Albert Einstein (1879-1955) wurde unter seinen Zeitgenossen erst so richtig populär als bekannt wurde, daß Arthur Stanley Eddington (1882-1944) bei der totalen Sonnenfinsternis im Jahre 1919 zweifelsfrei nachweisen konnte, daß Sternlicht, welches am Sonnenrand vorbeistreicht, wie bei einer Linse abgelenkt wird und zwar genau in dem Maße, wie er es in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hat. Heute ist dieser Gravitationslinseneffekt ein wichtiges Instrument der extragalaktischen Forschung geworden, da man mit seiner Hilfe extrem weit entfernte Galaxien untersuchen oder die Massen von ganzen Galaxienhaufen (die als Gravitationslinse wirken) bestimmen kann.
5.14 Gravitationslinseneffekt („Einstein-Ring“), verursacht durch eine weit entfernte Galaxie genau in Blickrichtung © STSI
Weniger bekannt ist, daß dieser Effekt natürlich auch bei Sternen wirkt. Man spricht dann von „Gravitational Microlensing“. Immer dann, wenn sich in Sichtlinie ein Stern vor einem anderen vorbeibewegt, bewirkt dessen Schwerkraft eine Krümmung der Lichtstrahlen und man beobachtet auf der Erde einen kurzzeitigen Intensitätsanstieg, der innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen bis hin zu einigen Wochen wieder symmetrisch abfällt. Wenn sich jedoch um den Vordergrundstern weitere Objekte - z.B. Planeten oder Braune Zwergsterne - befinden, kommt es zu einer typischen Deformierung der Lichtkurve in der Form, daß darauf im Idealfall ein kleines, weiteres Maximum asymmetrisch aufgesetzt ist. In den meisten Fällen sind jedoch die beiden Teile der Lichtkurve links und rechts vom Maximum nicht genau spiegelsymmetrisch und verraten dadurch einen Begleiter. Der Vorteil, daß man durch Microlensing Planeten bis hinunter in den Bereich einer Erdmasse detektieren kann, steht der Nachteil der extrem geringen Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines solchen Ereignisses entgegen. Aber auch hier kann man - ähnlich wie bei den Transits - durch die gleichzeitige Überwachung von extrem vielen Sternen in dichten Sternwolken der Milchstraße oder der Magellanschen Wolken die Chancen erhöhen, auf diese Weise Exoplaneten zu finden. Weltweit gibt es in diesem Zusammenhang einige größere Überwachungskampagnen (wie z.B. MACHO (MAssive Compact Halo Objects collaboration), OGLE (Optical Gravitational Lensing Experiment), EROS (Experience pour la Recherche d'Objets sombres)), mit denen man schon erste Erfolge erzielt hat. Leider ist die spätere Verifizierung in der Regel sehr schwierig, da daß der Entdeckung zugrundeliegende Ereignis nur einmal auftritt. Auch andere Verifizierungsmethoden sind schwierig anzuwenden, da die betreffenden Sterne meistens sehr weit entfernt und entsprechend lichtschwach sind (oftmals ist nur das Gravitationslinsenereignis selbst zu sehen). Andererseits unterliegt dieses Verfahren nicht so sehr einem Auswahleffekt wie die Radialgeschwindigkeits- oder Transitmethode, mit denen sich besonders dem Zentralstern nahe umlaufende Planeten der Jupiterklasse nachweisen lassen. Mit Microlensing lassen sich deshalb Planetensysteme, die unserem Sonnensystem ähneln, wahrscheinlich leichter auffinden als mit den anderen, z.Z. verfügbaren Methoden.
5.15 Ein Planet in der Nähe des Sterns, dessen Licht durch die Gravitationswirkung eines Vordergrundsterns symmetrisch verstärkt und wieder abgeschwächt wird, bewirkt einen weiteren, asymmetrischen Helligkeitsanstieg
Etwas Theorie …
Wie bereits erwähnt, wird beim Microlensing die „Raumkrümmung“, die lokal durch Massen verursacht wird, ausgenutzt, um extrasolare Planeten aufzuspüren. Wie man im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie zeigen kann, beobachtet man eine ringförmige Helligkeitsverteilung genau dann, wenn zwei Sterne exakt in der Sichtlinie stehen. Der Radius dieses Ringes (er wird als Winkel gemessen und als Einstein-Ring bezeichnet) hängt von dem Gravitationsradius des als Linse fungierenden Sterns (Schwarzschildradius RS=2GM⁄c² ), von dessen Entfernung zum Beobachter dObs und von der Entfernung des „bedeckten“ Sterns d* ab:
Wie man leicht erkennen kann, ist die Größe des Einsteinringes von der Quadratwurzel der Masse der Gravitationslinse abhängig. Für sehr weit entfernte Objekte mit d*≫dObs kann man den Klammerausdruck offenbar vernachlässigen und schreiben:
Da Mikrolinsenereignisse nur sehr selten auftreten, wird man danach in erster Linie in dichten Sternfeldern im Bulge-Bereich unserer Milchstraße (oder näheren Galaxien wie der Großen Magellanschen Wolke) suchen. Für typische Bulge-Objekte kann man z.B. für dObs~ 4 kpc und d*~ 8 kpc ansetzen. Man erhält in diesem Fall für den Winkel, unter dem der Einstein-Radius erscheint, einen Wert von ca. 0.001 Bogensekunden. Solch ein kleiner Wert ist natürlich mit erdgebundenen Beobachtungsgeräten nicht und mit weltraumgestützten Teleskopen selbst in der Zukunft nur schwer aufzulösen. Was aber relativ leicht zu beobachten ist, ist eine typische Helligkeitsänderung des Hintergrundsterns, sobald das Linsenobjekt von der Erde aus gesehen davor vorbeiwandert. Die maximal erzielte Verstärkung hängt dabei von der Abweichung (gemessen als Winkel ΘA (t) als Funktion der Zeit) des Hintergrundsterns zur Sichtlinie und von der Größe Θ des Einsteinrings ab. Es gilt dann:
Das Mikrolensing kann demnach nur zu einer Aufhellung, niemals aber zu einer Abschwächung des Hintergrundsterns führen. Liegt die Gravitationslinse exakt auf der Sichtlinie, dann ist die Verstärkung rein rechnerisch unendlich groß, was aber praktisch durch die endliche Größe der am Effekt beteiligten Sterne verhindert wird. Deshalb gibt es immer eine genau definierte Maximalhelligkeit, die mehrere Größenklassen über der Helligkeit des Hintergrundsterns liegen kann.
Der Helligkeitszuwachs hält natürlich nur eine gewisse Zeit an, in der die Gravitationslinse den Hintergrundstern von der Erde aus gesehen passiert. Bezeichnet man mit μ die Eigenbewegung der Gravitationslinse, dann ist die typische Zeitskala durch
gegeben. Durch einen Planeten mit der Masse Mpl entsteht dagegen ein „Peak“ mit der typischen Dauer von
Da der Einstein-Ring eines Planeten und damit auch die typische Zeitskala für das Verstärkungsereignis immer kleiner ist als für den Stern allein, wird sich dieser Planet als lokaler schmaler Peak auf den Flanken der Funktion A(u) bemerkbar machen. Ein Beispiel für eine derartig beeinflußte Lichtkurve zeigt folgende Abbildung:
5.16 Lichtkurve des Ereignisses OGLE-2005-BLG-390, aufgenommen am 10. August 2005 mit dem dänischen 1.54 m –Teleskop auf der ESO-Sternwarte in La Silla / Chile. Die Auswertung dieses Mikrogravitationslinsenereignisses ergab, daß der kleine Peak auf der rechten Flanke der Lichtkurve durch einen Planeten von fünffacher Erdmasse hervorgerufen wird, der in etwa 2.6 AU einen roten Zwergstern, der sich ~21000 Lj von der Erde entfernt im Sternbild Schütze befindet, umkreist. (c) ESO
Die Idee für diese Methode stammt im Wesentlichen von Bohdan Paczynski (1940-2007), einem polnischen Astronomen, der bis zu seinem Tod die Lyman Spitzer Jr. –Professur für Theoretische Astrophysik der Universität Princeton innehatte. Den ersten Hinweis auf einen Planeten in der Signatur eines Mikrogravitationslinsenereignisses fand man 2003. Er erhielt den Namen OGLE 2003-BLG-235/MOA 2003-BLG-53Lb. Aus den Meßdaten ermittelte man, daß der Exoplanet etwas mehr als doppelt soviel Masse besitzt wie Jupiter und sich auch in einem ähnlichen Abstand wie Jupiter um die Sonne um seinen relativ massearmen (M*≈0.36 MSonne) Heimatstern bewegt. 2005 sind dann gleich drei weitere Kandidaten im Rahmen der OGLE-Kampagne (Optical Gravitational Lensing Experiment) entdeckt und als Exoplaneten identifiziert worden. Zum Stand 31. Juni 2010 enthält der Exoplanetenkatalog der OGLE-Collaboration 6 Exoplaneten, die sich durch ein Mikrogravitationslinsenereignis und 8, die sich durch einen Transit bemerkbar gemacht haben.
5.17 Mikrogravitationslinse OGLE 2003-BLG-235/MOA 2003-BLG-53Lb an der Position RA = 18:05:16.35 DEC = -28:53:42.0 (J2000.0)
Microlensing Surveys
Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Sterne zu einem gegebenen Zeitpunkt genau in Sichtlinie hintereinander stehen, äußerst gering. Für ein Sternfeld in Richtung des galaktischen Zentrums liegt sie ungefähr bei eins zu einer Million. Das man dabei einen Exoplaneten entdeckt, ist dann natürlich auch nicht gerade sehr wahrscheinlich. Eine Suche nach gravitativen Mikrolinsenereignissen hat offensichtlich nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn man systematisch und großflächig sehr dichte Sternfelder mit vielen Millionen Sternen photometrisch überwacht. Geeignete Gebiete sind dichte Sternwolken in Richtung des Zentrums unserer Milchstraße als auch sternreiche Regionen unserer Nachbargalaxien „Große Magellansche Wolke“ und Andromedanebel.
Ursprünglich zur Suche nach sogenannten „massiven kompakten Haloobjekten“, sogenannten MACHOS, konzipiert (die man als Kandidaten für die sogenannte „Dunkle Materie“ vorgeschlagen hat), konnten Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhundert die ersten Mikrolinsenereignisse detektiert werden. Ein Teil der damals initiierten Suchprogramme wie OGLE wurden daraufhin mit immer ausgefeilter photometrischer Meßtechnik fortgeführt und durch weitere Suchprogramme ergänzt. 2004/2005 gelangen schließlich auch die ersten Nachweise von Exoplaneten.
Gegenwärtig (2010) sind 9 Planetensysteme (davon eines mit zwei Planeten) bekannt, die mit Hilfe der Mikrogravitationslinsenmethode entdeckt wurden. Dabei entfallen 7 auf die OGLE - Collaboration und 5 auf die MOA (Microlensing Observations in Astrophysics) - Collaboration. Um die Entdeckungsrate richtig einschätzen zu können, sei noch erwähnt, daß allein diese beiden Arbeitsgruppe ca. 1000 Mikrolinsenereignisse pro Jahr detektieren.
Ein großer Vorteil dieser Methode gegenüber der Radialgeschwindigkeitsmethode und der Beobachtung von Transits ist, daß man mit ihr auch Planeten mit Massen, die in der Größenordnung von einigen wenigen Erdmasse liegen (sogenannte „Supererden“), auffinden kann. Ein Beispiel ist der Exoplanet MOA-2007-BLG-192-Lb, der ungefähr eine Masse von drei Erdmassen besitzt und in einer Entfernung von ~0.62 AU einen 3000 Lichtjahre entfernten Braunen Zwergstern im Sternbild Schütze umkreist. Er wurde am 24. Mai 2007 im Rahmen des MOA-II Mikrolinsensurveys am Mount John University Observatory (MJUO) auf Neuseeland entdeckt und ist einer der masseärmsten Exoplaneten, die bis heute aufgefunden wurden (D.B.Bennet et.al. 2008).
Porträt BOHDAN PACZYNSKI
(* 1940 Vilnius
† 2007 Princeton)
Bohdan Paczynski war ein in den USA tätiger polnischer Astrophysiker, der sich insbesondere mit Gravi-tationslinseneffekte, extragalaktische Astronomie (Dunkle Materie, Gammastrahlungsausbrüche) und mit bestimmten Typen veränderlicher Sterne beschäftigt hat. Nach seinem Studium und Promotion an der Warschauer Staatuniversität wurde er bereits wenige Jahre später jüngstes Mitglied der polnischen Akademie der Wissenschaften. 1981 siedelte er in die USA über, wo er die Lyman Spitzer Jr.-Professur für theoretische Astrophysik an der Universität Princeton übernahm, die er bis zu seinem Tod im Jahre 2007 inne hatte.
Paczynski gilt als der Initiator der Gravitationslinsenforschung, deren theoretische Grundlagen er mit erarbeitete und der auch die ersten Suchprogramme, insbesondere nach Microlensing-Ereignissen, die durch Machos (Massive Astrophysical Compact Halo Objects) und Exoplaneten verursacht werden, begründete. Außerdem war er ein wesentlicher Ideengeber für die Lösung des Rätsels der extrem starken Gammastrahlungsbursts, die seit den 80ziger Jahren die Astrophysiker weltweit beschäftigen
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