Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Nach einer guten halben Stunde Autofahrt von zu Hause erreichen wir Khaa (Kyjov), ein kleines idyllisches Dorf im Tal an der Kirnitzsch (Křinice). Hier beginnt ihr Lauf durch die Täler der Böhmischen Schweiz. Von Khaa aus haben wir schon so manche Wanderung unternommen, hier kreuzt auch der Naturlehrpfad „Köglerweg“ (Köglerova naučná stezka). Heute sind unsere Ziele die ehemalige Felsenburg Ober-Karlstein und die Kirche Maria Schnee in Schnauhübel (Sněžná).
Wir beginnen unsere Wanderung am Eingang des Khaa-Tals und steigen zu der Feste Ober Karlstein auf, über die wenig bekannt ist. Nur der Burgenforscher Franz Alexander Heber, der in seinem kurzen Leben - er wurde nur 34 Jahre alt (1815-1849) - sieben Bände der Enzyklopädie „Böhmens Burgen, Festen und Bergschlösser“ heraus brachte, beschrieb die Anlage, von der nichts mehr erhalten ist, bemerkenswert detailliert. Die Beschreibung der Burg Ober Karlstein finden wir in Band 4dieses Werkes.
„Das Landvolk selbst belegt aber jetzt die Trümmerstätte mit dem Namen "das wüste Schloß am neuen Wege". Der hohe, senkrechte Sandsteinfels, auf welchem sich die spärlichen Burgüberreste vorfinden, besteht aus vielen Absätzen und Klüften, deren zwei ihn an der Südost- und Nordwestseite von dem benachbarten Felsenzuge völlig trennen und zum isolirten Riesenblocke bilden.
Ein steiler Pfad, früher der einzige Zugang, geht aus dem Thale in der südöstlichen Schlucht aufwärts; er war ehemals bis zur Oberfläche des Felsenrückens fortgesetzt, wo die rauhen bepanzerten Bewohner über zwei Wallgräben zur Burg selbst gelangten, welche an dem nordöstlichen Endpunkte des Felsens stand. Nun muß der Wanderer beinahe in der Hälfte des steilen Pfades rechts ablenken und seine Schritte nach dem zweiten Wallgraben wenden, der, bei einer Breite von zwölf Klaftern, zehn Klafter tief und in puren Felsen gehauen ist. Eine in der Mitte desselben befindliche, zwölf Schuh lange Felsbank hatte den Zweck, den hölzernen Stützpfeilern der Schloßbrücke zur Grundlage zu dienen, von welcher aber längst alle Spuren verschwunden sind.
Ueber Schutt und Steingerölle klettert man zum obersten Plateau des Felsens empor, wo man aber jetzt nicht die geringste Spur von Mauerwerk gewahrt, denn der ganze leere Platz ist mit Haidekraut, Fichten und Tannen bewachsen, so daß sich einem Jeden von selbst gleich die Bemerkung aufdrängt, hier müssen lediglich nur Holzbauten gestanden haben, die um so mehr durch die Höhe und Steilheit des Felsens gesichert waren, da an der erkletterbaren Nordseite ein tiefer Wallgraben ausgehauen wurde, und jeden möglichen Zugang von dieser Seite gänzlich vereitelte.
Aus dem vorbenannten riesigen Graben führt auch eine Felsspalte auf den geräumigen Platz des ehemaligen Vorwerkes, das sich zwischen dem ersten und zweiten Wallgraben befand, dreißig Klafter lang und acht Klafter breit war, und allem Anscheine nach den Stallungen, Vorrathskammern und Wohnungen der Waffenknechte zum Standpunkte diente. Am ersten Burggraben gewahrt man einen Erdwall, welcher eigentlich nur Ueberrest der zerstörten Ringmauer ist, die hier den schwächsten Punkt der Veste schützte, und auch an der Südostseite längs der Felskante sehr weit hinlief. Daß sie gewaltsam zerstört wurde, ersieht man aus den an der Mittagsseite des Felsens allenthalben herumliegenden behauenen Quadern und Bruchsteinen, unter welchen sich auch rothgebranntes Gestein zeigt und zur Genüge beweiset, daß die Burgveste durch Feuer zu Grunde ging. Dieses mochte auf solcher Höhe arg gewüthet haben, da zur schnellen Herbeischaffung des Wassers nichts vorhanden war, als eine drei Klafter ins Gevierte habende Cisterne, deren Spuren in der Mitte des Vorwerkes noch bemerkbar sind.
Die Aussicht von dieser Stätte ist nicht sehr bedeutend. Nordwestlich breitet sich das tiefe felsige Kirnsthal aus, durch dessen Sohle der Wildbach braust, und durch eine Gebirgsspalte den Blick nach dem nahen Sachsen zu werfen erlaubt, wo die groteske Felsenwelt sich im wunderbaren Chaos übereinander thürmt. Eine freie Durchsicht gestattet morgenwärts die weite Baumlücke auf das hochgelegene, von Feldern umgebene Dorf Steinhübel, und dieses ist der einzige Genuß, so das Auge hier empfängt, da dichte Forste an allen übrigen Seiten die Ruine eng umschließen."
Das Durchklettern des Felsenpfades ist aufregend und ein wenig anstrengend. Die Sicherungen (Leitern, Trittroste) wurden erneuert und selbst die Stufen im Sandstein aufgearbeitet, so dass ein sicheres, aber zeitaufwendiges Durchkommen auf dem Lehrpfad gewährleistet ist.
Nach diesem Abenteuer erreichen wir zunächst noch einmal Khaa. Jetzt beginnt der entspannte Teil der Wanderung, zunächst hinauf auf die Höhe nach Steinhübel (Kamenná Horka). Eine Tafel am Wege verweist aud den alten Ort Nassendorf (Hely). Nur noch einige Fundamentreste erinnern an das alte Dorf, das hier in schöner Lage angesiedelt war. Man blickt nämlich über Langengrund (Dlouhý Důl) zum Wolfsberg, aus höherer Lage zum Rosenberg und darüber hinaus. Es ist nur ein kurzes Verweilen in Steinhübel, denn unser Weg führt wieder hinab nach Langengrund. Wir folgen ein Stück den Mäandern der Kirnitzsch, bevor wir aus dem Tal erneut aufsteigen, nun zu der Kirche der Hl. Maria-Schnee in Schnauhübel (Sněžná) mit ihrem Bergfriedhof. Es ist ein wahrlich romantischer Ort und zwar so romantisch, das auf dem Friedhof Szenen zu dem Hollywood-Streifen „Der Vorleser“ gedreht wurden. Die Scouts, welche die Drehorte auskundschaften, müssen sich wahrlich gut auskennen. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts fanden hier auch Wallfahrten statt. Die Kirche selbst, das beistehende Pfarrhaus und die alte Schule befinden sich derzeit leider nicht in einem vorzeigbaren Zustand.
Nach geruhsamer Mittagsrast wandern wir weiter zu dem Ort Wolfsberg (Vlčí Hora). Neugierige besteigen den Hausberg und lassen sich überraschen, ob der Aussichtsturm geöffnet ist (was mir in den ganzen Jahren nur einmal vergönnt war). Aber auch aus der Ortslage ergeben sich schöne Aussichten zum Lausitzer- und Isergebirge.
Für den Rückweg nach Khaa haben wir einen Abschnitt des Kögler-Lehrpfades gewählt. Kurz bevor wir wieder Khaa erreichen, halten wir beim Abstieg noch einmal eine schöne Ausschau über Langengrund und die Gegend um Steinhübel, die wir zu Beginn des Wandertages durchstreiften. Die Hanglagen oberhalb von Khaa wurden früher als Schnapsleiten bezeichnet. Bösen Zungen zufolge soll das ein Hinweis darauf sein, dass die hiesigen Vorfahren sich übermäßig dem Alkoholgenusse hingaben, also, dem Suff verfallen waren. Auf Ihr Wohl!
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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