Olympus Mons
Den manchmal unter extrem guten Bedingungen in einem Fernrohr sichtbaren hellen Fleck in der Tharsis-Region - von GIOVANNI SCHIAPARELLI (1835-1910) als Nix Olympica („Schnee des Olymp“) bezeichnet - ist, wie man seit Mariner 9 weiß, der größte Schildvulkan des Sonnensystems. Deshalb wurde er auch in „Berg des Olymp“ - Olympus Mons - umbenannt. Seine Ausmaße sind wahrlich gigantisch: Basisdurchmesser ~600 km, Höhe 21.2 km (vom mittleren Radius aus gemessen; vom tiefsten Fußpunkt 26.4 km), Gipfelcaldera 80 km Durchmesser und 3 km tief. Dank der beeindruckenden Aufnahmen durch MGS und Mars Express gibt es einiges über diesen Vulkan der Superlative zu berichten.
Auffällig sind die steilen, bis 8 km hohen und fast senkrechten Abbrüche am Fuß des Vulkans sowie die komplexe, aus insgesamt 6 Einzelkratern bestehende Gipfelcaldera. Der Vulkan selbst ist über viele Hunderte von Millionen Jahren ganz allmählich über einem ortsfesten „hot spot“ entstanden, in dem aus dem Gipfelbereich und auch über Sekundärkrater an den Flanken episodisch in sehr großen Mengen dünnflüssige basaltische Lava ausgeflossen ist. Auf der Erde ist eine so lange Aktivitätsphase nicht möglich, da aufgrund der Kontinentaldrift die Platte mit dem Vulkan langsam über den ortsfesten Mantelplume hinweg geschoben wird, was im Fall von Hawaii zu einer langen Kette von einzelnen Inselvulkanen geführt hat. Nur die Inseln, die sich noch über dem „hot spot“ befinden, zeigen vulkanische Aktivitäten.
Olympus Mons krönt mit einer Anzahl weiterer riesiger Schildvulkane die sogenannte Tharsis-Ausbuchtung. Sie entstand wahrscheinlich bereits vor 3.6 Milliarden Jahren, als ein riesiger Mantelplume die Marskruste erreichte und in Form eines Hitzedomes nach außen drückte. Die dabei entstandenen Vulkanbauten förderten über eine sehr lange Aktivitätsdauer (die sich bis in die geologische Gegenwart fortsetzte) riesige Mengen dünnflüssiger basaltischer Laven, die Schicht um Schicht erstarrten und die Schilde immer weiter wachsen ließen. Das ist in diesem Ausmaß nur aufgrund der geringen Oberflächengravitation möglich. Auf der Erde wäre ein Schildvulkan wie Olympus Mons längst unter seinem eigenen Gewicht kollabiert.
Außerdem entstand im südlichen Teil der Tharsis-Region ungefähr zeitgleich ein riesiges Grabensystem mit einer Länge von 5000 km und einer Breite von bis zu 100 km. Es handelt sich dabei um das Valles Marineris, welches nach der Marssonde Mariner 9 benannt ist, die diesen Grabenbruch zum ersten Mal fotografieren konnte. Man vermutet, daß dieser „Riß“ als Reaktion auf eine Ausdünnung der Marskruste entstanden ist, als während der hesperianischen Periode das Tharsisgebiet kontinuierlich aufgewölbt wurde.
Aus Viking-Orbiter-Aufnahmen erstellte seitliche, aber um den Faktor 10 überhöhte Ansicht des 26.4 km hohen Olympus Mons. © JPL, NASA
Auf den Flanken des Vulkans konnten eine Vielzahl von Strukturen gefunden werden, die Lavaflüsse, offene und geschlossene Lavaröhren (z.T. mit ringförmigen Einbrü-chen) aber auch glaziale Geländeformen (insbesondere an den steilen Abbrüchen und im Bereich der Gipfelcalderen) darstellen. Die perspektivische Aufnahme des westlichen Teils der Gipfelcaldera mit der hochauflösenden Stereokamera HRSC (Mars Express) zeigt z.B. Schuttfächer und Fließstrukturen, die darauf hindeuten, daß Lava vor etwa 200 bis 20 Millionen Jahren ausgeflossen ist und dabei eine Eisschicht geschmolzen hat (G.NEUKUM, 2005). Das Vorkommen von Eis und Schnee auf den Riesenvulkanen der Tharsis-Aufwölbung läßt sich verstehen, wenn man von einem periodischen Klimawechsel in der Geschichte des Mars ausgeht. Schon lange ist bekannt, daß sich die Neigung der Rotationsachse des Planeten gegenüber seiner Bahnebene (heute 23°) mit der Zeit unvorhersehbar ändern kann, da die stabilisierende Wirkung eines größeren Mondes fehlt. FORGET et.al. haben nun mittels eines Klimamodells untersucht was passiert, wenn sich die Neigung der Rotationsachse auf 45° erhöht. In diesem Fall verstärkt sich die Sonneneinstrahlung in den Polargebieten und es konnte durch Sublimation immer mehr Wasserdampf in die Marsatmosphäre gelangen. Aufgrund vorherrschender Westwinde schlug sich dieser Wasserdampf ausschließlich an den Westflanken der vier großen Tharsis-Vulkane - und zwar als Schnee - nieder. Die Menge pro Jahr, die das Modell vorhersagt, lag zwischen 30 und 70 Millimeter. Dieser Schnee hat sich dann über längere Zeiträume hinweg in Gletschereis von mehreren Hundert Meter Mächtigkeit verwandelt. Tatsächlich sind auf den Bildern der Sonden Mars Express, Mars Global Surveyor und Mars Odyssey genau am westlichen Fuß der vier Vulkane riesige Schuttfächer zu sehen, die Geologen zufolge nur von Gletschern stammen können.
Eine andere Theorie geht davon aus, daß das Wasser direkt aus dem Magma stammt und unter der Wirkung von hydrothermalen Prozessen im Gipfelbereich ausgetreten ist. Daraus sollen sich dann die Gletscher gebildet haben, deren Auswirkungen auf die Morphologie der Abbrüche (Kliffs) heute auf den 3D-Aufnahmen zu beobachten sind.
Calderen entstehen, wenn entleerte Magmakammern einstürzen. Die insgesamt 6 Calderen auf dem Gipfel von Olympus Mons bilden zusammen eine Depression von 72x91 km Durch-messer und einer Tiefe von 3.2 km. Sie zeigen verschiedene Aktivitätsperioden des Vulkans an, was sich auch in den unterschiedlichen Impaktkraterdichten widerspiegelt. © ESA
Die Gipfelcaldera von Olympus Mons besteht aus 6 überlappenden und weitgehend kreisförmigen Einbrüchen mit scheinbar unterschiedlichen Alters. Die Datierung erfolgte, wie bei Marslandschaften üblich, über das Zählen von Einschlagkratern in Abhängigkeit von ihrer Größe. Flächen mit geringer Impaktdichte sind demnach jünger als Flächen höherer Kraterdichte.
Perspektivische Ansicht eines Teils der Gipfelcaldera von Olympus Mons, abgeleitet aus Aufnahmen mit der hochauflösenden Kamera (HRSC) der ESA-Sonde Mars-Express. © ESA
Das Paradoxon, das ältere Calderen offenbar tiefer liegen als jüngere, erklärt sich durch die Fehlerbreite der zur Datierung eingesetzten Methode. Aus dem Mittelwert läßt sich vielmehr ableiten, daß die einzelnen Gipfelcalderen innerhalb von wenigen Millionen Jahren vor ungefähr 150 Millionen Jahren entstanden sind. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß Olympus Mons (und die anderen großen Schildvulkane der Tharsis-Region) gegenwärtig nur in einer Ruhephase verharren und jederzeit wieder ausbrechen können. Die jüngsten Lavaflüsse, deren Alter nach der gleichen, von G.NEUKUM und W.K.HARTMANN entwickelten Methode bestimmt wurde, werden sogar auf lediglich 2 bis 4 Millionen Jahre datiert. Unter den Planetologen ist diese Entdeckung eine der bisher überra-schendsten Ergebnisse der Mars Express-Mission der ESA.
Sehr eindrucksvoll und ohne Beispiel im Sonnensystem sind auch die Abbruchkanten (Kliffs) im unteren Teil des Vulkanschildes, die nach Messungen der Sonde Mars Expreß eine Höhe von bis zu 8 km aufweisen. Man erkennt riesige erstarrte Lavaströme, die einst über die Kanten hinweg flossen und sich nach einer Richtungsänderung in die Ebenen am Fuß des Vulkans ergossen. Aus Kraterstatistiken läßt sich ableiten, daß ihr Alter ungefähr 200 Millionen Jahre beträgt. Die Abbruchkante, die sich über 550 km um den Vulkan herum verfolgen läßt, entstand nach einer kontrovers diskutierten Hypothese, als entlang einer Schwächezone der untere Teil des Vulkanschildes instabil wurde und wegbrach. Das von den Hängen nachgerutschte und weiter in die Ebene transportierte Material sammelt sich in Form einer riesigen Aureole um die Vulkanbasis. Es gibt ernsthafte Hinweise darauf, daß zumindest ein Teil des Materialtransportes glazial, d.h. durch Gletscher, erfolgte.
Die östliche Abbruchkante von Olympus Mons erreicht eine Höhe von 6 km. Das Hochplateau oberhalb der Steilkante ist mit einer Steigung von 2-3° dagegen fast eben. © ESA
Die erwähnte „Aureole“ um den Vulkan besteht aus mehreren großen bogenförmigen Strukturen (lobes) mit einer stark geriffelten Textur. Insgesamt lassen sich vier größere gelappte Strukturen am westlichen Rand des Vulkans ausmachen, während es auf der östlichen Seite nur zwei bis drei weniger stark ausgeprägte Strukturen dieser Art gibt. Kraterzählungen beweisen, daß die lobes unterschiedlich alt sind, wobei die Älteste auch die Größte ist (die flächenmäßige Ausdehnung liegt bei ~6∙10^5 km²). Sie wird im inneren Bereich an manchen Stellen durch jüngere Lavaströme überdeckt.
Die Entstehung der Aureole um den Schildvulkan wird auf eine gravitativ bedingte Instabilität um die Peripherie des Vulkans zurückgeführt. Der genaue Mechanismus wird noch kontrovers diskutiert, insbesondere, ob dabei auch Vergletscherungen eine Rolle gespielt haben könnten (z.B. Tanaka, 1985). Auf jeden Fall kam es zu einem Flankenabriß, der die mächtigen, mehrere Kilometer hohen Steilkanten entstehen ließ. Die instabil gewordenen Randbereiche, die wahrscheinlich aus geschichtetem Material verschiedener Ausbrüche bestanden, sind dann in die umgebende Ebene abgerutscht und haben dabei die lappenförmigen Strukturen ausgebildet, die man auf den Satellitenaufnahmen sehen kann. Es kann sogar sein, daß dabei auch austretendes Wasser (z.B. durch Schmelzen von Eisschichten) eine Rolle gespielt haben könnte.
Nächstes Mal: Alba Patera etc.
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