Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
„Ein Herbstsonntag heißt uns abermals in Kratzau aus dem Zuge steigen! Vom Schafberg lodern die Brände der Buchen zwischen dem violetten Rauch der Birkenkronen. Wir biegen um die mächtige Klingerfabrik durch den »Stollen«, der mit einer Bergwerkspforte an einstigen Bergbau mahnt. Das »Windgebräjche« weist uns mit dem bunten Licht des herbstlich schimmernden Kirchberges den Weg nach Frauenberg. Allmählich steigt ein Pfad aufwärts zwischen Erlen, die noch ihr Sommergrün bis in den tiefen Herbst gehalten haben, dann setzt er über den Hüttengrundbach und muß alle Kräfte anspannen, um auf steilem Abhang unter jungen Laubbäumen aufwärts zu klimmen. Im Hüttengrund standen voreinst die Schmelzhütten des Frauenberger Bergwerks. Am Boden raschelt dürres Laub, ahornbunt und birkengelb. Durch die Stämme grüßen die ersten Häuschen von Frauenberg. Sie rufen uns zur Mitte des Ortes, um die sich mehrere Gasthäuser im Rund aufstellen. Der Springbrunnen eines kleinen Teiches plätschert. Unweit rastet eine Kapelle und von den ansteigenden Hängen erzählen verwitterte Fachwerkhäuser von langer Vergangenheit. Der Ort verdankt Bergleuten sein Entstehen und erhielt 1570 vom Grafensteiner Herrschaftsbesitzer, dem kaiserlichen Vizekanzler Dr. Georg Mehl von Strehlitz, die Rechte eines freien Bergstädtchens, so daß die Einwohner der Obrigkeit keinerlei Dienste zu leisten hatten, was umso mehr ins Gewicht fiel, als die Bauern der umliegenden Dörfer zwei Jahre vorher wegen allzu drückender Robotleistung aufbegehrt hatten. Die Frauenberger beuteten Eisenerz und Bleiglanz aus dem Boden. Das Blei übernahm die Zittauer Niederlage, wo auch die Mehrzahl der Kuxinhaber saß: wiederum ein Beweis für die innige Verbundenheit des Neißegebietes mit der Oberlausitz! Unser Weg steigt durch Wiesen steil an den Wald heran. Über den Westrand des Ortes tauchen Türme und Dach der Frauenberger Friedhofskapelle auf.“ (Josef Preußler, Wanderungen um Reichenberg: Erinnerungen an eine unvergessene Landschaft, 1931)
Abgesehen einmal davon, dass heute kein Sonntag ist, wie es der Erzähler vorstehender Zeilen beschreibt, begeben wir uns zu Beginn unserer Wanderung genau auf den geschilderten Weg. Herbstlich ist es ebenfalls, nur die Sonne fehlt während der ersten Hälfte unserer Tour, so dass das goldige Herbstlaub seinen Glanz nicht so leidenschaftlich entfalten kann. Auch dem alten Bergbaunest Frauenberg (Panenská Hůrka) fehlt der frühere Charme. Gaststätten gibt es hier schon lange nicht mehr, einige alte Häuser sind schön saniert, andere sehnen sich noch danach. Aber die Lage in einem Sattel zwischen Hüttengrund (Chladný důl) und Riesengrund (Obří strž) ist idyllisch.
Eine erstaunliche Beschreibung des Ortes Frauenberg liefert die deutschsprachige Wikipedia - Eintragung.
Am Waldrand oberhalb des Dorfes finden sich Reste der verfallenen Friedhofskapelle und zahlreiche namenlose Grabplatten zwischen den Bäumen. Hier gab es seit einer Ewigkeit keine Bestattungen mehr. Der Ort hat vielleicht gerade deswegen ein romantisches Ambiente. Wir wandern weiter hinaus zur Dörfelwiese, um von hier die weiträumige Aussicht über Weißkirchen (Bilý Kostel) hinüber zum Höhenzug des Gickels- (Výhledy) und Kahleberges (Lýsy Vrch) zu genießen, die uns noch mehrfach - und zwar aus noch schöneren, höher gelegenen Lagen - begegnen wird. Wir tauchen nämlich jetzt in die Wälder des Jeschkenkammes ein. Von nun an geht es stramm hinauf dem Gipfel des Langeberges (Dlouhá hora) entgegen. Im oberen Bereich unterhalb des Gipfels erstreckt sich derzeit ein großflächiger Kahlschlag, von dem aus sich ein grandioses Panorama vom Hochwald bis zu den Höhen des Isergebirges darstellt. Insbesondere das Landschaftsprofil vom auslaufenden Jeschkenkamm bis zur Lausche tritt beeindruckend zutage.
Wir überschreiten den Gipfel des Langeberges (hier gibt es sogar ein Gipfelbuch). Auch an seiner Südflanke wurden weite Flächen abgeholzt, sodass sich schöne Ansichten vom Jeschken und dem Roll (Ralsko) ergeben. So straff, wie es auf der einen Seite bergan ging, geht es nun hinab ins Tal bis zur Neiße. Diese gilt es in einem ungewohnten Gefährt zu überqueren. Die Mannschaft muss sich mit eigener Muskelkraft in einem Drahtkorb über den Fluss bugsieren. Das wird als Mordsgaudi empfunden.
„Uns lockt das »Wüste Schloß«, die Ruine Hammerstein. Auf dem Schieferwege klimmen wir hinan, an den Resten einer alten Birke vorbei, deren Splint bloßliegt und morschen Kern zeigt: hier hat der Blitz böses Werk getan und die Mächtige, die sicher einmal weit ins Land geblickt hatte, gefällt, so daß von ihrer Herrlichkeit nur eine arme, verwüstete Ruine übrig geblieben ist. So teilte sie das Schicksal des Menschenwerkes, das einmal schirmend das Tal der Neiße hegte, während dieses heute noch wie ein sichernder Graben den Fuß des Hammersteinhügels umzieht. Die auch diese Ruine reich umrankende Sage wächst aus einem von den Historikern fleißig erforschten Wurzelgrund. Obwohl die kleine Burg erst 1357 erwähnt wird und wahrscheinlich einen in der Nähe betriebenen Eisenhammer zu schützen hatte, 1433 von den Hussiten zerstört und wieder aufgerichtet wurde, hinterließen all die wechselvollen Schicksale keinen tiefen Eindruck im Volke, zumal das Neißetal unter den Feinden selber viel zu leiden hatte; nachdrücklicher wirkten sich die heftigen Erbstreitigkeiten um den Besitz des Schlosses aus…. Nicht sobald verlassen wir die Ruine, wenn auch Eschen und Erlen, Buchen und Birken uns eine weitere Aussicht versperren. Modergeruch steigt vom Boden auf. Faulendes Holz zerbröckelt unter unseren Füßen. Ob es in der Nacht glimmt und leuchtet? Dann mögen spukende Irrwische am Fuße der Mauer hocken. Das wäre ein Ort für Gespenstergeschichten, zu denen die Neiße in der Tiefe ein seltsames Lied raunte und Erzähler und Zuhörer in schaudernder Gänsehaut fröstelten.“ (Josef Preußler, Wanderungen um Reichenberg: Erinnerungen an eine unvergessene Landschaft, 1931).
Wie schön, dass man sich einmal zurücklehnen und der Erzählung eines Fremden lauschen kann, der wohl gleich uns das alte Gemäuer bestiegen und besichtigt hat, nur etwa 90 Jahre früher. Übrigens gibt es zur Ruine Hammerstein hier auf den Naturwunderseiten einen ausführlich Artikel.
Nachdem wir die Ruine verlassen haben, wandern wir die letzten Kilometer noch einmal ein Stück bergan über den Schafberg (Ovčí hora). Die Sonne ist herausgekommen und lässt nun den Herbstwald in den schönsten Farben leuchten. Das letzte Stück unseres Weges hinunter nach Kratzau (Chrastava) vollzieht sich nun wieder über weitläufige Wiesen. Noch einmal schweift unser Blick über das Tal der Neiße zum Kamm des Isergebirges und seinem westlichen Ausläufer, dem Gickelsberg. Die Tour über den an und für sich als spröde erscheinenden Jeschkenkamm bleibt als großartige Wanderung in unserer Erinnerung.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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