Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Wanderungen im Böhmischen Paradies zur richtigen Jahreszeit sind immer ein Genuss. Das Schloss Humprecht liegt im Süden des Gebietes in der Nähe der Kleinstadt Sobotka, einst Saboth genannt. Das möchten wir heute einmal besuchen. Das eigenwillige Bauwerk stellt eine Landmarke dar, welches sich über der welligen, aber schon recht ebenen Landschaft erhebt. Auf unserer kurzweiligen Tour begegnen uns einige hübsche Dörfer in der landwirtschaftlich geprägten Gegend. Von den Hügeln überschaut man die Region und bereits erkundete Wanderziele der Vergangenheit. Das Auge erblickt in gediegener Entfernung zum Beispiel Trosky (Trosky), Wiskersch (Vyskeř) oder den Rollberg (Ralsko). Anderen gut bekannten Örtlichkeiten begegnen wir direkt auf unserer Tour.
Unweit von Sobotka erhebt sich das Schloss Humprecht, welches wir sogleich in Augenschein nehmen. Eine Besichtigung ist allerdings nur im Rahmen einer Führung möglich, wofür während einer Wanderung nicht die nötige Zeit bleibt. Wir wandern also weiter sanft ansteigend durch Wiesen und Felder nach Nepriwetz (Nepřívěc), Humprecht immer im Rücken. Ein gelegentlicher Blick zurück ist also lohnend. Währenddessen hält die Kirschallee, entlang derer der Weg verläuft, Überraschendes für uns bereit, die ersten reifen Früchte diese Jahres. Beeindruckend in Nepriwetz ist die alte, ehemals gotische, später im Barockstil umgebaute Dorfkirche mit ihrem separat stehenden Glockenturm.
Sanft ansteigend führt der Weg über die Fluren zum Berg Hůra, Herrliche Aussichten verleiten uns zum Bummeln, der nächste Ort, Liboschowitz (Libošovice) ist nicht mehr weit entfernt. Wir kennen den Ort von früheren Touren, nur in den Restaurants haben wir heute kein Glück. Das macht aber nichts, denn Podkost ist nicht mehr weit. Wir treten hier nun also in das Plakanek Naturschutzgebiet ein, zunächst in das Prokop-Tal (Udoli Svateho Prokopa), und folgen einem gewissen F.W. Kirsch, seines Zeichens Zahnarzt aus Dresden.
„Bei der Kirche eine Anzahl Wegweiser, dem mit der Aufschrift: „Na Kost 2,2 km udolim Svateho Prokopa", der eine weiß-blau-weiße Marke trägt, folgen. Am Ende des Ortes bei einem Kreuze wendet sich der Fußsteig in das anmutige Wiesental (udoli Svateho Prokopa - Tal des heiligen Prokop). Derselbe führt anfangs am Abhange hin, überschreitet später den Bach und nach Eintritt in den Wald rechts ein kleiner See (Bily Rybnik das ist der Weiße Teich) und hoch über diesem das Schloß Kost. Die ersten Urkunden über die Burg reichen zurück bis ins 10. Jahrhundert. Im 12. Jahrhundert saßen auf ihr die reichbegüterten Marquartitze, denen fast das ganze nordöstliche Böhmen mit all seinen vielen Burgen, als da waren Reichstadt, Roll, Swirschetitz bei Bakov, Michelsberg bei Jungbunzlau, Welisch, Kumburg und Bradletz bei Jitschin, Groß Skal, Rohosetz, Trosky, Zbiroch und Turnau usw., gehörte. Im 15. Jahrhundert kam Kost an Nikolaus Zajic von Hasenburg, einen strenggläubigen Katholiken und geschworenen Feind der Hussiten. Als er im Jahre 1420 in einer Schlacht gegen Žižkas Heer gefallen war, soll Žižka (sprich Schischka) die Burg vergeblich belagert haben. Der große Friedländer, Albrecht von Wallenstein, kaufte Kost im Jahre 1632 von einem Lobkowitz. Bei Konfiskation der Wallensteinschen Güter kam dieselbe in die Hände ihres früheren Besitzers wieder zurück. Im 30 jährigen Kriege setzten die Schweden der Burg arg zu, vermochten sie aber trotz langer Belagerung nicht einzunehmen und mußten 1639 unverrichteter Dinge wieder abziehen. Nach dem Tode des Grafen Mitrovitz-Netolitzky entstand zwischen den beiden erbberechtigten Töchtern ein Streit, aus welchem die an den Cavaliere dal Borgo verheiratete als Siegerin hervorging. Das Geschlecht derer von dal Borgo führt seit 1872 den Namen dal Borgo-Netolitzky. Die Besichtigung der Burg kann nach Meldung beim Pförtner täglich zwischen 9 und 11 Uhr vormittags und zwischen 2 und 5 Uhr nachmittags geschehen. Herrschaftliches Bräuhaus. Unterm Schlosse in der kleinen Ortschaft Podkost das seit 1516 in dem Besitze der Familie Helikar befindliche Gasthaus. (Hostinec u hradu Kost) Deutsch wird verstanden. Auf der nach Turnau führenden Chaussee bis unter das Schloß und links dem in die Plakanky zeigenden Wegweiser folgen. Im Dorfe Wesetz erreicht man wieder die Landstraße.“ (F.W.Kirsch, „Das Jeschken-Iser-Gebirge nebst Zittauer- und Kreibitzer-Gebirge“, 1911)
Genau dieser Wegbeschreibung folgen wir, wobei wir die historischen Betrachtungen des Herrn Kirsch ausblenden wollen, sie sind ohnehin alsbald wieder vergessen, während die malerische Umgebung der Burg Kost mit ihren herrlichen Felsentälern und Teichen eine bleibende Erinnerung hinterlässt. Am Oborsky-Teich verzweigt das breite Tal in das Kleine Plakanek Tal, das sanft ansteigend hinauf zu dem Denkmalort Vesec führt. In diesem Tal nun treten die Felsen enger aneinander. Zur Zeit blüht hier wie wild der Hahnenfuß.
In Vesec kann man nicht anders, als am Dorfteich zu verweilen und das Idyll des historischen Ortskerns auf sich wirken zu lassen. Seit 1995 steht Vesec, das überwiegend aus fast vollständig sanierten Fachwerkhäusern besteht, unter Denkmalschutz. Die Hälfte der Gebäude wird für Freizeitzwecke genutzt. Nun aber ist es Zeit, sich auf den Rückweg nach Sobotka zu machen. Das imposante Schloss Humprecht springt uns auf unserem Weg dahin aus allen Richtungen regelrecht an, Zeit also zum näheren Hinschauen
„Kaum eine Stunde von Kost entfernt, liegt in der Nähe eines Fasanengartens das zur Domäne gehörige Jagdschloß Humprecht vom Grafen Humprecht Černin v. Chudenic auf dem Basalthügel gleichen Namens vor etwa 200 Jahren im Style einer Moschee erbaut. Graf Černin war Mitglied der österreichtschen Gesandtschaft in Konstantinopel und wurde bei Ausbruch eines Krieges mit der Türkei nach der damals geübten politischen Sitte unseres Erbfeindes in das Staatsgefängniß der sieben Thürme gesperrt. Nach seiner Befreiung und Rückkehr erbaute Graf Humprecht dieses Jagdschloß zum Andenken seiner Erlebnisse im Style des erwähnten Staatsgefängnisses. Von Kost wie von Humprecht genießt der Besucher eine reizende Aussicht, von diesem in einem beschränkten Kreise, von dem höher gelegenen Kost aus jedoch nach allen Richtungen, von welchen die des Groß-Skaler Felsenzuges mit den interessanten Ruhepunkten Waldstein, Groß-Skal und besonders die der Trosky weitaus den herrlichsten Anblick bieten.“ (Dr. Eduard Gregr, „Bad Wartenberg auf Groß-Skal und sedine Umgebung“, 1871)
An dieser Stelle würde ich gerne eine Wette abschließen mit demjenigen, der mir beweist, dass die Burg Kost höher gelegen ist als Humprecht, und meinetwegen auch zwei mit demjenigen, der von hier den Felsenzug von Groß-Skal (Hruba Skala) gesehen hat.
Auch die Inhaftierung des Humprecht Černin v. Chudenic durch den Erbfeind sei reine Stimmungsmache, erfährt man bei einer Führung durch das Schloss. Im Gegenteil, der Graf war an den diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Konflikts beteiligt.
Wieder einmal sieht man, gelogen wurde schon früher. Egal, denn
kaum jemand hört hin.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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