Dienstag, 31. März 2020

Grenzwanderung durch das Zittauer Gebirge

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Bereits in einem früherem Beitrag hatte ich angedeutet, dass man das kleine Zittauer Gebirge eigentlich in zwei Tagen ergründet haben kann. In diesem Teil eins hatte ich angekündigt, dass der fehlende Part, nämlich die Grenzwanderung, irgendwann einmal folgen würde. Es ist eine Kraftanstrengung, denn es geht über 25 km mit knapp 1.000 Höhenmetern. Zunächst einmal steht jedoch ein Popanz im Raum – der Corona-Virus und der Angriff auf unsere persönliche Freiheit und das gesellschaftliche Zusammenleben. Ich persönlich schließe mich der Auffassung des Mikrobiologen Prof. Sucharit Bhakdi, an: “Ich kann nur sagen, diese Maßnahmen sind selbstzertörerisch und, wenn die Gesellschaft dies akzeptiert und durchführt, gleicht dieses einem kollektiven Selbstmord.“


In der Sächsischen Zeitung vom 23.03.2020 wurden die verordneten Maßnahmen näher erläutert. Dazu heißt es:

"Darf ich von meinem Wohngebiet noch in die Natur fahren?
"Ein Dresdner kann natürlich in die Dresdner Heide fahren", sagte Innenminister Wöller am Sonntag auf die Frage, wie weit sich Menschen fortan von ihrem Wohnort wegbewegen dürfen, um sich an der frischen Luft aufzuhalten. Allerdings wäre das Menschen, die zwei Landkreise weit entfernt leben, nicht mehr gestattet. Die "frische Luft" sollte sich also zumindest möglichst nah am eigenen Wohnort befinden. Wer im Vogtland wohnt, wird Schwierigkeiten haben, einen Spaziergang am Berzdorfer See bei Görlitz zu rechtfertigen."

Ich wandte mich an die Staatskanzlei um mich rückzuversichern, dass dies inhaltlich gewiss auch für Zittau und das Zittauer Gebirge zutrifft und erhielt sogar Antwort.

die wege sollten natürlich nicht zu weit sein. Was der Innenminister erwähnte war ein Beispiel. Sicher geht auch ihr Vorschlag. Aber als Zittauer in die Dresdener Heide würde nicht funktionieren.

Das reicht mir, auf geht es an einem herrlichen Frühlingstag. Von Herrenwalde wandern wir stetig an der Lehne des Weberberges bergan, über den Heideweg hinauf auf den Kamm und weiter zur Lausche. Auf dem Gipfel des Berges kein Mensch, pralle Sonne, aber keine Fernsicht. An dieser Stelle sei an Hans Brussig erinnert, der in seinem Buch „Grenzlandfahrten“ eine Liebeserklärung an seinen Hausberg vorträgt:

Sei mir gegrüßt, mein Berg! Hab wohl ein gutes Recht, sie so zu nennen, die liebe, schöngeformte Lausche! Sie ragt hinein in die Träume meiner Kindheit; denn in unser Fenster grüßte sie, blau und schön, wohl erhaben über den stinkenden Qualm der Fabriken, im Winter glänzend weiß, im Frühjahr blau und weiß, auf den beiden Lauschewiesen ihr Hemdlein bleichend. Sie war des lieben Vaters ganzer Schwarm; jedem fremden Gast zeigte er sie durchs Fenster seiner Studierstube mit wahrem Besitzerstolz: „Mein Berg!“. Lange, lange konnte er in Musestunden in seinem Stuhl sitzen, Rauchwolken aus der langen Pfeife blasen und seine verehrte Lausche anhimmeln; er war sichtlich in sie verliebt! … Und zu jeder Jahreszeit war die Lausche schön! Im zeitigen Frühling: Drunten der Lenz, droben der scheidende Winter mit seiner ganzen Höhenklarheit, im Mai das Buchengrün, zart, golden, die sonnenleuchtende Bergwohlverleihwiese; im Sommer die Bergfrische über der brütenden Hitze des Tales oder des Gewitters Majestät, in der Höhe tausendmal herrlicher als im Tal, im Herbst Farbenlust am Tag, Sternengefunkel in der Nacht, im Winter schweigender Märchenglanz von Rauhreif und Schnee beim Aufstieg; jauchzende Schlittenlust bei der Talfahrt. Herrlich, herrlich, herrlich, oft zum Schreien schön!“

Nach kurzem Abstecher auf den Kleinen Lauschegipfel geht es weiter über Hubertusbaude und Rübezahlbaude (alle geschlossen) zum Cotta-Weg. Der Cotta-Weg führt schön entlang der renaturierten Lauschemoores zum Rabenstein. An verschiedenen Stellen bieten sich herrliche Aussichten zur Lausche. Erwähnenswert ist, dass auf dem Nachbarfelsen Falkenstein einst eine Baude stand, die in den 50-er Jahren zerstört und abgetragen wurde. Fundament und Kellerreste sind noch zu sehen. Nach alten Aufnahmen, dürfte es die schönste Baude des Zittauer Gebirges gewesen sein. Hier wurde ein Kulturgut zerstört, welches unter heutigen Verhältnissen unwiederbringlich ist.

Weiter folgen wir dem Grenzweg bis Jonsdorf, dann über den Johannisstein und die Kammbaude (natürlich geschlossen) hinauf zum Hochwald, Baude natürlich geschlossen. Auf dem Hochwald sind wir nicht die einzigen Wanderer. Es pfeift ein eisiger Ostwind, so dass wir unterhalb der Aussichtsplattform am Fels ein sonniges Plätzchen für die Mittagsrast finden. Aus dem Dunst treten einige der geliebten böhmischen Berge hervor. Die letzten, die wir heute noch erkennen, sind Wilhoscht (Vlhošť), Ronberg (Ronov) und Geltsch (Sedlo).

Vom Gipfel des Hochwaldes bis nach Hartau geht es nun tendenziell nur noch bergab. Auf den Wiesen um Lückendorf treffen wir andere Wanderer, die Leute sind vernünftig. Kurzer Blick noch von der Fuchskanzel, dann beginnt der letzte Abschnitt der langen Tour. Wir erreichen den Parkplatz am Grenzübergang in Hartau, den Kopf frei, die Seele entspannt. Der Zustand hält sich nicht lange, denn schon die Ansagen des Autoradio rufen den Irrsinn der Gegenwart in uns wach.

Da fällt mir gerade noch ein, dass, wenn wir immer zu Hause geblieben wären, wenn man dies von uns forderte, wir heute womöglich noch in der DDR lebten.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





An und auf der Lausche










Der Lausche-Lift an der Hubertusbaude - Landschaftsfrevel und Fehlinvestition


Auf dem Cotta-Weg entlang des Lausche-Moores








Der Rabenstein



 Der Falkenstein
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Reste der Falkensteinbaude



Schengen wie es leibt und lebt in diesen Zeiten (Grenzweg am Falkenstein)


Der Hochwald rückt ins Blickfeld


Schengen wie es leibt und lebt (Grenzübergang Jonsdorf/Krombach)



Am Johannisstein



Auf dem Hochwald






Auf Lückendorfer Fluren





Triangulierungssäule auf der Fuchskanzel




Fast geschafft


Abendstimmung auf dem Hochwald


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