bezirksvertretung angekauft. Man glaubte allgemein, dies sei geschehen, um dieses sehenswerte Naturdenkmal den Nachkommen zu erhalten. Diese Vermutung beruht aber leider auf einem Irrtum, denn eben geht der Bezirk daran, am Sustrich einen Basaltbruch zu errichten, als ob sonst nirgends Steine vorhanden wären. Derart herrliche und für den Fremdenverkehr überaus wichtige Naturschönheiten verdienen Schutz und Schonung; das ist die einmütige Anschauung der Bevölkerung. Deshalb wurde an das Denkmalamt das Ersuchen gerichtet, die geplante Vernichtung dieses Naturdenkmales zu verhindern.“ (Reichenberger Tagesbote, 21. Februar 1931)

Der Versuch, die Anhöhe abzutragen, konnte glücklicherweise damit gestoppt werden.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.



Blick über Neu Ullrichsthal






Über den Fasanengarten nach Gersdorf








Waidmanns Heil







Gersdorf mit Kirche und Friedhof








Auf der Henne hat es uns so richtig eingesaut



Der Kamnitzer Schlossberg mit der Burgruine Kempnitz





Über den Forstberg zum Sustrich: endlich Sonne














 

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