Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Traditionell besuchen wir im Frühjahr das Land unter dem Jeschken (Podještědí), bevorzugt die abgelegene ländliche Gegend südlich des Jeschkenkamms. Uns begegnen kleine verschlafene Dörfer in einem hügeligen Gelände, besonders schön, wenn Büsche, Hecken und Obstbäume blühen oder zur jetzigen Zeit gerade die Rapsblüte im Gange ist. Vor den Augen des Wanderers ist das Jeschkengebirge vom Jeschken bis zum Jaberlich (Javornik) allgegenwärtig. Der Jaberlich mit dem Riesenfass an seinem Gipfel ist das Ziel, wo man mit Speis’ und Trank ordentlich versorgt wird.
Wir starten in dem alten Dorf Bilai (Bilá). Bilai gliedert sich in zahlreiche Gemeinden, verteilt auf ein relativ großen Territorium, von denen wir einige bereits besucht haben: Dechtar (Dehtáry), Wesetz (Vesec), Chwaltschowitz (Chvalčovice), Letarschowitz (Letařovice), Wltschetin (Vlčetín), Bohdanken (Bohdánken), Klamorna
Das Land unter dem Jeschken teilt sich in 3 Regionen, den zentralen Teil des Jeschkengebirges, die Gegend um Christophsgrund (Kryštofovo Údolí) und das Gebiet um Böhmisch Aicha (Českodubsko), das ist die Landschaft vom Jeschkengipfel bis zu den Flussläufen von Iser und Mohelka. Hier sind wir heute unterwegs.
„Das Gebiet ist schon seit Urzeiten vom Menschen beeinflusst, die mittelalterliche Gegend um den Marktflecken Vladislavský újezd [alter Name dieser Gegend] war jedoch anfangs vollständig von Urwäldern bewachsen und nur von einer slawischen Bevölkerung dünn besiedelt. Die deutsche Kolonisierung berührte sie nicht und das tschechische Gepräge erhielt sich trotz der vergleichsweise starken Germanisierungsversuche im 19. Jahrhundert. Diese Gegend erinnert in ihren südlichen Teilen dank des malerischen Aussehens und des ländlichen Charakters fast an Südböhmen. Charakteristisch für das „Českodubsko“ ist die ursprüngliche Volksarchitektur der Blockhäuser mit ihren Giebeln und die um den Dorfplatz konzentrierte Bebauung. Im Unterschied zum nördlichen Teil des Jeschken finden sich hier keine langgezogenen Waldreihendörfer, das Zeichen der deutschen Kolonisierung des 13. Jahrhundert. Ein großer Teil der ursprünglich rustikalen Schönheit des „Českodubsko“, einschließlich der Zähigkeit und auf seine Art auch der besondere Charakter der hiesigen Bevölkerung … hat sich dank der Abgeschiedenheit dieser Gegend erhalten. Ein Grund war vor allem die von altersher schlechte Verkehrsanbindung und damit verbunden der fast ausschließlich bäuerliche Charakter des Gebiets mit einem Minimum an Industriebetrieben.“ *
Von der etwas unübersichtlichen Verkehrsanbindung können wir uns bei der Anreise bereits überzeugen. Ausgangspunkt unserer Tour ist tatsächlich das Dorf Bilai.
„Die Besonderheit von Bilá ist der einmalig erhaltene Charakter der Bebauung aus einer Ansammlung von Häusern um den alten Dorfplatz – dieser Typ war in allen Gemeinden des ursprünglich tschechischen Siedlungsgebiets anzutreffen. Häuser und Hütten sind von allen Seiten von Feldern und Wiesen umrahmt, die zusammen mit dem Panorama der südlichen Teile des Ještěd-Rückens ein malerisches Bild der Landschaft ergeben. Die ursprüngliche Bebauung wurde leider nach und nach von Neubauten verdrängt.“ („Ještěd und Podještědí. Wanderführer durch das Jeschkengebirge und seine Umgebung“, Marek Řeháček)
Durch ein solch malerisches Tal („von Feldern und Wiesen umrahmt“) gedenken wir, Bilai zu verlassen. Man hätte man es ahnen können: das ganze liebliche Tal ist umzäunt und von Rindern besucht, so dass wir uns entlang der Einfriedung durchquetschen und an ungünstiger Stelle einen Bach überqueren müssen, was letztendlich in einer Schlammsuhle endet. Das war aber - Gott sei Dank- heute (fast) die einzige unschöne Überraschung. Wir durchwandern Potrosowitz (Petrašovice) und halten nun strikt auf den Jeschkenkamm zu. Der Turm auf dem Jaberlich ist bereits zu sehen. Man könnte geradezu hinauf steigen. Wir bevorzugen aber den schönen Waldweg Richtung Saskal (Zaskalí), weil - wie wir wissen – die Lagen um diesen Ort herum herrlichste Aussichten versprechen. Leider wird der schöne Weg nicht mehr benutzt; er ist total verwachsen, so dass wir uns am Rand des Hohlweges durch den morschen Wald hinaufkämpfen müssen. Oben angekommen werden wir dann aber mit den herrlichen Aussichten bis ins Isergebirge und das Böhmische Paradies entlohnt (Kosakow [Kozákov], Trosky [Trosky], Wischkersch [Vysker]). Die Lagen um Saskal gleichen einem Balkon, von dem man eine schöne Landschaftsschau halten kann. In dieser höheren Umgebung blühen auch noch die Obstbäume. Wir wandern ein Stück durch den Ort, dann beginnt der steile Anstieg zum Jaberlich, mit zunehmender Höhe ergeben sich wieder tolle Aussichten in Richtung Isergenbirge, schön zu sehen der Ort Radl (Radlo) sowie der Kaiserstein (Císařský kámen).
Nun wohlverdiente Rast im Riesenfass auf dem Jaberlich (Javornik), wesentliches dazu wurde bereits in früheren Beiträgen berichtet (z.B. hier). Für den folgenden Abstieg in Richtung Raschen (Rašovka) nimmt man sich üblicherweise ausgiebig Zeit, weil das Jeschkenpanorama nebst Umland den Betrachter in seinen Bann zieht, auch die markante Silhouette des Roll (Ralsko) taucht plötzlich auf. Da wir an den Rückweg denken müssen, zweigen wir kurz vor Raschen vom Kammweg ab (man findet hier tatsächlich eine alte, restaurierte Wegmarkierung dieses Traditionsweges [siehe hier]) und nehmen wieder einmal einen unserer Spezialwege, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Steil und unwegsam geht es begab (aber besser als der Aufstieg) bis zum verschlafenen Weiler Bistrei (Bystrá). Von nun an wird der Weg bequemer, was uns entgegen kommt, denn An- und Abstieg gingen ganz schön in die Knochen. Durch schönes Hügelland bei Wltschetin wandern wir gemütlich zurück nach Bilai. Die meisten Wanderfreunde sind nach dieser Anstrengung ziemlich platt und müssen gut aufpassen, dass sie nicht unter die Räder von Rennradlern kommen, die hier ihr Abendtraining absolvieren.
Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.
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