Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Eingebettet in Regentage öffnet sich ein kleines Zeitfenster für eine Wanderung. Als Ziel haben wir uns die Gegend um Daubitz (Doubice) ausgesucht, denn laut Wetterbericht könnte es stürmisch werden und laut einer Mitteilung des Nordböhmischen Excursionsclubs aus dem Jahre 1879 ist man dort relativ geschützt:
„Durch den Waldgürtel ist Daubitz vor Stürmen geschützt, die Luft ist dort rein, das Wasser frisch und gut. Weit und breit um das Dorf ist kein Sumpf und Morast. Wohnungen sind zu billigem Preise zu haben.“
Aber Daubitz hat noch andere Vorzüge, nämlich
„Diese wenigen Worte werden darthun, daß es kaum einen vorzüglicheren Aufenthaltsort für Nervöse, für durch schwere Krankheiten Herabgekommene, für Brustschwache, welche reiner Luft bedürfen und für Solche, die überhaupt Ruhe und die balsamische Luft des Waldes suchen, als Daubitz gibt.“
Gut, also für Brustschwache und Herabgekommene sind unsere Wanderungen nicht geeignet, aber manch einer, dem das Zeitgeschehen auf die Nerven geht, findet vielleicht um Daubitz Erholung. Außerdem trifft er in unserer Wandergruppe Gleichgesinnte.
Wir starten also am Markt in Kreibitz (Chřibská) und wandern hinauf zu dem Weiler „Am Pass“ (Na sedle), heute zu Teichstatt (Rybniště) gehörend. Hier verläuft eine Wasserscheide, deren Abflüsse einerseits der Ostsee, andererseits der Nordsee zustreben. Am Wegesrand steht die stattliche Drei Königs-Kapelle (Tříkrálová kaple). Hier verlief nämlich der alte Kirchweg, auf dem die Gläubigen in der Zeit der Rekatholisierung (zwischen 1651 und 1724) von Schönlinde (Krásná Lípa) nach Kreibitz zur Kirche gingen. Ein Stückchen weiter des Wegs passiert man noch die Pfaffenkapelle (Farská kaple) und den eingefassten Pfaffenborn (Farský pramen). Von der Pfaffenkapelle hat sich Folgendes überliefert
„Geht man nun von dem oben angegebenen Wegweiser links, so erblickt man schon nach kurzer Wanderung zwischen Fichten und Buchenbäumen hart am Wege die, im vorigen Jahre von ruchloser Hand zerstörte, am 5. August 1900 von Gutthätern neurenovirte kleine Capelle, die mit einem Crucifix bekrönt ist und im Innern ein Bildnis birgt, welches die Flucht nach Egypten darstellt. Ihr gegenüber ladet ein Steinblock, wie sie zu Tausenden in der Nähe des Steingeschüttes zu finden sind, den Beschauer zur Ruhe ein. Einer alten Sage nach sollen in früheren Zeiten, als Schönlinde noch zum Kirchsprengel Kreibitz gehörte und keinen eigenen Pfarrer besaß, die Leichen dorthin gebracht worden und vom Kreibitzer Pfarrer daselbst abgeholt und zur letzten Ruhestätte auf den Kreibitzer Friedhof gebracht worden sein. Wahrscheinlicher klingt es aber, dass die Leichen bei der Capelle von dem sie erwartenden Pfarrer aus Kreibitz eingesegnet und dann zurück auf den Friedhof nach Schönlinde gebracht worden sind, um dem Geistlichen bei ungünstiger Jahreszeit den weiten Weg auf die Hälfte zu verkürzen.“ (Mittheilungen des Nordböhmischen Excursionsclubs, Ausgabe 1901)
Man lernt daraus, dass es auch schon vor mehr als 100 Jahren ruchlose Rabauken gab, die keinen Respekt vor Kulturgütern und religiösen Andachtsstätten hatten. Unser Ziel ist indes der gesicherte Aussichtsfels Karlshöhe (Vyhlídka Karlova výšina) auf dem Steingeschütte (Široký vrch).
„Nach kurzer Wanderung im Walde kommt man zu einer Lichtung, wo ein Wegweiser die Richtungen, links nach der Pfaffen-Capelle und dem Pickelsteine, rechts nach der Karlshöhe - auch Steingeschütte genannt - anzeigt. (Wir kommen aus der anderen Richtung) Auf halbem Wege, der bergan zu dem „Steingeschütte" führt, hat man nach der, in den letzten Jahren erfolgten Abholzung eine herrliche Rundsicht, und das Terrain daselbst könnte man ganz gut als „steinernes Meer" bezeichnen; von dem Steingeschütte selbst besteht ein prächtiger Blick über die Wipfel der Bäume nach dem idyllisch gelegenen Daubitz und eine weite Fernsicht nach der böhmisch-sächsischen Schweiz. Ein sehr interessanter Weg führt von der Höhe herab nach Kalkofen und Daubitz.“ (ebenda)
Über diesen Weg durch die Geröllfelder verlassen wir die Karlshöhe mit dem Ziel: Daubitz. Dort löckt das urige Restauramt „Stara Hospoda“. Die Dekoration ist Geschmackssache, aber legendär. Von Panzerbüchsengeschossen (RPG-7), die über dem Tresen drapiert sind, bis zu Angel- und Jagdtrophäen (Lenin-Bild nicht zu vergessen) hängt hier alles herum, was Gäste zu erheitern vermag. Am eindrucksvollsten - weil gebrauchsfähig - erschien uns jedoch die Kollektion von Rum-Flaschen der Sorte „Don Papa“, die am Tresen aufgebaut war. Einfach köstlich!
Wir begeben uns auf den Rückweg. Inmitten der Wiesen oberhalb des Dorfes liegt malerisch am Fuß des Irigtberges (Spravedlnost) die restaurierte Dreifaltigkeitskapelle (Kaple Nejsvětější Trojice). Der weitere aussichtsreiche Rückweg nach Kreibitz verläuft unterhalb des Irigtberges, wo die imposante „Kreibitzer Säge“, also der gezahnte Ausläufer des Lausitzer Gebirges oberhalb des Kreibitztals, den Horizont ausfüllt. Am Ende des Tages bleibt die Wanderung trotz des trüben, frühlingshaften Winterwetters in guter Erinnerung.
Die GPS-Daten zu dieser Wanderung findet man hier.
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