Montag, 31. Dezember 2018

Essay: Ein Trip durch die Brüdergemeine Herrnhut anno 1820 ...


Nun hängen sie wieder überall und leuchten die Advents- und Weinachtszeit ein - die Herrnhuter Weinachtssterne. Ein Grund genug, etwas über diesen in aller Welt bekannten Ort zu berichten. Stellen Sie sich also vor, sie machen gerade in Grönland Urlaub und treffen dort einen Einheimischen, gewöhnlich Inuit genannt und kommen mit ihm ins Gespräch. Sie sagen, sie seien aus Zittau - äh?? - Das liegt gleich bei Herrnhut - ahh! Und genau das Gleiche kann ihnen in diversen Orten in Afrika, in "Westindien" oder in Südamerika passieren. Herrnhut ist das Zentrum einer weltweit agierenden pietistischen Religionsgemeinschaft, deren Hauptsitz der kleine Ort gleichen Namens zwischen Zittau und Löbau in der schönen Oberlausitz ist. Ich könnte Ihnen jetzt eine ganze Menge über diesen bemerkenswerten Ort und seine Geschichte erzählen. Aber wie Herrnhut "heute" aussieht, läßt sich leicht bei einem kleinen Besuch ermitteln. Ich möchte mich vielmehr an den Urenkel des berühmten Rechenmeisters Christian Pescheck halten (Christian Adolph Pescheck, 1752-1826), der so um 1820 den Ort besucht und ausführlich darüber berichtet hat. Hier also sein Bericht:


Herrnhut - Blick vom Hutberg, um 1731 (Original im Heimatmuseum Herrnhut, Inv.-Nr. 190)


Herrnhut ist hoch gelegen, nach v. Gersdorfs Angabe 1054 Fuß über der Meereshöhe, mithin 291 Fuß höher als Zittau. Von dieser Stadt ists 1 1/2 Meile, von Löbau 1 gute Meile, von Rumburg 1 1/2 Meile und von Bernstadt eine Stunde entfernt.

Bei diesem weltberühmten und einflußreichen Orte (denn so, weder Stadt, noch Städtchen, noch Marktflecken, noch Dorf wird genannt) darf ich nicht blos beschreibend, sondern muß auch geschichtlich dabei verweilen, obwohl nur in der Kürze. Ist es auch Vielen etwas Bekanntes, so ists doch ein Bedürfniß manches Lesers, der zum erstenmal in diese Gegend kommt und sich durch gegenwärtige Schrift auch auf die Betrachtung Herrnhuts vorbereiten will.

Billig müssen wir zuerst unsre Aufmerksamkeit auf den hochverdienten Stifter dieses Ortes und die Entstehung desselben richten.

Nikolaus Ludwig, Graf von Zinzendorf und Pottendorf war zu Dresden, den 26. Mai 1700, geboren, Sohn eines sehr geachteten kursächsischen Geheimraths, und erzogen theils zu Großhennersdorf bei Zittau, theils, 6 Jahre lang, im Pädagogium zu Halle; mußte seit 1716 in Wittenberg Jura studieren, that dies auch gewissenhaft, verband aber in seinen Nebenstunden das Studium der Theologie damit, bereiste Holland, Frankreich und die Schweiz und ward 1721 Hof- und Justitienrath zu Dresden.


Wie kam nun dieser zu der ausgezeichneten religiösen Wirksamkeit, zur Erneuerung der Brüdergemeinde und zur Stiftung Herrnhuts? Sein Gemüth wußte erst selbst eine vorzügliche religiöse Richtung nehmen, es mußte die Lust zu religiöser Thätigkeit nach außen geweckt werden und sich auch bestimmte Gelegenheit zu solcher Thätigkeit finden. Drei Umstände vereinigten sich, diese dreifache Erforderniß zu erfüllen.

a) Seine Großmutter, die verwittwete Landvoigtin von Gersdorf auf und zu Großhennersdorf, eine eben so gelehrte, als auch religiöse Frau, gab, nebst seinem Lehrer Edeling, ihm eine sehr religiöse  Erziehung. Sein religiöses Gefühl entwickelte sich hier zu großer Lebhaftigkeit, und die beiden trefflichen Männer, Spener, der sein Pathe war, und den er als Kind bei seiner Großmutter auch persönlich kennen lernte, und der unsterbliche August Hermann Franke, der in Halle sein Vorgesetzter war, mochten nicht geringen Einfluß auf sein Gemüth haben.

b) Dazu kam ein Umstand der ihn zur Thätigkeit nach außen weckte. Auf seinen Reisen sah er in der berühmten Gemäldegalerie zu Düsseldorf ein schönes Eccehomo, (d.i. Bild Christi, wie ihn Pilatus gegeißelt vorstellt) mit der Unterschrift: "Das that ich für dich, was thatst du für mich?". Dies machte einen so tiefen Eindruck auf sein Herz, daß er von nun an hauptsächlich mit dem Gedanken umging, selbst für die Sache Christi soviel als möglich zu thun.

c) Von der alten böhmischen und mährischen, damals bedrückten Brüdergemeinde, welche aus Nachkommen der echten Hussiten bestand und 1456 ihre Unität geschlossen hatte, kamen einige, von einem gewissen Christian David geführt, welcher ein Zimmermann und sonst katholisch gewesen war und Zinzendorfen auf Reisen, durch den frommen M.Schäfer in Görlitz, kennen gelernt hatte, nach Berthelsdorf bei Zittau, welches Gut Zinzendorf von seiner Mutter 1722 eben gekauft hatte, und baten um Aufnahme. Jetzt erhielt Zinzendorfs religiöse Thätigkeit eine bestimmte Richtung.

Nun beginnt der Grund zu dem jetzt so weitumfassenden Baue der herrnhutischen Brüdergemeinde. Das erste Haus Herrnhuts glich dem Senfkorn im Evangelium, dessen ihrer Zinsendorf schon in Halle begeistert, als er mit seinen Freunden, fast Knabe noch, einen Senfkornorden stiftete.

Man wies, ohne noch zu ahnen, was nachmals daraus sich bilden würde, den Ankömmlingen aus Mähren Platz zu einem Anbau am Hutberge bei Berthelsdorf, welches nördlich davon im Thale liegt, an. Das erste Haus, von David selbst gebaut, an dem Orte, wo jetzt der Kupferschmidt wohnt, ward den 7. Oktober, 1722, bezogen. Immer mehrere siedelten sich an, so daß in 10 Jahren schon 600 Menschen hier wohnten. Man vereinigte sich, durch die Bemühungen des Grafen Zinzendorf, seines Freundes, Freiherrn Friedrichs v. Wattewille aus Bern und des Bertheldorfers Pfarrers Rothe, über die religiösen Hauptgrundsätze, die man befolgen wollte und es ward eine kirchliche Verfassung gegründet, bei deren Entwurfe den Grafen theils die Verfassung der apostolischen Kirche (daher man die Agapen oder Liebesmahle, das Fußwaschen und die Einfachheit des Gottesdienstes nahm) theils, nach dem dringenden Wunsche der Exulanten, die Verfassung der alten mährischen Bruderkirche leitete, und die man als freiwilliges Einverständnis allgemein annahm, 1727. Diese Vereinigung der Brüder, unter Zinzendorfs Leitung, der jetzt ganz für diese Sache lebte, nannte man erneuerte Brüderunität.

Nicht eine besondere Religionspartei wollten sie bilden, sondern sie lassen sich zu den Augsburgischen Confessionsverwandten zählen und setzen ihr Eigenthümliches in eine genauere Verbindung oder Verbrüderung zur Gottseligkeit, zur Reinheit des Glaubens und des Thuns, in ein inniges Anschließen an die Lehre von der Versöhnung, wenn auch in manchen Nebenlehren nicht alle einerlei Meinung wären, (in welchem Falle sie Streit vermeiden und ihn "um die Liebe Jesu willen begraben" wollen, in Behandlung der Religion vorzüglich als Sache, des Gefühls und der Phantasie), und in das Besondre ihrer Disciplin.

Der neu entstandene Ort ward, nach Angabe des Haushofmeisters Heitz, Herrnhut genannt, weil man ihm die Hut des Herrn wünschte und weil er an den Hutberg gebaut war.




Zinzendorf wollte selbst in den geistlichen Stand treten und Religionslehrer werden. Mit Theologie hatt er sich von jeher am liebsten beschäftigt. Daher legte er seine Hofrathsstelle nieder, ging 1734 nach Stralsund, wo er sich als Candidat examinieren ließ und predigte, so wie auch in Tübingen, wo ihn die theologische Facutät in den geistlichen Stand förmlich aufnahm. In Berlin ward er vom Hofprediger D.E.Jablonsky (welcher ein Enkel des berühmten Brüderbischofs und pädagogischen Schriftsteller Comenius, und zu Lissa zu einem Bischofe der mährischen Brüder geweiht war, welche ihre Ordination auf die Waldenser, aufs Jahre 1467, zurückführen) mit Zustimmung des Königs selbst zum Bischof der Brüderkirche ordiniert, 1737. In Berlin hielt er Privatandachten in seiner Wohnung, die so häufig besucht wurden, das eines Tages nicht weniger als 42 Equipagen vor seiner Wohnung standen.

Im Vaterlande aber wurde er verfolgt, auch, da der Wiener Hof sich am sächsischen über die Begünstigung mährischer Auswanderer zu Berthelsdorf, beschwert hatte, genöthigt, sein Gut zu verkaufen, welches seine erste Gemahlin, eine geborene Gräfin Reuß, annahm. 1736 ward er sogar Landes verwiesen, jedoch ward 1747 dieß Urtheil zurückgenommen.

Während dieser Zeit machte er viele Reisen, nach Holland, England, Liefland u.s.w., um seinen Grundsätzen Freunde zu suchen; auch dreimal nach Nordamerika, als Heidenlehrer unter den Wilden. 1749 hatte er die Freude, daß der Brüdergemeinde, nachdem sie sich vor vielen Comissionen, 1732, 1736, 1737 und 1748 hatte verantworten und von einzelnen Theologen viele Schmähschriften hatte erdulden müssen, freie Religionsübung wirklich bewilligt ward.

Nach einem Leben von überaus großer Thätigkeit, zu welcher auch viele Schriftstellerarbeiten gehören, starb dieser ausgezeichnete, verdienstvolle Mann, den 9. Mai 1760, 60 Jahre alt, zu Herrnhut. Seine Ruhestätte bezeichnet ein großer Grabstein in der Mitte des Herrnhuter Gottesackers.

Nach ihm erwarb sich der Bischof Spangenberg, welcher 1792 starb, große Verdienste um die Brüdergemeinde. Ihm verdankt man auch die schätzbare Schrift: Idea fidel fratrum.

Von manchen früheren Verirrungen kam die Gemeinde mit der Zeit zurück, z.B. von den spielenden Ausdrücken in Zinzendorfs geistlichen Liedern. Überhaupt bildete sie sich immer mehr.

Die einzelnen Eigenheiten der Gemeinde werden sich nun bei Betrachtung der mertwürdigsten Gegenstände des Ortes am besten darstellen lassen.



Aufnahme:  Werner Schorisch, Zittau


Herrnhut ist ein offener Ort, ohne Thore und hat nur etwas über 100, meist kleine Häuser, in wenigen Gassen (der Zittauer, Löbauer, Berthelsdorfer und der neuen) und 1100 Bewohner. An der Stelle der alten hölzernen Häuser sind schon meist neue getreten. Fast alle zeichnen durch Nettigkeit sich aus. Überhaupt wird Reinlichkeit und Zierlichkeit hier auch bei den Ärmsten gefunden. Wer nun das Einzelne kennen lernen will, muß auf folgende Punkte, die wir, der Übersicht wegen, anmerken wollen, seine Aufmerksamkeit richten.

a) Das Gemeinlogis ist ein geräumiger Gasthof mit vielen netten Zimmern. Das Geräusch, das sonst in Wirthshäusern, bei Musik, Tanz, Spiel, Rausch u. dgl. statt findet, wird hier nicht gestattet.

b) Der Betsaal ist nicht weit davon, in einem schönen Gebäude mit einem Glockenthürmchen. Das Gebäude enthält einen, 1757 eingeweihten, großen Saal, hoch und licht, zur Gottesverehrung bestimmt. Seine hohen Fenster, an der Zahl 14, sind mit weißen Vorhängen gewöhnlich bedeckt. Kanzel und Altar finden hier nicht statt. Der Prediger (der Ortspfarrer, oder ein Helfer, oder ein fremder Bischof oder Prediger, ohne die sonst gewöhnliche Predigerkleidung) sitzt oder stehet an einem grün-behangenen Tischchen und neben ihm sitzen auf erhöhten Bänken die Aeltesten und Aeltestinnen der Gemeinde. Nur auf einer Seite ist 1 Emporkirche. Im Saale stehen die Bänke für die Gemeinde, so daß der Prediger links die Männer und rechts die Frauen vor sich hat. Dreimal des Tages finden religiöse Zusammenkünfte statt; nämlich Vormittags ist Kinderstunde, Abends um 7 Uhr Gemeinstunde, um 9 Uhr Singstunde. Da in einem so kleinen Orte jeder nicht weit zum Betsaal zu gehn hat, so trifft jeder während des Läutens noch ein und kein Späterkommen stört die Gemeinde. Die Zeit der Versammlung dauert kurz. Musterhaft ist der sanfte Gesang der von leisen Orgelspiel begleitet wird. Oft werden die Zeilen vor dem Singen von den Liturgen vorgesprochen. Die Communionfeier geschieht Abends nach einem Liebesmahle. Brod und Wein wird in den Reihen herumgegeben. Das Brod wird gebrochen, letzterer ist roth, alles der Stiftung gemäß.

c) Unter dem nämlichen Dache ist eine Erziehungsanstalt für Mädchen, (eine für Knaben ist in Niesky), darunter auch Fremde, welche nicht Glieder der Gemeinde sind, ihre Kinder gern her thun; ferner die Predigerwohnung, ein Saal zu gottesdienstlichen Versammlungen der Kinder u.s.w.

d) Schulen. Eine Mädchenschule ist in eben diesen Gebäude, eine Knabenschule in einem Hause unweit des Gemeinlogis.

e) Chorhäuser: Eine eigenthümliche, nach und nach entstandene Einrichtung. Wer nicht eigene Familie und Wirtschaft hat, findet sein Unterkommen in einem von diesen Häusern. Es sind deren 4, ein Brüderhaus, ein Schwesternhaus, ein Witwerhaus und ein Witwenhaus.

Das Brüderhaus, unweit des Gemeinlogis, wo ledige Mannspersonen (etwa 200) wohnen und ihr Gewerbe treiben, enthält Werkstätten, Wohnstuben, einen Betsaal mit Orgel, einen Speisesaal, Schlafsäle u.s.w. Hier arbeiten Gold- und Silberarbeiter, Tischler, Huthmacher, Schuhmacher, Bandmacher, Schneider, Beutler u.s.w. Überall herrscht Ordnung, Nettigkeit und reger Fleiß. Auch alle wirtschaftlichen Geschäfte werden von den Brüdern verrichtet. Man wird, auf Verlangen, darin herumgeführet, und es ist dafür der Höflichkeit gemäß, etwas zu kaufen, wozu man im Brüderladen, der meist sogenannte Galantteriesachen enthält, genug Gelegenheit hat. Sind auch diese Waaren etwas theuer, so zeichnen sie sich dafür durch Güte und Schönheit der Arbeit sehr vorteilhaft aus. Die Waaren der hiesigen Tischler, Huthmacher  und Bäcker sind besonders berühmt. Im Brüderhause ist auch eine schöne Sammlung ostindischer Conchylien zu sehen.

Das Schwesterhaus ist ein schönes Gebäude hinter dem großen Betsaale und hat ebenfalls viele Säle und Zimmer. Anständige Fremde werden auch hier herumgeführt. Man trifft hier Mädchen aus vielen Ländern und in den entferntesten Colonien, z.B. St. Thomas, in Westindien geboren. Viele bleiben Zeitlebens im Schwesternhause. Sie zeichnen sich durch sehr feine Arbeiten, besonders sehr geschmackvolle Stickereien u. dgl. aus.

Das Chorhaus der Witwer ist neben dem Brüderhause, das der Witwen ist dem Schwesternhause gegenüber.

Daß man übrigens die Frauenzimmer an ihren Bandschleifen erkennt, ist bekannt; in dem Jungfrauen rosenfarbnes, Frauen blaues und Witwen weißes, kleine Mädchen aber hochrotes Band tragen.

f) Das sogenannte Asperhaus, eigentlich Diasparahaus, ist zur Aufnahme fremder Glieder und Freunde der Gemeinde (deren sich in dieser Gegend auf den meisten Dörfern befinden) bestimmt, wenn sie einmal Herrnhut besuchen.

g) Das Handlungshaus. Der Handel blüht in Herrnhut (das freilich die erste Zeit, ehe geschickte Fremde herkamen, sich mit kümmerlichen Erwerb behelfen mußte) durch die Bemühungen Abraham Dürningers aus Straßburg, seit 1748. Hier wird theils den Webern dieser Gegend viel von ihren Waaren abgekauft; theils werden fremde, besonders Material-Waaren verkauft. Die Handlung geht auf Rechnung der Bruderunität. Auch giebt es hier eine Eisenhandlung, Lederhandlung, Porcellan- und Steinguthandlung, Lackirfabrik u.s.w.

h) Die Posthalterei befindet sich in einem Hause in der Straße, die vom Gotteshause nach Löbau führt.

i) die Apotheke ist vorzüglich gut.

k) Die vorzüglichsten Privatgebäude sind: das Reustische Schlößchen an der Zittauschen Straße, das herrschaftliche Haus, dem Gemeinlogis gegenüber, und das Blumenthalsche. Oft suchen vornehme Fremde hier Wohnung, weil manche gern den Rest ihrer Tage in dem schönen, stillen Herrnhut beschließen wollen.

l) Begräbnisplatz. Bald hinter dem Betsaale beginnt eine Lindenallee, welche zu diesem berühmten Ruheplatze oder Begräbnisgarten führt. Er ist ein, mit Hecken eingeschlossener, von Alleen durchschnittener und mit Lauben und Ruhebänken umgebener, großer Platz an einem sanften Abhange, wo die Entschlafenen in regelmäßigen Reihen beerdigt werden und kleine Grabsteine erhalten, welche Namen, Geburts- und Sterbetag und oft die Angabe sehr entfernter Geburtsörter, z.B. Westindien u.a. erhalten; links für die Männer, rechts für die Frauen. Den Eingang bildet ein grünes Thor mit der Inschrift "Christus ist auferstanden von den Todten"; und auf der Rückseite: "Er ist der Erstling worden unter denen, die da schlafen". Die Begräbnisse geschehen Nachmittags mit sanftem Gesang und Posaunenhall. Man begleitet den "Heimgegangenen", der in einem weißen Sarge ruht, aus der Leichenkammer hinter dem Betsaale, ohne Trauerkleider, zur Ruhestätte, wo Gesang und Gebet statt findet. Sein Lebenslauf war zuvor im Betsaale besprochen. Am feierlichsten ist der Besuch dieses Todtengartens am Ostermorgen.In den frühsten Stunden versammelt sich die Gemeinde und zieht dann, wenn das Wetter günstig ist, mit Sonnenaufgang auf den Begräbnisplatz wo, nach Gesang und Gebet der Heimgegangenen gedacht wird.  Gewöhnlich nehmen auch viele Fremde an dieser Feierlichkeit Antheil.




Zittauer Straße, zwischen 1820 und 1850 (Heimatmuseum Herrnhut, Inv.-Nr. 783)



Ansicht vom Schwesternhaus im Jubelschmuck, 1856 (Heimatmuseum Herrnhut, Inv.-Nr. 200)

m) Hutberg. Auf seinen basaltischen Gipfel, der ehedem ganz mit Nadelholz bewachsen gewesen ist,steht ein runder Pavillon, unweit des Gottesackers, von wo man eine sehr schöne Aussicht geniest, besonders oibtben von der Galerie. Will man diese besteigen, so hat man sich schon im Gemeinlogis den Schlüssel dazu auszubitten (Anm. das ist noch heute so, Schlüssel gibts in der Comenius-Buchhandlung, im Fremdenverkehrsamt oder in der Gaststätte Hutbergkeller, M.S.). 1790 ließ der Holländer (Matthias Beuningh) dieß Gebäude errichten.


 Aufnahme:  Werner Schorisch, Zittau
 Aufnahme:  Werner Schorisch, Zittau


n) Gärten sind beim herrschaftlichen Hause (der zum Spazierengehen erlaubt ist) beim Brüder- und Schwesternhause, und besonders hinter dem Reußischen Schlößchen. Letzter ist im englischem Geschmacke angelegt und hat Berg (Heinrichsberg, von Granit, mit einem Steinbruche an seinem westlichen Flügel) und Thal. Oben ist ebenfalls ein Pavillon mit trefflicher Aussicht. Auch ist der Kaufmannsgarten zu erwähnen. In dem einen steht ein sehr sehenswerter Apfelbaum, in welchem eine Laube angebracht ist, mit Latten und Apfelzweigen umzogen. Wie schön, wenn diese blühen! Auf einem andern eine zweistöckige Laube auf einen gleich dazu erzognen Lindenbaume, von seltener Schönheit.

Die Polizeianstalten sind musterhaft, besonders auch in Hinsicht des Armenwesens und des Feuerlöschens.

Die Kleidung der Herrnhuter und Herrnhuterinnen ist einfach: Die der letzteren hat, nach alter Übereinkunft, manches Besondere, das wenigstens im Orte beobachtet werden muß. Da hier Bälle, Schauspieler, öffentliche Concerte u. dgl. nicht statt finden, so bestehen die Erholungen in stillen Vergnügungen, z.B. Spazierengehen, Besuchen, Reisen, Lesen, Zeichnen u. dergl.

Was die politische Verfassung des Ortes anlangt, so ist der Ort von Erbunterthänigkeit und Hofediensten, die er nach Berthelsdorf zu leisten haben könnte, durch einen Zinzendorfschen Freibrief von 1723, befreit. Die Gemeinde besitzt auch seit 1770 ihren Grund und Boden eigenthümlich, gegen einen jährlichen Erbzins. Die Schutzherrschaft ist gegenwärtig Fräulein Charlotte Gräfin von Einsiedel, Tochter des verewigten geh. Cabinets-Ministers Grafen von Einsiedel, Standesherrn zu Seidenberg u.s.w. Die Einwohner zahlen ein Schutzgeld. Die Gerichtsbarkeit verwaltet ein Justitiar.

Viele herrnhutitische Einrichtungen wären allgemein wünschenswerth, in des sind manche wirklich nur an so kleinen Orten ausführbar.

Jährlich, gewöhnlich im Mai, wird hier eine große Predigerconferenc gehalten, welche den Herzen immer frisch Wärme für die Sache des christlichen Predigtamts mitteilen soll.

Wichtiger wird uns dieser Ort, wenn wir diese Gemeinde als die Mutter so vieler andern nahen und fernen betrachten. Man denke an die Gemeindeörter: Niesky, seit 1792 (wo das Seminarium oder Collegium academicum, gleichsam die Universität der Gemeinde, befindlich ist) und Kleinwelke, 1756, in der Oberlausitz, in Gnadenberg, 1742, Gnadenfrei, 1743, Neusalz, 1745, und Gnadenfeld, 1780, in Schlesien, an Barby, 1748, wo das Pädagogium ist, Ebersdorf, 1745, Neudietendorf, 1742, Gnabau, 1767, Christiansfeld, Zeyst, an Fulnek, Fairfield und Gracefield in England, an Satreptu in Südrußland, 1765 und an die Gemeindedörfer in Nordamerika, z.B. Betlehem und Nazareth, und an West-Indien; an die Gemeinden zu Rückersorf, 1737, Berlin, 1744, Basel, Neuwied, Copenhagen, Stockholm, Amsterdam, Hatlem, Dublin, Petersburg, Moskau, Philadelphia u.a. Des Schutzes der Regierungen haben sie sich würdig bewiesen, sich weislich allenthalben, in die Umstände geschickt und durch Verträglichkeit und Thätigkeit sich empfohlen.

Alle diesen zerstreuten Gemeinden haben hier in Herrnhut ihren Mittelpunkt und werden von hier aus dirigiert. Dies geschieht durch die Unitätsältestenconferenz, welche aus 12 Gliedern, die zum Theil den Zustand dieser Colonien aus eigener Erfahrung kennen, besteht und seit 1789 ihren Sitz in Berthelsdorf nahe bei Herrnhut hat. Eine noch höhere Behörde für die Gemeindeangelegenheiten ist die zuweilen zusammengerufene Synode, welche aus angesehenen Gliedern aller Gemeinden besteht. Die letzte war 1818, eine Versammlung, einzig in ihrer Art. In zweifelhaften Fällen wird durch Los entschieden.

Die Unität hat auch die Gemeinschaftscasse zu verwalten, deren Zuflüsse aus Beiträgen, Vermächtnissen, Handelsgewinn und Einkünften von den Gemeindegütern bestehn.

Die Wichtigkeit dieses Ortes gewinnt bei der Betrachtung den höchsten Grad, wenn wir ihn als einen Lichtpunkt ansehn, von wo so viele Strahlen der Cultur unter rohe Völker ausgegangen sind. Zinzendorf selbst, der schon in Halle, bei dem vortrefflichen Franke, auf diese Idee gekommen war, nahm Heidencultur gleich in seinen Plan auf. Was jetzt endlich alle verständigen Christen einsehn, das Heidencultur unsere Pflicht sey, sah der Graf schon vor Hundert Jahren ein, und eilte also in dieser Hinsicht seiner Zeit gar sehr voran. Auch trieb die Noth viele der ersten Herrnhuter in die Ferne, weil die Aufnahme kaiserlicher Unterthanen in Sachsen vielen Streit verursachte. Daher wanderten sie lieber in weitere Ferne. Noth wird oft die Mutter trefflicher Dinge, so auch hier.

Die erste Mission ging auf Veranlassung eines Negers in Copenhagen, 1732, nach der dänischen Insel St. Thomas. Auch war der Graf selbst, wie schon gesagt, dreimal in Missionsangelegenheiten in Amerika. Der beschwehrlichste Posten der von Herrnhut ausgehenden Missionen ist wohl in dem ärmlichen Lande der Eskimos, und doch giebt es willige Brüder, die dort wirken wollen, aus Liebe zur guten Sache. Man kann in Herrnhut Männern begegnen, denen man es nicht ansehn würde, wieviel sie in fernen Gegenden der Erde erfahren, geduldet und geleistet haben, die nun in Herrnhut von ihrem mühevollen und verdienstlichen Tagewerke ausruhn und wenigstens durch ihre Erfahrungen und ihren Rath der Gemeinde noch immer nützlich werden.




Altes Zinzendorf-Schloß in Berthelsdorf, unten Eingangsportal.



Wenn Sie noch mehr über Herrnhut erfahren möchten, dann sollten sie es nicht versäumen, das Heimatmuseum, Comeniusstr. 6, zu besuchen. Es ist vielleicht nicht sonderlich groß, aber dafür äußerst gediegen und sehr informativ. Ich besuche es fast jedes Jahr einmal. Man kann sich darin an vielen Exponaten über die Entstehung und Entwicklung der Brüdergemeine aus ihren böhmischen Ursprüngen, über das Leben und Wirken ihres Gründers, Reichsgraf von Zinzendorf, sowie über das nicht immer leichte Leben seiner Bewohner informieren. Für Kenner sind die liebevoll gestalteten Biedermeierzimmer, die im Stil ihrer Zeit eingerichtet sind, sicherlich von Interesse. Sie zeigen m. E. sehr schön, wie man vor nun fast 200 Jahren in Herrnhut gelebt und gearbeitet hat. Also planen Sie etwas Zeit ein. Es lohnt sich. 

Sonntag, 30. Dezember 2018

Ein paar Gedanken zum "Kosmischen Jahr" am Ende eines irdischen Jahres...


Ideale Feldstecherobjekte des Wintersternhimmels: M38 und NGC 1907 (Aufnahme Dr. Armin Matauschek)



Ein Jahr mit seinen 12 Monaten liegt genau in unserem Vorstellungshorizont, so dass es sinnvoll ist, die Geschichte unseres Universums, welches vor 13,79 Milliarden Jahren mit dem Urknall begann, auf die Länge eines Jahres herunter zu brechen. Der 1. Januar, 0 Uhr, ist auf dieser neuen Zeitskala der Augenblick des Urknalls und der 31. Dezember, 24 Uhr, das „Jetzt“.

Im Augenblick des Urknalls entstand nach unserer heutigen Anschauung Raum, Zeit und Materie. Er lässt sich zeitlich in mehrere Phasen einteilen (Planck-Ära, GUT-Ära, Quark- und Hadronen-Ära, Ära der primordialen Elementesynthese (Entstehung von Wasserstoff und Helium), Strahlungs-Ära). In unserem Modell endet die Strahlungs-Ära ~11,4 Sekunden nach dem Urknall - hier wird das Universum zum ersten Mal durchsichtig (entspricht rund 300.000 Jahre nach dem ominösen Zeitpunkt Null). Die dabei entkoppelten Photonen bilden heute das homogene und isotrope Strahlungsfeld der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Bis sich schließlich unsere Milchstraße gebildet hat, vergehen über 3 Monate. Man kann dafür den 15. März ansetzen. Am 31. August schließlich entstand unsere Sonne und mit ihr die Erde aus einer kollabierenden interstellaren Gas- und Staubwolke. Die ältesten Gesteine der Erde, wie man sie in den präkambrischen Schilden findet (wie z. B. die Acasta-Gneise), bildeten sich um den 16. September herum. Wenige Tage später, am 21. September, erschienen die ersten primitiven Lebensformen in Form von einfachen Prokaryoten auf der Erde. Von ihnen zeugen Biomineralisationen, die man als Stromatolithe bezeichnet. Bis aus ihnen die ersten komplexen Zellen mit Zellkern und anderen Zellorganellen entstanden sind, vergehen weitere anderthalb Monate auf unserer Zeitskala. Hier ist der Stichtag der 9. November.

Die ersten beständigen mehrzelligen Organismen beginnen ab dem 5. Dezember die irdischen Meere zu besiedeln. Am 14. Dezember setzte schließlich das Ereignis ein, welches als „kambrische Explosion“ bezeichnet wird, weil hier innerhalb eines Tages quasi alle heutigen Tierstämme und eine Anzahl weiterer, am Ende des Tages bereits wieder ausgestorbener Tierstämme, entstanden sind. Wäre damals durch einen dummen Zufall Pikaia, der Urahne aller Wirbeltiere, ausgestorben, gäbe es heute weder Hering, Spatz noch Mensch.

Zehn Tage vor Weinachten begann quasi die große Radiation des tierischen Lebens. Es spielte sich immer noch in den Meeren ab. Erst ab dem 20. Dezember begannen erste Tiere und Pflanzen langsam die Uferbereich der Landmassen zu erobern. Der 22. Dezember war dann der Tag der Amphibien und am 23. Dezember begann die Ära der Reptilien, welche am 30. Dezember, genau um 6 Uhr 24 Minuten, abrupt zu Ende ging. Sie hätten sicherlich noch ohne Probleme bis zu Sylvester durchgehalten, wäre nicht ein großer Meteorit in den Golf von Mexiko (Chicxulub-Impakt) eingeschlagen, in dessen Folge quasi alle Tiere bis zur Größe einer Katze ausgestorben sind. Hier begann dann die große Stunde der bereits am 26. Dezember entstandenen Säugetiere, deren kleine, den Impakt überlebenden Spezies nun einen von ihren Fressfeinden quasi leergefegten Planeten vorfanden.

Nach einer kurzen Verschnaufpause begann die Ära der Säugetiere und am frühen Morgen des 31. Dezembers, des Sylvestertags, genaugenommen um 6 Uhr und 5 Minuten, erschien der erste „Affe“ auf der Welt. Bis zum ersten Hominiden, zu deren Gruppe wir uns ja zählen dürfen, mussten weitere 8 Stunden vergehen. Und erst um 22 Uhr 24 Minuten entdeckte eine besonders intelligente Art unter ihnen, dass man Steine auch sehr gut als Werkzeuge verwenden und noch eine Stunde später (23 Uhr 44 Minuten), dass sich Feuer sehr gut zum Wärmen und zur Zubereitung leckerer Speisen eignet.

Gegen 23 Uhr 55 Minuten wurde es dann ziemlich kalt auf der Nordhalbkugel (die Eiszeiten begannen). Als es dann wieder wärmer wurde, begann im Menschen, denn so hieß der sich das Feuer untertan gemachte Hominide, der erste Funke der Kultur zu leuchten, in dem er Höhlen - wie z. B. in Frankreich zu besichtigen - mit bunten Bildern ausmalte oder Figuren aus dem Elfenbein der zuvor erjagten Mammute schnitzte. Dann dauerte es nur noch 2 Minuten und 47 Sekunden, und er konnte sich auch schriftlich ausdrücken (31. Dezember, 23:59:47 Uhr). In den folgenden Sekunden entstanden und vergingen große Weltreiche bis schließlich zwei Sekunden vor Mitternacht Christoph Kolumbus sich zu seinem Trip in eine neue Welt und in eine neue Zeit - in die Neuzeit, aufmachte. 

Die Reformation, die Zeit der Hexenverfolgungen, die Entdeckung der Mondkrater durch Galileo Galilei und die Mondlandungen sowie die Erfindung des Internets und des iPhones liegen schließlich alle in der letzten Sekunde unseres Jahres. Dabei muss gesagt werden, dass der Homo sapiens in der letzten zehntel Sekunde des Jahres besonders rührig war, denn er erfand die Dampfmaschine, das Automobil, nutzte die Elektrizität, entwickelte den Computer und das Smartphone, er begann mit der ungehinderten Ausplünderung der Ressourcen der Erde, entwickelte im „Atomzeitalter“ alle Instrumente, die notwendig sind, um sich selbst auszurotten, führte unzählige Kriege und schob ein Massenaussterben von Tieren und Pflanzen ungeahnten Ausmaßes an, welches den katastrophalen Massenextinktionen der Erdgeschichte in nichts nachsteht. Das alles verbunden mit einer Massenvermehrung, die man in Bezug zur Tierwelt und als Förster wohl als Kalamität bezeichnen würde. Und noch etwas, er verließ als erstes Lebewesen die schützende Erde und ließ seine Forschungssonden bis zum Rande des Sonnensystems fliegen...

Man kann sich nun ernsthaft fragen, wie viele Sekunden, Minuten, Stunden oder Tage wohl den Menschen auf der Erde noch vergönnt sein werden, wenn wir in die Zukunft blicken. 1 Sekunde? - das entspricht ungefähr 435 Jahre oder vielleicht 10 Sekunden?, was bei der heutigen Ressourcenverschwendung schon als sehr anspruchsvolles Ziel erscheinen mag. Schaffen wir es bis 1 Uhr morgens des neuen Jahres (was ~1,5 Millionen Jahre entspricht und von dem die Mehrzahl der Atommüllendlagerungsgegner ausgehen), dann ist es sicherlich schon ein großes Wunder. Vieles, was das Fortbestehen der Menschheit betrifft, hängt dann davon ab, ob zuerst eine Kolonisation des Sonnensystems und dann der Milchstraße gelingt. Da man nicht weiß, was die Zukunft bringen wird (bis dahin brechen noch einige Supervulkane auf der Erde aus), lässt sich darüber nur spekulieren. 

Das die Menschheit den 2. Januar erleben wird, ist dagegen schon äußerst unwahrscheinlich. Außerdem nimmt bekanntlich die Leuchtkraft der Sonne langsam zu, so dass bis zum 14. Januar nicht nur der Mensch, sondern wahrscheinlich auch alle anderen höheren Lebewesen von der Erdoberfläche verschwunden sein werden. Am 24. Januar wird schließlich auch die letzte Pflanze verdorrt und das letzte Insekt umgekommen sein und bereits Anfang März gibt es keine Ozeane mehr und die Erde hat sich vollständig zu einem Wüstenplaneten gewandelt. Mitte Juli beginnt schließlich die Sonne sich zu einem Roten Riesenstern aufzublähen, um bereits zwei Wochen später, nach ein paar intensiven „thermischen Blitzen“ (was das ist, habe ich in meinem "Sternphysik-Lehrbuch" im Detail erklärt), als erdgroßer Weißer Zwerg zu enden. Dieser hat freilich nun alle Zeit der Welt, um langsam auszukühlen und dabei immer mehr zu verblassen... Ob dann die Erde als Planet noch existiert, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher.

Die Erkenntnis, die aus dieser nun anschaulich erfahrbar gemachten „Welt-Geschichte“ folgt, ist banal und wird vielleicht für den Einen oder Anderen unbefriedigend sein: Das irdische Leben ist nur eine flüchtige, temporäre Randerscheinung in den unendlichen Weiten des Kosmos. Es beginnt mit Bakterien, es endet mit Bakterien und auch Bakterien dominieren es in den wenigen Monaten dazwischen (Bakterien sind ohne Zweifel von der Robustheit, von der Individuenzahl und von der Biomasse her (~1,5 bis 3 kg eines Menschen sind allein „Bakterien“) die dominierende irdische Lebensform!).

Im kosmischen Kalender kann der Mensch genaugenommen nur den Status einer „Eintagsfliege“ beanspruchen, nämlich zu Sylvester geboren und im Laufe des Neujahrs wieder ausgestorben zu sein. So gesehen haben die Menschen durchaus Recht, die meinen, das „Ende ist nah“. Aber auch das ist natürlich nur relativ zu betrachten, denn im kosmischen Kalender ist ein Menschenleben - wenn es hoch kommt - gerade einmal ~zwei zehntel Sekunden lang und in diesem Maßstab ist es noch weithin bis ein Uhr morgens des 1. Januars... Aber eins dürfte trotzdem klar sein. Den Thron, den sich der Mensch als „Ebenbild Gottes“, als „Nabel der Welt“, als „Bezwinger der Natur“ selbst errichtet hat, ist „is cracking at the seams“ (King Crimson). Nur weiß das der überwiegende Teil der Menschheit noch nicht bzw. will es nicht wahrhaben oder hat es nicht zur Kenntnis genommen.

Und damit ein gesundes und erfolgreiches 2019...

Samstag, 22. Dezember 2018

Der Oybin an einem Winterabend

Ein Gastbeitrag von Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf

Eine der Hauptattraktionen des Zittauer Gebirges ist der 514 Meter hohe Berg Oybin mit den Ruinen von Burg und Kloster. Besonders reizvoll ist der Besuch an einem Winterabend. Der übliche Zugang befindet sich gegenüber vom Haus des Gastes, rechts neben dem Burgkeller. Nach wenigen Stufen erreicht man die „Bergkirche“ Oybin.


Im Kirchturm leuchtet ein Herrnhuter Stern.


Oberhalb die mächtigen Mauern der Burganlage aus dem 14. Jahrhundert.


Das untere Burgtor


Oberes Burgtor


Der Turm der Klosterkirche



 Die Treppe führt zur Klosterkirche.


Durch den unteren Kreuzgang







Zugang zum Bergfriedhof 


Hinter den verschneiten Gräbern liegt die Berggaststätte.


Blick vom Bergfriedhof zur Klosterruine



Rückweg


Noch einmal durch den Kreuzgang


Vor der Unterkirche


Durch das obere Burgtor geht es abwärts.


Letzter Blick nach oben



Die Lichter vom Kurort Oybin, weit unterhalb des neu erbauten Kassenbereiches.


Der Weihnachtsbaum neben der Kassenpforte


Auf dem Rückweg zum Unteren Burgtor


Durch dieses Tor verlässt man die Burganlage.


Blick von oberhalb der Bergkirche. Ein Ausflug, der den Berg Oybin – im wahrsten Sinn des Wortes – in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt.

Freitag, 21. Dezember 2018

Zu den Tafelbergen und Felsenstädten zwischen Karlsberg und Adersbach, Teil 2/2

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Olbersdorf

An der Grenze zu Polen liegt das Städtchen Braunau (Broumov). Zwischen Braunau und Politz (Police nad Metuji) erstreckt sich ein Höhenzug, der von der Heuscheuer herkommt und als eine Fortsetzung des Sudetenkammes in Richtung Riesengebirge gesehen werden kann. Es handelt sich um das Falkengebirge, auch Braunauer Wände (Broumovsky stěny) oder Sterngebirge genannt. 

`Von einander werden Braunau und Politz größtentheils durch den Kamm eines Gebirgszuges geschieden, welcher von der südlichen Landesgränze in gerader Richtung in einer Länge von anderthalb zweistündiger Meilen bis zum Wege zwischen den Dörfern Birkicht und Bodisch fortläuft, gegen die Braunauer Seite hin steil abstürzend, gegen Politz sanft hingesenkt. Von seinem jähen Abhange gegen die Braunauer Seite hin und der langen Erstreckung in gerader Linie erhielt der Gebirgszug seinen alten, nunmehr im Munde des Volkes verschollenen Namen Stěny (die Wände)`. (Braunauer Wochenblatt 07.12. 1867)


Auch im Falkengebirge dominieren die Felsen. Von Dörrengrund (Suchý Důl) auf der Südseite des Gebirges haben wir uns eine schöne Runde zurechtgelegt. Der Weg führt uns, zunächst über die Höhen sanft ansteigend, bald hinab in die Senke zwischen Heuscheuer und Falkengebirge. Dann plötzlich ein steiler Anstieg hinauf zum Kamm des Falkengebirges. Im Wald verteilen sich unzählige, von Moos besiedelte Felsbrocken, zwischen denen der Weg - oft die Richtung wechselnd – zur Abbruchkante auf der Nordseite Kammes hin zuläuft. Auch kleine Moore sind am Weg zwischen den Felsen anzutreffen. Ein Stichweg führt hinaus zur Koruna-Aussicht, an der uns ein prächtiger Ausblick über den Braunauer Kessel und die Gebirgszüge vom Eulengebirge (Góry Sowie) bis zum Reichensteiner Gebirge (Góry Złote) und auf die Heuscheuer erwartet. Zurück am Hauptweg folgen wir weiter dem Kammweg, bis uns die fortschreitende Zeit zur Rückkehr nach Dörrengrund mahnt. Bleibt man jedoch auf dem Hauptweg und wandert weiter in westlicher Richtung, werden die Sandsteinformationen immer imposanter und bizarrer, sind aber nicht vergleichbar mit denen der Felsenstädte in den Weckelsdorfer – und Adersbacher Sandsteingebieten. 

Die GPS-Daten der Wanderung durch die Braunauer Wände findet man hier.

In der letzten Zeit haben wir viele Felsgebilde in unseren Wanderrevieren besucht, im Böhmischen Paradies, in der Böhmischen- und der Daubaer Schweiz und natürlich auch im Lausitzer Gebirge. Mit Fug und Recht kann man sagen, dass die Adersbach- und Weckelsdorfer Felsen wohl all diese in den Schatten stellen. 

„Adersbach und Wekelsdorf bilden ein einzigartiges Sondergebiet wegen ihrer Felsenstädte mit Quadersandsteinbildungen, wie sie in diesen charakteristischen Formen und in solcher Ausdehnung in Nordeuropa nicht wieder vorkommen. Das Felsengebiet, ein Teil des Falkengebirges, liegt in der sog. innersudetischen Mulde zwischen Riesen-, Eulen- und Aldergebirge. Das Kreidemeer, das zu Kreidezeit den größten Teil der Nordostsudeten überschwemmte, errichtete vor Jahrtausenden diesen gewaltigen Quadersandsteinbau, aus dem Verwitterung und Auswaschung der nachfolgenden Festlandzeit die eigenartigen, über 100 m hohen Felsbildungen herausgearbeitet haben.“

Ein Naturreservat erstreckt sich über beide Felsenstädte, wobei die Adersbacher von den Weckelsdorfer Felsen durch die Wolfsschlucht (Vlci rokle) getrennt sind. Das Weckelsdorfer Areal ist etwas weitläufiger. 

„Die Wekelsdorfer Felsen sind an Größe und Mächtigkeit den Adersbacher Felsen überlegen. Sie sind erst seit 1824 zugänglich, als man durch einen Waldbrand auf sie aufmerksam wurde. Die hohen grauen Felsenmauern steigen wie eine Festung über dem Nadelwald auf; auf den höchsten Zinnen und in den Spalten des Gesteins wurzeln, scheinbar ohne Halt und Nahrung, einzelne Birken und Kiefern und allerhand Gesträuch. Das Innere der Felsenstadt besteht aus einem Gewirr von Gassen, Gängen, Treppen, Höhlen, Türmen; eisigkalte Schluchten mit nie schmelzendem Schnee wechseln mit grünen, sonnigen Plätzen; Seen, Wasserfälle und klare Bäche beleben das ganze Gebiet, dessen Urwaldcharakter an vielen Stellen noch erhalten ist. Wie im Dreißigjährigen Krieg boten die Felsen in der Kampfzeit von 1938 zahlreichen Sudetendeutschen Zuflucht.“ (Griebenreiseführer, Band 18, 1941)

Hier bitte das Bild Weckelsdorfer.png



Ansteigend von Weckelsdorf (Teplice nad Metuji) durchstreifen zunächst ein ziemlich zerklüftetes Plateau mit Felsgruppen unterschiedlicher Größe. Die zahlreichen kleinen verästelten Schluchten sind kaum überschaubar, zumal sich darin Baumbestand ausgebreitet hat. Die Formen der Felsgebilde ändern sich, werden mächtiger und bald gelangen wir hinaus auf die Höhen bei Johnsdorf (Janovice u Trutnova), von wo ein Teil des Sandsteingebietes zu überblicken ist und wandern nun von hier hinunter zu der eigentlichen Felsenstadt. Die mächtigen Wände und phantasievollen Felsennadeln versetzen den Zuschauer in Ehrfurcht und in Erstaunen über die kühnen Versuche der Bergsteiger, die diese Giganten zu bezwingen versuchen. 

Die GPS-Daten der Wanderung in die Weckelsdorfer Felsenstadt findet man hier.



Im Gegensatz zu den Weckelsdorfer Felsen erscheint das Pendant in Adersbach (Adršpach) filigraner und phantasiereicher in seinem Äußeren. Wie auch in Weckelsdorf tragen die meisten Gebilde ihrer Erscheinung nach einfallsreiche Namen, so begegnen uns das Liebespaar, der Bürgermeister und seine Frau, der Zuckerhut und viele andere. Durch die Felsenstadt führt ein ausgewiesener Pfad. Die Seitenwege sind gesperrt, so dass man nur diesen Pfad innerhalb der Felsenstadt begehen kann. Angesichts der Vielzahl von Besuchern und der schützenswerten Natur ist das in diesem Falle auch vollkommen in Ordnung.

Schon der Fernreisende Fürst Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau fand Gefallen an diesem quasi vor seiner Haustür liegendem Naturwunder:

‚Der streng richtende Fürst Pückler-Muskau hält es der Mühe werth, fünfhundert Meilen zu den Adersbacher Steinen zu reisen, und nennt sie „ein wunderbares Felsenlabyrinth, so weitläufig gewunden, so gegen alle Gesetze der Schwerkraft, so mythisch und über Alles, was er gesehen, phantastisch gestaltet, gleich einem abenteuerlichen Walde, in welchem Felsen die Stelle der Bäume vertreten, oder gleich einer Gnomenstadt, die einst eine dichterische Zauberkraft hervorgerufen.“ - „Und findet man auch anderwärts,“ fährt er fort, „noch größere Felsmassen, so imponiren die Adersbacher doch durch Form, Gruppirung und nicht zu übertreffende Seltsamkeit weit mehr, als ihnen sonst an Volumen wohl zehnmal überlegene. … Die verschiedenen romantischen Gebilde haben sich hier durch eine Revolution geformt, die man sich kaum als absichtslos denken kann. Man wird auf jedem Schritt versucht zu glauben, ein Riesengeschlecht, uns eben so sehr an Größe übertreffend, als der Walfisch die Forelle, habe hier einen Lustgarten von dem einzigen Theil des Naturreiches angelegt, der mit seinem Wuchs in einigem Verhältnis stand...‘ (Gerle, Wolfgang Adolph, ‚Der Reisegefährte in Adersbach‘, 1833)

Je nach dem, wie viel Zeit man sich für die Betrachtung dieses Paradieses nehmen möchte, benötigt man dafür 2-3 Stunden, gerade richtig für eine letzte Unternehmung vor Heimfahrt.

Die GPS-Daten der Wanderung in die Adersbacher Felsenstadt findet man hier.



In den Braunauer Wänden







An der Korona Aussicht





Historische Bilder am verlängerten Kammweg





In den Weckelsdorfer Felsen























 In den Adersbacher Wänden























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