Mit Stand vom 12. Juli 2010 waren unter Berücksichtigung aller Exoplanetenkandidaten insgesamt 464 Exoplaneten in 396 extrasolaren Planetensystemen bekannt (Schneider, 2010). Bei 45 Exoplanetensysteme konnten sogar zwei bis fünf Planeten (z.B. 55 Cancri) festgestellt werden und die Tendenz, weitere Mehrfachsysteme zu finden, hält mit der meßtechnisch immer raffinierteren Beobachtung bereits bekannter sowie neuer Systeme an.
Bereits die genannten Zahlen bilden eine gute statistische Basis für umfangreichere Untersuchungen, aus denen sich wertvolle Informationen über die Häufigkeit von extrasolaren Planetensystemen in bezug auf die Population ihrer Muttersterne, über deren Entstehung und über die zeitliche Entwicklung ihrer Bahnen (Migration) ableiten lassen. Außerdem liefern sie die Datengrundlage für eine physikalische Klassifizierung, da dafür die Beispiele aus unserem Sonnensystem offensichtlich nicht ausreichen.
Während man noch vor einem Jahrzehnt nur rudimentäre Vorstellungen über die Häufigkeit extrasolarer Planetensy-steme hatte, so hat sich das zu Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhundert weitgehend geändert. Die Ursache ist in erster Linie in der technologischen Entwicklung der in diesem Buch bereits behandelten Beobachtungsverfahren und zum anderen in dem hohen Stellenwert, den die Exoplanetenforschung auch unter Nichtastronomen geniest, zu suchen.
5.33 Planetenentdeckungen zwischen 1989 und März 2010. Die unterschiedlichen Farben geben die Entdeckungsmethoden an. Hellgrün bedeutet Timing, Gelb Radialgeschwindigkeitsmehode, Violett Transit, Hellblau Microlensing und Blau direkte Abbildung.
Da allein schon die jetzt vorliegende Stichprobe zeigt, daß Planeten um Sterne kein seltenes Phänomen sind und immer mehr Forschergruppen mit immer besserem Equipment in der Exoplanetenforschung involviert sind, wird der Trend, daß jedes Jahr eine Vielzahl neuer Exoplanetenkandidaten entdeckt werden, weiterhin anhalten. Auch werden dann, so hofft man, verstärkt auch Planeten mit Massen unterhalb der Masse der Gasplaneten des Sonnensystems in den Exoplanetenlisten auftauchen. Immerhin konnten bereits einige sogenannte „Supererden“ (20 Exoplaneten nach Stand Juli 2010) identifiziert werden, wobei die Einordnung bei einigen von ihnen jedoch noch umstritten ist. Das liegt an der schwierigen Bestimmung ihrer physikalischen Parameter, die nahe an der Grenze der heute verfügbaren Meßmethoden liegen.
An dieser Stelle soll bereits auf ein erstes Problem der Exoplanetenforschung hingewiesen werden. Sie unterliegt einem Auswahleffekt derart, daß mit den gängigen Methoden (Radialgeschwindigkeit, Transits) in erster Linie massereiche bzw. sehr große Exoplaneten auf sternnahen Bahnen entdeckt werden, während „kleinere“ Exemplare oder Exoplaneten mit großen Umlaufszeiten nur sehr schwer zu entdecken sind. Am offensichtlichsten ist das bei der Transit-Methode zu erkennen. Allein schon die Bedingung, daß mindestens drei Transits zum Nachweis eines Exoplaneten notwendig sind, läßt derzeit alle Exoplaneten mit Umlaufszeiten von mehreren Jahren quasi aus dem Entdeckungsraster fallen.
Entdeckungswahrscheinlichkeiten
Um Planeten mittels der Transitmethode auffinden zu können, müssen über längere Zeit viele Hunderttausend Sterne mit hoher photometrischer Genauigkeit ununterbrochen beobachtet werden. Da stellt sich schon die Frage, wie hoch dann die Wahrscheinlichkeit ist, auf diese Weise Exoplaneten aufzufinden. Offensichtlich hängt diese Zahl von einigen Parametern ab, die einmal astronomisch bedingt sind (z.B. die Wahrscheinlichkeit, daß ein Stern überhaupt ein Planetensystem besitzt) und zum anderen von dem verwendeten Meßverfahren (z.B. Signal-Rauschverhältnis der gemessenen Lichtkurven) abhängen. Sie sollen im Folgenden diskutiert werden.
Bruchteil der Sterne in der Milchstraße, die überhaupt ein Planetensystem besitzen fPl
Diese Zahl ist weitgehend unbekannt und kann auch heute nur relativ grob abgeschätzt werden. Diese Abschätzung beruht zum Teil auf der bereits vorliegenden Stichprobe von Exoplaneten, wobei betont werden muß, daß sie im Wesentlichen nur den massereichen Teil der planetaren Masseverteilungsfunktion abdeckt („jupiterartige Planeten“). Während Radialgeschwindigkeitsmessungen prinzipbedingt nur eine untere Grenzmasse m sin i (5.22) ermitteln kann (wobei i aus geometrischen Gründen in 87% der Fälle zwischen 30° und 90° liegt), ist das bei der Transitmethode anders. Nur hier werden wiederum Exoplaneten bevorzugt entdeckt, die sehr kurze Umlaufperioden um ihren Mutterstern besitzen (Tage und Wochen), was bedeutet, daß aufgrund dieses Auswahleffekt nur Exoplaneten entdeckt werden, die auf sehr nahen Bahnen ihren Mutterstern umkreisen. Planeten von der Art, wie sie unser Sonnensystem beherbergt, sind auch mit den gegenwärtig verfügbaren Methoden (Ausnahme die großen Gasplaneten Jupiter und Saturn) selbst bei relativ nahen Sternen nicht oder nur relativ schwer aufzufinden. Man kann aber unter Verwendung plausibler Annahmen aus den vorliegenden Daten versuchen, Trends in Richtung geringerer Planetenmassen aufzufinden, zu quantifizieren und daraus Rückschlüsse auf die Häufigkeit extrasolarer Planetensysteme zu ziehen. Das ist in der Literatur vermehrt versucht worden (z.B. A.Cumming et.al. 2008). Ein ungefährer Richtwert, der mit der Zahl der beobachteten Exoplaneten nicht in Widerspruch steht, ist, daß rund 1% aller sonnenähnlichen Einzelsterne (d.h. Hauptreihensterne der Spektraltypen F bis K) mindestens einen Begleiter vom Typ „hot jupiter“ besitzen. Rund 4% aller sonnenähnlichen Sterne sollten mindestens einen Planeten besitzen, deren Masse zwischen dem dreißigfachen der Erdmasse und ungefähr einer Jupitermasse liegt und der seinen Mutterstern in weniger als 100 Tage umläuft. Wie viele Sterne massearme Planeten besitzen, ist nur sehr schwer zu sagen. Eine als realistisch angesehene Schätzung geht davon aus, daß ~40% der sonnenähnlichen Sterne derartige „erdartige“ Planeten in ihren Planetensystemen enthalten könnten. Diese Abschätzung beruht u.a. auf der Annahme, daß bei der Sternentstehung aus verdichteten interstellaren Gas- und Staubwolken häufig auch größere planetare Körper mit entstehen. Auch spielt hier die Frage nach der Langzeitstabilität von Planetenbahnen eine Rolle und die Frage, unter welchen Bedingungen Doppel- und Mehrfachsterne langzeitstabile Planetenbahnen ermöglichen können.
Für sonnenähnliche Einzelsterne ergibt sich für fp ein Schätzwert von 0.4 und für die gesamte Sternpopulation der Milchstraße von ~0. 1. Diese Wahrscheinlichkeiten sind immer noch sehr unsicher und können deshalb höchstens als Richtwerte dienen. Auf jeden Fall zeigen sie aber, daß Planetensysteme ein gewöhnliches Phänomen in unserer Galaxie sind.
Planetensysteme und Metallizität der Muttersterne
Bei der spektroskopischen Untersuchung der Muttersterne von Exoplaneten ist aufgefallen, daß es sich dabei überwiegend um Sterne hoher Metallizität (Metallhäufigkeit) handelt. Dabei versteht man unter Metallizität die Häufigkeit von Elementen schwerer als Helium (d.h. Z>2) in Bezug auf Wasserstoff (Z=1) in den Sternatmosphären, die sich mit Hilfe der quantitativen Spektralanalyse bestimmen läßt und gewöhnlich auf die Sonne bezogen wird:
Das chemische Symbol für „Eisen“ Fe wird dabei als Abkürzung für den astronomischen Begriff für „Metalle“ verwendet. Ein Stern, der ein gleiches Fe/H-Verhältnis wie die Sonne besitzt, hat also eine Metallizität von 0. Ein Stern, der doppelt so viele „Metalle“ pro Wasserstoff verglichen mit der Sonnt enthält, hat eine Metallizität von lg(2.0)=0.3. Ein Wert von [Fe⁄H]=0.3 steht also für einen Stern mit der doppelten Metallizität der Sonne und es hat sich gezeigt. daß mindestens 25% davon ein Planetensystem besitzen. Dagegen konnte man nur bei weniger als 5% der Sterne mit solarer Metallhäufigkeit ([Fe⁄H]=0) Planeten nachweisen.
5.34 Prozentualer Anteil der Sterne mit Exoplaneten als Funktion der Metallizität. Die gestrichelte Linie gibt das Ergebnis für 1000 Sterne des CORALIE Surveys for Southern-Extra-Solar-Planets und die durchgezogene Linie das Ergebnis der Lick-Keck-Durchmusterung (1040 Sterne) an. © Fischer, Valenti 2005)
Eine genaue Analyse von Exoplaneten der Klasse „hot jupiter“, die auf engen Bahnen ihren Mutterstern umlaufen, ergab für eine Stichprobe aus knapp 1000 Sternen eine Wahrscheinlichkeit für ihr Auftreten von
die nur von der Metallizität des Muttersterns abhängt. Diese Beziehung kann ausgenutzt werden, um am Himmel Sternfelder zu bestimmen, die reich an Hauptreihensternen hoher Metallizität sind und die sich damit besonders gut für Exoplanetensurveys nach der Transit-Methode eignen. Natürlich kann man nicht jeden Stern spektroskopieren, um dessen Fe/H-Verhältnis zu bestimmen. Man kann das aber für eine größere Anzahl ausgewählter Sterne machen und über Korrelationsanalysen Beziehungen zwischen anderweitig möglichst leicht zu bestimmenden Parametern herstellen. Es zeigt sich dabei, daß die Metallizität aus dem (B-V)-Farbenindex eines Sterns bestimmbar ist (B=Blauhelligkeit und V= visuelle Helligkeit nach Johnson). Und dieser Farbenindex ist z.B. für über eine Million Sterne im Tycho-Katalog mit hoher Genauigkeit enthalten. Nach Nuno C. Santos et.al. (2004) gilt nun folgende empirisch gefundene Formel:
Man kann sie verwenden, um für die im Katalog enthaltenen Hauptreihensterne die Metallizität zu bestimmen und darüber, entsprechend (5.46) die Wahrscheinlichkeit berechnen, daß diese Sterne „hot jupiters“ besitzen. Berücksichtigt man noch die geometrische Wahrscheinlichkeit dafür, daß überhaupt ein Transit vorkommt (siehe folgenden Abschnitt) sowie den Umstand, daß mindestens drei Transits zur Identifizierung eines Exoplaneten notwendig sind (Beobachtungszeitfenster), dann läßt sich für jede Stelle am Himmel für einen Bereich, den das Überwachungsteleskop erfaßt, ein Erwartungswert berechnen der aussagt, wie viele Exoplanetennachweise während der Beobachtungskampagne theoretisch zu erwarten sind. Stellt man diesen Erwartungswert graphisch als Himmelskarte dar, dann kann man leicht die Gebiete der Milchstraße identifizieren, wo sich eine Exoplanetensuche ganz besonders lohnen sollte.
5.35 Himmelskarte der Erwartungswerte für Transitereignisse, verursacht von „hot jupiters“ mit Umlaufsperioden zwischen 1.5 und 50 Tagen. Die Datengrundlage für diese graphische Darstellung bildeten 392000 Sterne aus dem Tycho-Katalog. Die Positionen bereits entdeckter Exoplaneten (Stand 2009) sind durch Rauten und Dreiecke dargestellt. © R.Heller et.al. 2009
Wahrscheinlichkeit Pgeom dafür, daß von der Erde aus gesehen ein Transit erfolgt
Ob von der Erde aus gesehen ein Transit eintritt oder nicht, ist ein rein geometrisches Problem. Dabei wird stillschweigend davon ausgegangen, daß die Bahnlagen der Exoplaneten in Bezug auf die Blickrichtung (ausgedrückt durch die Bahnneigung i) im Wesentlichen gleichverteilt sind. In diesem Fall läßt sich die geometrische Wahrscheinlichkeit, daß ein Transit stattfindet, mit (5.25) abschätzen:
Berücksichtigt man dabei noch die Größe des Exoplaneten RPl, dann ergibt sich für die geometrische Wahrscheinlichkeit Pgeom für das Zustandekommen eines Transits folgende zugeschnittene Gleichung:
Da die große Bahnhalbachse a über das dritte Keplersche Gesetz mit der Umlaufperiode verbunden ist (I/3.55 )
sagt (5.48) aus, daß die Entdeckungswahrscheinlichkeit mit größer werdender Umlaufperiode T schnell abnimmt (für M*≈MS, R*≈RS und RPl≪R*):
5.36 Geometrische Entdeckungswahrscheinlichkeit (in %) für einen Exoplaneten vom Typ „hot jupiters“ in einem System, dessen Hauptsternparameter (Masse, Radius) dem der Sonne entsprechen. Mit größer werdender Umlaufperiode nimmt die Wahrscheinlichkeit, daß sich solch ein Planet in einer Transitlichtkurve bemerkbar macht, schnell ab.
Das hat für die praktische Realisierung von Beobachtungskampagnen die Konsequent, daß mit der Transit-Methode im Wesentlichen nur ausgesprochen große Planeten auf sternnahen Bahnen entdeckt werden und daß dafür eine sehr große Zahl an Sternen mit Zeitskalen von Wochen und Monaten ununterbrochen zu überwachen ist. Die Entdeckung erdartiger Planeten in habitablen Zonen um normale Hauptreihensterne ist jedenfalls mit der Transitmethode allein ein schwieriges Unterfangen, da sie einmal Beobachtungskampagnen über mehrere Jahre erfordern und zum anderen die geringe Lichtabschwächung des Hauptsterns (Bruchteile eines Prozents) die heute verfügbaren photometrischen Methoden überfordern - von anderen Einflußfaktoren (Sternaktivität) ganz zu schweigen.
Photometrische Genauigkeit, S/R (Signal-Rausch) -Verhältnis
Damit in einer Lichtkurve der Transit eines Exoplaneten sichtbar wird, muß sich die dadurch bedingte Abschwächung im Strahlungsfluß des Muttersterns (Hauptminimum) deutlich von dessen ungestörten Strahlungsfluß abheben. Bei erdgestützten Beobachtungskampagnen lassen sich z.B. noch Hauptminima mit einer Einsenkung von ~1% der Sternhelligkeit nachweisen. Diese Begrenzung wird durch das Signal-Rausch-Verhältnis ausgedrückt, welches bekanntlich die „Qualität“ des Nutzsignals in Bezug auf das „Rauschsignal“, welches das Nutzsignal stochastisch überlagert, angibt.
5.37 „Verrauschte“ Lichtkurve des Hauptminimums des Exoplaneten WASP-2. Er hat etwa die Größe und Masse von Jupiter und umkreist in etwas mehr als zwei Tagen einen 470 Lichtjahre entfernten K-Zwergstern. © Observatoire de Geneve
Begrenzt wird die maximal erreichbare photometrische Genauigkeit durch eine Vielzahl von „Rauschquellen“. Einige davon sind durch die verwendeten Photometer selbst bedingt. Dazu gehört das thermische Rauschen elektronischer Bauelemente in der Meßstrecke (durch Kühlung beherrschbar) sowie der Unterschied in der Empfindlichkeit verschiedener Pixel in der CCD-Matrix (durch Dunkelbildkorrektur beherrschbar). Andere hängen vom Teleskop und vom Lichtweg durch die Erdatmosphäre ab, wie das z.B. bei der Szintillation der Fall ist. Hier sind große Öffnungen klar von Vorteil, da sie eine Vielzahl von Turbulenzzellen in der Erdatmosphäre überdecken und so eine natürliche Mittelung des Nutzsignals ermöglichen. Einflußparameter sind in diesem Fall in erster Linie der Standort (Luftruhe, Himmelshintergrund) sowie die für Einzelmessungen verfügbare Integrationszeit.
Und zum Abschluß soll noch auf die von den Witterungsverhältnissen abhängige zeitliche und räumliche Änderung der atmosphärischen Transparenz hingewiesen werden, die u. U. bei der Datenreduktion zu berücksichtigen ist. Sie läßt sich durch relative Photometrie (d.h. durch Differenzmessung zu Vergleichssternen im selben Sternfeld) beherrschen.
Das S/N-Verhältnis läßt sich offensichtlich entscheidend verbessern, wenn man die Fehlerquelle „Erdatmosphäre“ ausschaltet und entsprechende Messungen von speziellen Weltraumobservatorien (z.B. Hubble-Teleskop, COROT) durchführen läßt.
Für die Abschätzung der Entdeckungswahrscheinlichkeit ist der Anteil N(S⁄N) der Verdachtssterne mit einem zur Entscheidung (Exoplanet ja oder nein) ausreichenden S/N-Verhältnis von Bedeutung. Für erdgestützte Beobachtungsprogramme wie z.B. SuperWASP ist 50% ein durchaus realistischer Wert.
Anzahl beobachteter Transitminima während einer Beobachtungskampagne
Die Transitperiode läßt sich nur zweifelsfrei bestimmen, wenn wenigstens drei eindeutige Minima beobachtet werden. Das bedeutet, daß die Beobachtungskampagne mindestens einen Zeitraum von drei Umlaufperioden umfassen muß, um aus den registrierten Lichtkurven auf die Existenz eines Exoplaneten schließen zu können. Bei Weltraumobservatorien und günstig gelegenen Sternfeldern (z.B. im Bereich der Pole der Ekliptik) lassen sich relativ leicht über Monate hinweg kontinuierliche Beobachtungsreihen realisieren. Bei erdgestützten Beobachtungen unterbricht der natürliche Tag-Nachtwechsel kontinuierlich und die Wetterverhältnisse am Beobachtungsort diskontinuierlich die Messungen. Um dieser Erscheinung Rechnung zu tragen, führt man das Verhältnis
ein. Diese Größe wird als Auslastungsgrad (duty cycle) bezeichnet, wobei ttarget die gesamte Meßzeit des Zielsternfeldes und tbeob der Zeitraum zwischen der ersten und letzten Messung darstellt. Weltraumobservatorien erreichen demnach einen Auslastungsgrad (idealerweise) von 100% während irdische Beobachtungsprogramme, die sehr oft nur ein halbes Jahr dauern, nur Werte zwischen 30% und maximal 50% erreichen.
Anteil geeigneter Hauptreihensterne im Sternfeld
Wie bereits bei der Diskussion der erstaunlichen Korrelation zwischen Metallizität eines Sterns und der Präsenz eines Exoplanetensystems um ihn herum hingewiesen wurde, hat die geeignete Auswahl eines Sternfeldes einen großen Einfluß auf die Zahl der möglicherweise darin zu entdeckenden Exoplaneten. Solch ein Sternfeld sollte deshalb u.a. folgende Kriterien unterliegen (H.Rauer, A.Erikson, 2008):
- Die Sterndichte (Anzahl Sterne pro Flächeneinheit) sollte dem Auflösungsvermögen des verwendeten Teleskops derart angepaßt sein, so daß es möglichst zu keinen Überlappungen der Einzelsterne kommt (dabei ist ein eventuelles afokales Arbeiten zur Verbesserung der Photometriegenauigkeit zu berücksichtigen).
- Das Sternfeld sollte möglichst viele metallreiche Hauptreihensterne in einem Durchmesserbereich aufweisen, die ein zur Detektierung ausreichendes Primärminimum in der Bedeckungslichtkurve erwarten lassen.
Diese beiden Kriterien sind besonders für Gebiete leicht abseits der galaktischen Ebene unseres Milchstraßensystems gegeben. Dort erreicht der Anteil NHR der geeigneten Hauptreihensterne der Spektraltypen F bis K ungefähr 50%, weshalb sie bevorzugt für Exoplanetensurveys verwendet werden.
Theoretische Anzahl von entdeckbaren Transient-Planeten in einem geeigneten Sternfeld
Faßt man alle besprochenen Terme zusammen, dann erhält man für die theoretisch zu erwartende Zahl von Exoplaneten des Typs „hot jupiters“ in einem Sternfeld von n* Sternen folgende Anzahl:
Eine grobe Abschätzung der einzelnen Faktoren dieser Gleichung läßt ungefähr 10 Exoplaneten auf 100000 bodengestützt überwachte Sterne erwarten. In der Realität ist die Anzahl der wirklich entdeckten Exoplaneten nach der Transitmethode nochmals um eins bis zwei Größenordnungen kleiner was zeigt, daß einige Faktoren in (5.50) noch mit größeren Unsicherheiten belastet sind. Im Fall weltraumgestützter Surveys zeigen die ersten Ergebnisse des Weltraumteleskops Kepler, daß die Anzahl von detektierten Exoplaneten ungefähr eine Größenordnung über dieser Schätzung liegt. So konnten bereits während der ersten 50 Tage dauernde Meßkampagne (rund 156000 Sternen) 700 Exoplanetenkandidaten (d.h. bei ihnen wurde mindestens ein Transit beobachtet) erfaßt werden, die nun noch im Einzelnen durch Radialgeschwindigkeitsmessungen verifiziert werden müssen. Von diesen „Kandidaten“ könnten am Ende vielleicht 200 bis 300 „echte“ Exoplaneten übrigbleiben. Schon dieses Ergebnis zeigt die methodischen Vorteile einer weltraumgestützten Exoplanetensuche auf und läßt auf spannende Zeiten in der Exoplanetenforschung hoffen.
Die Entdeckungswahrscheinlichkeiten bei anderen Methoden der Exoplanetensuche unterscheiden sich natürlich prinzipbedingt von der hier diskutierten. Bei der Radialgeschwindigkeitsmethode wird die Meßgrenze z.B. durch die geringste, spektroskopisch noch meßbare Radialgeschwindigkeit bestimmt. Sie liegt gegenwärtig ungefähr bei 1 m/s. Außerdem erfordert diese Methode ausgedehnte Meßkampagnen an Einzelsternen, weshalb sie besonders zur Durchmusterung sonnennaher Sterne sowie zur Bestätigung von Exoplanetenkandidaten geeignet ist.
5.38 Theoretische Empfindlichkeitsbereiche für verschiedene Methoden der Exoplanetensuche (Stand 2004, z.T. extrapoliert bis 2015). Die blauen Punkte stellen durch Radialgeschwindigkeitsmessungen entdeckte Exoplaneten, die roten Punkte durch die Transitmethode aufgefundene Exoplaneten und die gelben Punkte Exoplaneten dar, die sich durch Microlensing-Ereignisse bemerkbar gemacht haben. Die Planeten unseres Sonnensystems sind als blaue Kreise mit deren Anfangsbuchstaben im Diagramm enthalten. Das grüne Band gibt die Lage der sogenannten habitablen Zone an. © Lawson, Unwin, Beichmann 2004
Physikalische Parameter
Transitbeobachtungen, ergänzt durch Radialgeschwindigkeitsmessungen und spektralphotometrische Untersuchungen erlauben relativ genaue Bestimmungen der Parameter Durchmesser und Masse eines Exoplaneten (bzw. Mpl sin i bei reinen Radialgeschwindigkeitsmessungen), woraus man als weiterer Parameter leicht die mittlere Dichte berechnen kann. Letztere Größe ermöglicht die planetologisch sehr wichtige Unterscheidung in Gasplaneten und Gesteinsplaneten und ist damit ein wichtiges Klassifizierungsmerkmal für extrasolare Planeten.
Darüber hinaus konnten für eine Anzahl von Exoplaneten auch deren Temperatur und in Einzelfällen sogar chemische Marker in deren Atmosphären nachgewiesen werden. Zusammen mit ihren Bahndaten sowie mit Hilfe theoretischer Betrachtungen ließen sich auf diese Weise schon durchaus recht realistische Vorstellungen über die Natur dieser fremden Welten entwickeln.
Massen der Exoplaneten
Ein wichtiger statistischer Parameter ist die Massefunktion der Exoplaneten, d.h. der funktionale Zusammenhang, der ausdrückt, wie häufig Planeten verschiedener Massen im Kosmos vorkommen. Dabei müssen Teile der aus Beobachtungen abgeleiteten Massefunktion nicht unbedingt mit der wahren Massefunktion übereinstimmen, da bei der „beobachteten“ Massefunktion Auswahleffekte, die bereits bei der Behandlung der Entdeckungswahrscheinlichkeiten diskutiert wurden, eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Insbesondere der Teil, welcher Planeten mit Massen unterhalb der Jupitermasse repräsentiert, ist aus bekannten Gründen beobachterisch noch relativ wenig bekannt. Der Bereich der massereichen Exoplaneten, der bei etwa einer Jupitermasse beginnt und sich bis zur Grenzmasse der Braunen Zwergsterne (ca. 13 MJ) fortsetzt, ist dagegen mittlerweile durch genügend viele Objekte belegt, so daß statistische Untersuchungen bereits jetzt wichtige kosmogonisch relevante Ergebnisse liefern. Hier sei nur auf das Problem der Migration der Planetenbahnen während der Relaxationsgeschichte eines Planetensystems hingewiesen.
5.39 Massefunktion aller bis 2010 entdeckter Exoplaneten, deren Mindestmasse Mpl sin i bekannt ist (369) © exoplanets.org
Bahnparameter
Die Bahnen von Exoplaneten lassen sich bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht direkt beobachten. Man ist aber trotzdem in der Lage, durch genaue Analyse der Radialgeschwindigkeitskurven, eventuell in Kombination mit der Analyse von Transitlichtkurven, deren wichtigsten Parameter (Umlaufszeit T, große Bahnhalbachse a, Exzentrizität e, Zeitpunkt eines Periastrondurchgangs tperi und bei Transits die Bahnneigung i zur Sichtlinie) zu bestimmen. Aufgrund der Sensitivität der Entdeckungs- und Beobachtungsmethoden ist natürlich auch hier ein Auswahleffekt zu erkennen, der besonders massereiche Exoplaneten auf sternnahen Bahnen überrepräsentiert.
5.40 Verteilungsfunktion der großen Bahnhalbachsen aller bis 2010 entdeckten Exoplaneten. © exoplanets.org
5.41 In dieser Darstellung ist die Masse der Exoplaneten über die große Halbachse ihrer Bahn aufgetragen. Man erkennt deutlich, daß massearme Planeten aufgrund ihrer geringeren Entdeckungswahrscheinlichkeit unterrepräsentiert sind. Im linken oberen Bereich befindet sich die Region der „hot jupiters“, einer Klasse massereicher Gasplaneten, die in unmittelbarer Nähe zu ihrem Mutterstern ihre Bahn ziehen und dabei extrem aufgeheizt werden. Die Position der Erde (~0.003 MJ bei a= 1 AU) liegt außerhalb des Parameterbereichs dieses Diagramms in einem Gebiet, welches gegenwärtig (2010) beobachtungstechnisch noch nicht erreichbar ist. © exoplanets.org
Korrelationen
Eine der ersten größeren Überraschungen in der kurzen Geschichte der Exoplanetenastronomie war, daß extrasolare Planetensysteme von ihrem Aufbau her (Bahnlagen, Konzentration massereicher Objekte sehr nahe am Mutterstern) meist nur wenige Ähnlichkeiten mit unserem Sonnensystem aufweisen. Dieser Umstand (der auch einem Auswahleffekt geschuldet ist) hat u.a. dazu geführt, die speziell für das Sonnensystem entwickelten Entstehungsszenarien der Planeten aus einer protostellaren Gas- und Staubscheibe neu zu überdenken. Während man früher gute Gründe dafür anzugeben wußte, daß Gasplaneten der Jupiterklasse immer im äußeren, kühlen Bereich einer Gasscheibe entstehen und dort auch verbleiben, war man jetzt auf einmal mit einer völlig neuen und unerwarteten Gruppe von Exoplaneten konfrontiert, die man als „hot jupiters“ bezeichnet. Sie konzentrieren sich zusammen mit einer Anzahl „jupiterähnlicher“ Exoplaneten in einen Abstandsbereich unterhalb von ~ 1/10 AU um ihren Mutterplaneten - einem Umstand, den es zu erklären gilt. In dieser Beziehung sind deshalb nicht nur die Einzelfälle an sich interessant, sondern auch, ob bei der Vielzahl der mittlerweile beobachteten Objekte statistisch relevante Gemeinsamkeiten existieren, die auf die Ursache dieser Konzentration hinweisen. Beispielsweise gilt es die Frage zu klären, ob die Mitglieder dieser spezielle Gruppe von Planeten bereits in unmittelbarer Nähe zu ihrem Mutterstern entstanden sind oder ob es Prozesse gegeben hat (z.B. in Form von Wechselwirkungen mit dem Restgas der protoplanetaren Scheibe), die dazu führten, daß sie erst später in diese sternnahen Bahnen gelangten, also quasi migriert sind. In diesem Zusammenhang sind statistisch signifikante Korrelationen zwischen Bahnparametern (die z.B. Resonanz- und Entwicklungseffekte aufzeigen) und Bahnparametern sowie Planetenmassen, aber auch Korrelationen in Bezug auf die Eigenschaften des Muttersterns oder der Präsenz einer rezenten Gas- und Staubscheibe von Bedeutung. Da sich die Gruppe der „hot jupiters“ sehr gut eingrenzen läßt und auch schon genügend viele von Ihnen entdeckt wurden (~70, Stand 2010), sind sie ein guter Ausgangspunkt für die Überprüfung kosmogonischer Theorien. Auch bilden sie die empirische Basis für Untersuchungen, wie sich Planetensysteme als komplexe dynamische Systeme im Laufe der Zeit verändern, sich stabilisieren und welchen Einfluß diese Prozesse auf die Existenz lebenstragender Planeten hat.
Weiterhin sind Korrelationen wichtig um Trends aufzuzeigen. Insbesondere sind Interpolationen in Parameterbereiche interessant, die durch Beobachtungen noch nicht oder nur schwach abgedeckt sind. Das betrifft aus verständlichen Gründen insbesondere die Gruppe der erdähnlichen Planeten und darunter wieder die Untergruppe, deren Bahnen sich innerhalb der habitablen Zone ihres Muttersterns befinden.
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